Höhe der Eigenheimzulage bei Sanierung
Gericht
FG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
29. 05. 2001
Aktenzeichen
7 K 7344/98
Bleiben bei Sanierung eines Gebäudes noch wesentliche Teile der Bausubstanz erhalten, liegt keine Herstellung i. S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG vor. In diesem Fall sind höchstens 2500 DM jährlich als Eigenheimzulage zu gewähren.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger (Kl.) schloss am 12. 12. 1995 einen Kaufvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung im Gebäude in B.
Das Gebäude stammt aus dem Jahre 1904.
In den Jahren 1993 bis 1995 sanierte und modernisierte die KG das Gebäude mit einem Aufwand von x Mio. DM umfassend und teilte es in Wohnungseigentum auf. In der Beschreibung des Architekten heißt es dazu u. a.:
„In die vorhandene tragende Mauerwerks-Konstruktion wird erheblich eingegriffen - um die Stabilität des Gebäudes wieder herzustellen werden große Teile ersetzt - dies auch zur Verwirklichung der gewünschten Grundrisse für den Anbau der Balkone sowie den Ein- oder Anbau der Aufzüge. Stürze müssen für die Optimierung von Fensteröffnungen erneuert werden. Teile müssen im Zuge der Schwammsanierung ersetzt werden. Sämtliche Außenwände werden neu verputzt, sämtliche Abwässerungen erneuert und mit neuen Zinkabdeckungen versehen.
Die vorhandenen Holzbalkendecken sind komplett zu erneuern und zu verstärken, teilweise in Holz, teilweise in Stahl, da sich herausstellte, dass nicht nur in den ehemaligen Nassraumbereichen, sondern generell die Holzbalken schadhaft bzw. die Spannweiten für die heutigen Anforderungen an die Durchbiegung zu groß sind.
Die vorhandenen Betondecken müssen tockretiert und in großen Teilen total erneuert werden, da die vorangehende Nutzung starke Schäden hinterlassen hatte.
Die Konstruktionen der Dachgeschosse werden neu erstellt, da die Höhen nicht ausreichen bzw. die statischen Erfordernisse durch die vorhandene Konstruktion nicht erfüllt werden. Die neuen Dacheindeckungen erfolgen in Ziegeln, die Flachdachteile in dreilagiger Dachhaut im Heißbitumenverfahren. Dachgauben und alle Verwahrungen und Entwässerungen erfolgen in Zink.
In weiten Teilen des Vorhabens werden neue Wohnungstrennwände errichtet.
In den Treppenhäusern werden konstruktive Veränderungen teils wegen Baufälligkeit, teils zwecks Anbindung der Aufzüge vorgenommen …
Nichttragende Wände werden in Gipskarton-Leichtbauweise errichtet, - Wohnungstrennwände teilweise auch in Leichtbeton - aufgedoppelt mit gedämmter Vorsatzschale. Bestehende nichttragende Wände sind größtenteils zu versetzen, d. h. neu zu errichten.
Alle tragenden Wände müssen komplett neu verputzt bzw. mit Gipskarton-Trockenputz neu verkleidet werden. In Außenwand- und Brüstungsbereichen müssen teilweise auch wärmegedämmte Vorsatzschalen eingebracht werden.
In den Treppenhäusern müssen alle Wände und Decken neu verputzt und gestrichen werden.
Decken werden komplett erneuert, durch Abriss alter Rohrdecken und neue Abhängung in Gipskarton.
Die vorhandenen Fußböden müssen, schon wegen Erneuerung der tragenden Teile, entfernt werden. Sie werden ersetzt durch neue Holzschalung und Trockenestrichplatten mit Trittschalldämmung. Diese Fußböden kommen auch auf den Betondecken wegen Höhenausgleich sowie erforderlicher Trittschall- und Wärmedämmung zum Einsatz.
In den Treppenhäusern werden die Holzstufen und Geländer erneuert, im 2. Quergebäude nach der Erneuerung des konstruktiven Unterbaues neue Kunststeinstufen und -platten eingebaut. Die restlichen Treppen werden mit Linoleum belegt.“
Die Wohnung des Kl. verfügte vor der Sanierung über keine Innentoilette, sondern über eine Toilette auf dem Treppenabsatz. In der früheren Küche war zwar ein Frischwasseranschluss vorhanden, dieser war jedoch nicht funktionsfähig. Gleiches galt für den Abwasseranschluss. Eine Spüle, eine Heizung, eine Kochmaschine und ein Elektroanschluss für einen Herd waren nicht vorhanden, dagegen ein Schornstein und ein Gasanschluss, der auch funktionsfähig war.
In der Wohnung des Kl. wurde der Wohnungsgrundriss verändert. Die Deckenbalken wurden verstärkt, um die Statik wieder herzustellen. In den tragenden Wänden wurden zwei Türen angelegt, während eine andere geschlossen wurde. Ein Pfeiler wurde aus statischen Gründen abgebrochen. Ein Balkon wurde angebaut. Die ehemalige Küche wurde zu einem Bad umgestaltet. Die Wohnung wurde an die Wasserversorgung angeschlossen und es wurde eine Heizung eingebaut.
Am 31. 5. 1996 stellte der Kl. beim Beklagten (Bekl.) einen Antrag auf Eigenheimzulage ab dem Jahre 1995. Er gab als Baujahr das Jahr 1995 an. Der Bekl. setzte eine Eigenheimzulage von 2 500 DM pro Jahr für die Jahre 1995 bis 2002 fest, wogegen der Kl. Einspruch einlegte.
Auszüge aus den Gründen:
Dem Kl. steht kein Anspruch auf ungekürzte Gewährung der Eigenheimzulage zu.
Das EigZulG ist im Streitfall anwendbar. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 EigZulG wird dieses Gesetz auf Antrag des Anspruchsberechtigten auch angewandt, wenn der Anspruchsberechtigte die Wohnung nach dem 26. 10. 1995 auf Grund eines nach diesem Zeitpunkt rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags angeschafft hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, da der der Anschaffung der streitigen Wohnung zu Grunde liegende Kaufvertrag am 12. 12. 1995 abgeschlossen wurde.
Höhe des Fördergrundbetrags
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG in der für den Streitfall maßgebenden Fassung beträgt der Fördergrundbetrag jährlich 5 v. H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000 DM. Der Fördergrundbetrag reduziert sich auf jährlich 2,5 v. H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500 DM, wenn der Anspruchsberechtigte die Wohnung nicht bis zum Ende des zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jahres angeschafft hat. Streitentscheidend ist also, wann die vom Kl. erworbene Wohnung als hergestellt i. S. dieser Vorschrift gilt. Von einer Herstellung in den Jahren 1993 bis 1995 kann nur ausgegangen werden, wenn auf Grund der Sanierungsmaßnahmen eine neue Wohnung hergestellt wurde. Der Besonderheit, dass es sich um Wohnungseigentum handelt, ist in der Weise Rechnung zu tragen, dass die für das gesamte Gebäude geltenden Umstände insoweit zu prüfen sind, als der Kl. gemeinschaftliches Eigentum erworben hat, während die Verhältnisse betreffend das Sondereigentum des Kl. maßgebend sind, soweit dieser daran Eigentum erworben hat (Spindler, DStR 1996, 765, 768 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Außenmauern, tragende Innenwände, Decken, Treppenhäuser und Dächer Gemeinschaftseigentum darstellen (Sauren, WEG, 2. Aufl., § 1 Rn. 8).
Sanierung eines Gebäudes als Herstellung: Übersicht zur Rechtsprechung
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird ein Gebäude auch dann hergestellt, wenn es so sehr abgenutzt ist, dass es unbrauchbar geworden ist und durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile die Brauchbarkeit des Gebäudes wieder hergestellt wird (BFH v. 13. 10. 1998, IX R 61/95, BFHE 187, 431, BStBl II 1999, 282, DStR 1999, 409). Dies setzt schwere Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen voraus. Es darf nicht nur der durch die Außenmauern umbaute Raum umgestaltet werden. Vielmehr müssen die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind (BFH v. 11. 9. 1996, X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94, DStR 1997, 60; v. 25. 8. 1999, X R 57/96, BFH/NV 2000, 186). Der X. Senat des BFH verweist insoweit beispielhaft auf Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, die Geschossdecken und die Dachkonstruktion (BFH in BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94; in BFH/NV 2000, 186). Der IX. Senat verweist insoweit insbesondere auf tragende Wände und Fundamente (BFH v. 13. 10. 1998, IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603). Nicht ausreichend, um die Herstellung eines Gebäudes zu bejahen, ist es, dass ein unbewohnbares Gebäude wieder hergestellt wird (BFH v. 12. 12. 1997, X R 54/96, BFH/NV 1998, 841; in BFH/NV 2000, 186). Ebenso wenig reicht es aus, wenn nur ein für die Nutzungsdauer bestimmter Gebäudeteil erneuert wird (BFH in BFH/NV 2000, 186; vgl. BFH in BFH/NV 1999, 603: Dacheindeckung nicht ausreichend). In der Literatur wird es für erforderlich gehalten, dass die tragenden Gebäudeteile in überwiegendem Umfang ausgetauscht werden (Wacker, EigZulG, 3. Aufl., § 2 Rn. 110).
Schließlich ist unbeachtlich, ob die streitige Räumlichkeit vor der Baumaßnahme den Voraussetzungen des aktuellen Wohnungsbegriffs entsprach. Die Schaffung von Bad, WC und Küche führt noch nicht zur Herstellung einer Wohnung (BFH v. 4. 3. 1998, X R 142/94, DStRE 1998, 917; ähnlich BFH in BFH/NV 1999, 603).
Davon ausgehend sprechen folgende Umstände für die Annahme einer neu hergestellten Wohnung:
Große Teile der tragenden Mauerwerkskonstruktion wurden ersetzt.
Die Holzbalkendecken wurden komplett erneuert.
Die Dachkonstruktion ist neu.
In den Treppenhäusern wurden konstruktive Veränderungen vorgenommen, die teils durch Baufälligkeit bedingt waren.
Die tragenden Mauerwerkskonstruktionen wurden auch ersetzt, um veränderte Grundrisse zu verwirklichen.
Außenwände wurden nicht ersetzt.
Die Dachkonstruktion musste auch wegen des Dachausbaus erneuert werden.
Die Treppenhäuser blieben dem Grunde nach bestehen.
Im Streitfall wurde keine neue Wohnung hergestellt
Das Gericht lässt dahingestellt, in welchem Umfang die Baumaßnahmen lediglich von gestalterischen Erwägungen bzw. von der Absicht Dachgeschosswohnungen zu erstellen bestimmt waren. Selbst wenn sämtliche vorgenommenen Baumaßnahmen auch wegen des vorgefundenen Verschleißes erforderlich gewesen wären, ist im Streitfall kein neues Gebäude/keine neue Wohnung hergestellt worden.
Denn weder Außenmauern noch Fundamente sind im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen ausgetauscht worden. Die Außenmauern sind lediglich neu verputzt worden. Ferner wurden sie bei der Erneuerung von Fensterstürzen berührt. Auch die Treppenhäuser, die im Geschosswohnungsbau von grundlegender Bedeutung sind, wurden in ihrer Substanz nur geringfügig erneuert. Demgegenüber hat die Erneuerung der Geschossdecken und von großen Teilen der (auch tragenden) Innenwände keine so große Bedeutung, dass sie es rechtfertigen würde, die streitige Wohnung als neu hergestellt anzusehen. Denn auch im Geschosswohnungsbau prägen die Außenmauern das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes, so dass sie dem Gebäude wesentlich das Gepräge geben. Der erk. Senat lässt dahingestellt, ob die Herstellung eines neuen Gebäudes überhaupt denkbar ist, solange nicht wesentliche Teile der Außenwände und/oder der Fundamente neu erstellt werden. Im Streitfall sieht er die vorgenommenen Maßnahmen für eine Neuherstellung jedenfalls nicht als ausreichend an, da trotz allem noch wesentliche Teile der Bausubstanz im Gebäudeinneren, insbesondere die Treppenhäuser, erhalten blieben.
Andere FG-Urteile beim BFH anhängig
Der erk. Senat verkennt nicht, dass er sich damit in Widerspruch setzt zu einer Reihe finanzgerichtlicher Entscheidungen, die insoweit von geringeren Anforderungen ausgehen. Die Entscheidungen sind allerdings noch revisionsbefangen (FG Nürnberg v. 13. 4. 1999, I 18/98, EFG 1999, 1070, Az. BFH: X R 36/99; FG Mecklenburg-Vorpommern v. 23. 2. 2000, 1 K 590/98, EFG 2000, 540, Az. BFH: IX R 41/00; Hessisches FG v. 4. 7. 2000, 11 K 6696/98, EFG 2001, 18, DStRE 2001, 624, Az. BFH: X R 48/00; Thüringer FG v. 12. 7. 2000, III 1649/99, EFG 2000, 1300, DStRE 2001, 751, Az. BFH: IX R 78/00).
Der Kl. kann sich auch nicht auf die von ihm herangezogene Vereinfachungsregel berufen, wenngleich der BFH die Anwendung einer vergleichbaren Regelung für möglich gehalten hat (BFH in BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94). Denn es fehlt am Schaffen einer Wohnung. Dafür hat es der BFH nicht ausreichen lassen, dass eine Wohnung gewandelten Bedürfnissen angepasst wurde.
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