Ermittlung der PIN-Nummer nach behauptetem EC-Kartenverlust

Gericht

LG Bonn


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

11. 01. 1995


Aktenzeichen

5 S 163/94


Leitsatz des Gerichts

Will der EC-Karteninhaber dartun, dass ein unbekannt gebliebener Dritter seine persönliche PIN-Geheimnummer mit Hilfe eines Computers ermittelt hat, so muss er darlegen und beweisen, dass dies entgegen dem derzeit auch in der Rechtsprechung gesicherten Erkenntnisstand infolge technischer Neuerungen tatsächlich binnen eines überschaubaren Zeitrahmens möglich ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. des Verfahrens war seit mehreren Jahren Inhaberin eines Postbank-Girokontos. Zu diesem Girokonto hatte sie von der Bekl. eine Postbank-Card, d.h. eine Magnetstreifenkarte, erhalten, mit der sie im Zusammenhang mit der zu dieser Karte bestehenden persönlichen vierstelligen Geheimzahl in der Lage war, Abhebungen an Geldautomaten der Postbank vorzunehmen. Die Kl. begehrte von der Bekl. Schadensersatz in Höhe von 4860 DM für die ihrem Postbankkonto belasteten Beträge, die - so behauptete sie - mittels ihrer Postbank-Card unberechtigt durch einen unbekannten Dritten abgehoben worden sein sollen. Die Kl. behauptet, sie habe zuletzt am 15. 9. 1993 von ihrem Postbank-Girokonto mit der Postbank-Card einen Betrag von 200 DM abgehoben. In der Folgezeit habe sie ihre Karte nicht benutzt, bis sie dann am 7. 10. 1993 festgestellt habe, dass ihr diese Karte abhanden gekommen sei. Daraufhin habe sie sofort bei der Bekl. die Sperrung ihres Kontos veranlasst und den Verlust ihrer Postbank-Card am 25. 10. 1993 zusätzlich schriftlich angezeigt. Darüber hinaus habe sie unter dem 5. 11. 1993 bei der Polizei Anzeige wegen Diebstahls gestellt. Nachdem in der Zeit zwischen dem 15. 9. 1993 - dem Datum der letzten Abhebung durch die Kl. - und dem 7. 10. 1993, dem Datum, zu welchem die Kl. den Verlust der Karte bemerkt haben will - vom Konto der Kl. Abhebungen in Höhe von insgesamt 5400 DM getätigt worden waren, begehrte die Kl. von der Bekl. Schadensersatz in Höhe von 90 % dieses Betrages. Sie berief sich hierzu auf die besonderen Bedingungen der Bekl., in welchen es unter Nr. 6.1. u.a. heißt: Nr. 6.1. Sobald dem kontoführenden Postgiroamt oder dem zentralen Sperrannahmedienst der Verlust der Postbank-Card angezeigt worden ist, übernimmt die Postbank alle nach Eingang der Verlustanzeige durch Abhebungen an Geldautomaten der Postbank entstehenden Schäden. Bis dahin trägt die Postbank 90 % aller Schäden, die durch die missbräuchliche Verwendung der dem Karteninhaber ausgegebenen Postbank-Card entstehen; der Kontoinhaber haftet nur für 10 % aller Schäden durch Abhebungen an dem Geldautomaten der Postbank, die im Rahmen der Abhebungsmöglichkeit gem. Nr. 5 entstehen können, wenn der Kontoinhaber oder Karteninhaber den Verlust der Postbank-Card unverzüglich angezeigt hat und Sorgfaltspflichten und Obliegenheiten nach Nr. 4 nicht grob fahrlässig verletzt hat.

Die Kl. hat behauptet, sie habe ihre vierstellige Geheimzahl nirgends schriftlich niedergelegt, so dass eine Sorgfaltspflichtverletzung ihrerseits i.S. der Nr. 4.3 der besonderen Bedingungen, nach welcher der Karteninhaber dafür Sorge zu tragen habe, dass ein Dritter keine Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl erlangt und diese insb. Dritten nicht mitteilt und nicht auf der Postbank-Card vermerkt werden darf, ihrerseits nicht gegeben sei.

Das AG Bonn hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. war gem. §§ 670 , 675 BGB zur entsprechenden Belastung des Girokontos der Kl. befugt. Die Kl. hat bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die streitgegenständlichen Abhebungen nicht von ihr selbst, sondern von einem unbekannten Dritten vorgenommen worden sind. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien sind die einzelnen Abhebungen durch Verwendung der EC-Karte und unter Benutzung der PIN (Geheimnummer) erfolgt. Da die EC-Karte unter Verwendung der richtigen PIN den Karteninhaber repräsentiert (Harbeke, WM 1994 (Sonderbeilage 1), 11), besteht in diesen Fällen zugunsten der Bank der Anscheinsbeweis, dass die Abhebungen durch den Karteninhaber selbst erfolgte (Harbeke, WM 1994 (Sonderbeilage 1), 11; ders., WM 1989, 1749 (1753); Biber, WM 1987 (Sonderbeilage 6), 12; im Ergebnis auch LG Duisburg, NJW-RR 1989, 879).

Diesen Anscheinsbeweis zugunsten der Bank kann der Kunde dadurch entkräften, dass er die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darlegt und dabei insb. die Umstände des Verlustes der Karte plausibel macht und Anhaltspunkte dafür liefert, wie der die Verfügung tätigende Dritte Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl erlangt haben kann (Harbeke, WM 1994 (Sonderbeilage 1), 11; Biber, WM 1987 (Sonderbeilage 6), 12). Diese der Kl. obliegende Darlegungslast hat sie nicht erfüllt. Sie hat bereits keinerlei konkrete Umstände dafür vorgetragen, wie es zu dem Verlust der EC-Karte gekommen sein kann. Sie trägt hierzu lediglich unzureichend vor, dass sie erst am 7. 10. 1993 bemerkt habe, dass ihr die Karte abhandengekommen war.

Unsubstantiiert sind auch die Darlegungen zu der Frage, wie ein Dritter Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl bekommen haben könnte. Die Kl. stellt lediglich Spekulationen an, denen jedoch nicht entnommen werden kann, zu welchem Zeitpunkt und durch welche konkreten Umstände ein Dritter von der Geheimzahl Kenntnis genommen und dieser Dritte in den Besitz der EC-Karte gekommen ist.

Auch der Vortrag der Kl. zu einer möglichen Ermittlung der PIN mit Hilfe eines Computers sind rein spekulativ. Aufgrund des zu den Akten gereichten Gutachtens vom 7. 8. 1990 und den darin niedergelegten überzeugenden Ausführungen hinsichtlich der Unmöglichkeit der Ermittlung der PIN in einem überschaubaren Zeitrahmen, ist die Rechtsprechung bisher zutreffend davon ausgegangen, dass eine solche Möglichkeit nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl. KG, NJW 1992, 1051 (1052)). Die Kl. hat nicht dargelegt, aufgrund welcher technischer Neuerungen nunmehr eine wesentlich schnellere Ermittlung der PIN in Betracht kommen könnte.

Rechtsgebiete

Bank-, Finanz- und Kapitalanlagerecht; Verbraucherschutzrecht; Schadensersatzrecht