Einschränkung der Werbebefugnis durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gericht

LG Aurich


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

28. 08. 1986


Aktenzeichen

3 T 97/86


Leitsatz des Gerichts

Die nach § 13 WEG grundsätzlich zulässige gewerbliche Nutzung des Sondereigentums sowie eine angemessene und ortsübliche Werbung dazu kann durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeschränkt werden dahin, dass die Werbung im Bereich des Sondereigentums nicht gestattet ist, soweit das äußere Bild der Anlage dadurch verändert oder beeinträchtigt wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die bet. Wohnungseigentümer einer Anlage streiten über die Berechtigung des Ag., an dem Balkonfenster seiner Eigentumswohnung einen Werbeträger anzubringen, nämlich ein rotes Schild mit der weißen Aufschrift „Zu vermieten“ sowie Angabe einer Telefonnummer.

Das AG hat den Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, auf Beseitigung der Reklameschrift und Androhung von Geld- oder Haftstrafe für den Fall, dass weitere Werbeträger angebracht werden, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG im wesentlichen ausgeführt, dass das Reklameschild zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft führe, so dass auch keine Beseitigung verlangt werden könne. Die Beschwerde der Ast. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Beschwerde der Ast. ist gem. § 45 I WEG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Der Verfahrensbevollmächtigte der Ast. verfügt auch über die erforderliche Beschwerdebefugnis. Diese resultiert aus dem Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 1. 12. 1984, in der die Versammlung beschloss, „dass der Verwalter bevollmächtigt und beauftragt wird, etwaige Außenwerbung in Wohnungen zu verbieten und notfalls die erforderlichen gerichtlichen Schritte für die Eigentümer der Gemeinschaft einzuleiten". Diese Bevollmächtigung enthält nach Auffassung der Kammer die uneingeschränkte Befugnis, jegliche gerichtliche Schritte einzuleiten, welche zur Durchsetzung des Verbotes der Außenwerbung erforderlich sind. Mithin war der Verwalter auch befugt, gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde einzulegen, ohne dass die Wohnungseigentümerversammlung zuvor darüber befinden müsste, ob und in welchem Umfang das Beschwerdeverfahren durchgeführt werden soll.

II. Der Ag. ist verpflichtet, die von ihm an der Fensterscheibe angebrachte Werbung zu entfernen.

1. Die Verpflichtung des Ag., die von ihm angebrachte Werbung zu entfernen, ergibt sich indes nicht schon aus den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes. Vielmehr kann jeder Wohnungseigentümer nach § 13 I WEG mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteil nach Belieben verfahren, insbesondere ... diese vermieten. Da auch § 14 WEG für den vorliegenden Fall keine einschränkende Regelung beinhaltet, wäre danach der Ag. grundsätzlich berechtigt, in der von ihm durchgeführten Art an seiner Eigentumswohnung Werbung anzubringen. Die Befugnis, Werbung zu treiben, stellt sich hierbei lediglich als Ausfluss der allgemeinen Befugnis eines Wohnungseigentümers dar, sein Sondereigentum auch gewerblich zu nutzen. Diese Befugnis gilt jedenfalls dann, wenn sich die Werbung im Rahmen des Ortsüblichen und Angemessenen hält, (OLG Frankfurt, Rpfleger 1982, 64) und der Werbeträger der Ästhetik des Gebäudes nach seinem Charakter, seiner Lage und seinem Bestimmungszweck nicht widerspricht (Bärmann-Pick-Merkle, 5. Aufl., § 13 Rdnr. 120; Röll, in: MünchKomm, § 13 WEG Rdnr. 12).

2. Im vorliegenden Fall jedoch ist die Werbebefugnis des Ag. durch den weiteren, in der Eigentümerversammlung vom 1. 2. 1984 gefassten Beschluss eingeschränkt. Danach hat die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass Werbung im Bereich des Sondereigentums (Balkon/Fenster/Türen) nicht gestattet ist, soweit das äußere Bild der Anlage dadurch verändert oder beeinträchtigt wird. Da dieser Beschluss weder gegen (unabänderliche) Rechtsvorschriften verstößt noch für ungültig erklärt worden ist, mithin gem. § 23 IV WEG gültig ist, beurteilt sich die Werbebefugnis des Ag. damit allein danach, ob durch die von ihm angebrachten Werbeträger das äußere Bild der Anlage verändert oder beeinträchtigt wird. Hierbei ist zunächst darauf abzustellen, dass der Werbeschriftzug „zu vermieten“ aufgrund seiner Größe, insbesondere aber seiner farblichen Ausgestaltung einem durchschnittlichen Betrachter sofort ins Auge fällt. Dies gilt nicht nur, sofern man lediglich auf die Wohnung des Ag. abstellt (worauf es im Übrigen nach der Beschlussfassung nicht ankommt); auch auf den gesamten optischen Eindruck des Gebäudes wirken sich die Werbeschriftzüge aus. Denn sie stellen die einzigen Werbeträger dar, die im gesamten privat genutzten Teil der Wohnungseigentumsanlage anzutreffen sind. Gerade aufgrund der ansonsten eher sachlichen und schlichten Ausgestaltung der oberen Geschosse der Wohnungseigentumsanlage sticht der Werbeschriftzug sofort ins Auge. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch unabhängig davon, dass sich im Untergeschoß der Wohnungseigentumsanlage eine Ladenzeile befindet, deren Werbeträger von Anzahl und Umfang her die vom Ag. angebrachten Schriftzüge weit überwiegen. Denn die oberhalb des Erdgeschosses befindliche Sichtblende bewirkt eine optische Zäsur zwischen dem unteren, allein gewerblich genutzten Teil und den oberen, privat genutzten Eigentumswohnungen. Diese zumindest optisch gegebene Trennung zwischen dem gewerblichen und nicht gewerblichen Teil der Wohnungsanlage wird durch die vom Ag. angebrachte Werbung entscheidend beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung ist nach Auffassung der Kammer auch so gewichtig, dass ihr ein nicht unerheblicher Einfluss auf den optischen Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage zukommt. Demnach hält sich die vom Ag. angebrachte Werbung nicht mehr im Rahmen des am 1. 12. 1984 gefassten Beschlusses, so dass die Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 15 III WEG vom Ag. Beseitigung verlangen kann.

3. Entgegen der Auffassung des Ag. besteht der Beseitigungsanspruch auch unabhängig davon, ob sich die von ihm angebrachte Werbung im Rahmen des (auf der Ferieninsel B.) Ortsüblichen hält. Dies mag, wie auch vom AG angenommen, zu bejahen sein. Indes beurteilen sich die Unterlassungspflichten des Ag. im vorliegenden Fall allein nach den Schranken, welche ihm durch das Gesetz einerseits und durch die von der Wohnungseigentümerversammlung anderseits gefassten Beschlüsse gezogen sind. Danach aber ist - wie oben ausgeführt - nur solche Werbung erlaubt, die keine Veränderung oder Beeinträchtigung des äußeren Bildes der Anlage mit sich bringt. Demnach kommt es für den hier zu entscheidenden Sachverhalt allein darauf an, welchen optischen Einfluss die Werbeschriftzüge auf die Wohnungseigentumsanlage haben.

4. Schließlich verstößt der Beschluss der Eigentümerversammlung auch nicht gegen die grundrechtlich geschützte Befugnis des Ag., für die Vermietung seines Sondereigentums zu werben. Denn durch die beschlossene Regelung wird nicht die Werbebefugnis als solche ausgeschlossen, sondern lediglich der Umfang der Werbemöglichkeiten eingeschränkt. Die Zulässigkeit einer einschränkenden Gebrauchsregelung ist jedoch durch § 15 I WEG ausdrücklich gesetzlich anerkannt.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht