Gewinnversprechen i.S. des § 661a BGB vor dem 29.6.2000
Gericht
AG Heinsberg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
05. 12. 2000
Aktenzeichen
18 C 173/00
Der Rechtsgedanke des § 661a BGB ist auf Sachverhalte, die sich vor dem 29. 6. 2000 abgespielt haben, gem. § 242 BGB zumindest in der Weise anzuwenden, als der Kunde, der durch die Vorspiegelung eines hohen Gewinns zu einer Warenbestellung veranlasst wird, jedenfalls insoweit mit dem vermeintlichen Gewinn aufrechnen kann, als dies zu seiner Schadloshaltung notwendig ist.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. fordert aus abgetretenem Recht der P-GmbH von dem Bekl. die Bezahlung des Kaufpreises für jenem gelieferte Waren. Diese Waren hatte der Bekl. bei der nur mit einer Postfachadresse und ohne Angabe der sie vertretenden Personen bezeichneten P-GmbH im Zusammenhang mit der Zusendung eines Gewinnschreibens bestellt. Damit hatte die P-GmbH ihm mitgeteilt, 100000 DM gewonnen zu haben. Zugleich hatte sie ihn zum Empfang des Geldes nach Salzburg eingeladen, einen Termin hierfür und die genaue Adresse aber noch nicht genannt. Dem Bekl. wurde jedoch versichert, dass dies „kein Scherz, sondern voller Ernst“ sei und er nur die Teilnahmebestätigung und den Bargeldreservierungsschein mit der Mitteilung der Art seiner Anreise zurücksenden und - wenn er von einer bevorzugten Bearbeitung profitieren möchte - eine Bestellung aufgeben müsse. Außerdem wurden für eine Bestellung von mindestens einem Wert von 60 DM vier Gratisgeschenke zugesagt. Trotz Vornahme der Bestellung erhielt der Bekl. weder die Gratisgeschenke noch den Gewinn. Um an Letzteren zu gelangen, hat er mehrere Einschreiben mit Rückschein an die P-GmbH gesandt und um Terminvereinbarung gebeten. Zugleich hat er mitgeteilt, dass er die Rechnung über die Warenlieferung ausgleichen werde, sobald er den Gewinn in Händen habe. Daraufhin drohte die P-GmbH eine Betrugsklage an, verbunden mit einer Zahlungsaufforderung, die sie nunmehr klageweise erhebt. Der Bekl. stellt die Berechtigung der Forderung in Abrede und rechnet hilfsweise mit Portokosten von mindestens 50 DM sowie dem Gewinn von 100000 DM auf.
Die Klage wurde abgewiesen.
Auszüge aus den Gründen:
Der Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung und Portokostenerstattung in Höhe von insgesamt 103,45 DM aus übergegangenem Recht gem. §§ 433 II , 398 BGB.
Allerdings ist die mit Schriftsatz vom 24. 10. 2000 seitens des Bekl. erklärte Vertragsanfechtung unwirksam. Zwar ist, wie im Weiteren noch darzulegen sein wird, der Anfechtungsgrund einer arglistigen Täuschung i.S. von § 123 I BGB gegeben. Die vom Bekl. ausgesprochene Anfechtungserklärung ist jedoch nicht dem richtigen Anfechtungsgegner i.S. von § 143 II BGB gegenüber, nämlich der P-GmbH als Zedentin und Vertragspartnerin, abgegeben worden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 143 Rdnr. 5). Dennoch steht dem Kl. der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da der Bekl. mit Schriftsatz vom 11. 9. 2000 wirksam mit dem ihm nach Treu und Glauben zumindest in Höhe der Klageforderung gegen die Zedentin zustehenden Gewinnanspruch die Aufrechnung erklärt hat, was auch der Kl. als Zessionar gem. §§ 406 , 389 BGB gegen sich gelten lassen muss.
Als Einfallstor für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf den zu entscheidenden Fall ist vorliegend der Rechtsgedanke zu sehen, der sich aus dem mit Gesetz vom 27. 6. 2000 (BGBl I, 897ff.) neu eingeführten § 661a BGB ergibt. Danach ist ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, für Sachverhalte, die nach dem 29. 6. 2000 entstanden sind, verpflichtet, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Zwar ist der vorliegende Sachverhalt zeitlich vor dem gesetzlichen Stichtag entstanden, sodass dem Bekl. ein Gewinn tatsächlich nicht in voller Höhe zusteht. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich jedoch aus dem in der gesetzlichen Neuregelung zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass dieser zumindest derart auf den sich lediglich ein halbes Jahr vor dem in Rede stehenden Stichtag abspielenden Sachverhalt anzuwenden ist, dass der Kunde zumindest insoweit mit dem vermeintlichen Gewinn, der vorliegend die Klageforderung um ein Vielfaches übersteigt, aufrechnen kann, als das für die eigene Schadloshaltung erforderlich ist. Zwar hat der Bekl. vorliegend für das nunmehr von ihm verlangte Entgelt auch eine Warenlieferung auf seine Bestellung hin erhalten. Diese Bestellung hätte der Bekl. allerdings ohne den ihm vermeintlich zustehenden Gewinn gar nicht erst abgegeben. Vielmehr gründet sich die Bestellung des Bekl. allein darauf, dass bei ihm durch die Gestaltung des Werbeprospektes der Zedentin in arglistig täuschender Weise (vgl. OLG Hamburg, WRP 1993, 39 [40]) der Eindruck erweckt wurde, er habe eine erhebliche Geldsumme gewonnen und müsse, um von einer bevorzugten (Gewinn)Bearbeitung zu profitieren, eine Bestellung aufgeben. Die Zedentin benutzt damit den von ihr mit der Art und Weise ihrer Prospektgestaltung erweckten Eindruck eines erheblichen Geldgewinnes des Kunden einerseits und einer schnellen Gewinnbearbeitung anderseits dazu, um vom Kunden und vermeintlichen Gewinner Warenbestellungen zu erhalten, die dieser sonst nicht aufgegeben hätte. Hierin liegt eine dem Leistungswettbewerb fremde Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Käuferpublikums (KG, GRUR 1987, 717 [718]).
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