Beeinträchtigung durch Radiogeräusche von der Nachbarterrasse

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

03. 09. 1991


Aktenzeichen

25 U 1838/91


Leitsatz des Gerichts

Radiogeräusche von der Nachbarterrasse in einer Reihenhausanlage sind bereits dann unzulässige Immissionen, wenn sie ihrer Art nach deutlich wahrnehmbar sind; auf bestimmte schalltechnische Messwerte kommt es nicht an.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Nachbarn in einer Reihensiedlung von Einfamilienhäusern. Ihre nach Größe und Anlage gleichartigen Häuser von nur etwa 6 m Breite haben auf der Gartenseite ebenerdig zunächst eine Terrasse, welche jeweils etwa zu 1/3 als überdachter Freisitz ausgestaltet ist, mit dort mündender Außentüre des Wohnzimmers. Die Rückseite des Freisitzes ist jeweils erdgeschosshoch gemauert und zwar unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn, so dass jeder Freisitz in denselben Richtungen offen ist, also auf die westliche Terrassenfläche und die Rückwand des benachbarten Freisitzes blickt, sowie schräg und schmalseitig zum Garten hin. So verhält es sich für die Benützer des kl. Grundstücks im Verhältnis zum Grundstück des Bekl., welcher also die Terrasse des Kl. gleichsam im Rücken hinter seinem Freisitz weiß. Anschließend an die jeweilige Freisitzmauer auf der Grundstücksgrenze sind die verhältnismäßig langen schmalen Grundstücke der Parteien, jeweils im Gartenteil, durch eine übermannshohe Hecke getrennt. Im Freisitz des Bekl., und zwar in der Holzverschalung der Decke, sind zwei Lautsprecher eingebaut, welche von der im Wohnzimmer befindlichen Stereoanlage des Bekl. betrieben werden, nach insoweit übereinstimmenden Angaben der Parteien gewöhnlich zur Übertragung von Radioprogrammen, wenn die Terrasse des Bekl. benutzt wird. Der Kl. behauptet, dies geschehe seit Jahren oftmals so laut, dass er die Übertragung der Rundfunksendungen zwangsweise mithören müsse und dadurch in der Nutzung seines Grundstücks stark beeinträchtigt werde. Da es sich um eine reine Wohngegend handele, müsse in besonderem Maße auf das Ruhebedürfnis der Bewohner Rücksicht genommen werden. Die Unzulässigkeit der Immissionen ergebe sich auch objektiv daraus, dass von ihm am 21. und 27. 7. 1990 veranlasste, sachverständige Messungen Lärmpegelwerte zwischen 41,1 und 43,4 dB (A) ergeben hätten, also wesentlich über dem Wert von 35 dB (A), der in den vergleichend heranzuziehenden Vorschriften der TA-Lärm und der VDI-Richtlinie 2058 sowie der hierzu ergangenen Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 12. 8. 1988), angegeben seien. Der Bekl. behauptet, er habe seine Lautsprecher so eingerichtet, dass die Lärmimmission auf dem Grundstück des Kl. die angegebenen Werte keinesfalls überschreite, wie dieser ja selbst auch nicht konkret behaupte und unter Beweis stelle. Der Unterlassungsanspruch sei schließlich verwirkt, da die Lautsprecher schon seit etwa 15 Jahren so betrieben würden wie derzeit und der Kl. hiergegen nichts eingewendet habe.

Das LG hat den Bekl. verurteilt, es zu unterlassen, die unter dem Freisitz befindlichen Lautsprecher so laut zu betreiben, dass sie mit einer höheren Lautstärke auf das Grundstück des Kl. einwirken als wie folgt angegeben: von 9.00-13.00 Uhr: 50 dB (A), von 13.00-15.00 Uhr: 35 dB (A), von 15.00-22.00 Uhr: 50 dB (A). Das OLG hat auf die Berufung des Bekl. das landgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass der Bekl. es zu unterlassen hat, den Lautsprecher so laut zu betreiben, dass die daraus im Freien übertragenen Sendungen auf dem Grundstück des Kl. deutlich hörbar sind.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Dem Kl. steht der Unterlassungsanspruch nach §§ 903, 1004 BGB zu, da er in seinem Grundstückseigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt worden ist, nämlich durch die unkörperliche Immission von Radiogeräusch vom Freisitz des Bekl., und weil danach weitere solche Beeinträchtigungen von ihm zu besorgen sind. Die für (Geräusch-) Immissionen geltenden besonderen Duldungsvoraussetzungen nach § 906 BGB liegen nicht vor. Der Kl. ist durch das Radiogeräusch aus den Freisitzlautsprechern des Bekl. nicht nur unwesentlich in der Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigt worden. Auch ist solche Beeinträchtigung nicht durch eine als ortsüblich anzusehende Benutzung des Grundstücks des Bekl. herbeigeführt. Im einzelnen ist, ergänzend zu den grundsätzlich zutreffenden Erwägungen des LG, auszuführen:

1. Die Frage, ob eine nachbarliche Geräuschimmission die Grundstücksbenutzung i. S. von § 906 I BGB nur unwesentlich beeinträchtigt (und daher zu dulden ist), ist unter Berücksichtigung der Natur- und Zweckbestimmung des Grundstücks nach dem Empfinden eines durchschnittlichen Benutzers zu beantworten. Entscheidend kommt es darauf an, ob bei einer Grundstücksbenutzung, die den konkreten örtlichen Verhältnissen entspricht, die Geräuschimmission bei normaler Empfindlichkeit kaum wahrgenommen wird oder aber aufdringlich deutlich und daher lästig empfunden wird (Palandt-Bassenge, BGB, 50. Aufl., § 906 Rdnrn. 17 ff.; Soergel-Baur, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdnrn. 36 ff.; BGH, st. Rspr., NJW 1958, 1393; NJW 1984, 1242; BGHR § 906 I BGB, Stichwort: Wesentlichkeit 1, Urt. v. 23. 3. 1990).

Je nach der Art der Lärmentwicklung können sich Feststellungen des Gerichts orientieren an den messtechnisch erfassbaren dB (A)-Richtwerten in Vorschriften bzw. Hinweisen des öffentlichen Immissionsschutzrechts, welche als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ allgemein anerkannte Entscheidungshilfe sein können, so etwa bei Verkehrs-, Fabrik-, Veranstaltungslärm (vgl. BGHZ 46, 35 = NJW 1966, 1858 = LM § 906 BGB Nr. 21; BGHR § 906 I BGB Stichwort: Wesentlichkeit 1, Urt. v. 23. 3. 1990, eingehend am Beispiel „Volksfestlärm“; BGHZ 67, 253 = NJW 1977, 299 = LM § 1004 BGB Nr. 141; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 145 am Beispiel „Tennisanlage“; Soergel-Mühl, § 1004 Rdnrn. 39 ff. m. w. Nachw.). So ist bei Überschreitung der Richtwerte der TA-Lärm die Wesentlichkeit auch i. S. von § 906 I BGB in der Regel als gegeben anzusehen, ohne dass es noch zu weiteren Feststellungen an Ort und Stelle kommen muss. Stets ist jedoch zu beachten, dass die messtechnische Erfassung in dB (A) nur der Lautstärke gilt, die Auswirkungen des Geräuschs im Sinne der Beeinträchtigung der Grundstücksbenutzung aber von der komplexen Auswirkung im Sinne der Lästigkeit abhängen, diese letztentscheidende Lästigkeit des Geräuschs je nach seiner konkreten Art von vielen anderen Faktoren bestimmt ist, wie Tonhöhe, Intervalle und inhaltlichen Auffälligkeiten, die für sich und im Gesamteindruck hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Lästigkeit keiner objektiv-zahlenmäßigen Erfassung zugänglich sind. Das Gericht muss daher bei Streitigkeiten die Wesentlichkeit von andersartigen Geräuschen als etwa Verkehrs- und Arbeitslärm, deren störende Wirkung vornehmlich von ihrer Lautstärke abhängt, auf andere konkrete Lästigkeitsmerkmale und auf das Gesamtbild abstellen (BGHZ 46, 35 (38, 42) = NJW 1966, 1858 = LM § 906 BGB Nr. 21; Soergel-Baur, § 906 Rdnrn. 14 ff., 24, 40; Jauernig, BGB, 5. Aufl., § 906 Anm. 4 m. w. Nachw.).

