Rechtsberatung in den Medien - Wir Schuldenmacher

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 12. 2001


Aktenzeichen

I ZR 14/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Werden in einer Fernsehsendung Auskünfte zu allgemein interessierenden Rechtsfragen anhand von Fällen erteilt, die Zuschauer in der laufenden Sendung schildern, verstößt dies nicht gegen das Verbot, ohne Erlaubnis geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen.

  2. Dagegen liegt in der Ankündigung einer Fernsehanstalt, Zuschauern außerhalb der Fernsehsendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen, ein Angebot zu einer Rechtsberatung i.S. des Art. 1 § 1 I RBerG.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl., der als öffentlich-rechtliche Anstalt organisierte Bayerische Rundfunk, sendete am 18. 2. 1997 in zwei Teilen im dritten Programm des Bayerischen Fernsehens den Beitrag „Wir Schuldenmacher“. Während der Sendung, in der der Bekl. zunächst die persönliche Situation einzelner betroffener Schuldner zeigte und die Regelungen des künftig geltenden Insolvenzrechts darstellte, wurden wiederholt eine für Zuschauer geschaltete Telefonnummer und eine Telefaxnummer gezeigt. Im Laufe der Sendung eingehende Anrufe von Zuschauern oder Zuschriften nahmen die Moderatoren entgegen und leiteten sie an eine Gesprächsrunde weiter, die aus einem Schuldnerberater, dem Vorstandsmitglied einer Sparkasse, einem Ministerialbeamten und einem Rechtsanwalt und Konkursverwalter bestand. Der Kl., ein Rechtsanwalt in R., hat den Bekl. wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er ist der Ansicht, der Bekl. habe in der Sendung Rechtsberatung angekündigt und den Anrufern Rechtsrat erteilt. In der Sendung habe nicht die Belehrung der Allgemeinheit im Vordergrund gestanden, sondern die Erteilung von Rechtsrat in konkreten Einzelfällen.

Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt, wobei es - über den Antrag des Kl. hinaus - einzelne Passagen der Moderation in dem Unterlassungsgebot zusätzlich gesondert hervorgehoben hat. Das BerGer. hat den Bekl. nach dem Antrag des Kl. verurteilt. Die Revision hatte weitgehend Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat den Unterlassungsanspruch gem. § 823 II i.V. mit § 1004 BGB und Art. 1 § 1 RBerG für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Der Kl. sei befugt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen, weil er als Rechtsanwalt gegen einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, das auch den Schutz seiner Betätigung bezwecke, vorgehen könne. Der Bekl. habe in der Sendung vom 18. 2. 1997 angeboten und angekündigt, Rechtsberatung im Einzelfall zu erteilen und diese Ankündigung auch umgesetzt. Den Zuschauern sei nicht nur ermöglicht worden, während der Sendung anzurufen, sondern auch in der Pause zwischen den zwei Sendeteilen und nach Abschluss der zweiten Sendung. Durch die vorangegangenen Filmbeiträge und die Darstellung des zukünftig gültigen Insolvenzrechts sei für die Zuschauer klargestellt gewesen, dass Gegenstand der Anrufe nicht wirtschaftliche oder soziale Probleme einer Überschuldung, sondern die Klärung rechtlicher Verhältnisse sein sollte. Der Bekl. habe in den im Klageantrag aufgeführten Dialogen konkrete Rechtsfragen beantwortet und Rechtsberatung im Einzelfall und geschäftsmäßig ohne die erforderliche Erlaubnis erteilt. Das Rechtsberatungsgesetz diene wichtigen Gemeinwohlinteressen. Deren Schutz gelte auch gegenüber Presse und Rundfunk. Ihr Informationsauftrag erfordere nicht, Zuschauern auf Grund zufällig eingehender und in keinem systematischen Zusammenhang stehender Anrufe individuell Rechtsrat zu erteilen.

Die Ansprüche des Kl. seien nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB sei ebenso wenig abgelaufen wie die kurze Verjährungsfrist des § 21 UWG.

II. Die Revision des Bekl. hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit der Bekl. nicht angekündigt hat, außerhalb der beanstandeten Sendung Rechtsrat zu erteilen. Im Übrigen (Ankündigung, außerhalb der Sendung Rechtsrat zu erteilen) bleibt es bei dem vom BerGer. ausgesprochenen Unterlassungsgebot.

Dem entspricht der Klageantrag. In ihm wird durch wörtliche Wiedergabe der zwei Sendeteile die beanstandete Verletzungsform angeführt und der allgemein gehaltene Begriff der Erteilung von Rechtsrat ausreichend konkretisiert.

2. Der Unterlassungsanspruch des Kl. ist nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 I RBerG nur im vorstehend angeführten Umfang begründet.

a) Der Kl. ist entgegen der Ansicht der Revision als unmittelbar betroffener Wettbewerber des Bekl. sachbefugt.

Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen sind grundsätzlich diejenigen Mitbewerber anzusehen, die zu dem Verletzer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Bekl. hat den Zuschauern angeboten, sie in der zweiteiligen Sendung vom 18. 2. 1997 in dem Zeitraum von 45 Minuten zwischen den Sendeteilen und für 30 Minuten nach Ende der Sendung rechtlich zu beraten. Der Bekl. hat trotz seiner andersartigen Branchenzugehörigkeit als Fernsehanstalt im Verhältnis zum Kl. gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angeboten und ist dadurch in Wettbewerb zu dem Kl. getreten.

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kl. habe seine Beeinträchtigung nicht ausreichend dargelegt. Für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist jedoch nicht der Nachweis erforderlich, dass dem Kl. auf Grund der Fernsehsendung tatsächlich Mandate entgangen sind. Ausreichend ist, dass der Wettbewerbsverstoß des Bekl. geeignet ist, den Kl. - wie vorliegend gegeben - im Absatz seiner Dienstleistungen unmittelbar zu behindern. Das ist bei dem im Sendebereich des Bekl. ansässigen Kl. der Fall.

b) Das BerGer. hat in sämtlichen im Klageantrag angeführten in der laufenden Sendung ausgestrahlten 14 Fällen einen Verstoß gegen Art. 1 § 1 I RBerG gesehen. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Eine - erlaubnispflichtige - Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 I RBerG liegt vor.

Im Streitfall hat der Bekl. in der Ausstrahlung der Fragen 1 bis 14 und der dargestellten Antworten nicht unter Verstoß gegen Art. 1 § 1 I RBerG Rechtsrat erteilt. Die Schutzgüter des Rechtsberatungsgesetzes werden durch die Sendebeiträge in den 14 Fällen nicht berührt. Der Bekl. hat nur allgemein interessierende Fälle zu dem Thema „Schuldenmachen“ besprochen. Es wurden die Kredithaftung von Eheleuten nach der Trennung, die Zins- und Zahlungsabwicklung bei sehr hoher Verschuldung auf Grund eines (gewerblichen) Kredits, Verbindlichkeiten beim Finanzamt, die Haftungsfortdauer nach dem Tod eines (Mit-)Verpflichteten und die Vererbbarkeit von Schulden, die Errichtung eines Bankkontos trotz zweifelhafter Bonität, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Verjährung titulierter Forderungen und die Löschung im Schuldnerverzeichnis behandelt. Weiter sprachen die Anrufer Fragen zur Pfändbarkeit von Mutterschutzgeld und zum Abschluss eines Ehevertrags, die Abwicklung eines durch Kredit finanzierten Möbelkaufs, zu einer strafrechtlichen Verstrickung bei einer Darlehensaufnahme, zur Möglichkeit der Übernahme von Unterhaltszahlungen durch eine Unterhaltsvorschusskasse und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen Pfändung des Arbeitslohns an, die die im Studio des Bekl. anwesenden Mitglieder der Gesprächsrunde beantworteten. Auch in den Fällen Nr. 9 und Nr. 11, in der Gläubiger zu Worte kamen, wurden nur allgemein interessierende Fragen zum Themenkreis „Schuldenmachen“ behandelt, auch wenn Anrufer in diesen Fällen nicht Schuldner, sondern Gläubiger waren.

Die Beiträge zu den Fällen 1 bis 14 unterfallen nicht dem Verbot des Art. 1 § 1 I RBerG. Es handelt sich um die Besprechung einer überschaubaren Anzahl allgemein interessierender Sachverhalte. Die Auskünfte konnten auf Grund des mit der Sendung verbundenen Zeitdrucks und der fehlenden Möglichkeit, sämtliche Aspekte des Falls einschließlich der schriftlichen Vertragsunterlagen in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen, nicht abschließend sein und mussten deshalb unverbindlich bleiben. Das war für die Anrufer und Zuschauer auch erkennbar. Diese konnten nicht erwarten, umfassend informiert und beraten zu werden, wie es eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes voraussetzt. Auf den nicht abschließenden Charakter der Auskünfte wurde wiederholt hingewiesen (Fälle Nrn. 2, 3, 4 und 14) und die Notwendigkeit, weitere Beratungsmöglichkeiten (Schuldnerberatung und Rechtsanwälte) in Anspruch zu nehmen, betont.

Wegen der ersichtlich nicht abschließenden Beurteilung der Fälle in einer Fernsehsendung wurden weder der Schutz des Einzelnen oder der Allgemeinheit vor ungeeignetem fachlichen Rat betroffen noch wurden bei der Zahl der Anrufer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe tangiert. Vielmehr stand die allgemeine Unterrichtung der Zuschauer über typische allgemein interessierende Sachverhalte im Rahmen einer Fernsehsendung im Vordergrund und nicht die Erteilung von Rechtsrat im konkreten Fall, auch wenn einzelne Anrufer die Gelegenheit erhielten, ihren Fall darzustellen und sie hierzu Auskünfte bekamen.

