Vorfälligkeitsentschädigung für Darlehen mit fester Laufzeit
Gericht
OLG Köln
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
10. 12. 1999
Aktenzeichen
11 W 75/99
Ein Kreditgeber kann die vorzeitige Tilgung eines für eine feste Laufzeit gewährten Darlehens auch dann von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen, wenn die Tilgung im Hinblick auf eine vom Kreditnehmer abgeschlossene Lebensversicherung und deren Sicherungsabtretung an den Kreditgeber ausgesetzt war und der Wunsch des Kreditnehmers, das Darlehen vorzeitig zu tilgen, darauf beruht, dass die wegen des Todes eines Versicherten ausbezahlte Lebensversicherungssumme zur Tilgung verwendet werden soll.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. zu 1 und seine am 3. 4. 1998 verstorbene Ehefrau erhielten von der beklagten Bausparkasse auf Grund Vertrags vom 16./17. 8. 1995 ein durch Grundpfandrecht gesichertes Baufinanzierungsdarlehen über 126000 DM. Die Auszahlung erfolgte zu 100%. In dem Vertrag ist die monatliche Leistungsrate mit 815,05 DM vereinbart, der effektive Jahreszins - aufgeteilt auf zwei Darlehensteile - mit 7,88% und 8,47% p.a. angegeben. Der Zins war bis zum 30. 9. 2003 festgeschrieben. Die Tilgung wurde ausgesetzt gegen Sicherungsabtretung einer bei einem Lebensversicherer neu abgeschlossenen Lebensversicherung über 100000 DM, die der Tilgung der Darlehenssumme dienen sollte und auf die der Kl. zu 1 und seine Ehefrau eine monatliche Prämie von 263 DM zahlten.
Nach dem Tod der Ehefrau wurde die Lebensversicherungssumme über 100539,59 DM an die Bekl. zwecks vorzeitiger Ablösung des Darlehens ausbezahlt. Die Bekl. erklärte sich mit der vorzeitigen Darlehensrückzahlung einverstanden, falls eine Vorfälligkeitsentschädigung von 13462,41 DM gezahlt oder alternativ das restliche Darlehen um die Vorfälligkeitsentschädigung erhöht werde. Die Kl., die Erben der verstorbenen Ehefrau sind, halten die Forderung der Bekl. auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für unberechtigt. Sie haben daher Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass der Bekl. kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zustehe. Die Bekl. ist dem entgegengetreten.
Die Parteien haben - entsprechend einem schon vorprozessual von der Bekl. unterbreiteten Angebot - einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem sich die Kl. verpflichteten, zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Darlehensvertrag den restlichen Darlehensbetrag zuzüglich darauf entfallender Vorfälligkeitsentschädigung (29359 DM) zu zahlen. Sodann haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenantrag gestellt. Das LG hat die Kosten der Bekl. auferlegt mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die es gegeneinander aufgehoben hat. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Bekl., die meint, die Kosten seien - mit Ausnahme der Vergleichskosten - den Kl. aufzuerlegen. Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die gem. § 91a II 1 ZPO statthafte und in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende sofortige Beschwerde ist begründet. Es entspricht bei Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands billigem Ermessen i.S. des § 91a I ZPO, die Kosten des Rechtsstreits den Kl. aufzuerlegen.
Die Feststellungsklage war unbegründet. Die Bekl. durfte ihr Einverständnis zu der vorzeitigen Darlehensablösung von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen. Das LG hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es fehle eine Anspruchsgrundlage, weil der Darlehensvertrag keine Regelung für den Fall vorzeitiger Darlehensablösung auf Grund Fälligwerdens der Lebensversicherungssumme treffe und die Parteien sich auch nicht geeinigt hätten. Dem kann nicht gefolgt werden.
1. Die Kl. waren nicht berechtigt, den Darlehensvertrag durch einseitige Erklärung vorzeitig zu beenden. Das Recht zur ordentlichen Kündigung (§§ 609, 609a BGB) war durch die Festzinsbindung bis zum 30. 9. 2003 wirksam abbedungen. Auf ein Recht zur außerordentlichen Kündigung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen sich die Kl. nicht; dafür ist auch nichts ersichtlich. Fraglich kann nur sein, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bekl. verpflichtet war, die vorzeitige teilweise Rückführung des Darlehens durch die Lebensversicherungssumme und die damit einhergehende Vertragsänderung zu akzeptieren.
2. Darüber, dass die Kl. grundsätzlich eine Rückführung der Darlehenssumme in Höhe der durch Eintritt des Versicherungsfalls fällig gewordenen Lebensversicherungssumme verlangen konnten, haben die Parteien nicht gestritten. Es spricht auch viel dafür, dass den Darlehensgeber die Rechtspflicht trifft, sich auf Verlangen des Darlehensnehmers auf eine dahingehende Vertragsänderung einzulassen (zu den Voraussetzungen einer solchen Verpflichtung vgl. BGHZ 136, 161 [164ff.] m.w. Nachw LM H. 1/1998 § 242 [Ba] BGB Nr. 94), wenn in dem Darlehensvertrag vereinbart ist, dass die Tilgung des Darlehens durch eine bestimmte Lebensversicherung erfolgen soll und sich der Darlehensgeber die Ansprüche aus der Versicherung sicherungshalber abtreten lässt.
3. Die Bekl. durfte ihr Einverständnis mit der Vertragsänderung von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen. Nach gefestigter Rechtsprechung, der der Senat folgt, muss ein Darlehensgeber es nicht hinnehmen, dass ihm durch eine vom Darlehensnehmer gewünschte Vertragsänderung ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht; er kann vielmehr verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrags bis zum Ende der festgelegten Laufzeit gestanden hätte (BGHZ 133, 355 [359fe.]; BGHZ 136, 161 [164; OLG Hamm, WM 1996, 569 [570f., 572]; LG Karlsruhe, WM 1996, 574 [575]; vgl. auch Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rotenburg, VerbrkrG , 2. Aufl., § 4 Rdnr. 96 m.w. Nachw.).
Im Streitfall gilt nicht deshalb etwas anderes, weil die Tilgung des Darlehens durch die Lebensversicherungssumme vertraglich vereinbart war. Sinn einer solchen Vereinbarung ist, dass der Darlehensnehmer, anstatt laufende Tilgungsleistungen an den Darlehensgeber zu erbringen, durch Zahlung der Versicherungsprämie das zur Tilgung erforderliche Kapital und zudem zusätzliches Kapital anspart, da die Auszahlungssumme wegen der zu erwartenden Überschussbeteiligung bei zunehmender Laufzeit der Versicherung die vereinbarte Versicherungssumme erheblich übersteigen kann; zugleich wird für den Fall Vorsorge getroffen, dass der oder einer der mehreren Versicherungsnehmer verstirbt. Ob diese Vertragsgestaltung als besonders vorteilhaft anzusehen ist oder ob u.a. wegen der durchgehenden Verzinsung des gesamten Kapitals und der daher nur mäßigen Rendite die Nachteile überwiegen, kann dahinstehen. Auf die vertraglich übernommenen Verpflichtungen des Darlehensnehmers, die sich aus der Festzinsbindung ergeben, kann diese Gestaltung der Tilgung jedenfalls keinen Einfluss haben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kreditgeber bei einer solchen Regelung der Tilgung für den Fall, dass das Darlehen auf Grund des Eintritts des Versicherungsfalls vorzeitig zurückgeführt werden kann, wirtschaftliche Nachteile hinnehmen will. Die Verzinsung eines Darlehens ist auf die vereinbarte Laufzeit abgestimmt. Da der Verzinsungsplan jedes Kreditvertrags Bestandteil der geschäftlichen Kalkulation des Kreditgebers ist, träten konkrete wirtschaftliche Nachteile ein, wenn die vorzeitige Rückführung des Kredits ausgleichslos hingenommen werden müsste. Die allgemeine Erwägung, dass das Geschäft mit Lebensversicherungshypotheken den Kreditgebern wegen der Kooperation mit bestimmten Lebensversicherungen mittelbare Vorteile bieten kann, ist kein ausreichender Grund, ihnen die Hinnahme solcher Nachteile durch Abstandnahme von den getroffenen Vereinbarungen zuzumuten.
Dazu besteht auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben jedenfalls dann kein Anlass, wenn der Betrag, den der Kreditnehmer aufbringen muss, um den Tilgungsbetrag anzusparen und vorzeitig abzulösen, weit hinter dem ausgezahlten Lebensversicherungsbetrag zurückbleibt. Im Streitfall sind bis zum Eintritt des Versicherungsfalls Versicherungsprämien von etwa 8000 DM aufzuwenden gewesen. Rechnet man dem die von der Bekl. verlangte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 13462,41 DM hinzu, so betragen die Aufwendungen der Kl. etwa ein Fünftel der vorzeitig abgelösten 100539,59 DM. Aus diesem Grunde ist auch nicht ersichtlich, wieso die Bekl. unter dem Gesichtspunkt des Beratungsverschuldens verpflichtet gewesen sein sollte, von der Forderung nach einer Vorfälligkeitsentschädigung Abstand zu nehmen.
4. Der Klage hätte nicht - wie das LG gemeint hat - mit der Begründung stattgegeben werden können, dass es jedenfalls vor Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht zu einer Vereinbarung der Parteien über die Abänderung des Darlehensvertrags gekommen sei. Fraglich ist bereits, ob die vorprozessualen Erklärungen der Parteien unter Berücksichtigung der Entgegennahme der Versicherungssumme durch die Bekl. nicht dahin verstanden werden müssen, dass Einigkeit über die Verwendung der Lebensversicherungssumme zur Teilablösung des Darlehens bestand und dass lediglich über den Anspruch der Bekl. auf Vorfälligkeitsentschädigung gestritten werden sollte. Jedenfalls war die Klage auf Feststellung gerichtet, dass der Bekl. keine Vorfälligkeitsentschädigung zustehe. Eine solche Feststellung, die die Kl. offensichtlich begehrt haben, um der Forderung der Bekl. nach Abschluss eines Abänderungsvertrags unter Einbeziehung der Vorfälligkeitsentschädigung unter Berufung auf das gerichtliche Erkenntnis entgegentreten zu können, hätte aber, wie sich aus den vorstehenden Rechtsausführungen ergibt, nicht getroffen werden können.
5. Über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung haben die Parteien nicht gestritten. Die Feststellungsklage hätte deshalb in vollem Umfang abgewiesen werden müssen. Ob sich die Klage konkret auf den von der Bekl. verlangten Betrag von 13462,41 DM oder auf jegliche Vorfälligkeitsentschädigung bezog, kann dahinstehen.
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