Die Übertragung von Radioprogrammen und dergleichen ins Freie wirkt sich für den gewöhnlichen Benutzer des unmittelbaren Nachbargrundstücks nicht erst dann als lästig aus, wenn die Geräuschimmission besonders laut zu hören ist, sondern schon von der deutlichen Wahrnehmung der übertragenen Sendungen an. Ganz anders als diejenigen Geräusche, welche mehr oder weniger zwangsläufige Begleiterscheinungen des Lebens sind und daher erst bei besonderer Lautstärke als nicht mehr sozial adäquat und deshalb als wesentliche Beeinträchtigung empfunden werden, beanspruchen Radioprogramme - seien es Sprachtexte, Musik oder wie meistens beides in abwechselnder Aufeinanderfolge - ihres Inhalts wegen die Aufmerksamkeit des Hörers, und zwar auch des unfreiwilligen Hörers. Dieser Appellcharakter von Radiosendungen (wie auch sonstiger Art akustischer Medienwirkung) und nicht die Geräuschlautstärke als solche kennzeichnet den Grund, weshalb solche Art Geräusch zur Störung des Nachbarn schon dann wird, wenn die Grenze zur deutlichen Wahrnehmung überschritten und der Nachbar zum Mithören gezwungen ist, damit dann auch zur Unterbrechung und Vereitelung, mindestens Erschwerung der eigenem Entschluss und Belieben folgenden Nutzung seines Wohngrundstücks, sei dies nun Lektüre, Unterhaltung oder schlichtes Ausruhen.

Eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung durch Geräuschimmissionen i. S. von § 906 I BGB liegt bei im Freien durch Lautsprecher übertragenen Radiosendungen und dergleichen also unabhängig von einer bestimmten messbaren Lautstärke dann vor, wenn der durchschnittliche Benutzer des Nachbargrundstücks diese Art Immission als solche deutlich wahrnimmt. Dies entspricht allgemeiner Lebenserfahrung und bedarf keiner weiteren Vertiefung. In diesem Sinne deutlich ist eine Wahrnehmbarkeit dann, wenn die betreffende Programmübermittlung von Radiosendungen usw. als solche vom Gehör wahrgenommen wird, unabhängig davon, ob die Übertragungsqualität zum Verstehenkönnen im Sinne der Text- oder Melodieerfassung ausreicht. Auch das unverständliche, umgangssprachlich treffend als Radiogeplärr bzw. Radiogedudle bezeichnete Geräusch wird erfahrungsgemäß nicht weniger belästigend empfunden. Andererseits reicht für eine in diesem Sinne deutliche Wahrnehmbarkeit nicht schon ein kurzes, schnell vorübergehendes Herüberdringen eines Gesprächs- oder Musikteils aus, mag sich dies auch im Einzelfalle mit erheblicher Lautstärke ereignen.

2. Eine ortsübliche Grundstücksnutzung stellt das Betreiben von Lautsprechern im Freien einer Reihenhaussiedlung nicht dar, jedenfalls nicht, wenn sie in der Art und Weise erfolgt, wie vorstehend als wesentliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks dargelegt.

Den allein maßgeblichen tatsächlichen Ortsverhältnissen entsprechend (Soergel-Baur, § 906 Rdnr. 12 m. Nachw.) handelt es sich bei den Grundstücken der Parteien und der näheren, für Geräuschimmissionen noch in Betracht kommenden Umgebung um eine ausgesprochen ruhige Wohngegend; hiervon überzeugte sich das Gericht ebenfalls bei der Augenscheinseinnahme.

Zwar hat auch in einem solchen ruhigen Wohngebiet das entsprechend empfindlichere Ruhebedürfnis der Bewohner keinen absoluten Vorrang. Die mit dem Leben in der engen Nachbarschaft von Reihenhaussiedlungen nach üblichen Anschauungen und Sitten verbundenen Geräusche, wie von spielenden Kindern, gesellschaftlichen Unterhaltungen, zeitweise auch von Arbeit im Garten oder am Haus, An- und Abfahrt von Kraftwagen, sind auch hier als ortsüblich zu dulden. Von Radiogeräuschübertragungen im Freien gilt dies hierzulande in Wohngebieten jedoch nicht. Dass auch solche Belästigungen gleichwohl nicht selten vorkommen, ändert an der rechtlichen Würdigung fehlender Ortsüblichkeit noch nichts.

3. Solche nicht unwesentliche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung des Kl. durch Radiogeräuschimmissionen von den Freisitzlautsprechern des Bekl. ist in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen und daher auch in Zukunft zu besorgen. Hieran kann schon deshalb kein vernünftiger Zweifel bestehen, weil der Lautstärkeregler an der Stereoanlage des Bekl. ohne weiteres mit dieser Wirkung eingestellt werden kann, ohne dass auf dem Grundstück des Bekl., insbesondere auf seinem Freisitz die dort entwickelte Lautstärke schon unangenehm überlaut und daher grundsätzlich nicht zu erwarten wäre. Auch dies hat der Senat an Ort und Stelle bestätigt gefunden, ist aber auch ohnedies nach der Lebenserfahrung als sehr wahrscheinlich anzunehmen. Damit steht in Übereinstimmung, dass in erster Instanz des hier vorliegenden Rechtsstreits die Vernehmbarkeit der Lautsprechergeräusche für die Benutzer des klägerischen Grundstücks ersichtlich nicht bestritten war, und, was die Frage wesentlicher Beeinträchtigung angeht, es dort nur um die Frage ging, ob und wann die messbare Schallstärke die in den genannten Richtlinien ausgewiesenen Grenzwerte überschritt. Die erst im Berufungsverfahren hervorgetretene Darstellung des Bekl., eine so laute Einstellung der Lautsprecher, wie sie zur Beeinträchtigung des Nachbarn erforderlich sei, sei nach Bauart und Ausgangsleistung der Lautsprecher nicht möglich, ohne diese zu zerstören, ermangelt einer nachvollziehbaren Begründung. Der Bekl. mag dies, wofür einiges spricht, eher noch auf die in dB (A) bemessene Lautstärkeentwicklung bezogen haben, d. h. auf eine Lärmentwicklung über die aus der TA-Lärm entliehenen Grenzwerte von 45 bzw. 55 dB (A) hinaus. Auf solche Quantifizierung der Lautstärke kommt es im vorliegenden Falle aber nicht an, auch wenn der Kl. selbst im vermeintlichen Zwang zur Quantifizierung solche Grenzwerte herangezogen hat. Daran ist die Rechtsanwendung nicht gebunden, sondern der fallentsprechenden Gesetzesanwendung im Einzelfalle nach Maßgabe der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen verpflichtet. Der Kl. verfolgt den nachbarrechtlichen Abwehranspruch nach §§ 1004, 906 BGB dergestalt, dass dem Bekl. die Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch Lautsprecherübertragungsgeräusche untersagt werden soll. Da sich dieses Begehren als gerechtfertigt erweist, ist ihm durch Urteilsspruch nach Maßgabe des Gesetzes Rechnung zu tragen und nicht etwa an einer teilweise nicht sachdienlichen Antragsformulierung Anstoß zu nehmen. Dies entspricht dem als vernünftig zu unterstellenden Willen der Klagepartei. Hinzu kommt, dass im Bereich der Unterlassungsansprüche ohnehin keine strengen Anforderungen an die Formulierung des Klageantrags zu stellen sind und hier besonders zu beachten ist, dass solchen Formulierungen keine nicht auch wirklich gewollte Einschränkung des Klagebegehrens entnommen werden darf (vgl. Staudinger-Gursky, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rdnr. 171 m. Nachw.). Wenn der Kl. in Anlehnung an die TA-Lärm Messdaten im Klageantrag nennt, so ersichtlich in der Meinung, zwecks hinreichender Bestimmtheit des Klageantrags hierzu gehalten zu sein. Da dem nicht so ist, die Anknüpfung an Messdaten in dB (A) vielmehr für die Kennzeichnung des Klageanspruchs nicht sachdienlich erscheint, hat sie zu entfallen.

Gleiches gilt, wenn auch aus anderen Gründen, für die Zeitangaben im Klageantrag und, ihm folgend, im Urteilstenor. Sie wären als Konkretisierung des Anspruchs nur sinnvoll, wenn mit ihnen die Unterlassungspflicht des Bekl. tatsächlich im Sinne der tageszeitlichen Einschränkung konkretisiert, also eingeschränkt werden sollte und auch würde. Dies ist jedoch nicht der Fall; denn die genannten Tageszeiten von 9.00-22.00 Uhr umfassen den gewöhnlich überhaupt in Betracht kommenden Zeitbereich der Terrassen- und Gartenbenutzung der jeweiligen Grundstücke. Eine wirklich gewollte zeitliche Einschränkung der Unterlassungspflicht liegt daher nicht vor. Auch sind die genannten Tageszeiten nicht aus anderen Gründen zur Konkretisierung der Unterlassungspflicht gemeint oder sonst dienlich. Auch hier handelt es sich daher um eher zu Unsicherheiten Anlass gebenden und daher aus dem Urteilstenor auszuschließenden Ballast.

Dem steht nicht etwa gem. § 308 I 1 ZPO die dem Gericht vorgegebene Bindung an den Klageantrag entgegen. Diese meint die Beachtung der durch die Anträge gezogenen Grenzen des Streitgegenstandes. Dem Kl. aber liegt fern, die Übertragung einer bestimmten Quantität Schall untersagen lassen zu wollen. Ein solch vordergründig buchstäbliches Antragsverständnis ist nicht gemeint, wie sich aus der Klagebegründung ohne Zweifel ergibt. Die in den Klageantrag aufgenommenen dB (A)-Schallgrenzwerte haben keine den Klageanspruch prägende, nämlich quantifizierende Bedeutung, sondern unselbständige Hilfsfunktion aus dem Grunde der hier irrigen Annahme, es bedürfe solcher messtechnischen Grenzwerte zur hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags. Gleiches gilt von ihrer Aufnahme in den Tenor des landgerichtlichen Urteils. Seine davon absehende Neufassung bedeutet kein Abgehen vom durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstand, sondern seine auf den vorliegenden Fall konkret abstellende, rechtsentsprechende und vollstreckungsdienliche sprachliche Fassung. Diese ist, soweit das Rechtsbegehren aus dem Antrag und der Klagebegründung insgesamt klar hervorgeht, im übrigen Sache des Gerichts.

Die auf den konkreten Fall abgestimmte, von der Formulierung des Klageantrags in diesem Rahmen unabhängige sprachliche Fassung des Urteilsausspruchs hat besondere Bedeutung gerade im Bereich des einem Abwehranspruch entsprechenden Unterlassungsgebots. Dieses gewährt dem Kl. als solches nur einen imperfekten Rechtsschutz, nämlich nur die Möglichkeit, etwaige zukünftige Verstöße des Bekl. gerichtlich feststellen und durch Ordnungsmittel ahnden zu lassen. Auf dieses besondere, oft recht aufwendige Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO muss das Unterlassungsurteil ausgerichtet sein mit der Maßgabe, dass es einerseits durch hinreichend weite Fassung genügend Raum gibt für die Erfassung aller konkret zu besorgenden, einschlägigen Zuwiderhandlungen und andererseits, in diesem Rahmen, durch möglichst konkrete Festlegung der untersagten Immission eine Konzentration der im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Feststellungen erleichtert (vgl. Staudinger-Gursky, § 1004 Rdnr. 171). Dabei genügt in der Regel eine knappe, noch recht allgemeine Fassung des Urteilstenors, da im Vollstreckungsverfahren auch die Gründe des im Erkenntnisverfahren ergangenen Urteils heranzuziehen sind, so dass auf diese Weise die notwendige Bestimmtheit des Vollstreckungstitels gewährleistet ist (vgl. schon RG, JW 1930, 2934; Zöller-Stöber, ZPO, 16. Aufl., § 890 Rdnr. 15; Senat, MDR 1990, 442 m. Nachw.). Mit der abgeänderten Fassung des Urteilsausspruches war daher die bei Radiolärm nicht brauchbare Abgrenzung nach Messdaten durch das Kriterium der deutlichen Wahrnehmbarkeit im näher umschriebenen Sinne zu ersetzen.

Für den Kl. ist damit nach den gegebenen Möglichkeiten effektiver Rechtsschutz für das Vollstreckungsverfahren, wo er auf Zeugenbeweis angewiesen sein dürfte, gewährleistet. Dem Bekl. hinwiederum ist damit deutlich, dass er durch eigenes Verhalten zukünftige Belästigungen leicht vermeiden kann. Der Augenscheinstermin des Senats hat auch außer Zweifel gestellt, dass die Lautsprecher im Freisitz des Bekl. mit der von ihm selbst gewünschten Wirkung ohne weiteres so betrieben werden können, dass die Geräusche beim Kl. gar nicht oder nur mit Mühe zu hören sind und dann nicht stören. Allerdings, dies sei abschließend zur Vermeidung von Missverständnissen klargestellt, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob und wie der Bekl. seine Lautsprecher auf dem Freisitz ohne Störung des Kl. betreiben kann. Der Abwehranspruch des Kl. ist im Falle seiner Beeinträchtigung, über die gesetzlichen Duldungsschranken der Unwesentlichkeit und Ortsüblichkeit hinaus, ohne weitere Einschränkungen gegeben und nicht von sonstigen Zumutbarkeitskriterien abhängig, etwa im Sinne einer Abwägung gegenläufiger Interessen des Bekl. (BGHZ 69, 118 (127) = NJW 1977, 1920 = LM § 1004 BGB Nr. 145; Soergel-Baur, § 906 Rdnr. 37). In seinem Bereich der unwägbaren Immissionen stellt § 906 BGB mit den ohnehin ausfüllungsbedürftigen Begriffen eine abschließende Regelung dar zum Ausgleich der widerstrebenden Nachbarinteressen, welche sich einerseits aus dem Eigentumsanspruch auf Ausschluss jeder Fremdeinwirkung (§ 903 BGB) und andererseits dem bei jeder Grundstücksnutzung nach den Lebensbedürfnissen entstehenden Geräuschen, Gerüchen usw. ergeben. Daneben ist es nicht noch gerechtfertigt, dem Nachbarn weitere Duldungspflichten aufzuerlegen und zwar nicht einmal aus allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (BGHR § 906 I BGB, Stichwort: Wesentlichkeit 1, Urt. v. 23. 3. 1990). Daher hat außer Betracht zu bleiben, was der Bekl. in der Richtung solcher Billigkeitserwägungen vorbringt, und zwar auch, ob sich etwa Musikübungen in der Familie des Kl. oder dessen Motorrasenmähen im Rahmen zulässiger Geräuschimmissionen halten, desgleichen die vom Bekl. betonte langjährige Duldung der von den Freisitzlautsprechern des Bekl. ausgehenden Geräuschauswirkungen; für eine Verwirkung des Abwehranspruches ist kein Raum. Der vom Bekl. ebenfalls geäußerte Gedanke, die Klage sei aus Schikanegründen erhoben worden, die Rechtsausübung also nach § 226 BGB unzulässig, erscheint mangels näherer Konkretisierung unschlüssig, so dass weitere Erörterungen auch in dieser Richtung nicht veranlaßt sind.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht