Unterhaltsanspruch bei Ausbruch aus intakter Ehe

Gericht

OLG Celle


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

21. 04. 1998


Aktenzeichen

19 UF 252/97


Leitsatz des Gerichts

Der Unterhaltsanspruch ist verwirkt, wenn sich der Unterhalt begehrende Ehegatte von dem anderen abwendet und mit einem Dritten eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingeht und dabei aus einer intakten Ehe ausbricht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

I.

Die Parteien haben am 6. 4. 1962 miteinander die Ehe geschlossen, aus der drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind. Im Dezember 1992 haben sie sich getrennt. Eine von der ASt. erhobene Klage auf Trennungsunterhalt wurde durch Urteil des AmtsG - FamG - v. 25. 11. 1996 mit der Begründung abgewiesen, die ASt. habe einen Unterhaltsanspruch nicht schlüssig dargetan. Im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens hat das AmtsG durch Teilurteil v. 25. 11. 1996 den AGg. verurteilt, Auskunft über seine gesamten Einkünfte für die Zeit vom 1. 1. 1995 bis 31. 12. 1995 zu erteilen. Nach Abtrennung der Folgesache nachehel. Unterhalt wurde die Ehe der Parteien durch Urteil v. 21. 4. 1997 geschieden.

In der Folgesache nachehel. Unterhalt hat die Kl. die Zahlung eines monatlichen Betrages von 619,10 DM verlangt. Beide Parteien waren Miteigentümer zu gleichen Teilen eines Hauses. Durch Übertragungsvertrag v. 30. 8. 1995 hat der AGg. die Miteigentumshälfte der ASt. zum Preise von 155.000 DM erworben. Seither bewohnt er die Ehewohnung allein. Die ASt. ist seit 1989 wieder erwerbstätig, zwischenzeitlich in einer Vollzeitstelle.

Das AmtsG hat dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen. Dagegen richtet sich die Berufung des AGg., der eine Abweisung der Klage auf nachehel. Unterhalt erstrebt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II.

Die Berufung hat Erfolg. Zwar steht der ASt. rechnerisch ein Unterhaltsanspruch aus § 1573 II BGB in geringem Umfang zu, sie hat diesen Unterhaltsanspruch jedoch gemäß § 1579 Nr. 6 BGB verwirkt. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Das Maß des der ASt. zustehenden und auf § 1573 II BGB gestützten Unterhalts richtet sich nach den ehel. Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung. Diese waren geprägt durch das Erwerbseinkommen beider Parteien, so dass sich der Unterhalt nach der sog. Differenzmethode errechnet.

a) Da die Parteien um Unterhalt ab 31. 5. 1997 - Rechtskraft der Entscheidung - streiten, ist maßgeblich das von beiden Parteien i. J. 1997 erzielte Einkommen. ...

b) Die ehel. Lebensverhältnisse der Parteien sind weiter geprägt worden durch die Nutzung des bis zum 30. 8. 1995 beiden gemeinschaftlich gehörenden Hauses. Nach std. Rspr. des BGH (FamRZ 1985, 354 ff.; 1995, 869 ff.) gehören zu den die ehel. Lebensverhältnisse bestimmenden Einkünften der Parteien nicht nur die Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise auch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen, die die Eheleute aus ihrem Vermögen ziehen. Dazu zählen auch die Nutzungen aus einem gemeinschaftlichen Anwesen. Soweit der Nutzungswert den von den Parteien zu tragenden Aufwand überstiegen hat, sie also billiger gewohnt haben als Eheleute, die für eine vergleichbare Wohnung Miete haben zahlen müssen, ist die Differenz zwischen dem Nutzungswert des Grundeigentums einerseits und dem Aufwand andererseits für die Bestimmung der ehel. Lebensverhältnisse i.S. von § 1578 I BGB den Einkünften der Eheleute hinzuzurechnen. Dass Zins- und Tilgungsleistungen zuletzt noch die ehel. Lebensverhältnisse geprägt haben, wird nunmehr nicht mehr behauptet. Zu berücksichtigen sind jedoch noch die Hausnebenkosten und Reparaturaufwendungen, die allerdings nur i.H. von monatlich etwa 62 DM belegt sind. Hinsichtlich des Mietwertes ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein Haus aus dem Jahre 1962 handelt mit einer Wohnfläche von 103 qm. Nach Auffassung des Senats ist hier unter Abzug der allgemeinen Grundstückskosten von einem Mietwert von 1.000 DM auszugehen. Da die ASt. an dem Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens zur Hälfte teilgehabt hat, ist der Bedarfsbetrag für die Kl. um monatlich (1.000 DM : 2 =) 500 DM zu erhöhen (BGH, FamRZ 1989, 1160, 1162; 1995, 869, 871).

2. Dem Einkommen des AGg. von 2.823 DM ist das Einkommen der ASt. von 2.514 DM gegenüberzustellen. Die Differenz beider Einkommen beträgt 309 DM. 3/7 davon ergeben einen Restbedarf von 133 DM, der - siehe oben - um monatlich 500 DM als Hälfte des Wohnvorteils auf monatlich 633 DM zu erhöhen ist.

3. Auf diesen Bedarf muss sich die ASt. tatsächliche oder fiktive Zinseinkünfte anrechnen lassen, die sie aus dem Ende 1995 erhaltenen Erlös von 155.000 DM hätte ziehen müssen. Insoweit bestand eine Obliegenheit der ASt., vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich anzulegen, weil auch solche Einkünfte die Bedürftigkeit mindern, die zwar tatsächlich nicht gezogen werden, aber in zumutbarer Weise gezogen werden könnten (BGH, FamRZ 1988, 147, 149). Auf die Herkunft des Vermögens kommt es dabei nicht an. Zu den Einkünften, die ein unterhaltsberechtigter Ehegatte - wie hier die ASt. - vorrangig zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfes einzusetzen hat, gehören auch die Erträge, die aus dem Erlös beim Verkauf eines bis zur Scheidung als Familienwohnung genutzten gemeinsamen Anwesens gezogen werden können. Daraus folgt, dass sich die ASt. nicht darauf berufen kann, sie habe den ihr zugeflossenen Betrag in voller Höhe - nach ihrem letzten Vortrag teilweise zur Sicherung ihres Wohnbedarfs - verbraucht. So ist der ASt. angesichts des seit 1989 erzielten eigenen Einkommens ein hoher Nachholbedarf nicht zuzubilligen. Unter Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens hält es der Senat nur für angebracht, der ASt. 35.000 DM als freie Verfügungsmasse zuzubilligen. Hingegen muss sie sich fiktive Zinsen auf einen Betrag von 120.000 DM anrechnen lassen. Nach Auffassung des Senats wäre bei einer langfristigen Kapitalanlage, z. B. in Bundesschatzbriefen, durchaus ein Zinssatz von 5 % erzielbar gewesen mit der Folge, dass monatlich 500 DM auf den offenen Bedarf anzurechnen sind.

Rechnerisch bleibt danach noch ein Unterhaltsanspruch von monatlich 133 DM offen.

4. Insoweit hat die ASt. ihren Unterhaltsanspruch jedoch gemäß § 1579 Nr. 6 BGB verwirkt. Ein Härtegrund i.S. des § 1579 Nr. 6 BGB liegt vor, wenn dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig allein bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt (BGH, FamRZ 1989, 1279, 1280; 1989, 487, 489), wobei dies auch ohne sexuelle Beziehungen zu dem neuen Partner zu bejahen sein kann (KG, FamRZ 1989, 868, 869). Ein schwerwiegendes Fehlverhalten liegt vor, wenn sich der Unterhalt begehrende Ehegatte von dem anderen abwendet und mit einem Dritten eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingeht und dabei aus einer intakten Ehe ausbricht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. . . .

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sich die ASt. einem anderen Partner bei im Wesentlichen intakter Ehe zugewendet hat. Gegenvorwürfe von erheblichem Gewicht sind in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen. Angesichts der Dauer der Ehe der Parteien mag zwar "der Alltag eingekehrt sein", der Vortrag der ASt. - als richtig unterstellt - ist jedoch nicht geeignet, ihrem schwerwiegenden ehel. Fehlverhalten den Vorwurf der Einseitigkeit zu nehmen. Zwar steht grundsätzlich jedem Ehegatten der Umgang mit dritten Personen frei. Deshalb stellt es für sich gesehen keine Eheverfehlung dar, wenn die Liebe zum Ehepartner verloren geht oder durch Gefühle zu dritten Personen überflügelt wird. Der Grundsatz der ehel. Solidarität verbietet aber jeden Umgang, der nur den bösen Schein eines Treuebruchs hervorruft (KG, FamRZ 1989, a.a.O.). Ein derartiger Fall aber ist nach den hier festgestellten Tatsachen gegeben. Die ASt. hat über einen längeren Zeitraum mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen D. zusammengelebt. Beide haben von Anfang an gemeinsam eine Telefonnummer gehabt und dies auch im Telefonbuch kundgetan. Auch nach Rückkehr des Zeugen D. in die ehel. Wohnung ist die Beziehung fortgesetzt worden. Die ASt. hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass auch danach bis zu dem Tode des Zeugen D. dieser sie häufig besucht hat.

Das Verhalten der ASt. ist nach Auffassung des Senats auch als offensichtlich schwerwiegend i.S. von § 1579 Nr. 6 BGB zu werten. Insoweit ist zu berücksichtigen, was hier besonders von Bedeutung ist, dass es sich bei dem Zeugen D. quasi um den Vorgesetzten des AGg. gehandelt hat, und dass die ASt. - dies steht auch zur Überzeugung des Senats fest - den AGg. ganz offensichtlich wegen des Zeugen verlassen hat. Da hier ohnehin nur ein geringer Differenzunterhaltsanspruch gegeben ist, ist die Zahlung dieses Betrages jedenfalls als grob unbillig anzusehen. Die ASt. verfügt über ein Einkommen, das ausreicht, um mehr als ihren notwendigen Bedarf zu decken. Durch die Versagung des geringfügigen Differenzunterhaltsanspruches gerät sie nicht in wirtschaftliche Not.

Nach alledem ist die Berufung des AGg. begründet und der Antrag auf Zahlung von nachehel. Unterhalt zurückzuweisen.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht; Unterhaltsrecht