Beginn der Berufungsfrist – Grillverbot

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

18. 03. 1999


Aktenzeichen

2Z BR 6/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Regelung des § 516 ZPO, wonach spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung eines Urteils die Berufungsfrist beginnt, ist in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht entsprechend anwendbar. Dies gilt auch für das so genannte echte Streitverfahren wie z.B. das Wohnungseigentumsverfahren.

  2. Ob das Grillen auf Holzkohlenfeuer im Garten wegen Verstoßes gegen § 14 Nr. 1 WEG uneingeschränkt zu verbieten, zeitlich oder örtlich begrenzt zu erlauben oder ohne Einschränkungen zu gestatten ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Maßgebend sind insbesondere Lage und Größe des Gartens, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät. Welche Entscheidung zu treffen ist, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die beiden Bet. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Ag. gehört eine im Erdgeschoß gelegene Wohnung mit Garten; die Sondernutzungsfläche ist etwa 25 m tief und 20 m breit. Die Ast. hat eine Wohnung mit Balkon im 2. Obergeschoß über der Wohnung der Ag. Die Ag. errichteten in ihrem Garten aus vier Holzpfosten eine 2 m hohe, untereinander mit dünnen Drähten verbundene Kletterhilfe, an der wildwachsender Wein rankt. Die Ag. grillten in den Sommermonaten in ihrem Garten. Über die Häufigkeit des Grillens und die dabei eingehaltene Entfernung zur Wohnung der Ast. besteht zwischen den Ag. und der Ast. Streit.

Die Ast. hat beantragt, (1) die Ag. zu verpflichten, die Kletterhilfe zu beseitigen, (2) den Ag. zu untersagen, bestimmte, näher bezeichnete Gegenstände auf der Terrasse und im Garten zu lagern und (3) den Ag. zu verbieten, im Garten zu grillen.

Das AG hat mit Beschluss vom 9. 8. 1996 den Anträgen stattgegeben. Gegen diesen Beschluss haben die Ag. sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren haben die Bet. den Antrag zu 2 übereinstimmend für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung vom15. 5. 1997 hat das LG einen Beschluss verkündet, durch den es den Beschluss des AG aufgehoben und die Anträge zu 1 und 3 abgewiesen hat. Der Beschluss enthielt keine Gründe. Der Beschluss des LG vom„15. 7. 1997„ (gemeint wohl: 15. 5. 1997) wiederholt den Entscheidungssatz des Beschlusses vom 15. 5. 1997 und ist begründet. Dieser Beschluss wurde den Bet. am 30. 11. 1998 zugestellt. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. blieb überwiegend ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt (§ 45 I WEG, §§ 29 IV, 22 I FGG). Die Bestimmung des § 516 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar.

a) Die Rechtsmittelfrist beginnt im Fall der Bekanntmachung durch Zustellung eines Beschlusses nach § 16 II FGG mit dem Zeitpunkt der wirksamen Zustellung. Hier ist die Entscheidung vom „15. 7. 1997„ den Bet. am 30. 11. 1998 zugestellt worden. Die am 14. 12. 1998 bei Gericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde ist damit rechtzeitig.

b) Im Fall der Bekanntmachung eines Beschlusses zu Protokoll nach § 16 III FGG wird die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde mit der ordnungsmäßigen Bekanntmachung in Gang gesetzt. Eine solche setzt voraus, dass die Entscheidung mit Entscheidungssatz und vollständigen Gründen im vollen Wortlaut mündlich verkündet und zu Protokoll genommen wird; Verkündung und Anwesenheit der Bet. sind zu vermerken (BayObLGZ 1998, 301; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 7. Aufl., § 16 FGG Rdnr. 14 m.w.Nachw.). Hier wurde am 15. 5. 1997 nur der Entscheidungssatz verkündet. Die Entscheidung ist damit zwar existent, aber nicht wirksam geworden (BayObLGZ 1988, 436 [439]; Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 45 WEG Rdnr. 6). Die Rechtsmittelfrist wurde somit nicht in Gang gesetzt.

c) Die sofortige weitere Beschwerde musste nicht entsprechend § 516 ZPO binnen fünf Monaten nach dem 15. 5. 1997eingelegt werden.

(1) Nach § 516 ZPO beginnt die Berufungsfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. Nach überwiegender Ansicht wird diese Vorschrift im Verfahren nach der ZPO auch auf verkündete Beschlüsse entsprechend angewendet. Der Senat hat entschieden, dass bei einem nicht verkündeten Beschluss, der in einem Verfahren ergangen ist, auf den die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind und der nach § 329 III ZPO hätte zugestellt werden müssen, den Parteien aber nur formlos mitgeteilt wurde, in entsprechender Anwendung von § 516 ZPO die Frist zur sofortigen Beschwerde nach § 577 ZPO fünf Monate nach formloser Bekanntgabe beginnt (BayObLG, WE 1993, 26). Diese Auffassung hat der Senat in seiner Entscheidung vom 17. 3. 1994 (WE 1995, 94) wiederholt. Entgegen der in der Literatur zum Teil vertretenen Auffassung (Staudinger/Wenzel, § 45 WEG Rdnr. 6; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 45 Rdnr. 1) hat der Senat aber in den genannten Entscheidungen nicht ausgesprochen, dass § 516 ZPO entsprechend auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere im Wohnungseigentumsverfahren, heranzuziehen ist.

(2) Nach fast einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist § 516 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unanwendbar; dies gilt auch für echte Streitverfahren (BGH, RdL 1954, 244; BayObLGZ 1960, 110 [118]; KG, JFG 19, 40 [43]; Jansen, FGG, 2. Aufl., Rdnr. 11; Bassenge/Herbst, § 22 FGG Rdnr. 2; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., Rdnr. 11; Staudinger/Wenzel, § 45 WEG Rdnr. 6; a.A. OLG Zweibrücken, FamRZ 1986, 377).

Eine zeitliche Beschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen, wie sie § 516 ZPO enthält, kann nur durch eine positive gesetzliche Regelung herbeigeführt werden (BGH, RdL 1954, 244). Eine solche fehlt für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der BGH wendet die Regelung des § 516 ZPO nicht einmal auf die in § 339 ZPO bestimmte Frist zur Einlegung des Einspruchs an (BGHZ 30, 299 = NJW 1959, 1871). Eine entsprechende Anwendung des § 516 ZPO auf das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verbietet sich deshalb erst recht.

Hier kommt hinzu, dass der am 15. 5. 1997 entgegen § 16 III FGG durch Verlesung nur des Entscheidungssatzes verkündete Beschluss zwar existent, aber nicht wirksam geworden ist. Demgegenüber ist aber ein Urteil, das nur durch Verlesung der Urteilsformel verkündet wird, wirksam (§§ 310 , 311 II ZPO). Da somit zwei nicht vergleichbare Sachverhalte vorliegen, kann die Regelung des § 516 ZPO, die im System der ZPO eine Ausnahmevorschrift enthält, auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend angewandt werden.

(3) Im Hinblick auf die abweichende Auffassung des OLG Zweibrücken (FamRZ 1986, 377) sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an den BGH nach § 28 FGG nicht gegeben, weil sich der Senat im Einklang mit dessen Rechtsprechung sieht (vgl. BayObLG, DWE 1992, 163 m.w. Nachw.).

2. Das LG hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Entfernung der Kletterhilfe bestehe nicht. Eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I WEG liege nicht vor, weil die vier in den Boden gerammten Holzstangen jederzeit wieder entfernt werden könnten. BayObLG: Beginn der Berufungsfrist - Grillverbot NZM 1999 Heft 12 576

Eine über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer sei durch die Kletterhilfe nicht gegeben. Insbesondere liege keine nachteilige optische Beeinträchtigung vor; dies gelte auch für die Zeit, in der die an der Kletterhilfe rankenden Pflanzen nicht belaubt seien, weil die Kletterhilfe dann keinen „irgendwie geschlossenen Eindruck„ erwecke. Den Ag. könne nicht untersagt werden, in ihrem Garten zu grillen. Ein gelegentliches Grillen halte sich in dem durch §§ 15 I , 14 Nr. 1 WEG gezogenen Rahmen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass jeden Sommer etwa sechs- bis zehnmal gegrillt worden sei. Es liege auf der Hand, dass es dabei, auch wenn das Grillgerät im hinteren Teil des Gartens gestanden habe, auf dem Balkon der Ast. zu Geruchsbelästigungen gekommen sei. Eine solche Beeinträchtigung müsse aber hingenommen werden.

3. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend stand.

a) Der hinsichtlich der Kletterhilfe geltend gemachte Beseitigungsanspruch nach § 1004 I 1 BGB, §§ 15 III , 14 Nr. 1 WEG besteht nicht.

(1) Ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche umfasst die Befugnis, diese gärtnerisch zu gestalten (BayObLG, WE1991, 163; OLG Köln, NJW-RR 1997, 14). Der Nutzung sind jedoch, wie beim Sondereigentum, durch das Gesetz und die Rechte Dritter (§ 13 I WEG) Grenzen gesetzt. Die sich für den Sondernutzungsberechtigten bei der gärtnerischen Gestaltung ergebenden Verpflichtungen sind in § 14 Nr. 1 WEG näher umschrieben. Danach darf er von dem ihm zur Sondernutzung zugewiesenen Teil des gemeinschaftlichen Eigentums nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Erleidet kein anderer Wohnungseigentümer durch eine Gestaltungsmaßnahme in dem Sondernutzungsbereich einen solchen Nachteil, bedarf der Sondernutzungsberechtigte zu dieser Maßnahme einer Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch dann nicht, wenn die Gestaltungsmaßnahme eine bauliche Veränderung darstellt, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht (vgl. § 22 I WEG).

Ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil kann auch in einer nicht ganz unerheblichen nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen (BayObLG, NZM 1998, 443 L = WuM 1998, 563 m.w. Nachw.). Ob dies der Fall ist, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter.

(2) Das LG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine optische Beeinträchtigung durch die Kletterhilfe nicht besteht. Diese Feststellung ist ohne Rechtsfehler getroffen und damit für das RechtsbeschwGer. bindend (§ 27 I 2 FGG, § 561 II ZPO). Die Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg; insbesondere ist es, da das LG rechtsfehlerfrei einen Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer verneint hat, nicht entscheidungserheblich, ob eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I WEG vorliegt.

b) Den Ag. wird nach § 1004 I 2 BGB, §§ 15 III , 13 I , 14 Nr. 1 WEG untersagt, in ihrem Garten mit einem Holzkohlengrill öfter als fünfmal im Jahr und in einem Bereich, der weniger als etwa 25 m von der Wohnung der Ast. entfernt ist, zugrillen. Der darüber hinausgehende Antrag ist nicht begründet.

(1) Beim Grillen auf Holzkohlenfeuer verbreiten sich Rauch und beißender Geruch. Beides kann zu Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer führen, die das unvermeidbare Maß übersteigen. Dahingestellt bleiben kann, welche beeinträchtigenden Nebenwirkungen bei einem Elektrogrill auftreten, weil die Ag. unstreitig einen solchen nicht benutzen.

(2) Ob das Grillen auf Holzkohlenfeuer im Garten wegen Verstoßes gegen §§ 13 I , 14 Nr. 1 WEG uneingeschränkt zu verbieten, zeitlich und/oder örtlich begrenzt zu erlauben oder ohne Einschränkung zu gestatten ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere Lage und Größe des Gartens, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät (vgl. Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 21 WEG Rdnr. 139). Welche Entscheidung zu treffen ist, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter.

(2) Die Entscheidung des LG ist nicht frei von Rechtsfehlern. In seiner Begründung geht das LG davon aus, dass ein gelegentliches Grillen im hinteren Teil des Gartens hingenommen werden muss. Nach dem allein maßgeblichen Entscheidungstenor ergibt sich aber, dass den Ag. das Grillen im Garten auf Holzkohlenfeuer uneingeschränkt gestattet ist. Dem kann nicht gefolgt werden. Bei den Gegebenheiten des vorliegenden Falles stellt ein uneingeschränktes Grillen auf Holzkohlenfeuer einen Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG dar. Andererseits hält es der Senat nicht für veranlasst, ein generelles Grillverbot auszusprechen. Ausreichend erscheint vielmehr eine Regelung, die das Grillen zeitlich und örtlich begrenzt. Die Ag. dürfen auf Holzkohlenfeuer nur am äußersten Ende ihres Gartens, d.h. etwa 25 m von der Wohnung der Ast. entfernt, grillen. Die Einhaltung einer solchen Entfernung erscheint schon deshalb nicht unzumutbar, weil die Ag. selbst behaupten, was allerdings von der Ast. bestritten wird, nur in einem Bereich gegrillt zu haben, der etwa 25 m von der Wohnung der Ast. entfernt ist. Der Senat ist ferner der Auffassung, dass es die Ast. hinnehmen muss, ohne dass eine das unvermeidbare Maß übersteigende Beeinträchtigung vorliegt, wenn im Jahr höchstens fünfmal gegrillt wird. Eine solche Regelung beeinträchtigt auch die Ag. nicht unzumutbar, zumal sie selbst behaupten, in den vergangenen Sommern jeweils zum Teil nur zwei- bis dreimal im Freien gegrillt zu haben.

(4) Ob dem Grillen in dem nach dieser Entscheidung zulässigen Umfang nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche Dritter entgegenstehen, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht