Leuchtreklame für Gewerbeeinheit als zustimmungsfreie bauliche Veränderung

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

06. 10. 2000


Aktenzeichen

2Z BR 74/2000


Leitsatz des Gerichts

Die an der Außenwand eines im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudes angebrachte, vorspringende Leuchtreklame stellt eine bauliche Veränderung dar, die grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf. Soweit es sich dabei jedoch um eine ortsübliche und angemessene Werbung für ein in zulässiger Weise in der Wohnanlage betriebenes Gewerbe handelt, ist diese Zustimmung nicht erforderlich.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Dem Ast. gehört eine Wohnung im 1. Obergeschoss, dem Ag. zu 1 gehört die Wohnung Nr. 1 im Erdgeschoss des Vordergebäudes und dem Ag. zu 2 das Teileigentum Nr. 13 im Erdgeschoss des Rückgebäudes. § 2 III der in der Teilungserklärung (TE) vom 23. 5. 1995 enthaltenen Gemeinschaftsordnung (GO) lautet: „Das Teileigentum Nr. 13 und die Wohnungen Nr. 1 und 2 dürfen in jeder öffentlich-rechtlich zulässigen Weise genutzt werden.“ § 10 IV GO in der Ergänzung durch den Nachtrag vom 19. 10. 1995 lautet wie folgt:

§ 10 GO. (4) Dem jeweiligen Teileigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 13 wird das Recht zur Anbringung von Reklameeinrichtungen an der Straßenfassade des Vordergebäudes eingeräumt, und zwar

a) für ein Nasenschild bei der Durchfahrt, soweit öffentlich-rechtlich genehmigungsfähig und

b) für Reklameschriften an der Mauer zwischen dem I. und II. Obergeschoss, jedoch keine Lichtreklame, soweit öffentlich-rechtlich genehmigungsfähig.

Der Mieter des Ag. zu 1 brachte über dem Eingang des gewerblich genutzten Wohnungseigentums des Ag. zu 1 eine von der Hauwand mindestens 1 m vorspringende und etwa 2 m breite Leuchtreklame an. Der Mieter des Ag. zu 2 brachte über dem Eingang zum Innenhof eine ebenfalls etwa 1 m vorspringende und 2 m breite Leuchtreklame an; außerdem brachte er am Rückgebäude eine Leuchtreklame an. Der Ast. hat beantragt, die Ag. zu 1 und 2 zur Beseitigung der Leuchtreklameanlagen zu verpflichten.

Das AG hat dem Antrag auf Beseitigung der Leuchtreklame des Ag. zu 1 und der des Ag. zu 2 über dem Durchgang zum Innenhof stattgegeben und dem Ag. zu 2 hinsichtlich der Leuchtreklame am Rückgebäude bestimmte Beschränkungen auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Ag. zu 1 und 2 gegen die Entscheidung des AG, soweit dem Beseitigungsantrag uneingeschränkt stattgegeben wurde, hat das LG insoweit den Beseitigungsantrag abgewiesen. Dagegen richtete sich das weitere Rechtsmittel ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ohne Rechtsfehler ist das LG davon ausgegangen, dass es sich bei den von den Mietern des Ag. zu 1 und 2 an der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Außenwand des Vordergebäudes angebrachte Leuchtreklame als auf Dauer angelegten Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums um bauliche Veränderungen handelt, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und auch nicht der erstmaligen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands dienen (vgl. BayObLGZ 1990, 120 [122]). Damit ist die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu den baulichem Maßnahmen gem. § 22 I WEG erforderlich, es sei denn, sie werden durch die Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt (§ 22 I 2 WEG). Ob dies der Fall ist, liegt grundsätzlich auf dem Gebiet der tatrichterlichen Würdigung; diese kann vom RechtsbeschwGer. nur eingeschränkt, nämlich nur auf Rechtsfehler hin nachgeprüft werden (BayObLG, NZM 2000, 392).

b) Nach § 14 Nr. 1 WEG müssen bauliche Veränderungen nicht hingenommen werden, soweit durch sie einem anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. Danach sind Beeinträchtigungen hinzunehmen, die bei einem zweckbestimmungsgemäßen Gebrauch eines Wohnungs- oder Teileigentums unvermeidlich sind. Nicht nur das Teileigentum des Ag. zu 2, sondern auch das Wohnungseigentum des Ag. zu 1 darf nach der GO grundsätzlich ohne Einschränkung gewerblich genutzt werden (§ 2 III GO). Wird ein Wohnungs- oder Teileigentum in zulässiger Weise gewerblich, z.B. als Ladengeschäft genutzt, dann muss von den übrigen Wohnungseigentümern nicht nur diese Nutzung, sondern auch die Anbringung von Werbeanlagen zur ortsüblichen und angemessenen Werbung für das betriebene Gewerbe oder Ladengeschäft geduldet werden (BayObLG, WE 1988, 18; KG, NJW-RR 1995, 333; Bärmann/Pick/Merle, WEG , 8. Aufl., § 22 Rdnr. 210).

c) Das LG ist auf Grund des durchgeführten Augenscheins zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei den Leuchtreklamen der Ag. um eine ortsübliche und angemessene Werbemaßnahme handelt, durch die andere Wohnungseigentümer, insbesondere der Ast., nicht über das nach § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Maß beeinträchtigt werden. Diese tatrichterliche Würdigung ist für das RechtsbeschwGer. bindend.

d) Aus den in der GO getroffenen Regelungen ergibt sich nichts anderes. Soweit in § 10 I GO den Wohnungseigentümern der Wohnungen Nr. 1 bis 12 das gemeinschaftliche Sondernutzungsrecht an allen im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteilen des Vorderhauses eingeräumt wird, hat dies nur die Bedeutung, dass der Ag. zu 2, dessen Teileigentum im Rückgebäude liegt, von dem ihm sonst nach § 13 II WEG zustehenden Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums am Vordergebäude ausgeschlossen ist. Ihm ist im Gegenzug in § 10 II GO das Sondernutzungsrecht an dem Rückgebäude eingeräumt, soweit es sich um Gemeinschaftseigentum handelt. Der Umfang des Mitgebrauchs der Wohnungseigentümer der Wohnungen Nr. 1 bis 12 richtet sich wiederum nach § 14 WEG (§ 13 II 1 WEG ). Diese Bestimmung steht der Anbringung der Leuchtreklame nicht entgegen.

Dem Ag. zu 2 ist in § 10 IV GO das ausdrückliche Recht eingeräumt, am Vordergebäude im Bereich der Durchfahrt zum Rückgebäude ein „Nasenschild“ anzubringen. Ohne Rechtsfehler hat das LG auf Grund des durchgeführten Augenscheins die angebrachte Leuchtreklame als ein solches Schild angesehen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das LG aus der Gegenüberstellung von lit. a und b des § 10 IV GO zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Nasenschild auch als Leuchtreklame ausgestaltet werden dürfe.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht