Entfernen von Bäumen im Sondernutzungsbereich

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

11. 02. 1999


Aktenzeichen

2Z BR 167/98


Leitsatz des Gerichts

Bei der Frage, ob ein Wohnungseigentümer die Bepflanzung des Sondernutzungsbereichs eines Wohnungseigentümers hinnehmen muss, sind die nachbarrechtlichen Vorschriften heranzuziehen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. sind die Wohnungseigentümer einer aus zwei Einfamilienhäusern bestehenden Wohnanlage. Das Haus der Ast. grenzt im Westen unmittelbar an das Haus der Ag. an. An der Grenze steht unmittelbar an das Haus der Ast. anschließend in Nord-Süd-Richtung eine Garage. Entlang der Westseite der Garage, aber bereits auf der Sondernutzungsfläche der Ag., steht in Nord-Süd-Richtung eine vor vielen Jahren angepflanzte Hecke aus Thujen. Die einzelnen Pflanzen haben eine Höhe von 4 bis 6 m. Die Garage ist 2,65 m hoch. In das Garagendach ist etwa 20 cm von der Thujenhecke entfernt eine ca. 80 cm² große Lichtkuppel eingelassen, die aus Milchglas besteht; unter der Lichtkuppel befindet sich ein zum Haus der Ast. gehörender Eingangsbereich.

Die Ast. haben beantragt, die Ag. zu verpflichten, die Thujenhecke auf die Höhe der Garagenmauer zurückzuschneiden. Das AG hat den Antrag abgewiesen. Das LG hat den Beschluss des AG dahingehend abgeändert, dass die Ag. verpflichtet ist, die Thujenhecke auf die Höhe von 1 m ab Garagenoberkante zurückzuschneiden; im übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Ag. ohne Erfolg sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das LG hat ausgeführt: Die Ag. sei nach § 1004 I BGB i.V. mit Art. 47, 50 BayAGBGB verpflichtet, die Thujenhecke zurückzuschneiden. Die nachbarrechtlichen Vorschriften der Art. 47ff. BayAGBGB seien zur Auslegung des § 14 Nr. 1 WEG heranzuziehen. Hier lägen die Voraussetzungen des Art. 47 BayAGBGB vor.

Nach dieser Vorschrift dürften Hecken, falls sie über 2 m hoch sind, nicht in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt gehalten werden. Gem. Art. 50 BayAGBGB sei die Regelung zwar nicht auf Gewächse anzuwenden, die sich hinter einer Mauer befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen. Ein erhebliches Überragen werde u.a. dann angenommen, wenn der durch die Hecke verursachte Schatten das Nachbargrundstück verdunkele. Dieser Fall liege hier vor. Die in das Garagendach eingelassene Lichtkuppel liege im Eingangsbereich des Hauses. Im Winter werde er durch die Schattenbildung der Thujenhecke verdunkelt. Der Anspruch auf Zurückschneiden der Hecke bis auf die Höhe von 1 m ab Garagenoberkante sei weder verjährt noch verwirkt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen müsse davon ausgegangen werden, dass die Verjährungsfrist des Art. 52 BayAGBGB frühestens im Jahr 1991 begonnen habe. Mit der gerichtlichen Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs im Jahr 1996 sei der Lauf der Verjährungsfrist rechtzeitig unterbrochen worden. Eine Verwirkung sei nicht anzunehmen, weil kein Verhalten der Ast. vorliege, aus dem die Ag. hätte schließen können, dass die Ast. ihr Recht nicht mehr geltend machen würden.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Ast. können von der Ag. das Zurückschneiden der Hecke bis auf 1 m ab Garagenoberkante nach § 1004 I 1 BGB, §§ 15 III, 14 Nr. 1 WEG i.V. mit Art. 47, 50 BayAGBGB verlangen.

a) Das aus dem Sondernutzungsrecht fließende alleinige Gebrauchsrecht an der der Wohnung der Ag. vorgelagerten Grundstücksfläche schließt die Befugnis ein, diese Fläche grundsätzlich nach Belieben und eigenem Gutdünken zu bepflanzen. Der Sondernutzung sind jedoch wie dem Sondereigentum durch das Gesetz und die Rechte Dritter (vgl. § 13 I WEG) Grenzen gesetzt. Die sich daraus ergebenden Beschränkungen für den Sondernutzungsberechtigten sind in § 14 Nr. 1 WEG näher umschrieben. Danach kann im Einzelfall die gärtnerische Gestaltung der Sondernutzungsflächen durch den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten Beschränkungen unterworfen sein (BayObLG, NJWE-MietR 1997, 253 = ZMR 1998, 40 m.w.Nachw.). Zur Auslegung des § 14 Nr. 1 WEG können die nachbarrechtlichen Vorschriften der Art. 47ff. BayAGBGB herangezogen werden (BayObLG, NJW-RR 1987, 846; Senat, Beschl. v. 13. 3. 1997 - 2Z BR 86/96). Nach Art. 47 I BayAGBGB kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden. Gem. Art. 50 BayAGBGB ist diese Vorschrift allerdings nicht auf Gewächse anzuwenden, die sich hinter einer Mauer befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen. Ein Gewächs überragt die Mauer erheblich, wenn die Gefahr besteht, dass die überragenden Teile in den Luftraum des Nachbargrundstücks eindringen oder der durch sie verursachte Schatten das Nachbargrundstück zusätzlich verdunkelt (Sprau, Justizgesetze in Bayern, Art. 50 AGBGB Rdnr. 4).

b) Das LG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat aufgrund des von ihm erholten Sachverständigengutachtens und des Augenscheins festgestellt, dass die im Garagendach eingelassene Lichtkuppel der Lichtzufuhr des Eingangsbereiches des Hauses diene und dass dieser Bereich im Winter aufgrund des niedrigeren Sonnenstands durch eine Schattenbildung der Thujenhecke verdunkelt werde. Diese auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Feststellungen sind ohne Rechtsfehler getroffen und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 I 2 FGG, § 561 II ZPO). Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch. Es ist zwar richtig, dass der Augenschein mit dem Sachverständigen im Juni eingenommen worden ist; der Senat hat aber keine Zweifel daran, dass der vom LG als Sachverständige beigezogene Landschaftsbauberater bei einem im Sommer vorgenommenen Augenschein in der Lage ist zu beurteilen, in welcher Weise eine Hecke im Winter Schatten wirft. Wenn auch eine Lichtkuppel aus Milchglas weniger lichtdurchlässig ist als eine Lichtkuppel aus Klarsichtglas, wirkt sich doch auch bei ihr eine Schattenbildung durch eine Thujenhecke auf die Helligkeit des mit Licht zu versorgenden Raumes aus. Nicht entscheidend kann dabei entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde darauf abgestellt werden, dass auf der Lichtkuppel zeitweise auch Laub oder Schnee liegen kann.

Die auf den Feststellungen des LG beruhende Würdigung, die Thujenhecke stelle, soweit sie höher als 1 m über der Garagenoberkante sei, einen Gebrauch der Sondernutzungsfläche dar, der für die Ast. über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlichen Maß hinaus zu Nachteilen führe, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Ag. der Auffassung ist, eine Beeinträchtigung der Ast. liege nicht vor, setzt sie ihre Wertung an die Stelle derjenigen des LG. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben. Unzutreffend ist ihr Hinweis darauf, die Ast. hätten sich nie darauf berufen, der Eingangsbereich werde durch die Schattenbildung der Thujenhecke verdunkelt. Bereits in der Antragsschrift führen die Ast. aus, dass die Thujenhecke die Lichtkuppel „verdecke„.

c) Zutreffend hat das LG Verwirkung verneint. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 242 Rdnr. 87). Umstände, die die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen, ergeben sich aus den Feststellungen des LG nicht. Allein eine dreijährige Untätigkeit, auf die die Ag. hinweist, genügt für Verwirkung nicht.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht