Unterhaltspflichtiges Einkommen eines früher Selbständigen aus Lebensversicherungen
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
12. 09. 1997
Aktenzeichen
5 UF 35/97
Hat ein selbständig tätiger Unterhaltspflichtiger als Altersvorsorge eine Lebensversicherung abgeschlossen, so gehören Zahlungen daraus zum bedarfsprägenden Einkommen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl., der zuvor selbständig tätig war, ist aus dem Berufsleben ausgeschieden. Er begehrt unter Hinweis auf seine geringeren Einkünfte eine Abänderung des notariell geregelten nachehelichen Unterhalts. Das AG - FamG - hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Die notarielle Urkunde, deren Abänderung der Kl. mit seiner Klage begehrt, ist unstreitig aufgrund entsprechenden Verlangens der Bekl. errichtet worden, so dass sie vertragliche Bindungswirkungen entfaltet. Sie kann nur dann angepasst werden, wenn dem Kl. wegen wesentlich veränderter Umstände ein Festhalten an der eingegangenen Zahlungsverpflichtung nach Treu und Glauben nicht länger zugemutet werden kann. Wesentlich in diesem Sinne sind zwischenzeitliche Veränderungen dann, wenn sich aufgrund ihrer Berücksichtigung eine mindestens zehnprozentige Minderung des titulierten Unterhalts ergibt. Eine solche Minderung hat im vorliegenden Fall das Ausscheiden des Kl. aus dem Berufsleben nicht zur Folge.
II. Bedarfsprägend sind seither die an die Stelle des vorherigen Erwerbseinkommens getretenen Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie aus zwischenzeitlich ausgezahlten Lebensversicherungen und Erträge aus dem Erlös der verkauften Praxis. Hinsichtlich der Lebensversicherungen sind nicht nur die Zinserträge, sondern auch die zwischenzeitlich ausgezahlten Guthaben selbst für Unterhaltszwecke einzusetzen.
Während der Zeit seiner Erwerbstätigkeit sind die Lebensversicherungsbeiträge von jährlich knapp 25000 DM dem Kl. entsprechend seinem Begehren in voller Höhe mit der Erwägung als Abzugsposten zugebilligt worden, es handele sich um einen angemessenen Altersversorgungsaufwand. Im Senatsurteil vom 5. 2. 1992 ist hierzu ausgeführt, der Aufwand entspreche etwa 14 % des Bruttoeinkommens aus selbständiger Arbeit, was im Hinblick auf den darüberliegenden Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überhöht sei.
Angesichts dieser vom Kl. selbst seinerzeit vorgetragenen Zweckbestimmung der Lebensversicherungsaufwendungen ist er gehalten, nunmehr die ausgezahlten Guthaben auch zweckentsprechend, also für den Lebensbedarf im Alter einzusetzen. Da die Bekl. den vollen Prämienaufwand durch geschmälerten Unterhalt mitfinanziert hat, ist es nur billig, dass sie jetzt auch an den Guthaben partizipiert. Ein Selbständiger, der durch das Ansparen von Kapitallebensversicherungen für sein Alter vorsorgt, wird damit im Ergebnis nicht anders behandelt als ein Arbeitnehmer, der durch Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung für sein Alter vorsorgt. Auch dieser muss nach seiner Verrentung die Rente in voller Höhe und nicht etwa nur deren Ertragsanteil für Unterhaltszwecke einsetzen.
Als 65jähriger hatte der Kl. nach Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit noch eine statistische Lebenserwartung von 14,72, aufgerundet also 15 Jahren (vgl. Allg. Sterbetafel 1992/94 für die alten Bundesländer in: Knief, Jahrbuch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1997, S. 657). Zur Ermittlung des Betrages einer monatlich vorschüssig gezahlten gleichbleibenden Rente, die aus dem vorgegebenen Kapital (= Barwert) geleistet werden kann, ist der Barwert durch einen durch Zinssatz und Laufzeit vorgegebenen Barwertfaktor zu dividieren. Bei 15jähriger Laufzeit und dem unstreitigen Zinssatz von 6 % beläuft sich dieser Faktor auf 120,334766. (Vgl. die Tabelle "Barwerte gleichbleibender monatlicher Zahlungen", Knief, S. 657 (677)).
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