Eigenmächtiges Entfernen von Bäumen
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
06. 04. 1994
Aktenzeichen
3 Wx 534/93
Das Recht eines Wohnungseigentümers „zur alleinigen Nutzung als Hof- und Ziergarten“ rechtfertigt nicht die eigenmächtige Entfernung einer 18 Jahre alten und 6-7 Meter hohen Bepflanzung der Gartenfläche.
Der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes - im Rahmen des Möglichen - kann auch von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. sind Wohnungseigentümer. Den Ast. zu 1 und den Ag. als Inhabern der Erdgeschosswohnungen sind nach der Teilungserklärung Sondernutzungsrechte an Teilen der Gartenfläche bestellt, die ihnen jeweils „zur alleinigen und unentgeltlichen Nutzung als Hof- und Ziergarten zugewiesen" sind. Als die Ag. ihre Wohnung Ende 1988 erwarben, standen auf der von ihnen zu nutzenden Fläche mindestens sieben jeweils etwa 18 Jahre alte und 6 bis 7 m hohe Fichten. Die Ag. hatten die Absicht, diese zu entfernen. Nachdem der Verwalter dem Vorhaben der Ag. auf Nachfrage nicht widersprochen hatte, fällten diese die Fichten im Dezember 1989 und setzten stattdessen etwa 70 bis 80 Thuja-Lebensbäume von 1 m Höhe entlang der Grenze mit einer vorgelagerten niedrigeren Zierbepflanzung; außerdem legten sie einen kleineren Gemüsegarten an. Die Ast., denen drei der insgesamt sechs Wohneinheiten gehören, verlangen eine Herstellung des früheren Zustandes, soweit dies aus fachmännischer Sicht durchführbar ist, da neben dem Gesamterscheinungsbild der Gartenanlage auch der früher vorhandene Wind- und Sichtschutz für die Wohnungen beeinträchtigt worden sei. Sie haben beantragt, die Ag. zu verpflichten, sieben serbische Fichten entlang der Grenze zwischen den Punkten C und D gemäß anliegendem Plan anzupflanzen.
Der Antrag hatte in allen Instanzen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
II. ... Das LG hat ohne Rechtsirrtum und mit zutreffender und überzeugender Begründung angenommen, dass die Ast. gegen die Ag. einen nach § 43 I Nr. 1 WEG durchsetzbaren Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes vor der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums haben und dieser Anspruch auch von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden kann (vgl. hierzu KG, WE 1987, 197; ZMR 1985, 720 f.; BayObLG, NJW-RR 1987, 717 f.; BayObLGZ 1975, 177 ff.). Die von den Ag. erhobenen Einwendungen greifen demgegenüber nicht durch.
1. Die Ag. haben durch das von den Miteigentümern nicht genehmigte Fällen der auf der betreffenden Gartenfläche vorhandenen Bepflanzung mit Nadel- und Laubgehölzen Gemeinschaftseigentum beschädigt. Sie waren zu der von ihnen eigenmächtig durchgeführten Maßnahme weder aufgrund des zu ihren Gunsten bestehenden Sondernutzungsrechtes ermächtigt, noch sind die übrigen Wohnungseigentümer zur Duldung der auf diese Weise entstandenen Veränderungen der Gartengestaltung verpflichtet.
a) Nach § 14 Nr. 1 WEG ist vom Gemeinschaftseigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Dass die Grenzen dieses Mitgebrauchsrechtes bei einer eigenmächtigen Zerstörung von Teilen des Gemeinschaftseigentums, zu denen auch Bäume als wesentliche Grundstücksbestandteile rechnen, überschritten sind, liegt auf der Hand.
b) Das nach der Teilungserklärung zugunsten der Wohnung der Ag. bestehende Sondernutzungsrecht verleiht diesem Teil des Gartens nicht die Qualität von Sondereigentum, mit dem die Ag. gem. § 13 I WEG „nach Belieben verfahren" könnten. Das Sondernutzungsrecht ist kein dingliches Recht mit gesetzlich umschriebenem Inhalt, sondern nicht mehr als eine Gebrauchsregelung i. S. des § 15 I WEG, deren Reichweite nach dem Inhalt der jeweiligen Vereinbarung zu bestimmen ist. Damit sind grundsätzlich nicht dieselben Herrschaftsbefugnisse verbunden, die Ausfluss der Eigentümerstellung sind. Zwar können der Ausschluss der Mitbenutzungsrechte der anderen Wohnungseigentümer und der Umfang der Eigenverwaltungsbefugnis umfassend ausgestaltet werden. Jedenfalls im allgemeinen und ohne eine entsprechende eindeutige Regelung - ob eine solche überhaupt zulässig wäre (vgl. dazu KG, Rpfleger 1983, 20 ff.), kann im vorliegenden Fall unentschieden bleiben - umfasst ein Recht zur Sondernutzung aber nicht auch die Ermächtigung zur Vornahme solcher baulicher Veränderungen, die nach dem Gesetz (§ 22 I WEG) der einstimmigen Beschlussfassung bedürfen (vgl. KG, ZMR 1985, 720 f., WE 1987, 197 f.; BayObLGZ 1985, 165 ff.).
Zwar mag die den Ag. im vorliegenden Fall durch die Teilungserklärung zugewiesene „alleinige und unentgeltliche Nutzung als Hof- und Ziergarten“ neben dem Recht zum ausschließlichen tatsächlichen Gebrauch auch - ganz oder teilweise - das ansonsten der Eigentümergemeinschaft vorbehaltene Recht zur ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 III WEG), d. h. zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (§ 21 V Nr. 2 WEG) einschließen. Die Ag. mögen insoweit nicht nur verpflichtet sondern auch berechtigt sein, innerhalb eines gewissen Rahmens auf die gärtnerische Gestaltung Einfluss zu nehmen. Das aus gartenpflegerischen Gründen gebotene Beschneiden und Auslichten eines Baum- und Strauchbestandes (vgl. AG Hamburg-Blankenese, DWE 1985, 95) kann beispielsweise der Pflege und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zuzurechnen sein. Im vorliegenden Fall nehmen die Ag. aber nicht für sich in Anspruch, lediglich Maßnahmen der Instandhaltung oder Instandsetzung getroffen zu haben. Bei einer völligen Abholzung des gesamten vorhandenen Baum- und Strauchbestandes verbietet sich eine solche Annahme auch von selbst. Die insoweit verfahrensfehlerfrei getroffenen gegenteiligen tatsächlichen Feststellungen haben dem LG auch mit Recht keine Veranlassung gegeben, der von den Ag. mit der Beschwerde vorgebrachten Auffassung weiter nachzugehen, sie hätten mit der Beseitigung und Erneuerung der Bepflanzung erstmals die bestimmungsgemäße Verwendung der Gartenfläche als „Hof- und Ziergarten“ ermöglicht.
c) Die radikale Beseitigung der vorhandenen Bepflanzung mit hochgewachsenen Fichten und Sträuchern, die nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen und auch unangegriffenen Feststellungen des LG den rückwärtigen Teil der Wohnanlage einschließlich des gesamten Gartengeländes in seinem optischen Eindruck bestimmte und den Eindruck einer im Grünen liegenden Wohnanlage mitprägte, verbunden mit der Neuanlage einer nach Charakter, Erscheinungsbild und Funktion völlig andersartigen Gartenanlage hat das LG mit Recht einer baulichen Veränderung gleichgesetzt, die nach § 22 I WEG einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte (vgl. hierzu u. a. BayObLGZ 1985, 165 ff.; 201 (206 f.); LG Frankfurt, NJW-RR 1990, 24). Als bauliche Veränderung wird jede auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des Gemeinschaftseigentums, auch die nachträgliche Veränderung unbebauter Grundstücksteile, bewertet. Dass diese Voraussetzungen für die - in vollem Umfang irreparable - Beseitigung des vorhandenen alten und hochgewachsenen Baumbestandes erfüllt sind, ist nicht zweifelhaft und wird auch von den Ag. nicht substantiiert in Frage gestellt.
d) Die Ast. wie auch die weiteren Wohnungseigentümer sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Duldung der betreffenden Eingriffsmaßnahmen der Ag. verpflichtet gewesen. Das LG hat verfahrensfehlerfrei - und von den Ag. insoweit auch unangegriffen - festgestellt, dass durch die Beseitigung der hoch- und dichtgewachsenen Grenzbepflanzung nicht nur der optische Gesamteindruck der Wohnanlage, sondern auch der Sicht- und Windschutz für die Wohnungen nachteilig verändert worden ist. Es kommt nicht darauf an, ob an der Erhaltung des insoweit früher vorhandenen Zustandes „ein überragendes Interesse der Gemeinschaft ... auf Kosten der Befugnisse der Sondernutzungsberechtigten ... festgeschrieben“ worden war.
Weil die Rodungsaktion der Ag. von ihrem Sondernutzungsrecht objektiv nicht gedeckt war und eine Veränderung des Gesamteindrucks der Anlage bewirkt hat, stellt sich die Frage nicht, ob die betreffenden Nachteile nicht als ein bloßer Ausfluss der Sondernutzungsbefugnis hinzunehmen sind (vgl. BGHZ 73, 196 (201) = NJW 1979, 817).
Die Ag. haben - in den Tatsacheninstanzen - auch nichts dafür vorgetragen, dass und gegebenenfalls weshalb die Entfernung aller oder einiger Bäume einer gartenpflegerischen Notwendigkeit entsprochen haben könnte. Dass der natürliche Lichteinfall in ihre Wohnung seinerzeit durch die vorhandene Bepflanzung beeinträchtigt gewesen sein mag, ist aus Rechtsgründen unerheblich, sofern und soweit sich daraus kein Anspruch der Ag. gegen die Gemeinschaft auf Beseitigung der Bäume (etwa § 1004 I 1 BGB) ableiten lässt. Auch dazu hatten die Ag. in den Vorinstanzen nichts erhebliches vorgebracht.
2. Da nach § 15 Nr. 1 WEG jeder Miteigentümer gegenüber der Gemeinschaft zur schonenden Ausübung seiner Nutzungsbefugnis verpflichtet ist, muss die Missachtung dieser Verpflichtung aus dem Gemeinschaftsverhältnis entsprechende Sanktionen zur Folge haben. Dies gilt auch für Übergriffe von Sondernutzungsberechtigten.
Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um die Beseitigung einer störenden Anlage im Sinne einer Verhinderung fortdauernder oder künftiger Beeinträchtigungen nach § 1004 I 1 BGB, sondern vielmehr um die Wiederherstellung eines rechtswidrig beseitigten früheren Zustandes. Bei einer bereits entgültig eingetretenen und in sich abgeschlossenen Beeinträchtigung erfolgt die Naturalrestitution im Wege des Schadensersatzes (§ 249 BGB). Dies macht jedoch sachlich keinen Unterschied. Wer rechtswidrig und schuldhaft Gemeinschaftseigentum verletzt (§ 823 I BGB), hat die daraus entstandenen Folgen im Rahmen des Möglichen zu beseitigen. Dass die Ast. ihren Anspruch im vorliegenden Fall auf eine Rekonstruktion desjenigen beschränken, „was aus fachmännischer Sicht machbar ist“ - ein Vorstadium des früheren Zustandes, nichts „anderes“, was als erneute bauliche Veränderung wiederum nur durch Vereinbarung oder einstimmigen Beschluss zu regeln wäre -, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wirkt sich im übrigen für die Ag. nur vorteilhaft aus.
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