Bemessung des Existenzminimums bei Eheverfehlung

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 10. 1997


Aktenzeichen

7 UF 153/97


Leitsatz des Gerichts

Bemessung des äußersten Existenzminimums, das einem Ehegatten zuzubilligen ist, der seinen Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB wegen schwerwiegender Eheverfehlung (hier: einseitiger grundloser Ausbruch aus der Ehe) verwirkt hat.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Das AmtsG hat den Bekl. zu Trennungsunterhalt für die Zeit ab November 1995 in unterschiedlicher Höhe und für den Zeitraum ab April 1996 i. H. von monatlich 1.046 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Bekl., mit der er den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung erstrebt, ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.


II.

1. Die Unterhaltsverpflichtung des Bekl. ergibt sich dem Grunde nach aus § 1361 BGB. Da die Kl. den gemeinsamen jetzt vier Jahre alten Sohn der Parteien betreut und versorgt, ist sie weder in der Lage noch verpflichtet, ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Ihr stünde daher an sich ein Unterhaltsanspruch gegen den Bekl. i. H. ihres Bedarfs nach den ehel. Lebensverhältnissen, § 1578 BGB, zu. Mit Recht hat aber bereits das AmtsG den Unterhaltsanspruch der Kl. gemäß § 1579 Nr. 6 BGB begrenzt, da die Kl. ihren Anspruch auf Leistung des vollen Unterhalts verwirkt hat. Wie zwischen den Parteien bereits im amtsgerichtlichen Verfahren unstreitig war, hat die Kl. noch vor der Trennung der Parteien aus einer bis dahin intakten Ehe heraus ein ehebrecherisches Verhältnis zu dem Zeugen U. aufgenommen und über längere Zeit fortgesetzt. Die Anhörung der Parteien vor dem Senat hat dies betätigt. Dieses Verhalten der Kl. hat zum Scheitern der Ehe geführt, die inzwischen rechtskräftig geschieden ist. Umstände von Gewicht, die den einseitigen Ausbruch der Kl. aus der Ehe als entschuldbar erscheinen lassen könnten, sind nicht vorgetragen. Das grob ehewidrige Verhalten der Kl. würde an sich einen völligen Ausschluss jeglichen Unterhaltsanspruchs rechtfertigen. Dem stehen jedoch die Belange des gemeinsamen Kindes entgegen, § 1579 BGB. Die Kl. darf nicht gezwungen werden, neben der Versorgung des Kindes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hiernach muss ihr mit Rücksicht auf das von ihr betreute Kind zumindest ein Unterhaltsbetrag i. H. des Existenzminimums verbleiben. Anders als das AmtsG setzt aber der Senat dieses Existenzminimum nicht mit 1.150 DM bzw. 1.300 DM monatlich, sondern mit 800 DM für die Zeit bis einschließlich Dezember 1996 und 790 DM für die Zeit ab Januar 1997 an.

Zu bedenken ist, dass es aus der Sicht des Bekl. nahezu unerträglich erscheint, der Kl., die sich ohne nennenswerten Grund aus der ehel. Bindung gelöst und einem anderen Mann zugewandt hat, noch Unterhalt leisten zu müssen. Angesichts der außerordentlichen Schwere der Eheverfehlung der Kl. kann dem Bekl. lediglich zugemutet werden, denjenigen Unterhaltsbetrag zu leisten, der noch geeignet ist, das äußerste Existenzminimum der Kl. sicherzustellen. Bei der Bestimmung der hierzu notwendigen Mittel kann nicht schematisch auf die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle bzw. Hammer Leitlinien zurückgegriffen werden. Vielmehr ist nach Auffassung des Senats im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu prüfen, welche Beträge der Kl. und dem Kind gemeinsam zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen bzw. als Minimum benötigt werden. Hierbei ist auch das der Kl. gezahlte staatliche Kindergeld ausnahmsweise in voller Höhe bedarfsdeckend zu berücksichtigen. Der Bekl. ist - insoweit rechtskräftig - zur Zahlung von Kindesunterhalt nach Einkommensgruppe 5 der Unterhaltstabelle i./H. von monatlich 375 DM für die Zeit bis Dezember 1995 und nach Einkommensgruppe 3 der Unterhaltstabelle i./H. von monatlich 300 DM bis Dezember 1996 und i. H. von 290 DM ab Januar 1997 verurteilt. Den Kindesunterhalt zahlt der Bekl. regelmäßig. In der Vergangenheit hat er teilweise erheblich über diese Beträge hinaus gezahlt. Das ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. ...

2. Eine weitere Kürzung des Unterhaltsanspruchs kommt nicht in Betracht. Insbesondere können der Kl. angesichts dieser bereits auf das unterste Existenzminimum zurückgeführten Bedarfssätze fiktive Versorgungsleistungen für den Zeugen U. nicht angerechnet werden.

3. Die Bedürftigkeit der Kl. wird auch nicht dadurch gemindert, dass sie sich - wie unstreitig geschehen - aus dem Leistungsbezug des Arbeitsamtes abgemeldet hat. Da die Kl. nach der Trennung der Parteien wegen der Notwendigkeit der ganztägigen Kindesbetreuung dem Arbeitsmarkt tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stand, hat sie mit der Meldung an das Arbeitsamt, die den Wegfall des Arbeitslosengeldes zur Folge hatte, lediglich einer gesetzlichen Pflicht genügt. Das kann ihr unterhaltsrechtlich nicht zum Vorwurf gemacht werden.

4. Soweit der Bekl. behauptet, die Kl. habe einen Bargeldbetrag i./H. von annähernd 30.000 DM an sich gebracht und den größten Teil davon gemeinsam mit dem Zeugen U. in verschwenderischer Weise ausgegeben, führt auch dies nicht zu einer Unterhaltsreduzierung. Insoweit fehlt es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag des Bekl. Der Bekl. will noch vor der Trennung der Parteien von seinem Bruder ein Darlehen i. H. von 40.000 DM aufgenommen haben, welches seiner Behauptung nach den Grundstock für eine anzuschaffende Eigentumswohnung oder eine neue Wohnungseinrichtung bilden sollte, mit der er die Kl. überraschen wollte. Das Darlehen soll im Mai 1994 in 100 DM-Scheinen gebündelt bar ausgezahlt und von dem Bekl. hinter einer Bettkonsole ohne Wissen der Ehefrau im Schlafzimmer versteckt worden sein. Beim Auszug der Kl. sollen noch etwa 30.000 DM vorhanden gewesen sein, die die Kl. nach Behauptung des Bekl. mitgenommen haben soll.

Bereits die gesamten Umstände dieser Darlehenshingabe erscheinen dem Senat derart abwegig und lebensfremd, dass sie nicht als schlüssiger Sachvortrag betrachtet werden können. Es erscheint dem Senat - trotz der den Sachvortrag des Bekl. bestätigenden Aussage seines Bruders - völlig unglaubhaft, dass der Bekl. einen Bargeldbetrag in solcher Größenordnung über einen Zeitraum von einem Jahr ohne Wissen der Ehefrau versteckt gehalten hat. Eine Darlehenshingabe in dieser Größenordnung ohne bankmäßige Belege, andererseits aber gegen Sicherheitsübereignung der kompletten Wohnungseinrichtung des Bekl. sowie weiteren persönlichen Eigentums erscheint realitätsfern. Jedenfalls aber hat der Bekl. den ihm obliegenden Beweis dafür, dass die Kl. Bargeld aus diesem Darlehen bei ihrem Auszug an sich gebracht hat, nicht erbracht.

5. Der Bekl. ist für den ausgeurteilten Unterhalt noch leistungsfähig. ...

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht; Unterhaltsrecht