Wurzelwerk eines Baumstumpfs auf Nachbars Grenze - Abgrabtiefe 55 cm

Gericht

LG Itzehoe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

09. 02. 1995


Aktenzeichen

4 S 154/94


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, dass das Eindringen von Wurzelwerk in das Nachbargrundstück für sich genommen keine Beeinträchtigung des Eigentums darstellt, ist dann zu bejahen, wenn das Wurzelwerk für ein Anheben oder Aufbrechen des Nachbarbodens ursächlich ist.

  2. Zur Bestimmung und Tenorierung der konkreten Abgrabtiefe in einem solchen Fall.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Miteigentümer eines Hausgrundstückes in Itzehoe. Der Bekl. ist daselbst Miteigentümer des Hauses P-Straße 8. Das Hausgrundstück des Bekl. grenzt mit der rückwärtigen Grundstücksgrenze an das Hausgrundstück des Kl. im Bereich eines asphaltierten Weges an. Auf dem Grundstück des Bekl. stand nahe der Grundstücksgrenze zum Kl. eine Kastanie. Diese hat der Bekl., da der Stamm morsch war, mit Genehmigung der Stadt fällen lassen. Den Stubben hat der Bekl. nicht entfernen lassen. Etwa 2/3 des zurückgebliebenen Stubbens befinden sich auf dem Grundstück des Bekl. und 1/3 auf der Seite des Eigentümers des Hauses P-Straße 10. Der Kl. begehrt u.a., dass die in sein Grundstück eingedrungenen Baumwurzeln vom Bekl. entfernt werden. Er behauptet, dass durch Wurzelwachstum die Teerdecke seiner Grundstücksauffahrt teilweise bis zu 50 cm angehoben worden sei. Die Wurzeln wüchsen auch noch weiter, wie die aus dem Stubben sprießenden Schößlinge zeigten.

AG und LG gaben der Beseitigungsklage statt. Dabei präzisierte das LG den amtsgerichtlichen Tenor um die Angabe einer Abgrabtiefe von 55 cm.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Eine Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn der Eigentümer in seiner Rechtsstellung eine nicht ohne weiteres zu duldende Einbuße erfährt; unerhebliche Störungen scheiden für die Anwendung des § 1004 BGB aus (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1989, 1177 m.w. Nachw.). Nach Auffassung der Kammer stellt alleine das Eindringen des Wurzelwerkes für sich genommen keine Beeinträchtigung des Eigentums dar. Anderes gilt aber für solche Wurzeln, die wegen ihres Verlaufes an oder auf der Erdoberfläche oder angesichts ihrer Größe den Boden anheben und aufbrechen. Die gerichtliche Inaugenscheinsnahme des Objekts hat ergeben, dass derartige Wurzeln im Bereich der Stubben auf dem Grundstück des Kl. zu finden sind. Diese Wurzeln stören in zweierlei Weise. Zum einen behindern sie im derzeitigen Zustand ein problemloses Passieren des Weges im betroffenen Bereich, zum anderen behindern sie die notwendigen Arbeiten für eine neue Asphaltierung des gesamten Weges. Da für eine derartige Asphaltierung eine Aushubtiefe von etwa 55 cm erforderlich ist, beeinträchtigen die Wurzeln das Eigentumsrecht des Kl. bis zu dieser auch im Tenor genannten Tiefe. Der Bekl. ist für die Beeinträchtigung verantwortlich. Ausgangspunkt hierbei ist, dass unstreitig auf oder auch auf dem Grundstück des Bekl. der Baum gepflanzt wurde, so dass dieser im alleinigen oder Miteigentum des Bekl. steht. Die Wurzeln sind wesentliche Bestandteile des Baumes und bleiben somit auch im Falle des Herauswachsens aus den Grundstücksgrenzen im Eigentum dessen, auf dessen Grundstück der Stamm steht (vgl. Soergel/Bauer, BGB, § 910 Rdnr. 2). Ob sich diese Eigentumsverhältnisse im Falle eines endgültigen Absterbens eines Baumes ändern, mag dahinstehen, da zum einen ein derartiges endgültiges Absterben nicht feststellbar ist und zum anderen der zeitliche Anknüpfungspunkt für den Beseitigungsanspruch an einen Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Baum fraglos noch in ganzer Pracht vorhanden war. Die Beeinträchtigung geht auch zumindest mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurück, da der Bekl. oder dessen Rechtsvorgänger nicht zum passenden Zeitpunkt durch Zurückschneiden der Wurzeln oder andere Maßnahmen den Wuchs des Baumes begrenzt hat (vgl. BGHZ 122, 283 = NJW 1993, 1855 (1856) = LM H. 9/1993 § 906 BGB Nr. 91; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2648).

Da der Kl. keinen Unterlassungsanspruch geltend macht, sondern die Beseitigung einer gegenwärtigen Beeinträchtigung fordert, bedarf es entgegen der Rechtsansicht des Berufungskl. nicht der weiteren Prüfung des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr. Dem Bekl. muss im allgemeinen überlassen bleiben, wie er die Eigentumsstörung beseitigt. Der Urteilsspruch kann daher i.d. Regel nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art lauten. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, angesichts des schon erfolgten Fällens des Baumes die Beseitigung der Beeinträchtigung einzig dadurch möglich ist, dass die Wurzeln im benannten Umfange entfernt werden, kann die Verurteilung, wie erfolgt, auch auf Vornahme einer konkreten Beseitigungsmaßnahme lauten (vgl. BGH, NJW 1983, 751 (752) = LM § 906 BGB Nr. 67).

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht