Schadensersatz bei Entzug des privat genutzten Dienstfahrzeugs

Gericht

LAG Hessen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

19. 12. 1997


Aktenzeichen

17/12 Sa 1871/96


Leitsatz des Gerichts

Entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unberechtigt nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung das Dienstfahrzeug, das dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen wurde, so beschränkt sich der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach §§ 325, 249 BGB nicht allein auf die in der ADAC-Tabelle festgesetzten Werte, da diese die Anschaffungskosten eines Fahrzeugs, die dem Arbeitnehmer erspart werden, nicht berücksichtigt. Vielmehr beziffert sich der mögliche Schaden nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch. Die Dauer des Schadensersatzes ist jedoch in der Regel gem. § 254 BGB auf sechs Monate begrenzt, da zumindest dann, wenn eine längere Prozessdauer erkennbar wird, ein wirtschaftlich denkender Arbeitnehmer ein Ersatzfahrzeug angeschafft hätte, dessen möglicher Wertverlust bei einer anschließenden Veräußerung im Wege einer konkreten Schadensberechnung geltend gemacht werden kann. Zumindest muss der Arbeitnehmer darlegen, warum ihm eine Ersatzbeschaffung nicht möglich gewesen ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe dem Kl. Zahlungsansprüche für den Zeitraum nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung und eines Streits um eine unwirksame Befristung zustehen. Der Kl. und Berufungskl. (im folgenden: Kl.) war bei der Bekl. seit dem 1. 4. 1994 als Vertriebsleiter beschäftigt. Sein Monatseinkommen belief sich zuletzt auf 14166,66 DM brutto im Monat. Die Parteien schlossen einen Anstellungsvertrag. Dieser enthält hinsichtlich der Gehaltshöhe unter Nr. 1.3 folgende Regelung: „Das vereinbarte Bruttojahresgehalt beträgt 170000 DM und wird in zwölf gleichen Teilbeträgen von 14166,66 DM jeweils am Monatsende gezahlt. Die Weihnachtsgratifikation gem. Nr. 8 des Vertrages entfällt„. Unter Nr. 22 des Vertrages ist folgendes bestimmt: „Alle vertraglichen Ansprüche, die sich aus dem Anstellungsvertrag ergeben, sind von den vertragsschließenden Parteien binnen einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall von Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von einem Monat einzuklagen„. Unter der Nr. 25.1 ist hinsichtlich eines Dienstwagens folgendes geregelt: „Herr H erhält zunächst ein Poolfahrzeug . . . auch zur privaten Nutzung. Nach Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wird Herr H unter Berücksichtigung der Lieferfristen ein Dienstfahrzeug im Wert von 38000 DM netto zur Verfügung gestellt„. Der Kl. erhielt als Dienstwagen einen BMW 525 i zur Verfügung. Die Bekl. kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. 12. 1994 zum 31. 3. 1995, dies unter gleichzeitiger Freistellung des Kl. Ferner berief sie sich auf den Ablauf einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Befristungsregelung. Auf die Forderung der Bekl. hin gab der Kl. seinen Dienstwagen zurück. Mit seiner am 6. 1. 1995 bei Gericht eingegangenen Klage wandte sich der Kl. gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 27. 12. 1994 zum 31. 3. 1995. Im Verlaufe des Rechtsstreits erweiterte der Kl. jeweils seine Klage um die rückständigen, nach Ablauf des 31. 3. 1995 angefallenen Zahlungsbeträge. Mit Schriftsatz vom 26. 10. 1995 forderte der Kl. im Wege der Klageerweiterung rückständige Gehälter für den Zeitraum April 1995 bis September 1995 in Höhe von insgesamt 84999,96 DM brutto abzüglich des an den Kl. gezahlten Arbeitslosengeldes. Dieses belief sich wöchentlich auf 742,80 DM. Ferner forderte der Kl. im Rahmen dieser Klageerweiterung auch Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens für die Monate April bis September 1995. Diesen bringt er auf der Grundlage der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch mit einem Tagesbetrag von 115 DM, mithin monatlich 3450 DM netto in Ansatz. Mit Schriftsatz vom 8. 3. 1996 erweiterte der Kl. die Zahlungsklage um weitere 56664 DM brutto für die Monate Oktober, November, Dezember 1995 sowie Januar 1996 sowie um 13800 DM hinsichtlich der Pkw-Nutzung für den gleichen Zeitraum. Eine weitere Klageerweiterung über 56664 DM brutto bezieht sich auf die Monate Februar, März, April und Mai 1996, ferner auf den Nutzungsausfall für den gleichen Zeitraum in der Größenordnung von 13800 DM.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

V. Dem Kl. steht, soweit die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht worden sind, auch ein Schadensersatzanspruch für den Entzug des Pkw zu. Die Bekl. hatte sich arbeitsvertraglich verpflichtet, dem Kl. auch für Privatfahrten einen Pkw zu überlassen. Der Vergütungsanspruch des Kl. beruht auf §§ 611, 615 BGB. Hierin eingeschlossen sind auch Naturalvergütungen. Eine abweichende Parteivereinbarung liegt insoweit nicht vor, wonach während der Freistellung des Kl. diese Naturalvergütungen nicht zu erbringen sind. Mit der Rechtsprechung des BAG ist davon auszugehen, dass die Möglichkeit des Arbeitnehmers, einen Firmen-Pkw im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu nutzen, eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung darstellt. Die Zurverfügungstellung eines Pkw stellt einen erheblichen Geldwert dar, entsprechend ist auch dieser Sachbezug steuerlich zu berücksichtigen (vgl. BAG, NJW 1995, 348).

Der Anspruch des Arbeitnehmers im Fall des unberechtigten Entzugs des Pkw ergibt sich aus §§ 325 I, 249 BGB. Danach hat der Schuldner zunächst den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Da die Herstellung insoweit nicht möglich ist, ist er dem Gläubiger gegenüber zur Entschädigung verpflichtet, § 251 I BGB. Mit dem BAG (NJW 1995, 348 [zu II 3b]) ist auch die Kammer der Auffassung, dass der Schadensersatzanspruch nicht auf den Ersatz des steuerlichen Sachbezugswerts begrenzt ist. Dieser Wert entspricht nicht dem real dem Gläubiger entstehenden Schaden, er stellt lediglich eine aus steuerlichen Gründen gewählte Bemessungsgrundlage dar. Vielmehr ist für einen Schadensersatzanspruch der wirkliche Wert der Sachleistung zugrunde zu legen.

Der Kl. war bei seiner Schadensberechnung nicht auf die Höhe der Ansprüche begrenzt, die der ADAC-Tabelle zugrunde gelegt werden. Diese Tabelle enthält den Wert einer Pkw-Nutzung nach den hierfür erforderlichen Aufwendungen mit Ausnahme der Anschaffungskosten eines Fahrzeugs. Im Falle des Kl. sollten jedoch auch gerade die Anschaffungskosten des Fahrzeugs diesem erspart bleiben, der Sachbezug erübrigt es, Aufwendungen auch im Hinblick auf Anschaffungskosten zu tätigen. Demgegenüber kann auch nicht eingewandt werden, dass das Fahrzeug in erster Linie zur dienstlichen Nutzung dem Kl. zur Verfügung gestellt wurde. Auch für den Fall, dass der Kl. noch ein eigenes Privatfahrzeug gehabt hätte, wäre ihm eine Nutzung eines Privatfahrzeugs auch nur außerdienstlich möglich gewesen. Insgesamt war daher zunächst bei der Bewertung der dem Kl. unberechtigterweise entzogenen Nutzungsrechte die Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch zugrunde zu legen (vgl. NJW 1997, 700). Ausgangspunkt ist insoweit der durchschnittliche Mietpreis für das jeweilige Fahrzeug, bereinigt um die Faktoren, die sich als Gewinnspanne der Autoverleihunternehmungen ergeben. Diese Berechnung, die das Gericht gem. § 287 I ZPO zugrunde gelegt hat, ergibt am ehesten den Wert, den ein zur Privatnutzung zur Verfügung gestelltes Fahrzeug tatsächlich hat (vgl. insoweit LAG Frankfurt a.M., Urt. v. 1. 8. 1995 - 11 Sa 87/95; ferner auch Schroeder, NZA 1994, 342; offengelassen vom BAG, NJW 1995, 348 [zu II 3c]). ...

VI. Die Berufung des Kl. hatte auch insoweit Erfolg, als er einen entsprechenden Schadensersatzbetrag für die Monate Januar, April und Mai 1996 geltend gemacht hat, dies allerdings nur in Höhe der ADAC-Tabelle. Für das Gericht erscheint es angemessen, den Schadensersatzbetrag nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch auf einen Zeitraum von 6 Monaten zu begrenzen. Dies ergibt sich bereits aus § 252 BGB. Unter Berücksichtigung eines monatlichen Betrages von 3450 DM als Schadensersatzbetrag erscheint eine Begrenzung der Ansprüche zumindest dann unerlässlich, wenn der geltend gemachte Schadensersatz den Wert des Fahrzeugs übersteigt. Insoweit wäre dem Kl. zuzumuten gewesen, sich um eine konkrete Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs spätestens dann zu kümmern, als ersichtlich wurde, dass der Rechtsstreit längere Zeit andauern würde. Ein wirtschaftlich handelnder Arbeitnehmer hätte sich ein gebrauchtes Ersatzfahrzeug gleicher Art und Güte beschafft.

Zwar mag es im Einzelfall sein, dass dies dem Gläubiger nicht zumutbar ist, insbesondere dann, wenn er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Insoweit ist jedoch vom Kl. nichts vorgetragen worden. Ebenso ergibt bereits eine grobe Schätzung, dass im Fall der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges der Schaden selbst dann nicht dieses Ausmaß erreicht hätte, falls der Kl. eine anderweitige Beschäftigung gefunden hätte, wo ihm gleichfalls ein Fahrzeug zur Privatnutzung überlassen worden wäre. Ein möglicher Mindererlös beim Verkauf des beschafften Ersatzfahrzeugs hätte keinesfalls die Größenordnung erreicht, die hier nach etwa 6 Monaten bereits einen Betrag von etwa 20000 DM ausmacht. Unabhängig davon hat das Gericht auch erhebliche Bedenken am Nutzungswillen, der zumindest dann nicht mehr unterstellt werden kann, wenn der Kl. für einen so langen Zeitraum ohne Fahrzeug auskommt.

Gem. § 254 BGB war daher der Anspruch ab dem 7. Monat auf der Grundlage der ADAC-Tabelle zu berechnen. Insoweit kann auf die Rechtsprechung des BAG Bezug genommen werden, die auch für einen längeren Zeitraum eine entsprechende Schadensberechnung zulässt. ...

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Schadensersatzrecht