Schweiz: FOCUS gewinnt gegen publifocus

Gericht

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum


Art der Entscheidung

Entscheid


Datum

25. 02. 2004


Aktenzeichen

Widerspruchsverfahren Nr. 6075


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Marken „publifocus“ und „FOCUS“ sind mittelbar verwechslungsfähig.

  2. Weil die angegriffene Marke „publifocus“ in ihrem prägenden Bestandteil „focus“ mit der Widerspruchsmarke „FOCUS“ übereinstimmt, wird der Verkehr vermuten, hinter diesen Zeichen stehen verschiedene Produktlinien des gleichen Unternehmens oder wirtschaftlich miteinander verbundene Betriebe.

  3. „Manifestation“ ist ein Oberbegriff zu „colloque“. Folglich umfasst die Formulierung der Widerspruchsmarke „organisation de manifestations du genre culturel et politique” die beanspruchte Dienstleistung der angefochtenen Marke „conduite de colleques permettant aux citoyens de dialoguer sur un thèmepolitique relatif à la science et à la technologie”.

  4. Nach Art. 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland vom 13.04.1892 greift der Nichtbenutzungseinwand, der in einem markenrechtlichen Verfahren in dem einen Land erhoben wird, nicht durch, wenn die Marke jedenfalls in dem jeweils anderen Land verwendet wurde.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die angefochtene schweizerische Marke Nr. 502 343 "publifocus" wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) Nr. 171 vom 5. September 2002 veröffentlicht. Sie ist für folgende Dienstleistungen eingetragen:

41 Organisation et conduite de colloques permettant aux citoyens de dialoguer sur un thème politique relatif à la science et à la technologie.

2. Am 28. November 2002 erhob die Widersprechende beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (nachfolgend Institut) gestützt auf ihre internationale Registrierung Nr. 663 349 "FOCUS" frist- und formgerecht vollumfänglich Widerspruch. Die Widerspruchsmarke ist u.a. für folgende Dienstleistungen der Klasse 41 eingetragen:

41 ...(...)...; organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique; ...(...).

Die Widersprechende begründet ihr Begehren auf Gutheissung des Widerspruchs im Wesentlichen wie folgt:

Die angefochtene Marke übernehme das Widerspruchszeichen unverändert und ergänze es mit dem Bestandteil "publi", welcher einen direkten Hinweis sowohl auf die Adressaten als auch auf das öffentliche Interesse der Veranstaltung herstelle. Somit sei dieser Zusatz nicht geeignet, den erforderlichen markenrechtlichen Abstand herbeizuführen, zumal die beiden Zeichen Schutz für identische Dienstleistungen beanspruchten. Weiter beruft sie sich auf die in früheren Widerspruchsentscheiden festgestellte "Notorietät" bzw. Bekanntheit der Widerspruchsmarke "FOCUS".

3. In seiner Stellungnahme vom 20. Dezember 2002 machte der Widerspruchsgegner die Nichtgebrauchseinrede der Widerspruchsmarke gemäss Art. 22 Abs. 3 MSchV i.V.m. Art. 12 MSchG geltend. Die eingereichten Unterlagen würden keine rechtsgenügliche Gebrauchsbelege darstellen. Im Übrigen geniesse die Widerspruchsmarke für die Dienstleistungen der Klasse 41 keine Notorietät. Schliesslich sei die Verwechslungsgefahr aufgrund des unterschiedlichen Sinngehaltes ausgeschlossen.

4. Mit Eingabe vom 24. Februar 2003 replizierte die Widersprechende und reichte zur Glaubhaftmachung des Gebrauchs der Widerspruchsmarke in Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 41 weitere Unterlagen ein.

5. Mit Schreiben vom 11. April 2003 konstituierte sich das Büro ... als Vertreter des Widerspruchsgegners. In seiner Duplik vom 15. April 2003 stellte der Widerspruchsgegner fest, dass einzig Unterlagen eingereicht wurden, welche den Gebrauch der Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique belegen sollen. Für die übrigen beanspruchten Dienstleistungen habe die Widersprechende indessen keine Unterlagen eingereicht. Aus den ins Recht gelegten Unterlagen gehe jedoch hervor, dass es sich bei der Veranstaltung "FOCUS Night Cap" um ein rein gesellschaftliches, vergnügliches Treffen handle, welches mit der Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique nichts zu tun habe. Weiter werde das Zeichen "FOCUS" in diesem Zusammenhang von der Widersprechenden als Geschäftsbezeichnung bzw. als Firma und nicht als Kennzeichen für die Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique gebraucht. Es ergebe sich aus den eingereichten Unterlagen einzig, dass "FOCUS" zu einer Vergnügungsparty einlade. Dies sei noch kein rechtserhaltender Gebrauch der Marke "FOCUS" für organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique. Auch würden diese Beilagen den Eindruck vermitteln, es handle sich bei diesen Anlässen um eine persönliche Einladung des Verlegers und des Chefredaktors von "FOCUS". Ein persönlicher Gebrauch gelte erst recht nicht als rechtserhaltend. Somit fehle es an einem funktionsgerechten Gebrauch der Widerspruchsmarke als Marke. Auch spreche gegen den Markengebrauch, dass das Zeichen "FOCUS" immer in Kombination mit anderen Elementen gebraucht werde. Bezüglich der Ernsthaftigkeit des Gebrauches sei festzustellen, dass diese Parties an einem einzigen Abend pro Jahr stattfänden. Diese Einzelaktionen würden dem Erfordernis einer "minimalen Marktbearbeitung" nicht genügen. Mangels rechtserhaltenden Gebrauchs sei auch die behauptete "Notorietät" bzw. Bekanntheit der Marke "FOCUS" nicht zu hören. Schliesslich sei anzumerken, dass sich die beiden Zeichen im Gesamteindruck und im Sinngehalt genügend voneinander unterscheiden würden.

6. Den Parteien wurde am 22. April 2003 der Abschluss des Instruktionsverfahrens mitgeteilt.

7. Nach Instruktionsende reichte die Widersprechende am 12. Mai 2003 und am 11. Juni 2003 zwei weitere Schriften mit Beilagen ein. Gemäss Art. 29 und 31 VwVG wurde die Verfahrensinstruktion vom Institut wieder aufgenommen und dem Widerspruchsgegner eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

8. Innert erstreckter Frist nahm der Widerspruchsgegner am 31. Juli 2003 zu den verspätet eingereichten Unterlagen Stellung. Er stellt zunächst fest, dass diese aus dem Jahre 2003 stammten und sich somit ausserhalb der ausschlaggebenden Periode (1997 - 2002) befänden. Einzig das "FOCUS-Booklet für Lehrerinnnen und Lehrer" sei von 2002 datiert, jedoch würde auch diese Beilage den Gebrauch der Marke "FOCUS" für die hier im Vordergrund stehenden Dienstleistungen der Klasse 41 nicht rechtsgenüglich aufzeigen.


II.

Gemäss Art. 31 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 MSchG kann der Inhaber einer älteren Marke gegen die Eintragung einer neuen Marke Widerspruch erheben. Die Widerspruchsmarke wurde am 23. Mai 1996 international registriert, die angefochtene Marke am 19. April 2002 im Schweizerischen Markenregister hinterlegt. Die Widersprechende ist daher Inhaberin der älteren Marke und gemäss Art. 31 Abs. 1 MSchG zum Widerspruch aktiv legitimiert. Somit ist auf den Widerspruch einzutreten.


III.

Die Behörde nimmt die ihr anerbotenen, zulässigen Beweise ab, wenn diese zur Abklärung des Sachverhaltes tauglich erscheinen (Art. 33 Abs. 1 i.V.m. Art, 12 und Art. 19 VwVG). Sie kann verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, trotz der Verspätung berücksichtigen (Art. 32 Abs. 2 VwVG).

Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ist die Behörde grundsätzlich gehalten, die angebotenen Beweise abzunehmen. Davon darf aber im Sinne einer vorweggenommenen (antizipierten) Beweiswürdigung abgesehen werden, wenn aufgrund bereits abgenommener Beweise der rechtlich erhebliche Sacherhalt für genügend geklärt erachtet wird und ohne Willkür vorweg die Annahme getroffen werden kann, die rechtliche Überzeugung würde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (Alfred KÖLZ / Isabelle HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, N. 111).

Vorliegend hat die Widersprechende bereits mit der Widerspruchseinreichung Belege ins Recht gelegt, die den Gebrauch der Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique anhand der "FOCUS Night Cap"-Veranstaltung glaubhaft darzulegen vermögen (intra Ziffer IV./6. f.).

Nach Instruktionsschluss reichte die Widersprechende am 12. Mai 2003 weitere Unterlagen ein, welche einen allgemeinen Gebrauch der Marke "FOCUS" im Unterrichtsbereich (Klasse 41) glaubhaft machen sollen. Schliesslich wurde am 11. Juni 2003 eine weitere Beilage ins Recht gelegt. Da mittels der mit dem Widerspruch resp. der Replik eingereichten Belege ein Gebrauch des Zeichens für die im vorliegenden Verfahren ausschlaggebende Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel, scientifique, sportif et également politique (Klasse 41) in der Schweiz glaubhaft dargelegt wurde, kann die Frage, ob der Gebrauch der Marke auch für weitere Dienstleistungen der Klasse 41 rechtsgenüglich nachgewiesen werden kann, offen gelassen werden. Die verspätet eingereichten Schriften sind somit nicht zu berücksichtigen.


IV.

Gemäss Art. 12 MSchG kann ein Markeninhaber sein Markenrecht nicht mehr geltend machen, wenn er die Marke innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf der Widerspruchsfrist (oder des Abschlusses eines Widerspruchsverfahrens) nicht gebraucht hat und keine wichtigen Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen. Will sich der Widerspruchsgegner auf den Nichtgebrauch der älteren Marke berufen, hat er dies in der ersten Stellungnahme zum Widerspruch zu tun (Art. 22 Abs. 3 MSchV). Wird der Nichtgebrauch formell korrekt behauptet, hat der Widersprechende den Gebrauch oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen (Art. 32 MSchG). Die Einrede des Nichtgebrauchs kann jedoch erst nach Ende der fünfjährigen Karenzfrist erhoben werden (Lucas DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Markenschutzgesetz, 2. Aufl., Basel 1999, N. 6 zu Art. 32).

Der Beginn der fünfjährigen Karenzfrist hängt bei einer internationalen Registrierung von der Gemeinsamen Ausführungsordnung zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (GAFO; SIR 0.232.112.21) ab. Bei internationalen Registrierungen, die nach der GAFO eingetragen wurden, beginnt die Karenzfrist 1 Jahr nach ihrem "date de notification" zu laufen. Das "date de notification" stellt das Datum dar, an dem die Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle (OMPI) das Registerblatt der nationalen Behörde gesandt hat und ab dem die Frist für das Erlassen der Schutzverweigerung aus absoluten Ausschlussgründen läuft (vgl. Regel 17 i.V.m. Regel 18 Abs. 1 lit. a, iii GAFO). Dieses Datum kann ohne weiteres um mehrere Monate vom eigentlichen Eintragungsdatum im internationalen Register differieren. So auch vorliegend, wo die Widerspruchsmarke am 23. Mai 1996 ins Register eingeschrieben wurde, jedoch erst am 5. Dezember 1996 notifiziert worden ist. Damit begann die Karenzfrist für die Widerspruchsmarke am 5. Dezember 1997 zu laufen und sie endete am 5. Dezember 2002.

2. Der Widerspruchsgegner erhob die Einrede des Nichtgebrauchs für die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen frist- und formgerecht in seiner ersten Stellungnahme vom 20. Dezember 2002. Demnach hat die Widersprechende den markenmässigen Gebrauch der Widerspruchsmarke für die beanspruchten Dienstleistungen im Zeitraum zwischen dem 20. Dezember 1997 und dem 20. Dezember 2002 glaubhaft zu machen (vgl. Entscheid der Rekurskommission für geistiges Eigentum [RKGE] in sic! 2002, 106 - Genesys [fig.] / Genesis [fig]).

3. Darzulegen ist ein ernsthafter Gebrauch der Marke. Dieser ist subjektiv von der Absicht abhängig, jeder beliebigen Nachfrage genügen zu wollen, solange sie nicht die kühnsten Erwartungen übertrifft (DAVID, a.a.O., N. 3 zu Art. 3). Je nach den beanspruchten Waren und Dienstleistungen sind unterschiedliche Anforderungen an den ernsthaften Gebrauch zu stellen. Zur Feststellung dieser Absicht sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ungenügend ist stets ein bloss symbolischer Markengebrauch, der nur inszeniert wird, um den Verlust des Markenschutzes abzuwenden. In zeitlicher Hinsicht stellt eine blosse Einzelaktion keinen ernsthaften Markengebrauch dar. Vom Markeninhaber ist eine wenigstens minimale Marktbearbeitung zu erwarten (Eugen MARBACH, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band III, Kennzeichenrecht, Basel 1996, 173 f.). Es genügt ein ernsthafter Gebrauch in jüngster Zeit; allerdings müssen sich die Gebrauchsbelege auf einen Zeitpunkt vor der Einrede des Nichtgebrauchs beziehen. Schliesslich muss die Marke gemäss Art. 11 Abs. 1 MSchG nicht auf dem Produkt oder der Verpackung selbst erscheinen, sondern es genügt, wenn das Zeichen in funktionellem Zusammenhang mit der beanspruchten Ware oder Dienstleistung verwendet wird. So genügt die Benutzung der Marke auf Prospekten, Preislisten, Rechnungen etc. (MARBACH, a.a.O., 169 f.; DAVID, a.a.O., N. 5 zu Art. 11). Die Vorlage einzelner Belegstücke genügt für eine Glaubhaftmachung des Gebrauchs (MARBACH, a.a.O., 156).

4. Auch kann der Gebrauch der Marke in einer vom Registereintrag abweichenden Form rechtserhaltend sein, solange die Gebrauchsform vom Registereintrag nicht wesentlich abweicht (Art. 11 Abs. 2 MSchG). Im kennzeichnungsmässigen Kern allerdings muss die Marke unverändert benutzt werden, d.h. das markenspezifische Gesamtbild der gebrauchten Marke muss mit demjenigen der registrierten Marke übereinstimmen (Christoph WILLI, MSchG - Kommentar Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N. 51 zu Art. 11; MARBACH, a.a.O., 176 f.). Das blosse Hinzufügen eines grafischen Elements zu einer Wortmarke verändert den Gesamteindruck regelmässig nicht (BGE 96 II 254 f. - Blauer Bock; MARBACH, a.a.O., 177), weshalb der Gebrauch des Wortelements "FOCUS" in grafischer Ausgestaltung ebenfalls als rechtserhaltend anerkannt werden kann.

5. Als Benutzungsnachweis legte die Widersprechende bereits bei der Einreichung des Widerspruches Beilagen ins Recht, welche den Gebrauch der Marke "FOCUS" glaubhaft machen sollen, nämlich diverse Einladungen zur Veranstaltung "FOCUS Night Cap" am Weltwirtschaftforum Davos aus den Jahren 1996 bis 2001.

Folgende Erwägungen ergeben sich aus den eingereichten Belegen: Alle Einladungen zum Anlass (der Jahre 1997 - 2001) beinhalten die kombinierte Marke "FOCUS". Diese genügt der Bedingung, im konkreten Umfeld einen funktionellen Zusammenhang mit der Dienstleistung der Widersprechenden herzustellen. Bei "FOCUS Night Cap" handelt es sich eine Veranstaltung, welche einem spezifischen Rhythmus unterliegt und der Wirtschaftselite einmal pro Jahr einen fröhlichen Treffpunkt mit ernstem Hintergrund bietet. Entgegen der Sicht des Widerspruchsgegners ordnet sich eine solche Veranstaltung ohne weiteres unter den Oberbegriff manifestation du genre culturel [et] politique ein und sogar ein reiner (vergnüglicher) Diskothekenbetrieb würde Verbindungen zu kulturellen Veranstaltungen aufweisen. Daraus folgt, dass die Marke "FOCUS" im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 41 manifestations du genre culturel [et] politique rechtsgenüglich gebraucht wird. Schliesslich ist anzumerken, dass der Gebrauchstatbestand nicht voraussetzt, dass sich ein Produkt (oder eine Dienstleistung) ununterbrochen im Angebot befindet, denn solange die Marke im waren- oder dienstleistungsspezifischen Rhythmus auf dem Markt erscheint, ist dem gesetzlichen Gebrauchserfordernis Genüge getan (dazu MARBACH, a.a.O., 186). Somit kann bei einer regelmässig, einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltung, ohne weiteres von einer ernsthaften Gebrauchsabsicht ausgegangen werden. Folglich zeigen die mit dem Widerspruch eingereichten Belege zur "FOCUS Night Cap" einen ernsthaften Gebrauch des Zeichens "FOCUS" in Verbindung mit der Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel [et] politique (Klasse 41) auf.

6. Weiter wurden am 24. Februar 2003 in der Replik weitere 15 Beilagen eingereicht. Bei diesen Berichtserstattungen handelt es sich um kopierte Artikel aus den Zeitschriften "FORBES", "FOCUS" und "Bunte" bezüglich der stattgefundenen Veranstaltungen. Die ersten beiden Artikel befinden sich schon aufgrund des Erscheinungsdatums (1. März 1994 resp. 12. Februar 1996) ausserhalb des ausschlaggebenden Zeitraumes. Sie bleiben in Folge unberücksichtigt. Die weiteren Artikel datieren jedoch aus den Jahren 1997-2002 und sind somit rechtsgenüglich datiert. Sie untermauern noch die Ernsthaftigkeit der Veranstaltung "FOCUS Night Cap" in Davos und werden ebenfalls berücksichtigt.

7. Die Anforderungen an die Beweisstrenge sind im Widerspruchsverfahren reduziert (WILLI, a.a.O., N. 7 zu Art. 32). Es muss den Zivilgerichten vorbehalten bleiben, zur Frage, ob der geltend gemachte Gebrauch im konkreten Fall als ernsthaft zu werten ist, abschliessend Stellung zu nehmen (RKGE in sic! 2003, 139 - Boss / Boss [fig]). Vorliegend ist der ernsthafte Gebrauch in der Schweiz anhand der vorhandenen Belege zumindest für die beanspruchte Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel [et] politique der Klasse 41 glaubhaft gemacht worden, da glaubhaft machen bedeutet, dass die Widersprechende das Institut zu überzeugen hat, dass sich der Sachverhalt wahrscheinlich so, wie behauptet, zugetragen hat, nicht aber, dass er sich wirklich zugetragen hat (Max KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, 135).


V.

Vom Markenschutz ausgeschlossen sind Zeichen, die einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt (Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG).

2. Die Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken ist nicht aufgrund des abstrakten Zeichenvergleichs, sondern vor dem Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen (BGE 122 III 385 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon). Die Verwechslungsgefahr resultiert dabei aus der Wechselwirkung von Zeichenähnlichkeit und Waren- bzw. Dienstleistungsgleichartigkeit: An die Zeichenverschiedenheit sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je ähnlicher die Waren resp. Dienstleistungen sind und umgekehrt (dazu RKGE in sic! 1997, 296 - Exosurf / Exomuc; BGE in sic! 2001, 408 - Jaguar / Jaguar; DAVID, a.a.O., N. 8 zu Art. 3).

3. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die in Betracht zu ziehenden Verbraucherkreise und insbesondere die Letztabnehmer auf den Gedanken kommen können, die unter Verwendung ähnlicher oder identischer Marken angepriesenen Waren oder Dienstleistungen würden angesichts ihrer üblichen Herstellungs- und Vertriebsstätten aus ein und demselben Unternehmen stammen oder doch wenigstens unter der Kontrolle des gemeinsamen Markeninhabers von verbundenen Unternehmen hergestellt (RKGE in sic! 1997, 568 - Birko Tex / Biotex; DAVID, a.a.O., N. 35 zu Art. 3, mit weiteren Verweisen; MARBACH, a.a.O., 105 f.).

4. Die angefochtene Marke wird für die Dienstleistung organisation et conduite de colloques perrnettant aux citoyens de dialoguer sur un thème politique relatif à la science et à la technologie (Kl. 41) beansprucht, womit zur Dienstleistung der Widersprechenden organisation de manifestations du genre culturel [et] politique Gleichartigkeit besteht. Das französische Wort "colloque" umschreibt ein wissenschaftliches Gespräch (cf. www.wissen.de, Online Wahrig Wörterbuch), während "manifestation" als "Veranstaltung" den Oberbegriff zu "colloque" darstellt. Unter "manifestation" werden verschiedenste Veranstaltungen zusammengefasst, gewissermassen vom Rockkonzert bis zur öffentlichen Lesung oder zur politischen Podiumsdiskussion. Demzufolge umfasst die Formulierung der Widerspruchsmarke organisation de manifestations du genre culturel [et] politique ebenfalls die beanspruchte Dienstleistung der angefochtenen Marke conduite de colloques permettant aux citoyens de dialoguer sur un thème politique relatif à la science et à la technologie in Klasse 41. Wenn auch die beiden Veranstaltungen nicht deckungsgleich sind, so sind sie doch hochgradig gleichartig zueinander. Somit sind unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der Dienstleistungsgleichartigkeit und der Zeichenähnlichkeit nachfolgend hohe Anforderungen an die Zeichenunterscheidbarkeit zu stellen (vgl. dazu BGE 122 III 387 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon; RKGE in sic! 1999, 281 - Genesis / Genesis; RKGE in sic! 2000, 704 - Nasobol / Nascobal).

5. Die Verwechslungsgefahr gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG setzt kumulativ Dienstleistungsgleichartigkeit wie Zeichenähnlichkeit voraus. Somit ist nachfolgend die Zeichenähnlichkeit zu überprüfen.


VI.

1 Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist anzunehmen, wenn die jüngere die ältere Marke in ihrer Unterscheidungsfunktion beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist gegeben, sobald zu befürchten ist, dass die massgeblichen Verkehrskreise sich durch die Ähnlichkeit der Marken irreführen lassen und Waren und/oder Dienstleistungen, die das eine oder das andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen (BGE 122 III 384 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon; MARBACH, a.a.O., 111 f.). Eine bloss entfernte Möglichkeit von Fehlzurechnungen genügt aber nicht. Erforderlich ist, dass der durchschnittliche Verbraucher die Marken mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verwechselt (BGE 119 II 476 - Radion / Radomat; BGE 122 III 384 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon; RKGE in sic! 1999, 418 f. - Koenig [fig.] 1 Sonnenkönig [fig.]).

2. Der Massstab, der an die Zeichen-Unterscheidbarkeit anzulegen ist, hängt vom Umfang des Ähnlichkeitsbereichs ab, dessen Schutz der Inhaber der älteren Marke beanspruchen kann. Der Schutzumfang einer Marke bestimmt sich nach ihrem kennzeichnungsmässigen Gehalt (MARBACH, a.a.O., 113; DAVID, a.a.O., N. 9 zu Art. 3; RKGE in sic! 1997, 477 - Liquid Gold / Swiss Gold).

3. Die Widerspruchsmarke "FOCUS" entstammt der englischen Sprache und bedeutet "Brennpunkt, scharfe Einstellung, scharf einstellen, im Brennpunkt vereinigen". "FOCUS" findet zudem seine Entsprechung im deutschen Wort "Fokus" mit Bedeutung "Brennpunkt (im optischen Bereich)" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 9, Mannheim/Wien/Zürich 1973, 129). Aufgrund der Ähnlichkeit in Schreibweise, Klang und Schriftbild empfindet der deutschschweizerische Abnehmer "FOCUS" selbst in der konkreten Schreibweise mit "c" statt mit "k" nicht mehr als eigentliches Fremdwort, sondern setzt es automatisch dem deutschen Wort "Fokus" gleich.

4. Unter der Berücksichtigung der Bedeutung "Brennpunkt" ist nun die Kennzeichnungskraft des Markenbestandteils "FOCUS" im Zusammenhang mit der für die Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistung organisation de manifestations du genre culturel [et] politique (Klasse 41) zu beurteilen. Vorliegend kann der Widerspruchsmarke kein direkt beschreibender oder stark assoziativer Sinngehalt festgestellt werden, mithin dieser normale Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang eignet.

5. Gemäss Lehre und Rechtsprechung bestimmt sich die Verwechselbarkeit zweier Zeichen aufgrund des Gesamteindruckes, den sie im Erinnerungsbild des Abnehmers hinterlassen (MARBACH, a.a.O., 116; DAVID, a.a.O., N. 15 zu Art. 3). Da die widerstreitenden Zeichen dem Abnehmer kaum direkt gegenüberstehen, sind mögliche und normale Verschiebungen des Erinnerungsbildes in die Beurteilung mit einzubeziehen (Alois TROLLER, Immaterialgüterrecht, Band I, 3. Aufl., Basel 1983, 232 f.).

6. Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch den Klang und durch das Schriftbild bestimmt; gegebenenfalls kann jedoch auch ihr Sinngehalt von entscheidender Bedeutung sein. In der Regel besteht ein Abwehranspruch, sobald sich die Verwechselbarkeit auch nur auf einer Ebene ergibt (MARBACH, a.a.O., 118). Je nach Ausgestaltung einer Marke ziehen ihre verschiedenen Bestandteile die Aufmerksamkeit der Markenadressaten in unterschiedlichem Ausmass an und beeinflussen deshalb den in der Erinnerung verbleibenden Gesamteindruck unterschiedlich stark. So finden u.a. der Wortstamm sowie die Endung, insbesondere wenn sie bei der Aussprache betont wird, in der Regel grössere Beachtung als dazwischen geschobene, unbetonte weitere Silben (BGE 122 III 388 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon).

7. Die vollständige Übernahme der Widerspruchsmarke in die jüngere Marke begründet grundsätzlich eine Verwechslungsgefahr (RKGE in sic! 1998, 194 ff - Secret Pleasures / Private Pleasures; RKGE in sic! 2000, 512 - Mac / Mac Discount; RKGE in sic! 2002, 526 - Joker [fig.] / Joker [fig]). Bereits die Übernahme eines einzigen charakteristischen Bestandteils der Widerspruchsmarke kann zu einer Verwechselbarkeit der Vergleichszeichen führen (DAVID, a.a.O., N. 19 zu Art. 3). Das Hinzufügen oder Weglassen von Bestandteilen bei der angefochtenen Marke beseitigt die Zeichenähnlichkeit in der Regel nicht, wenn das hinzugefügte oder weggelassene Element nicht geeignet ist, den Zeicheneindruck wesentlich zu bestimmen, wenn also die Zeichen nach wie vor in den Hauptbestandteilen übereinstimmen (DAVID, a.a.O., N. 11 zu Art. 3; RKGE in sic! 2001, 136 - Kraft / NaturKraftWerke, mit weiteren Verweisen; RKGE vom 4. November 2003 [MA-WI 16/02] - RED [fig.] / Redd und red lights). Sticht in einer Marke ein Element speziell hervor, kommt diesem bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit erhöhte Bedeutung zu (BGer, RSPI, 1992, vol. 2, 233 - THERMA // ThermaCELL RKGE in sic! 2002,103 CELCOM / CELPHONE [fig.]).

8. Der Widerspruchsgegner übernimmt die Widerspruchsmarke "FOCUS" in seiner angefochtenen Marke "publifocus" und setzt dieser den mutilierten Wortbestandteil "publi" im Sinne von "public" (öffentlich) voran. Durch die Zufügung eines weiteren Wortelementes unterscheidet sich die angefochtene Marke sowohl in Phonetik wie Schriftbild von der Widerspruchsmarke. Diese Unterschiede bleiben auch im Gedächtnis haften, womit unmittelbare Zeichenverwechslungen wenig wahrscheinlich sind.

9. Jedoch ist markenrechtlich die Verwechslungsgefahr nicht nur zu bejahen, wenn direkte Verwechslungen beider Marken zu befürchten sind ("unmittelbare Verwechslungsgefahr"), sondern auch, wenn das Publikum die Marken zwar auseinander zu halten vermag, auf Grund ihrer Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet, insbesondere an Serienmarken denkt, die verschiedene Produktelinien des gleichen Unternehmens oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen kennzeichnen (RKGE in sic! 2002, 521 f. - VISA / Jet-Set Visa; vgl. auch MARBACH, a.a.O., 112).

10. Vorgehend wurde festgestellt, dass die angefochtene Marke die Widerspruchsmarke "FOCUS" übernimmt, was grundsätzlich bereits eine Verwechslungsgefahr begründet (vgl. RKGE in sic! 1998, 194 ff.). Der Gesamteindruck der angefochtenen Marke "publifocus" wird nicht in erster Linie vom Element "publi" geprägt, welches trotz erfolgter Mutilation weiterhin assoziativ als "öffentlich" erkannt wird. Somit erfährt das Zeichen "publifocus" keine neue, eigenständige Sinnprägung. Insbesondere wird es lediglich als vorangestelltes Wort aufgefasst, welches den Sinngehalt des gesamten Zeichens nicht zu ändern vermag. Somit wird der Gesamteindruck der angefochtenen Marke "publifocus" nicht in erster Linie vom Element "publi" geprägt, sondern hauptsächlich durch das Element "Focus". Folglich stimmen die Zeichen nach wie vor in den Hauptbestandteilen überein (RKGE in sic! 2001, 136 - Kraft / NaturKraftWerke, mit weiteren Verweisen; DAVID, a.a.O., N. 11 zu Art. 3).

Im Ergebnis ist somit von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen den streitverfangenen Marken auszugehen. Ob es sich bei der Widerspruchsmarke um eine bekannte Marke handelt, kann vorliegend offen bleiben.

11. Die Verwechslungsgefahr gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG setzt kumulativ die Dienstleistungsgleichartigkeit sowie eine Zeichenähnlichkeit, die zu Zeichenverwechslungen führt, voraus. In Würdigung der vorausgehenden Erwägungen ist der Widerspruch deshalb gutzuheissen.


V.

1. Die Widerspruchsgebühr verbleibt dem Institut (Art. 31 MSchG i.V.m. Art. 1 ff. IGE-GebO und Anhang zu Art. 2 Abs. 1 IGE-GebO).

2. Gemäss Art. 34 MSchG hat das Institut mit dem Entscheid über den Widerspruch auch darüber zu bestimmen, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. Gestützt auf diese Bestimmung steht dem Institut ein weites Ermessen zu (DAVID, a.a.O., N. 2 zu Art. 34). Die Höhe der Parteientschädigung richtet sich nach Art. 8 VKEV sowie dem Tarif BG. Der obsiegenden Partei wird in der Regel eine Parteientschädigung zugesprochen ("Unterliegerprinzip").

3. Der Widerspruch wird gutgeheissen. Der Widerspruchsgegner als unterliegende Partei wird kostenpflichtig. Die Widersprechende reichte mit dem Widerspruch eine Kostennote von CHF 1'500.00 (inkl. Verfahrenskosten) ein. Eine weitere Kostenschrift bezüglich der Replik reichte sie indessen nicht ein. Im Regelfall spricht das Institut bei einem Verfahren mit doppeltem Schriftenwechsel (wie in casu) eine Parteientschädigung von CHF 2'000.00 zu. Vorliegend liegen keine Umstände vor, welche eine Abweichung dieser Regel zu begründen vermöchten. Somit wird der Widersprechenden eine Parteientschädigung von CHF 2'800.00 (inklusive der Widerspruchsgebühr) zugesprochen.

Aus diesen Gründen wird


verfügt:

  1. Der Widerspruch Nr. 6075 wird gutgeheissen und die angefochtene CH-Marke Nr. 502 343 "publifocus" widerrufen.

  2. Die Widerspruchsgebühr von CHF 800.00 verbleibt dem Institut.

  3. Der Widerspruchsgegner hat der Widersprechenden eine Parteientschädigung von CHF 2'800.00 (inkl. Widerspruchsgebühr) zu bezahlen.

  4. Die Verfügung wird den Parteien schriftlich eröffnet.


Bern, 25. Februar 2004

Markenabteilung

lic.iur. Laurent Fotylo
Widerspruchssektion


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Verfügung kann innert 30 Tagen nach ihrer Eröffnung bei der Rekurskommission für geistiges Eigentum, Einsteinstrasse 2, 3003 Bern, schriftlich Beschwerde geführt werden. Die Beschwerde ist in dreifacher Ausfertigung mit Kopie des vorliegenden Entscheides einzureichen.

Rechtsgebiete

Markenrecht