Sprachmächtigkeit als Kriterium für Parabolantenne

Gericht

LG Landau/Pfalz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

07. 12. 1997


Aktenzeichen

3 S 216/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein deutscher Staatsbürger, der aus Polen stammt und der polnischen Sprache deutlich mehr mächtig ist als der deutschen, muss die am Balkon seiner Wohnung angebrachte Satellitenempfangsanlage nicht entfernen und sich auf die zentrale Anlage beschränken, wenn er mit seiner Antenne anders als mit dem Anschluss an die Zentralanlage auch polnische Sender empfangen kann.

  2. Ein Antrag eines Mieters auf Zuweisung eines Platzes zur Anbringung einer Parabolantenne kann keinen Erfolg haben, wenn nicht sichergestellt ist, dass der Vermieter von Kosten, Gebühren und Haftung für Schäden freigestellt wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl. hat in dem 24 Wohnungen umfassenden Wohnblock der Kl. eine Wohnung angemietet. Er ist ein aus Polen stammender Deutscher. Um polnische Fernsehsender über Satellit empfangen zu können, hat er an dem Geländer des Balkons der Wohnung eine Satellitenantenne im Durchmesser von 60 cm angebracht. Die Beseitigung dieser am Balkongeländer angeschraubten Anlage erstrebt die Kl. mit der Klage. Die Kl. ist der Auffassung, dass der Bekl. mit seiner Familie, die alle Deutsche seien, sich ebenso wie die übrigen Bewohner des Blocks darauf beschränkten müsste, die über die zentral montierte Satellitenanlage eingespeisten Sender, darunter allerdings kein polnischer, zu empfangen. Das AG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Bekl. führte zur Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Das Eigentumsrecht der Kl. ist lediglich in geringem Maße durch die Errichtung der Parabolantenne eingeschränkt. Der Kl. verbleibt das nahezu uneingeschränkte Eigentumsrecht, soweit sie es nicht ohnehin schon durch die Vermietung und die damit einhergehenden Bindungen des Eigentumsrechts freiwillig beschränkt hat. Nachdem unstreitig durch die jederzeit folgenlos lösbare Verbindung der Parabolantenne zu dem Balkon keine Beeinträchtigung der Substanz des Eigentums der Kl. eingetreten ist, liegt die Beschränkung ihres Rechts allein in der Bestimmung des Ortes der konkreten Parabolantenne. Der Kl. stünde es aber frei, die Errichtung der Parabolantenne durch den Bekl. an einem anderen Ort zu gestatten. Ebenso steht es ihr frei, eine oder mehrere eigene Parabolantennen an ihrem Eigentum anzubringen.

Das Informationsrecht des Bekl. ist dagegen in deutlich erheblicherer Weise beeinträchtigt. Dem Bekl. ist es nicht möglich, sich aus allen allgemein zugänglichen Informationsquellen zu informieren. Insbesondere trifft das auf die Informationsquellen zu, die nur im Wege der Satellitenkommunikation übertragen werden. Der Bekl. muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, sein Informationsbedürfnis durch bestimmte Informationsquellen zu decken bzw. durch bestimmte Informationsquellen eben nicht zu decken. Es kann dem Bekl. nicht aufgegeben werden, auf die von ihm als Informationsquelle begehrten polnischsprachigen Sender zu verzichten. Er hat ein schützenswertes Interesse an der Information aus diesen Quellen. Er ist - unstreitig - der polnischen Sprache deutlich mehr mächtig als der deutschen und bedarf zu seiner vollständigen Information polnischsprachiger Medien. Dass der Bekl. deutscher Staatsangehöriger ist, spielt dabei keine Rolle. Die Frage, ob der Informationsbedürftige die eine oder die andere Staatsangehörigkeit hat, ist ein mittlerweile als untauglich erkennbares Kriterium.

Es gibt eine stetig wachsende Zahl deutscher Staatsangehöriger, die aus unterschiedlichsten Gründen der deutschen Sprache weniger mächtig sind als einer Fremdsprache. Ob das Kriterium der Sprachmächtigkeit seinerseits ein taugliches Kriterium ist, dürfte jedoch auch zweifelhaft sein. Auch deutsche Staatsangehörige, die nicht nur der deutschen, sondern auch fremder Sprachen mächtig sind, können höchst nachvollziehbare und billigenswerte Gründe haben, ihren Informationsbedarf aus Quellen zu decken, die lediglich im Wege der Satellitenkommunikation erreichbar sind. Ob jedoch eine derartige Wertung Platz greifen sollte oder nicht, kann im vorliegenden Fall unentschieden bleiben.

Die Entscheidung des BayObLG vom 28. 10. 1994 (NJW 1995, 337) steht dem nicht entgegen, denn dort wurde nur verdeutlicht, dass eine Lockerung einer Bindung an das fremdsprachige Ausland bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, was die Kammer vorliegend ebenso sieht. Deshalb und weil das BayObLG in einer Wohnungseigentumssache, nicht in einer Mietsache entschieden hat, ist eine Vorlage nach § 541 ZPO entbehrlich.

Rechtsgebiete

Mietrecht