Parabolantenne in Wohnungseigentumsanlage

Gericht

LG Heilbronn


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

03. 03. 1993


Aktenzeichen

1b T 169/92 Ha


Leitsatz des Gerichts

Ein Wohnungseigentümer hat aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit grundsätzlich einen Anspruch gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Zustimmung zum Einbau einer Parabolantenne. Das gilt auch wenn ein Breitbandkabelanschluss besteht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. und türkischen Ag. sind Eigentümer von Eigentumswohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Ag. montierten jedoch trotz einer Absage der Verwalterin oberhalb der Dachgaube ihrer Dachwohnung im Satteldach eine Parabol-Antenne, mit der sie türkische Fernsehprogramme empfangen können. Die Ast. haben beim AG im Verfahren nach dem Wohnungseigentümergesetz den Antrag gestellt, die Ag. zu verpflichten, die Empfangsanlage zu entfernen. Das AG hat dem Antrag stattgegeben, die Beschwerde der Ag. führte zur dessen Zurückweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Ast. haben keinen Anspruch gegen die Ag. auf Entfernung der auf dem Dach der Wohnanlage installierten Parabol-Antenne. Insbesondere besteht kein Abwehranspruch aus § 1004 BGB.

1. Zu Recht ist das AG allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei der Installation der Parabol-Antenne auf dem Dach der Wohnanlage um eine bauliche Veränderung i. S. des § 22 I WEG handelt. Unter bauliche Veränderungen fallen alle auf Dauer angelegten Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch bauliche Maßnahmen, die weder der erstmaligen Herstellung des nach den Plänen oder der Baubeschreibung vorgesehenen oder sonst ordnungsmäßigen Zustandes dienen, noch Maßnahmen der ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung sind. Die Montage der Parabol-Antenne stellt eine solche auf Dauer angelegte Veränderung dar (so auch BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24. 9. 1991 - 8 W 77 u. 78/91 - unveröffentlicht; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1274). Das bedeutet, dass die Montage der Empfangsanlage nach §§ 22 I, 14 Nr. 1 WEG zulässig ist, wenn alle Wohnungseigentümer der Veränderung zugestimmt haben, denen durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Unter einem Nachteil i. S. des § 14 Nr. 1 WEG ist dabei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen; darunter fallen auch ästhetische Beeinträchtigungen des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage (vgl. etwa BayObLGZ 1989, 437 (438) = NJW-RR 1990, 209). Das AG hat eine solche Beeinträchtigung bejaht und sich in seiner Rechtsauffassung auf den überwiegenden Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung gestützt (vgl. insbesondere BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24. 9. 1991 - 8 W 77 u. 78/91). So hat insbesondere das BayObLG ausgeführt, bei den von einer Parabol-Antenne ausgehenden Beeinträchtigungen handele es sich nicht um Nachteile, die sich bei einem geordneten Zusammenleben der Wohnungseigentümer nicht vermeiden ließen und die deshalb hinzunehmen seien.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der mittels der Parabol-Antenne mögliche Empfang von Informationen aus dem täglichen Leben des ganz überwiegenden Teils der Bevölkerung als dessen selbstverständlicher Bestandteil nicht mehr wegzudenken wäre, mithin zum heute allgemein üblichen Wohnkomfort gehörte (BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Hamburg, WuM 1991, 312). Davon könne aber keine Rede sein; zum üblichen Standard gehöre heute nur der Empfang der gängigen Rundfunk- und Fernsehprogramme mittels herkömmlicher Antennen. Die mit der Anbringung der Parabol-Antenne verbundenen Beeinträchtigungen erwiesen sich insbesondere auch nicht im Hinblick auf das von den Ag. in Anspruch genommene Grundrecht der Informationsfreiheit gem. Art. 5 GG als bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich. Das Recht, sich nach Art. 5 I GG aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, finde nach Art. 5 II GG seine Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Eine solche Schranke könne auch § 1004 BGB darstellen, der ein Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen des Miteigentums der übrigen Wohnungseigentümer gewährleiste. Zwischen dem Abwehrrecht des § 1004 BGB und dem Grundrecht des Art. 5 GG finde eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass § 1004 BGB zwar dem Wortlaut nach Art. 5 GG Schranken setze, die Vorschrift aber ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müsse (BVerGE 7, 198 (208) = NJW 1958, 257). Bei der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Anbringung der Parabol-Antenne um einen nicht nur geringfügigen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum handele. Zu berücksichtigen sei ferner, ob den Parabol-Benutzern eine herkömmliche Gemeinschaftsantenne zum Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen zur Verfügung stehe und ob die Wohnanlage an das Breitbandkabel angeschlossen sei. Sei letzteres zu bejahen, werde ein Wohnungseigentümer in seinem Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, nicht wesentlich eingeschränkt, wenn ihm nicht erlaubt werde, das Gemeinschaftseigentum zur Anbringung einer Parabol-Antenne in Anspruch zu nehmen.

Diese Betrachtungsweise wird nach Auffassung der Beschwerdekammer der vom BVerfG herausgehobenen Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit nicht in ausreichendem Maße gerecht (vgl. BVerfG, NJW 1992, 493 m. w. Nachw.). Dort wird ausdrücklich betont, das Grundrecht der Informationsfreiheit, das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, sei wie das Grundrecht der Meinungsfreiheit eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie. Eine Informationsquelle ist nach der Rechtsprechung des BVerfG allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen. Dabei richtet sich die allgemeine Zugänglichkeit allein nach tatsächlichen Kriterien. Ein Fernsehprogramm verliert nicht deshalb den Charakter einer allgemein zugänglichen Informationsquelle, weil es an einem bestimmten Ort nicht in dem Sinne ortsüblich ist, dass es dort nur mit überdurchschnittlichem Aufwand empfangen werden kann. Für die Bestimmung des Schutzbereichs des Grundrechts auf Informationsfreiheit kommt dem Begriff des ortsüblichen Fernsehprogramms keine Bedeutung zu. Er ist insbesondere nicht geeignet, den Empfang schwacher Signale vom Schutzbereich der Informationsfreiheit auszuschließen. Diese Entscheidung ist im Zusammenhang mit der Frage ergangen, ob der Inhaber eines Dauerwohnrechts eine Zusatzantenne zum Empfang weiterer Programme an einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage anbringen durfte.

Nach Auffassung der Kammer misst das BayObLG in der Frage des Grundrechts der Informationsfreiheit dem Umstand, ob eine Informationsquelle zum „heute allgemein üblichen Wohnkomfort gehört“, zu hohe Bedeutung bei. Es vertritt die Auffassung, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit nicht wesentlich eingeschränkt sei, wenn der Parabol-Antennen-Interessent sich aus anderen allgemein zugänglichen Quellen - insbesondere aus einem Breitbandkabel - unterrichten könne. Diese Bewertung wird dem hohen Rang der Informationsfreiheit schon im Ansatz nicht gerecht. Das Grundrecht des Wohnungseigentümers auf Informationsfreiheit aus Art. 5 I GG ist nicht ein Kriterium unter vielen, das in die Interessenabwägung einzufließen hat, vielmehr bestimmt dieses Grundrecht die rechtliche Ausgangssituation und gibt dem Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf Zustimmung der übrigen Miteigentümer, die nur bei sachbezogenen entgegenstehenden Interessen der übrigen Eigentümer entfällt. Solche beachtlichen sachbezogenen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer können etwa sein, dass ein Eingriff in die Bausubstanz des Hauses und damit das Eigentum der übrigen Eigentümer gegeben ist oder dass die Ausführung der Parabol-Antenne bautechnisch unzulässig bzw. gefährlich ist, oder dass die Parabol-Antenne nach Standort und konkreter Ausführung vermeidbar das optische Bild der Wohnungsanlage beeinträchtigt oder dass eine Gemeinschafts-Parabol-Anlage vorhanden ist, an die sich der Wohnungseigentümer anschließen kann. Die Rechte der übrigen Miteigentümer können etwa so weit gehen, dass sie vom Wohnungseigentümer den Ort der Aufstellung zuweisen können, wenn die Antenne dort optisch weniger das Gesamtbild des Hauses beeinträchtigt, und dass sie vom Wohnungseigentümer verlangen können, eine nach Größe und Farbe möglichst unauffällige Parabol-Antenne zu wählen.

Im zu entscheidenden Fall ist nicht ersichtlich, dass gegen diese Prinzipien verstoßen worden ist. Der Durchmesser des Parabolspiegels ist mit 850 mm nicht überdimensioniert, die Farbe ist dem Ziegeldach angepasst. Dies weisen die vorgelegten Lichtbilder aus. In ihrem Erscheinungsbild wirkt der Parabolspiegel ästhetisch nicht störender als eine in der Nähe befindliche herkömmliche Fernsehantenne. Eine Gemeinschafts-Parabol-Antenne existiert in der Eigentumsanlage nicht. Das Informationsinteresse der Ag. ist nicht vernachlässigbar. Die Informationsmöglichkeiten in türkischer Sprache, die sich ihn über die Parabol-Antenne bieten, sind wesentlich weit gefächerter als die des über Breitbandkabel erreichbaren Fernsehens. Insbesondere können die Ag., die türkische Staatsangehörige sind, eine Mehrzahl von türkischen Sendern empfangen, während über Breitbandkabel nur ein türkischer Sender zu erreichen ist.

Der in diesem Zusammenhang häufig erhobene Einwand, was einem Wohnungseigentümer erlaubt werde, können den anderen nicht versagt werden, was im Ergebnis zu einer massiven Verunstaltung der gemeinschaftlichen Wohnanlage führen könne, ist zwar nahe liegend, rechtfertigt aber angesichts der überragenden Bedeutung der Informationsfreiheit nicht, den Ag. und all den anderen Eigentümern generell den Anspruch auf Zustimmung zur Installierung einer Parabol-Antenne abzusprechen (in diesem Punkt offenbar zweifelnd das OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1274). Einer ästhetisch unerwünschten Ansammlung von Parabol-Antennen wird möglicherweise dadurch entgegengewirkt werden können, dass die Wohnungseigentümergemeinschaften sich insofern zu einer Gemeinschaftsanlage entschließen (wie hier: LG Mannheim, ZMR 1992, 342, für das Mietverhältnis).

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht