Schallschutz im Wohnungseigentum – Verzicht auf Teppichbodenbelag durch „Verhandlung“ bei Veräußerung

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

09. 10. 2000


Aktenzeichen

16 Wx 102/00


Leitsatz des Gerichts

Ein Wohnungseigentümer kann bei von Anfang an unzulänglichem Schallschutz trotz eventueller Lärmbelästigungen durch die ortsübliche Wohnungsnutzung von einem anderen Sondereigentümer nicht Abhilfe durch zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen verlangen, wenn dieser keine die bisherige Situation verschlechternden Maßnahmen durchgeführt hatte. Der Anspruch auf Herstellung eines ausreichenden Lärmschutzes besteht in diesen Fällen nur gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast., die gemeinsam mit den Ag. und den übrigen Bet. eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, waren ursprünglich Eigentümer des gesamten Anwesens, eines Einfamilienhauses. Sie sind nunmehr Eigentümer und Nutzer der Wohnung Nr. 2, die unter der Wohnung Nr. 1 liegt und im Sondereigentum der Ag. steht. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung Nr. 1 durch die Ag. im Jahre 1996 schlossen die Bet. zu 1 und 2 eine Vereinbarung, die Einzelheiten zu dem geplanten Kaufvertrag enthielt, u.a. auch Regelungen zu den Bodenbelägen in der Wohnung 1. Die Bet. gingen davon aus, dass der Schallschutz zwischen den Wohnungen unzureichend ist. Zum Zeitpunkt der Begründung des Teileigentums und ebenso später beim Erwerb durch die Ag. waren die Böden sämtlicher Räume der Wohnung Nr. 1 - ausgenommen die Küche - mit Teppichboden belegt. Nach Wohnungserwerb und Bezug durch die Ag. kam es in der Folgezeit zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bet. zu 1 und 2 über Ausmaß und Zulässigkeit etwaiger Geräuschimmissionen aus der Wohnung Nr. 1. Die Ag., die sich im Wesentlichen durch Abendessen und andere gesellige abendliche Veranstaltungen der Ag. gestört fühlten, haben in 1. Instanz vollständige Verlegung der Diele, des Esszimmers und der Küche mit Teppichbelag, bzw. schallschluckenden Untergrund, sowie Unterlassung abendlicher Veranstaltungen über 22.00 Uhr hinaus begehrt. Nachdem das AG dieses Begehren unter Hinweis auf den unstreitig vorhandenen mangelhaften Schallschutz sowie darauf, dass die Ag. etwaige Verpflichtungen aus der „1. Verhandlung“ vom 8. 9. 1996 erfüllt hätten, abgelehnt hat, legten die Ast. dagegen sofortige Beschwerde ein. Sie haben u.a. darauf hingewiesen, dass die Wohnung Nr. 1 bei Begründung des Sondereigentums und bei Veräußerung an sie mit Teppichboden ausgestattet gewesen sei. Das LG hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Ast. mit ihrer Rechtsbeschwerde. Da die Ag. nunmehr ausgezogen sind und die Wohnung anderweitig vermietet haben, beantragen sie unter Nr. 4 die Feststellung, dass die bisherige Nutzung in den Abend/Nachtstunden rechtswidrig gewesen sei, hilfsweise erklären sie die Hauptsache in diesem Punkt für erledigt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Die angegriffene Entscheidung ist nicht schon deshalb rechtsfehlerhaft - nur daraufhin hat das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung zu überprüfen -, weil die übrigen Eigentümer am landgerichtlichen und am amtsgerichtlichen Verfahren entgegen § 43 IV Nr. 1, I Nr. 1 WEG nicht oder nur teilweise beteiligt worden sind. In Hinblick auf die möglichen Auswirkungen des nicht ausreichenden Schallschutzes sowohl für das Sondereigentum der übrigen Eigentümer wie auch den Gesamteindruck der Wohnanlage liegt hier kein Ausnahmefall vor, der eine Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer entbehrlich machen könnte (vgl. dazu BayObLG, NZM 2000, 247 = ZWE 2000, 418). Die gesetzlich vorgesehene und hier versäumte Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer kann indes in der Rechtsbeschwerde nachgeholt werden, wenn eine weitere Sachaufklärung weder zu erwarten noch notwendig ist und nur rechtliches Gehör gewährt werden soll (vgl. BGH, NJW 1998, 755; BayObLG, NZM 2000, 247). Das ist hier der Fall. Die bisher Bet. gehen übereinstimmend davon aus, dass mögliche Geräuschbelästigungen wegen des Zuschnitts der Wohnungen im Wesentlichen die Ast. und die Ag. betreffen, so dass eine weitere Sachaufklärung nicht geboten ist, zumal die inzwischen beteiligten weiteren Eigentümer, soweit sie Stellung genommen haben, hierzu keine Anträge gestellt haben. Das erforderliche rechtliche Gehör ist nunmehr gewährt worden.

2. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Anspruch nach §§ 14 Nr. 1, 15 III WEG auf Auslegen eines Teppichbodens bzw. eines anderen schallschluckenden Untergrundes in den näher bezeichneten Räumen einschließlich des Hilfsantrags auf Herstellung eines Trittschallschutzes gem. DIN 4109 (1962) abgelehnt. Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer nur den Schallschutz verlangen, der im Zeitpunkt der Begründung des Wohnungseigentums an einem Altbau bestand, worauf bereits das LG zutreffend hingewiesen hat. Hingegen kann bei bestehendem unzureichenden Schallschutz trotz eventueller Lärmbelästigungen keine Abhilfe von einem anderen Sondereigentümer verlangt werden, wenn dieser im Übrigen keine die Situation verschlechternden Maßnahmen durchgeführt hat (OLG Stuttgart, WE 1995, 24). Der mangelhafte Schallschutz, vor allem hinsichtlich des Trittschallschutzes, beruht hier auf baulichen Gegebenheiten, und zwar einer sehr geringen Deckenstärke und unzureichend ausgeführtem Estrich. Allerdings haben sich vorliegend die Verhältnisse verschlechtert, weil der ursprünglich in sämtlichen Räumen der Wohnung Nr. 1 - abgesehen von der Küche - verlegte Teppichboden mit Einzug der Ag. entfernt wurde. Da die Ag. nach Erwerb der Wohnung Veränderungen gegenüber dem Zustand bei Aufteilung des Wohneigentums vorgenommen haben und sich dadurch die Schallschutzsituation verschlechtert hat, wie der Sachverständige gezeigt hat, kommen sie grundsätzlich als Störer und damit als Anspruchsgegner eines Anspruchs aus §§ 14 Nr. 1, 15 III WEG, § 1004 BGB in Betracht. Jeder Wohnungseigentümer kann zwar mit dem in seinem Sondereigentum verlegten Bodenbelag nach Belieben verfahren, da dieser ebenfalls dem Sondereigentum unterliegt. Diese Befugnis wird indes durch § 14 Nr. 1 WEG dahin eingeschränkt, dass keinem anderen Wohnungseigentümer über das unvermeidbare Maß hinaus hieraus ein Nachteil erwachsen darf (OLG Düsseldorf, WuM 1998, 372; BayObLG, WE 1994, 312). Ein solcher Nachteil ist zumindest dann gegeben, wenn durch diese Maßnahme die Anforderungen der einschlägigen DIN-Vorschriften unterschritten werden, wie es hier der Fall ist (vgl. BayObLG, WE 1994, 312). Gleichwohl können die Ast. keine Neuverlegung eines Teppichbodens verlangen. Sie sind daran nämlich durch den Inhalt der „1. Verhandlung“ vom 8. 9. 1996 gehindert. Wie sie selbst vortragen und was auch unstreitig ist, beabsichtigten die Ag. beim Erwerb der Wohnung Nr. 1, den Teppichboden insgesamt zu entfernen. Mit ihrem gesamten damaligen Verhalten haben die Ag. als damalige Veräußerer der Wohnung ihr Einverständnis mit dieser Maßnahme zumindest konkludent erklärt. Dies zeigt der Inhalt der „1. Verhandlung“, die für einige, nicht für alle Räume Sonderregelungen vorsieht. Diese Verabredung vom 8. 9. 1996 wurde auf Veranlassung und mit Willen der Ast. getroffen. Werden in dieser Abrede nur für einige Räume besondere Maßnahmen geregelt und haben sich die Ast. dem nicht widersetzt, so bedeutet dies, dass sie damals gegen die Entfernung des Teppichbodens in den übrigen Zimmern keine Einwände hatten.

