Haftungsgrenze bei Ehegattenbürgen

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

16. 03. 1999


Aktenzeichen

3 U 1343/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Auch Ehegatten ohne eigenes Einkommen und Vermögen können zu Gunsten ihres Ehepartners in angemessenem Rahmen eine Bürgschaft rechtsgültig übernehmen (hier: in Höhe von 50 000 DM).

  2. Ohne Vorliegen besonderer Umstände ist nicht anzunehmen, die Bank wolle ihre Rechte aus einer einwendungsfrei als Kreditsicherheit erworbenen Bürgschaft wegen einer neuen nach Krediterhöhung aufgestockten und nunmehr auf den Fall künftigen Vermögenserwerbs beschränkten Bürgschaft aufgeben.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ehemann der Bekl. machte sich im Jahre 1985 mit einem Einzelunternehmen im Transportgewerbe selbstständig. Ab etwa 1987 stand er in Geschäftsbeziehung zur klagenden Bank, wo er über ein Firmenkonto den wesentlichen Teil des gesamten Zahlungsverkehrs abwickelte. Anlässlich wiederholter Verlängerungen bzw. Neugestaltungen der dem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien holte die Kl. jeweils auch zur Absicherung des Gesamtengagements des Ehemanns der Bekl. formularmäßige Bürgschaften der Bekl. selbst ein. Die am 27. 11. 1950 geborene Bekl. hat eine Berufsausbildung als Friseuse. Nach ihrer Heirat im Jahr 1968 stellte sie ihre berufliche Tätigkeit zunächst ein, da Ende 1968 ihr Sohn geboren wurde. Von 1968 bis 1977, in diesem Jahr wurde eine Tochter geboren, arbeitete die Bekl. stundenweise nach Bedarf als Friseuse. Nach 1977 arbeitete sie gelegentlich, und zwar in Teilzeit, in einem Drogeriemarkt.

Nachdem ihr Ehemann sich 1985 selbstständig gemacht hatte, arbeitete sie ab 1986 nach eigener Angabe in geringem Umfang für das Unternehmen ihres Mannes mit, und zwar so, dass eine Sozialversicherungspflicht nicht entstand. Am 6./7. 3. 1995 unterzeichnete die Bekl. - die zu diesem Zeitpunkt bei der Kl. für den Kredit ihres Ehemanns in Höhe von 50 000 DM selbstschuldnerisch bürgte - eine neue nunmehr bis zum Betrag von 100 000 DM gehende Bürgschaft. Nach ihren Angaben war das Firmenkonto zu diesem Zeitpunkt bereits um mehr als 100 000 DM überzogen. Die Kl. räumte zeitgleich durch Urkunde vom 7. 3. 1995 dem Ehemann der Bekl. einen Betriebsmittelkredit von 100 000 DM bis zum 31. 12. 1995 ein. Im Juli 1995 wurde Konkursantrag gestellt, ein Konkurs aber mangels Masse nicht durchgeführt. Die Kl. nimmt die Bekl. in Höhe eines Teilbetrages von 50 000 DM nebst Zinsen aus der Bürgschaftshaftung in Anspruch.

Das LG hat dieser Klage entsprochen. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Bürgschaft ist nicht deshalb gem. § 138 I BGB sittenwidrig, weil die Bekl. angeblich kein Vermögen gehabt und auch „keinerlei eigenes Einkommen bezogen hat“. Abgesehen davon, dass Letzteres so nicht stimmt, macht der Umstand allein, dass ein Ehepartner eine Verpflichtung eingeht, die ihn finanziell überfordert, das Rechtsgeschäft im Allgemeinen noch nicht sittenwidrig. Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Mithaftung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen lässt (BGH, NJW 1999, 135 m.w. Nachw.). Zwar mag im Einzelfall ein besonders krasses Missverhältnis zwischen dem Umfang der Haftung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des bürgenden Ehegatten schon für sich allein die (widerlegliche) Vermutung einer sittenwidrigen Überforderung begründen. Davon ist aber im Streitfall, in dem es letztlich nur um eine Forderung von 50 000 DM geht, welche die Bekl. schon auf Grund ihrer vorausgegangenen Bürgschaft in jedem Fall zu leisten hat nicht auszugehen.

1. Der Ehegatte, der sich auf eine sittenwidrige finanzielle Überforderung beruft, muss darlegen und beweisen, dass er nicht nur bei Eingehung der Verpflichtung außer Stande war zu deren Erfüllung aus eigenem Einkommen oder Vermögen in nennenswertem Umfang beizutragen, sondern dass auch nicht damit zu rechnen war, dies werde sich in absehbarer Zeit ändern. Bei der erforderlichen Zukunftsprognose, abgestellt auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sind alle Umstände zu berücksichtigen, die ein Kreditinstitut bei realistischer Betrachtungsweise veranlassen können mit einer Besserung der finanziellen Lage des Ehegatten zu rechnen und deswegen in seiner persönlichen Mitverpflichtung eine die Kreditgewährung ermöglichende zusätzliche Sicherheit zu sehen. Neben der Höhe der übernommenen Verpflichtung können die von Ausbildung, Fähigkeiten und familiärer Belastung abhängigen Aussichten auf künftige Erwerbseinkünfte ebenso eine Rolle spielen wie etwa eine zu erwartende Erbschaft oder ähnliche Umstände (BGHZ 120, 272, [275, 276]). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die einem Familienbetrieb dienende Kreditgewährung den Wünschen und Interessen beider Ehepartner entspricht, auch wenn der Betrieb nur einem Ehepartner allein gehört. Da aus einem wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes auch der andere Ehegatte Nutzen ziehen kann, darf die Bank davon ausgehen, dass auch dieser Ehegatte an der Einräumung und Verlängerung des Kredits unmittelbar interessiert ist (BGHZ 128, 230 [233, 234] = NJW 1995, 592; BVerfG, NJW 1996, 2021). Da die Ehe ihrer Bestimmung nach auch eine Wirtschafts- und Risikogemeinschaft der Partner umfasst, ist es im Ansatz nicht zu beanstanden, wenn die Bank auch eine Ehefrau ohne eigenes Einkommen und Vermögen in die Haftung für Verbindlichkeiten aus Investitionen mit einbezieht, die dem Familieneinkommen zugute kommen sollen (BGHZ 128, 233 [234] = NJW 1995, 592).

2. Bezeichnenderweise hatte sich die Bekl. noch in der Klageerwiderung nicht gegen jede „Mitverpflichtung“ gewandt, sondern konkret lediglich gegen die von 50 000 DM auf 100 000 DM hoch gesetzte (neue) Bürgschaft vom 6./7. 3. 1995. Die beiden dazu angeführten Gründe erscheinen dem Senat nicht stichhaltig.

a) Der gegen die Kl. gerichtete Vorwurf einer wirtschaftlich unsinnigen Verlängerung des „wirtschaftlichen Todeskampfs“ des Unternehmens entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Der Ehemann der Bekl. und nicht zuletzt auch diese selbst hatten hinreichend Einblick in die Situation des Betriebs und haben es offensichtlich als sinnvoll angesehen den Betrieb zunächst trotz der sich zum Ende des Jahres 1994 deutlich abzeichnenden Verschlechterung der Situation weiter fortzuführen.

b) Wenig substantiiert erscheint auch die Behauptung der Bekl., von einem namentlich nicht bekannten Mitarbeiter der Kl. sei ihr anlässlich ihrer letzten Verbürgung nach Hinweis auf ihre Einkommens- und Vermögenslosigkeit mitgeteilt worden, dass es darauf nicht ankomme; schließlich könne es ja sein, dass sie noch erbe oder im Lotto gewinne. Der Senat braucht dem nicht weiter nachzugehen. Selbst wenn eine solche Äußerung gefallen sein sollte, konnte die Bekl. bei verständiger Gesamtwürdigung (§§ 133 , 157 BGB) hieraus nicht herleiten, sie hafte ihrerseits nun insgesamt nur noch dann, wenn sie zukünftig zu Vermögen komme. Indem sie der Kl. vorhält, bereits zum Zeitpunkt der letzten Bürgschaft „wäre eine Kreditkündigung richtig und notwendig gewesen“ und betont, dies hätte in der Konsequenz bedeutet, dass sie zumindest nicht in diesem (von 50 000 DM auf 100 000 DM erhöhten) Umfang in die Mitverpflichtung hätte genommen werden können, räumt sie damit letztlich schon selbst ein, dass sie in jedem Fall im Umfang der Bürgschaftsverpflichtung über 50 000 DM haften muss. Denn die einmal und einwendungsfrei erworbenen Rechte aus dieser vorletzten Bürgschaft wollte die Kl. erkennbar nicht aufgeben oder auch nur schmälern, als sie von der Bekl. die letzte doppelt so hohe Bürgschaft einholte und damit die vorhandene Bürgschaft aufstockte. Dieses Verständnis entspricht schon der natürlichen Interessenlage und findet zudem auch in Nr. 2 und 3 der Bürgschaftsbedingungen eine Stütze.

Danach war die Bürgschaft zeitlich nicht begrenzt und konnte frühestens ein Jahr nach Übernahme mit der Folge gekündigt werden, dass sie sich auf den Bestand der verbürgten Ansprüche bei Wirksamwerden der Kündigung beschränkt aber - bis zur vollständigen Erfüllung der Hauptschuld - nicht erlischt; bis dahin „gelten die Vereinbarungen aus dieser Bürgschaft weiter“.

Ohne das Vorliegen besonderer Umstände ist nicht anzunehmen, die Bank wolle ein Sicherungsmittel, das sie bereits für einen Kredit erhalten hat, wegen einer anderen eingeschränkten (nun angeblich nur auf den Fall künftigen Vermögenserwerbs reduzierten) Bürgschaftssicherheit aufgeben (vgl. auch BGH, NJW 1983, 750 [751 li. Sp. Abs. 3]). Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass die Bekl. dem widersprochen hat.

II. Der Senat verkennt nicht, dass die Bekl. mit der erstmals in der Berufungsbegründung gegebenen Schilderung ihrer persönlichen Situation (seit ihrer Heirat 1968) geltend macht, sie sei von jeher ein Ehepartner ohne eigenes Vermögen und ohne ausreichende eigene Einkünfte gewesen.

1. Damit kann sie aber jedenfalls die Bürgschaftshaftung in Höhe von 50 000 DM nicht ausräumen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch Ehegatten ohne eigenes Einkommen und Vermögen zu Gunsten ihres Ehepartners in angemessenem Rahmen eine Kredithaftung oder Bürgschaft rechtsgültig übernehmen können, und zwar auch noch bei einem Haftungsvolumen in Höhe von 50 000 DM (BGHZ 120, 272 [273, 279] = NJW 1993, 322; BGHZ 128, 230 [239]; = NJW 1995, 592 vgl. auch BVerfGE 89, 124 = NJW 1994, 36 [39 r. Sp. Abs. 2]).

Bei der Bekl. kommt noch hinzu, dass diese keineswegs, wie sie in der Klageerwiderung zunächst einmal behauptet hatte, „keinerlei eigenes Einkommen bezogen habe“, sondern auch nach ihrer Verheiratung in all den folgenden Jahren jedenfalls stundenweise in ihrem erlernten Beruf und gelegentlich auch in Teilzeittätigkeit in einem Drogeriemarkt tätig war und insbesondere von Anfang an im Unternehmen ihres Ehemannes mitgearbeitet hat, wenn auch nur „so, dass eine Sozialversicherungspflicht nicht bestand“. Auf Grund ihres Alters (37 Jahre) bei Beginn ihres Bürgschaftsengagements zu Gunsten ihres Ehemanns, der vorhandenen Berufsausbildung und -praxis und der auch nach der Heirat wenn auch angeblich nur in geringem Umfang aufrechterhaltenen Teilnahme am allgemeinen Erwerbsleben wäre bei der Bekl. im Sinne einer Zukunftsprognose mit einer erweiterten künftigen Erwerbstätigkeit durchaus zu rechnen gewesen, sodass auch eine über 50 000 DM hinausgehende Bürgschaftshaftung aus der Sicht einer Bank durchaus vertretbar gewesen wäre.

2. Unrichtig ist die Auffassung der Bekl., eine Bürgschaftsklage sei „zumindest dann als unbegründet abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Vermögen nicht vorhanden sei“. Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft ist vielmehr der Zeitpunkt ihrer Eingehung bzw. Erweiterung. Bedenkt man, dass sich der Betrieb ihres Ehemanns zunächst durchaus expandierend entwickelt hat, und zeitweise über zehn Fahrzeuge im Fuhreinsatz waren - die zuletzt genannte Zahl von „nur“ insgesamt neun Lkw bezieht sich auf Ende 1994, als das Firmenkonto durch verschiedene Umstände, nämlich auch durch noch Ende 1994 erforderliche zusätzliche Investitionen zunehmend ins Minus geraten war - so zeigt dies, dass die Bekl. lange Zeit auch am Lebensstandard eines prosperierenden Familienunternehmens teilgenommen hat. Es würde der Billigkeit grob widersprechen ihr zu gestatten, sich im Nachhinein jeder Bürgschaftshaftung zu entziehen.

Rechtsgebiete

Bürgschafts- und Darlehensrecht