Das BerGer. ist aber mit Recht davon ausgegangen, dass der Bekl. in der Sendung wiederholt angekündigt hat, außerhalb der Fernsehsendung geschäftsmäßig Rechtsberatung im Einzelfall entgegen Art. 1 § 1 I RBerG zu erteilen. Er hat nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des BerGer. den Zuschauern angeboten, ihnen in der Zeit zwischen den zwei Programmteilen und im Anschluss an die Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen. Weiter hat er bei der Erörterung der Frage Nr. 9 dem Anrufer angeboten, ihn zur Klärung der von ihm aufgeworfenen Fragen außerhalb der Sendung zurückzurufen.

Die Erteilung von Rechtsrat im Einzelfall außerhalb der laufenden Sendung ist nicht mehr durch das allgemeine Interesse begründet, die Zuschauer anhand konkreter Fälle über typische Sachverhalte zu unterrichten und lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Bekl. auf diese Weise eine möglichst große Zahl von Anrufern erhalten wollte, aus denen er die für die Sendung am besten geeigneten Fälle herausfiltern konnte. Die Ankündigung stellte sich für die Zuschauer zudem als ein Angebot zu einer vollwertigen (telefonischen) Rechtsberatung dar. Bei einem Anruf außerhalb der Sendung, bei der nicht der in einer Fernsehsendung bestehende Zeitdruck bestand, konnten die Anrufer erwarten, dass sie ihr Problem im Einzelnen darstellen konnten und eine darauf abgestellte umfassende Rechtsberatung erhalten würden. Entsprechendes gilt für den angekündigten Rückruf im Fall Nr. 9, der außerhalb der Sendung erfolgen sollte, weil dem Anrufer zugesagt worden war, das von ihm aufgeworfene Rechtsproblem zunächst zu klären. Dann konnte der Anrufer erwarten, einen umfassenden und nicht nur vorläufigen Rechtsrat zu erhalten.

c) Der Bekl. hat bei der Ankündigung, Zuschauern außerhalb der Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen, entgegen der Ansicht der Revision auch zu Zwecken des Wettbewerbs i.S. von § 1 UWG gehandelt. Davon ist auszugehen, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGH, GRUR 1983, 379 [380] = WRP 1983, 395 - Geldmafiosi; GRUR 1986, 812 [813] = WRP 1986, 547 - Gastrokritiker; GRUR 1997, 907 [908] = WRP 1997, 843 - Emil-Grünbär-Klub). Die im Streitfall gegebene objektive Eignung des Verhaltens des Bekl., den Absatz seiner Dienstleistungen zum Nachteil des Kl. zu begünstigen (vgl. hierzu Abschnitt II 2a), begründet wegen des dem Bekl. zukommenden allgemeinen Presse- und Rundfunkprivilegs nach Art. 5 I GG keine Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht (vgl. hierzu: BGH, WRP 1995, 186 - Dubioses Geschäftsgebaren). Daher bedarf es vorliegend konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe des Bekl. die Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat (vgl. BGH, GRUR 1997, 912 [913] - Die Besten I; GRUR 1997, 914 [915] = WRP 1997, 1051 - Die Besten II). Vom Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht des Bekl. ist im Streitfall auszugehen. Der Bekl. förderte, indem er die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten anbot, seinen eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft, was ihm auch bewusst war. Diese Förderung stellte keine notwendig begleitende Rolle dar, weil der Bekl. mit einem telefonischen Rechtsberatungsservice außerhalb der Sendung die unabdingbare Beschränkung der Rechtsberatung auf die journalistische Berichterstattung und Informationserteilung an die Zuschauer über allgemein interessierende Rechtsfragen nicht mehr einhielt.

3. Der Unterlassungsanspruch des Kl. besteht im zuerkannten Umfang auch aus § 823 II BGB i.V. mit Art. 1 § 1 I RBerG, weil diese Vorschrift Schutzgesetz i.S. des § 823 II BGB ist (vgl. BGHZ 15, 315 [317]; BGHZ 48, 12 [16; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rdnr. 234; Henssler/Prütting, Art. 1 § 1 RBerG Rdnr. 63; Rennen/Caliebe, Art. 1 § 1 Rdnr. 205) und der Kl. entgegen der Ansicht der Revision klagebefugt ist. Er ist als Rechtsanwalt, der in dem Sendegebiet des Bekl. tätig ist, von der öffentlichen Ankündigung unzulässiger Rechtsberatung auch konkret betroffen worden.

Rechtsgebiete

Rechtsberatungsgesetz