Ob diese „1. Verhandlung“ in Anbetracht ihres Zusammenhangs mit dem notariellen Kaufvertrag und zwingenden Formvorschriften rechtswirksam geworden ist, kann dahinstehen. Selbst wenn nicht, sind die Ast. an die dortigen Vereinbarungen, die auf ihre Anregung hin niedergelegt worden sind, insoweit gebunden, als sie nicht später Gegenteiliges von ihren Vertragspartnern fordern können. Dies wäre treuwidrig und würde einen Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens bedeuten, § 242 BGB. Mithin stehen den Ag. Ansprüche wegen des fehlenden Teppichbodens lediglich im Rahmen der Vereinbarungen vom 8. 9. 1996 zu. Für die einzelnen Räume führt dies zu folgendem Ergebnis:

Für das Esszimmer haben sich die Schallschutzbedingungen durch die Entfernung des Teppichbodens zwar verschlechtert, die Ast. können jedoch nur das Auslegen eines Teppichs verlangen und müssen ferner die Nutzung des vorhandenen Parketts hinnehmen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus Nr. 10 Abs. 2 der genannten Abrede. Einen Teppich haben die Ag. in dem Raum verlegt, wie unstreitig ist und die Lichtbilder belegen.

In der Küche war nie ein schallschluckender Teppichboden, so dass hier keine Veränderung eingetreten ist. Deshalb scheidet bereits aus diesem Grund ein Anspruch aus § 14 Nr. 1 WEG i.V. mit § 1004 BGB aus. Im Übrigen bedeutet der von den Ag. eingebaute Laminatboden eine Verbesserung des Schallschutzes, wie der Sachverständige ausgeführt hat. Ob aus der genannten Vereinbarung vom 8. 9. 1996 darüber hinaus ein vertraglicher Anspruch auf Einbau eines bestimmten Untergrundes folgt, muss in diesem Verfahren offen bleiben. Denn Gegenstand eines Wohnungseigentumsverfahrens gem. § 43 I WEG können nur Ansprüche sein, die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergeben, hingegen keine Ansprüche aus schuldrechtlichen Vereinbarungen, wie sie die Vereinbarung vom 8. 9. 1996 darstellt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 43, Rdnrn. 5, 29 m.w. Nachw.). Vertragliche Ansprüche dieser Art wären vor dem Prozessgericht geltend zu machen.

In der Diele haben sich durch Entfernung des Teppichbodens die Schallschutzverhältnisse ebenfalls verschlechtert. Gleichwohl ist das Verlangen der Ast. nach Wiederherstellung des alten Zustandes treuwidrig, da sie sich bei den Verhandlungen zur Veräußerung der Wohnung Nr. 1 an die Ag. grundsätzlich mit einer Entfernung des Teppichbodens einverstanden erklärt haben, wie oben gezeigt wurde. Zu den Räumen, für die besondere Schallschutzmaßnahmen vorgesehen waren, zählt die Diele jedenfalls nicht. Denn diese ist in der Vereinbarung unter Nr. 10 nachträglich handschriftlich eingetragen worden, so dass - wie das LG in nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat - nicht von einer einvernehmlichen Regelung der Parteien in diesem Punkt ausgegangen werden kann und die Ast. eine solche Regelung auch nicht beweisen konnten.

Ob zwischen den Bet. zu 1 und 2 auf Grund der Vereinbarung vom 8. 9. 1996 ferner vertragliche Ansprüche zu Gunsten der Ast. begründet wurden, muss aus den oben genannten Gründen im vorliegenden Verfahren offen bleiben.

Aus den Überlegungen unter 2. folgt schließlich, dass die Hilfsanträge zu 1-3 ebenfalls unbegründet sind.

3. Der in der Rechtsbeschwerde unter 4. formulierte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Verhaltens der Ag. ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Ag. sind bereits ausgezogen und haben die Wohnung anderweitig vermietet. Ob und gegebenenfalls wann sie je wieder diese Wohnung beziehen werden, ist derzeit völlig offen. Selbst wenn ihre Planung, nach Jahren wieder einzuziehen, umgesetzt würde, wird damit kein Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren begründet. Vielmehr hat sich das ursprüngliche Unterlassungsbegehren in der Hauptsache erledigt - wie hilfsweise beantragt wurde -, was zur Klarstellung in den Tenor aufgenommen worden ist.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht