Eingeschränkte Rechte des Wohnungseigentümers

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

27. 06. 2001


Aktenzeichen

3 Wx 79/01


Leitsatz des Gerichts

Das gem. § 910 BGB im Falle des Überhangs gegebene Selbsthilferecht des Eigentümers ist im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. zu 1 und 2 sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Eigentumsanlage ist terrassenförmig ausgestaltet. Die Terrasse der Bet. zu 1, die versetzt über der Terrasse der Bet. zu 2 angeordnet ist, wird an einer Seite durch Pflanzkübel begrenzt, in denen sich mehrere Tannen und sonstige Pflanzen befinden, u.a. eine Edeltanne. Diese Edeltanne hing teilweise über, und zwar in den Luftraum über der Terrasse der Bet. zu 2, wie diese vorgetragen haben. Die Bet. zu 2 haben die Edeltanne beschnitten.

Die Bet. zu 1 hat geltend gemacht, die Bet. zu 2 hätten am 26. 6. 1998 auch den ca. 1,40 m nach oben gewachsenen Hauptast der Edeltanne abgeschnitten. Sie hat auf Grund dessen Schadensersatz verlangt und weiter beantragt, dass den Bet. zu 2 aufgegeben wird es zu unterlassen, aus den über ihrer Terrasse liegenden Pflanzkübeln der Bet. zu 1 wachsende Pflanzen zu beschneiden. Die Bet. zu 2 haben vorgetragen, es seien lediglich überhängende Äste abgeschnitten worden. Im Übrigen stehe ihnen ein Selbsthilferecht nach § 910 BGB zu, da die Benutzung ihrer Terrasse beeinträchtigt gewesen sei.

Das AG hat die Bet. zu 2 verpflichtet, an die Bet. zu 1 1000 DM nebst 4% Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat es den Bet. zu 2 bei Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, es zu unterlassen, aus den über ihrer Terrasse liegenden Pflanzencontainern der Bet. zu 1 wachsende Pflanzen zu beschneiden, sofern diese nicht in erheblichem Maße über die Pflanzencontainer zur Terrasse der Bet. zu 2 hinauswachsen und diese beeinträchtigen. Die sofortige Beschwerde ist vom LG zurückgewiesen worden: Die Bet. zu 1 habe gegen die Bet. zu 2 einen Anspruch auf Zahlung von nicht bestrittenen 1000 DM aus § 823 I BGB. Das Selbsthilferecht aus § 910 BGB sei vorliegend nicht anwendbar. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf § 1004 BGB, da der Bet. zu 2 ausdrücklich erklärt habe, er halte sich nach wie vor für berechtigt, Äste zu entfernen. Das weitere Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Soweit die Bet. zu 2 mit der weiteren Beschwerde vortragen, sie hätten lediglich einen Seitentrieb der Tanne abgeschnitten, ist dem nicht zu folgen. (Wird ausgeführt.)

Ein Rechtfertigungsgrund für diese Verletzung des Eigentums der Bet. zu 1 ist nicht gegeben. In Betracht käme hier nur § 910 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem Nachbargrundstück herüberhängende Zweige - nach Fristsetzung und ergebnislosem Fristablauf - abschneiden, wenn die Zweige die Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigen. Dieses Selbsthilferecht ist allerdings, wie vom LG zutreffend ausgeführt, im Wohnungseigentumsrecht nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Wie der Wortlaut des § 13 WEG zeigt, hat der Gesetzgeber des WEG dem Wohnungseigentümer nicht sämtliche Rechte zugesprochen, die ein Eigentümer nach § 903 BGB hat. Während letzterer andere von jeder Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen kann, kann der Wohnungseigentümer bezüglich der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile andere nur „von Einwirkungen“ ausschließen. Daraus ist zu entnehmen, dass der Wohnungseigentümer in mancher Hinsicht stärkere Beschränkungen hinnehmen muss als der Alleineigentümer eines Hauses; dies wird in der Literatur als Folge des „intensivierten Nachbarschaftsverhältnisses“ angesehen, das zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft herrscht (vgl. dazu Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 13 Rdnr. 158; Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 13 Rdnr. 2; Paulick, AcP 152 [1952], 420 [432]). Dementsprechend unterliegt ein Wohnungseigentümer hinsichtlich seines Sondereigentums gewissen Duldungspflichten, die sich insbesondere aus § 14 Nr. 3 WEG ergeben. Gegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums durch einen anderen Wohnungseigentümer ist die Anrufung des Gerichts nach § 43 WEG erforderlich (Bärmann/Pick/Merle, § 13 Rdnr. 82). Das Wohnungseigentumsgericht entscheidet über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer bezüglich des Sondereigentums und der insoweit bestehenden Gebrauchsregelungen.

Abgesehen davon kann die Bepflanzung einer Terrasse u.U. auch das Gemeinschaftseigentum beeinträchtigen, bspw. hinsichtlich der Optik, eventuell auch der Substanz des Gebäudes. Auch insoweit kann ein einzelner Wohnungseigentümer Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche beim Wohnungseigentumsgericht geltend machen; denn eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums berührt immer auch das Sondereigentum (Niedenführ/Schulze, WEG, 5. Aufl., § 43 Rdnr. 21). Es können aber auch die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss nach § 15 II WEG festlegen, in welcher Weise die Bepflanzung von im Sondereigentum stehenden Terrassen vorgenommen werden darf (BayObLG, WuM 1994, 152).

Vorliegend fehlt es offenbar an einer einschlägigen Regelung, sei es in der Teilungserklärung oder durch Vereinbarung bzw. durch Beschluss (auf den Streitfall anzuwendende Gebrauchsregelung sind auch nicht in den mit der weiteren Beschwerde zitierten Wohnungseigentümerbeschlüssen aus 1980 und 1989 enthalten). Es kann auch nicht festgestellt werden, dass auf einen Antrag der Bet. zu 2 nach § 43 WEG, § 1004 BGB, wenn er denn gestellt worden wäre, eben dieselbe Maßnahme der Bet. zu 1 auferlegt worden wäre, die vorliegend von den Bet. zu 2 im Wege der Selbsthilfe getroffen worden ist. Eine Entscheidung auf Beseitigung einer Beeinträchtigung lautet regelmäßig auf Vornahme geeigneter Maßnahmen; die Wahl der Maßnahme obliegt dann dem Schuldner und ist vom Gläubiger erst in der Zwangsvollstreckung zu treffen (Palandt/Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 1004 Rdnr. 26).

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht