Vorfälligkeitsentschädigung kraft Vereinbarung
Gericht
AG Dortmund
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
07. 03. 1995
Aktenzeichen
125 C 17268/94
Eine in Erfüllung einer späteren Vereinbarung vertragsgemäß geleistete Vorfälligkeitsentschädigung kann nicht kondiziert werden, ohne dass der Darlehensnehmer die spätere Vereinbarung wirksam beseitigt, wenn ein Recht des Darlehensnehmers auf Umschuldung bzw. auf Leistung von Sondertilgungen im Darlehensvertrag ursprünglich nicht vereinbart war.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. hatte mit Darlehensvertrag vom 1. 7. 1991 bei der Bekl. ein hypothekarisch gesichertes Darlehen in Höhe von 83762,04 DM zu einem Zinssatz von 9 % aufgenommen. Die Auszahlung erfolgte zu 100 %. Der Zinssatz war festgeschrieben bis zum 30. 6. 1996. Die Zinsen wurden am Ende jedes Kalendervierteljahres fällig. Das Darlehen diente zur Ablösung von Verbindlichkeiten bei der B-Bank. Die Darlehensrückzahlung sollte in Höhe von 1 % jährlich vom ursprünglichen Darlehensbetrag zzgl. der durch Tilgung ersparten Zinsen erfolgen. Die Quartalsrate betrug zum Quartalsende jeweils 2100 DM. Gegenstand des Vertrags waren ferner die Allgemeinen Darlehensbedingungen der Bekl., in denen es unter Nr. 4 auszugsweise wörtlich heißt: „Erklärt sich die Bank zu einer vorzeitigen Ganz- oder teilweisen Darlehensrückzahlung bereit, so ist dafür eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe dann mit dem Darlehensnehmer zu vereinbaren ist." Am 7. 12. 1993 vereinbarte der Kl. mit der Bekl., da ihm nunmehr Bausparmittel zur Verfügung standen, die Ablösung dieses Darlehens. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien eine gesonderte Vereinbarung, in der es heißt: „Gemäß Darlehensvertrag vom 28. 6. 1991 ist das unter o.a. Kontonummer eingebuchte Darlehen bis zum 30. 6. 1996 unkündbar. Gleichwohl wünscht der Darlehensnehmer eine Rückzahlung des Darlehens, das zur Zeit mit 81589,88 DM zzgl. laufender Zinsen valutiert. ... Die D-Bank (Bekl.) wird diese Sondertilgung bei Zahlung einer Abfindung (Vorfälligkeitsentschädigung) in Höhe von 8838,90 DM (4 % p.a. für eine Restlaufzeit vom 15. 10. 1993 - 30. 6. 1996, berechnet aus 81589,88 DM) annehmen." Da die Bausparkasse den Ablösebetrag erst Mitte Januar 1994 an die Bekl. zahlte, wurde der Ablösebetrag auf 8050,20 DM abgeändert. Aufgrund von Presseberichten über vermeintliche unberechtigte Forderungen von Banken bei vorzeitiger Kredittilgung ließ der Kl. von einem Dipl.-Volkswirt ein Gutachten über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung erstellen. Dies Gutachten, für das der Kl. insgesamt 500 DM zahlen musste, kommt zu dem Ergebnis, dass ein Vorfälligkeitsschaden der Bekl. in Höhe von 4785,16 DM im vorliegenden Fall eingetreten sei. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kl. die Differenz zwischen diesem vom Sachverständigen errechneten Vorfälligkeitsschaden und dem an die Bekl. gezahlten Betrag zzgl. der 500 DM, die er für das Gutachten aufwenden musste.
Die Zahlungsklage hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Der Kl. kann von der Bekl. gem. § 812 BGB nicht die Rückzahlung von 3265,04 DM verlangen. Die Zahlung von Mitte Januar 1994 erfolgte nicht ohne Rechtsgrund. Rechtsgrund für diese Zahlung war die zwischen den Parteien am 7. 12. 1993 getroffene Vereinbarung. Diese Vereinbarung ist wirksam. Dabei sind zunächst die Regeln des AGB-Gesetzes auf die Vereinbarung vom 7. 12. 1993 - zumindest auf die Entgeltbestimmung - nicht anwendbar. Bei der Vereinbarung des für die Annahme der Sondertilgung von der Bekl. verlangten Betrags von 8838,90 DM handelt es sich gerade nicht um eine AGB, sondern um die individuelle Preisvereinbarung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in den Allgemeinen Darlehensbedingungen in Nr. 4 eine Regelung über die Vorfälligkeitsentschädigung bereits enthalten ist. Diese Regelung in den Allgemeinen Darlehensbedingungen enthält gerade keine Bestimmung über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und räumt auch dem Kunden gerade keinen durchsetzbaren Anspruch auf vorzeitige Darlehensrückzahlung ein. Die Bedeutung dieser Klausel liegt eher darin, dass die Bekl. mit dieser Klausel ihrer ggf. bestehenden vertraglichen Aufklärungspflicht nachkommt, um ggf. geschäftsunerfahrenen Kunden bei Abschluss des Vertrags bereits klarzumachen, dass eine vorzeitige Tilgung mit weiteren Kosten verbunden ist. Die Vereinbarung ist auch nicht gem. § 138 BGB nichtig. (Es folgen Ausführungen zum insoweit unschlüssigen Vortrag des Kl.)
Der Kl. hat ca. 2 1/2 Jahre vor der Vereinbarung vom 7. 12. 1993 mit der Bekl. einen wirksamen Darlehensvertrag abgeschlossen. Auch dieser Darlehensvertrag war nicht sein erster, sondern diente, wie sich aus dem Darlehensantrag ergibt, bereits der Ablösung eines anderen, vorher bereits bestehenden Darlehens. Der Kl. hat sich anscheinend unter Abwägung aller Vor- und Nachteile dazu entschlossen, mit der Bekl. eine fünfjährige Zinsfestschreibung zu vereinbaren. Die Vereinbarung einer solchen Zinsfestschreibung bedeutet bekanntlich für beide Vertragsparteien ein gewisses Risiko, weil innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums Schwankungen des Kapitalmarktzinses keinen Einfluss auf den Vertragszins haben. Der Kunde erkauft sich deshalb i.d.R. mit einem über dem aktuellen Darlehenszins liegenden Zinssatz die Sicherheit, für einen bestimmten Zeitraum sicher kalkulieren zu können, während die Bank mit dem erhöhten Zinssatz das Risiko abdeckt, ggf. eintretende Kapitalmarktzinssteigerungen nicht weitergeben zu können. Wenn der Kapitalmarktzins sich nun zu Ungunsten des Kl. entwickelt hat, rechtfertigt dies nach Ansicht des erkennenden Gerichts zumindest bei Laufzeiten in der hier zu beurteilenden Größenordnung keinen Anspruch auf Umschuldung. Der Gesetzgeber hat in § 609a BGB ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner ein Darlehen, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, ganz oder teilweise kündigen kann. Dies ist für das Gericht bindend.
Soweit Reifner (NJW 1995, 86 (89)) es für erwägenswert hält, auch für den Bereich der Hypothekenkredite die Möglichkeit der vorzeitigen Schuldtilgung durch den Darlehensnehmer zu jedem Zeitpunkt zu ermöglichen, findet diese Erwägung im zur Zeit gültigen Zivilrecht der Bundesrepublik Deutschland keine Stütze. Dies scheint Reifner selbst so zu sehen, wenn er eine gesetzgeberische Regelung in diesem Sinne für angebracht hält.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Umschuldung vom Kl. anscheinend weniger aufgrund veränderter Kapitalmarktzinsen begehrt wurde, als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass ein Bausparvertrag zugeteilt worden ist und er somit in den Genuss des mit der Bausparkasse vereinbarten, niedrigeren Bausparzinses kommen konnte. Dieser Umstand liegt erst recht vollständig in der Sphäre des Kl. Er wusste bei Abschluss des Darlehensvertrags mit der Bekl. am 1. 7. 1991, dass er, wenn auch nicht zu einem genau feststehenden Datum, einen Anspruch gegen die Bausparkasse auf Auszahlung eines günstigen Bauspardarlehens haben wird. Wenn er sich in Kenntnis dieser Tatsache für eine fünfjährige Zinsfestschreibung entscheidet, kann er nunmehr nicht in dem Fall, in dem das Bauspardarlehen tatsächlich zugeteilt wird, sich einseitig von dem Vertrag lösen.
Wenn aber, wie dargestellt, ein Anspruch des Kl. gegenüber der Bekl. auf Umschuldung bzw. Annahme von Sondertilgungen nicht bestand, ist es Sache der Parteien, hierüber individualvertraglich gem. § 305 BGB eine Vereinbarung zu treffen. Dies haben die Parteien vorliegend mit der Vereinbarung vom 7. 12. 1993 getan. Dabei ist auch die Höhe der zwischen den Parteien vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigung wirksam. Als Gegenleistung für entgangene zukünftige Zinsen lassen sich Kreditgeber bei einer vorzeitigen Tilgung i.d.R. Vorfälligkeitsentschädigungen zahlen. Teilweise sind deren Konditionen bereits in vorformulierten Geschäftsbedingungen pauschal geregelt, teilweise werden einzelvertragliche Sondertilgungsrechte eingeräumt oder wird die Auflösung gegen Zahlung einer im Einzelfall zu berechnenden Vorfälligkeitsentschädigung angeboten (Reifner, NJW 1995, 86). Im vorliegenden Fall haben die Parteien gerade über eine im Einzelfall vereinbarte und berechnete Vorfälligkeitsentschädigung Einigung erzielt. Soweit die Rechtsprechung bei der Beurteilung von Ratenkreditverträgen den Rechtsgrundsatz entwickelt hat, dass der Ratenkreditvertrag sittenwidrig ist, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Kreditgeber die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Kreditnehmer sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf die drückenden Bedingungen, führt auch eine Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall nicht dazu, dass die getroffene Entgeltvereinbarung gem. § 138 BGB nichtig ist.
Dabei ist schon fraglich, ob hier zwischen der Leistung und der Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht. Die zwischen den Parteien vereinbarte Abfindung ist 84 % höher als der „Schaden“, den der vom Kl. beauftragte Dipl.-Volkswirt für die Bekl. errechnet hat. Unabhängig von der Frage, ob die in diesem Gutachten zugrundegelegte Berechnung richtig ist und den Besonderheiten der Volks- und Raiffeisenbanken gerecht wird, stellt diese Überschreitung für sich alleine wohl noch kein auffälliges Missverhältnis dar. Dabei ist nämlich weiter zu berücksichtigen, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Abfindung ein vertragliches Entgelt ist, das der Kl. an die Bekl. dafür zu zahlen hat, dass diese sich entgegen den bindenden vertraglichen Abreden zur Entgegennahme von Sondertilgungen bereit erklärt. Es handelt sich deshalb gerade um eine zwischen den Parteien frei vereinbarte Ablöseentschädigung und nicht um einen Schadensersatzbetrag (BGH, ZIP 1994, 116). Wie oben bereits festgestellt, ist deshalb auf diese Entgeltvereinbarung gem. § 8 AGBG auch nicht die Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes anwendbar (BGH, NJW-RR 1989, 41). Soweit sich Reifner (NJW 1995, 86 (90f.)) mit der Frage der Rechtsnatur der Vorfälligkeitsentschädigung und „Vorfälligkeitsregelungen in AGB“ beschäftigt, sind diese Ausführungen auf den vorliegenden Fall allein deshalb nicht anzuwenden, weil vorliegend in den AGB keine Regelung über die Berechnung der Abfindung enthalten ist und auch die Vereinbarung vom 7. 12. 1993 zumindest bzgl. der Entgeltvereinbarung keine AGB darstellt. Zwar führt dies allein noch nicht dazu, dass es sich um einen „kontrollfreien Raum“ (so Metz, ZBB 1994, 205) handelt, jedoch sind die Grenzen natürlich weiter gefasst, da nach unserer Rechtsordnung jede Partei im Rahmen der Privatautonomie für sich günstige oder auch ungünstige Verträge abschließen kann. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Betrag, den der Kl. hier nach seinen Berechnungen zuviel gezahlt haben will, für ihn sicher keine „Peanuts“ darstellen.
Um es jedoch einmal von der häufig sehr viel emotionsbeladeneren oder „klassenkämpferischen“ Ebene wegzubringen, sei dem Kl. hier sein Fall anhand eines Autokaufs dargestellt: Wenn der Kl. einen neuen Pkw gekauft hätte und nach Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags zum Autohändler gegangen wäre, um mit diesem zu vereinbaren, dass der alte Pkw des Kl. an Erfüllungs Statt vom Autohändler in Zahlung genommen werden soll, dann wären wahrscheinlich weder der Kl. noch die von ihm vorgelegten Zeitschriften auf die Idee gekommen, nach einem Jahr zu behaupten, dass der zwischen dem Kl. und dem Autohaus vereinbarte Inzahlungnahmepreis für den Pkw zu niedrig gewesen ist und deshalb vom Autohaus noch ein Betrag zurückzuzahlen sei.
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