Kein Anspruch auf Auszahlung von Gewinnen bei 9Live

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 02. 2005


Aktenzeichen

29 O 12315/04


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% den zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  4. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 8.960,-- EUR festgesetzt.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Beklagte betreibt den Fernsehsender ..., der Quizsendungen ausstrahlt. In den Sendungen stellen die Moderatoren verschiedene Rätselfragen, für deren richtige Lösung sie einen Geldgewinn in Aussicht stellen. Gleichzeitig fordern sie die Zuschauer auf, sich durch Anwählen einer Sonderrufnummer am Quiz zu beteiligen. Einzelne Anrufer werden in die Sendung zum Moderator durchgestellt und können ihre Lösung des Rätsels präsentieren. Die Auswahl der durchgestellten Anrufer erfolgt aufgrund zwei verschiedener Auswahlverfahren: Entweder wählt ein technischer Mechanismus nach seiner Auslösung zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums eine beliebig stehende Telefonleitung zur Durchstellung in die Sendung aus (sogenannter "Hot Button") oder unter allen von den Anrufern während eines vorgegebenen Zeitraums auf einem Anrufbeantworter hinterlassenen Nachrichten wird eine zufällige Reihenfolge festgelegt, in der die Anrufer zurückgerufen werden. Jeder Anruf kostet den Zuschauer - unabhängig davon, ob er in die Sendung zum Moderator durchgestellt wird oder nicht - 0,49 €. Die Beklagte finanziert sich überwiegend aus Anrufen von Zuschauern.

Der Kläger hatte häufig an den Quizsendungen der Beklagten teilgenommen und auch gewonnen.

Mit Schreiben vom 23.4.2004 (Anl. K 5), dem Kläger am selben Tag zugegangen, schloss die Beklagte den Kläger für den Zeitraum von 6 Monaten von der Teilnahme aus. Den Ausschluss begründete sie mit dem Verdacht, der Kläger würde durch den Einsatz sogenannter "Power-Dialer" oder Telefonwählprogramme seine Teilnahme technisch manipulieren. Außerdem wolle sie den Kläger vor zu hohen Telefonkosten bewahren.

Mit E-Mail vom 28.4.2004 wandte sich der Kläger gegen den Ausschluss und kündigte an, sich weiterhin an 9Live-Spielen zu beteiligen. Tatsächlich gewann er am 28.4.2004 1.000,-- € und am 1.5.2004 240,-- €. Mit Schreiben vom 6.5.2004 (Anl. K 8) verlängerte die Beklagte den Ausschluss des Klägers bis auf weiteres. Am 10.5.2004 spielte der Kläger erneut mit und gewann 1.000,-- €.

Mittlerweile ließ die Beklagte ihren Anschluss für den Kläger sperren. Ruft der Kläger von seinem Festnetzanschluss die "Mitmachnummer" an, ertönt das Besetztzeichen.

Die Gewinne vom 28.4., 1.5. und 10.5.2004 hat die Beklagte an den Kläger bislang nicht ausgezahlt.

Der Kläger meint, einen Anspruch auf Auszahlung der Gewinne zu haben. Es läge eine Gewinnzusage im Sinne des § 661 a BGB bzw. eine Auslobung im Sinne der §§ 657, 661 BGB vor. Sein Ausschluss von den 9Live-Spielen sei unwirksam, da die Beklagte einem Kontrahierungszwang unterläge.

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.240,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Teilnahme an den über den Fernsehsender ... der Beklagten veranstalteten Preisrätseln/Gewinnspielen zu den allgemein hierfür geltenden Bedingungen zu ermöglichen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Meinung, dass zwischen ihr und dem Kläger Spielverträge im Sinne des § 762 BGB zustande gekommen seien, die dem Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung der Gewinne gewährt. Zudem habe sie den Kläger wirksam von der Teilnahme der Spiele ausgeschlossen. Einem Kontrahierungszwang unterläge sie nicht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Enscheidungsgründe:

I.

Der zulässige Zahlungsantrag ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Gewinnsummen. Zwischen den Parteien kamen Spielverträge im Sinne des § 672 BGB zustande, die einen klagbaren Anspruch des Klägers nicht begründen. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine Auslobung und kein Preisausschreiben im Sinne der §§ 657, 661 BGB vor. Die von der Beklagten veranstalteten Quizsendungen stellen Glücksspiele im Sinn des § 672 BGB dar.

Beim Glückspielvertrag sagen sich die Vertragspartner für den Fall des Spielgewinns gegenseitig eine Leistung, meist Geld, zu (sogenannter Einsatz). Sein Zweck ist Unterhaltung und/oder Erzielung eines Vermögensvorteils zu Lasten anderer Beteiligter. Ein sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck fehlt. Gewinn und Verlust hängen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, Kenntnissen oder der Geschicklichkeit der Beteiligten ab, sondern ganz oder doch hauptsächlich vom Zufall (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 720 Rz. 2; Münchener Kommentar, BGB, § 762, Rz. 7).

Im Gegensatz dazu wird bei der Auslobung eine Belohung (Preis) für eine nennenswerte menschliche Tätigkeit ausgesetzt, ohne dass der Auslobende ein Gewinnabsicht hat, noch der die Handlung vornehmende einen Einsatz tätigen muss.

Die Beklagte bietet die Teilnahme an Glücksspielen an. Den (versteckten) Einsatz der Zuschauer stellen die pro Anruf anfallenden Telefongebühren dar, soweit die Beklagte an ihnen beteiligt wird. Aus den Einsätzen finanziert sich die Beklagte überwiegend. Der Gewinn selbst hängt ganz überwiegend vom Zufall ab. Wesentlich für einen Gewinn ist zunächst, dass der Zufallsgenerator den anrufenden Zuschauer zum Moderator in die Sendung stellt. Aber auch die Lösung der Rätsel hängt ganz überwiegend vom Zufall ab. Die Beklagte räumt ein, dass 80 % der ausgestrahlten Rätsel leicht seien. Kann jedoch eine gestellte Aufgabe von Jedermann ohne Mühe gelöst werden, hängt der Gewinn letztlich überwiegend davon ab, ob der anrufende Zuschauer vom Zufallsgenerator ausgewählt wird. Aber auch bei den schwierigeren Rätseln überwiegt der Zufallsfaktor. Spielregeln werden dem Zuschauer nicht an die Hand gegeben, so dass sich mehrere Rätsellösungen ergeben können, ohne dass für den Zuschauer erkennbar ist, welche Lösung von der Beklagten gesucht ist. Der Zuschauer kann dann die gewünschte Lösung nur erraten. Dies ergibt sich zum einen aus den von der Klägerin vorgelegten Spielbeispielen (Anl. K 12). Zum anderen ist dies auch an der Gewinnfrage, die der Kläger am 28.4.2004 löste, belegt. Die Frage lautete: "Wie oft kann man 150,-- € in Scheine zerlegen?" Die gesuchte Lösung war: 134 Mal. Nahe liegender wäre doch aber folgende Antwort gewesen: "In 30 5,-- € Scheine".

Eine Auslobung in Form einer Preisausschreibung liegt demnach nicht vor. Die Rätselfragen entsprechen zum einen schon nicht dem gesetzgeberischen Willen. Als Beispiele für nennenswerte menschliche Leistungen nannte der Gesetzgeber die Lösungen von Aufgaben der Wissenschaft, Kunst und Technik (Münchener Kommentar, § 661, Rz. 2). Zum anderen widerspricht dem Charakter einer Auslobung, dass die Beklagte mit ihrem Spielangebot ausschließlich Gewinn erzielen will. Zwar kann die Teilnahme an Preisausschreiben von Startgeldern oder Teilnehmergebühren abhängig gemacht werden. Handelt es sich allerdings um "Einsätze", d.h. finanzieren die Teilnehmer die Preise ganz oder teilweise selbst, ist die Veranstaltung entweder eine genehmigungspflichtige Lotterie oder Ausspielung im Sinne von § 763 BGB, möglicherweise in einer der zahlreichen, heute üblichen verdeckten Formen, oder ein unverbindliches Spiel (Münchener Kommentar, § 661, Rz. 7).

Der Tatbestand der Gewinnzusage, § 661 a BGB, ist nicht erfüllt. Zum einen handelt es sich bereits um keine unentgeltliche Gewinnmitteilung, da die Zuschauer einen Einsatz erbringen müssen. Zum anderen soll die Gewinnzusage Mitteilungen über angebliche Gewinne an Verbraucher erfassen, die den Empfänger zur Bestellung von Waren und Leistungen bewegen sollen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift wird der vorliegende Sachverhalt nicht von ihr erfasst.


II.

Der Feststellungsantrag ist bereits unzulässig wegen Vorrangs der Leistungsklage. Er ist auch unbegründet. Die Beklagte unterliegt keinem Kontrahierungszwang und konnte damit wirksam den Beklagten mit Schreiben vom 23.4.2004 und 6.5.2004 von der Teilnahme an ihren Gewinnspielen ausschließen. Konkrahierungszwang besteht für Unternehmen, die lebenswichtige Güter öffentlich anbieten. Ein solches Unternehmen ist die Beklagte nicht. Die Teilnahme an den von der Beklagten angebotenen Gewinnspielen gehört weder zur Daseinsvorsorge noch zur Grundversorgung in kultureller Hinsicht. Die von der Beklagten ausgestrahlten Gewinnsendungen sind mit dem Inhalt der Angebote von Theatern, Museen und öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten nicht zu vergleichen. Außerdem wurde der Kläger nicht vom Empfang der ausgestrahlten Sendungen ausgeschlossen. Die gestellten Rätsel zu lösen, bleibt ihm also unbenommen.


III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Sonnabend
Vorsitzender Richter am Landgericht

Martini
Richter am LG

Zobel
Richterin am LG

Rechtsgebiete

Zivilrecht, Sonstiges