Rechtsberatung in den Medien - Wie bitte?!

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 12. 2001


Aktenzeichen

I ZR 101/99


Leitsatz des Gerichts

Setzt das Fernsehen die Wirkung einer öffentlichen Berichterstattung ein, um Zuschauern bei der Durchsetzung ihrer Interessen zu helfen, ohne dass der Schwerpunkt der Hilfestellung im rechtlichen Bereich liegt, ist nicht von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes auszugehen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. sind Rechtsanwälte in D. Im Fernsehprogramm der Bekl., der RTL Television GmbH, erschien seit dem Jahre 1992 die Fernsehreihe „Wie bitte?!“, in der kuriose Erlebnisse von Zuschauern mit Behörden und Unternehmen durch Schauspieler nachgespielt wurden. In den Sendungen trat ein als „Mahn-Man“ bezeichneter Schauspieler auf, der in Anlehnung an die Komikfigur „Superman“ bei ärgerlichen Alltagserlebnissen von Zuschauern mit Verantwortlichen Kontakt aufnahm und diese zur Rede stellte. Zu Beginn der streitgegenständlichen Sendung „Wie bitte?!“ vom 31. 5. 1997 begrüßte der Moderator die Zuschauer mit den Worten: „Samstagabend. Kurz nach zehn. Willkommen bei ‚Wie bitte?!‘. Dass wir uns einmischen, wissen Sie! Und wo wir uns diese Woche eingemischt haben, das sehen Sie jetzt“. Im weiteren Verlauf der Sendung äußerten die Moderatoren im Anschluss an einen Bericht über den neuesten Stand in Fällen aus früheren Sendungen: „Aber wir bleiben am Ball und mischen uns ein für Sie“. In einer Szene der Sendung vom 31. 5. 1997 trat ein Schauspieler in der Rolle des „Mahn-Man“ auf und griff den Fall eines Zuschauers auf, der bei einem Preisausschreiben des D. ein Eishockey-Trikot gewonnen hatte, auf dessen Erhalt er bislang wartete. Auf Grund des Eingreifens wurde dem „Mahn-Man“ die Übergabe des Trikots zugesichert. Die Kl. sind der Ansicht, das Konzept der Sendung der Bekl. verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz und sei deshalb wettbewerbswidrig. Durch die beanstandeten Beiträge und den Auftritt von „Mahn-Man“ kündige die Bekl. die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten an. Sie erwecke den Eindruck, Zuschauern bei der Durchsetzung bestehender oder vermeintlicher Ansprüche zu helfen. Die Bekl. ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf berufen, die Sendung beinhalte satirische Unterhaltung und keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Für das Publikum sei erkennbar, dass die Bekl. sich durch die Berichterstattung als solche „einmische“, ohne weitere Aktivitäten zu Gunsten der Beteiligten zu entfalten.

Das LG hat die Bekl. nach dem Klageantrag erster Instanz verurteilt. Die Berufung der Bekl. ist - nach teilweiser Klagerücknahme - erfolglos geblieben. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils des OLG Düsseldorf.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 RBerG bejaht. Hierzu hat es ausgeführt:

Soweit die Bekl. in unzulässiger Weise Rechtsbesorgung betreibe, diese ankündige oder hierfür werbe, trete sie zu den Kl. als Rechtsanwälten unmittelbar in Wettbewerb. Die Bekl. handele auch zu Zwecken des Wettbewerbs. Indem sie den Zuschauern den Eindruck vermittele, es sei aussichtsreicher, sich sogleich an sie und nicht an einen Anwalt zu wenden, fördere sie ihren eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft, was sie auch beabsichtige. Die Bekl. wolle einen Markt für Konfliktlösungen abseits herkömmlicher Wege schaffen.

Das Auftreten von „Mahn-Man“ könne vom Publikum nur als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten aufgefasst werden. Die im Klageantrag zu b angeführten Äußerungen seien als Ankündigung einer Rechtsbesorgung zu verstehen. Demgegenüber könne sich die Bekl. nicht mit Erfolg auf Art. 5 I und III GG berufen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Klageanträge hinreichend bestimmt. Nach § 253 II Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Bekl. nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Bekl. verboten ist (vgl. BGH, NJW 2000, 1792; BGHZ 144, 255 [263]; BGH, GRUR 2001, 453 [454]; GRUR 2001, 529 [531]).

Diesen Anforderungen entsprechen die Klageanträge. Der Klageantrag zu a ist gerichtet gegen die Berichterstattung über das Auftreten des „Mahn-Man“ bei der Durchsetzung von Forderungen einzelner Zuschauer. Er wird durch die Wiedergabe der beanstandeten Verletzungsform ausreichend konkretisiert. Der Klageantrag zu b nimmt unmittelbar Bezug auf den Klageantrag zu a und somit auf die dort angeführte Berichterstattung, was für eine ausreichende Bestimmtheit des Antrags ebenfalls genügt.

2. Entgegen der Auffassung des BerGer. ist ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG jedoch nicht gegeben, weil die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Art. 1 § 1 I RBerG nicht vorliegen.

Das BerGer. hat angenommen, das Auftreten des „Mahn-Man“ in der Sendung vom 31. 5. 1997 könne nur als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten verstanden werden. Dieser nehme sich eines konkreten Falls an und setze die entsprechende Forderung durch, auf deren wirtschaftliches Gewicht es nicht ankomme. Auch der Einsatz journalistischer oder publizistischer Mittel ändere nichts daran, dass das Rechtsberatungsgesetz anwendbar sei. Diesem liege die Annahme zu Grunde, dass grundsätzlich nur ein Rechtsanwalt in der Lage sei, Parteien rechtlich so zu beraten, dass eine auch die Bedürfnisse der Rechtspflege berücksichtigende Lösung zu erwarten sei. Eine Tätigkeit, die von ihrem Ausgangspunkt und ihrem Ziel her dem hergebrachten Rechtsbesorgungsbereich unterfalle, stelle erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung dar, auch wenn keine spezifisch rechtlichen Mittel eingesetzt würden. Die im Klageantrag zu b angeführten Äußerungen seien als Ankündigung einer Rechtsbesorgung zu werten. Der Hinweis „Aber wir bleiben am Ball und mischen uns ein für Sie“ sei im Gesamtzusammenhang der Sendung zu bewerten. Vor dieser Äußerung sei auf einen Mietrechtsstreit von Blumenhändlern mit der Stadt K., über den bereits in einer früheren Sendung der Bekl. berichtet worden sei, wie folgt verwiesen worden:

„‚Wie bitte?!‘ fragte nach, was denn die höherrangigen Gesichtspunkte seien, die der Grund der Kündigung waren“. … „In einer Stellungnahme der Stadt K. heißt es dazu, mündliche Absprachen seien nicht eingehalten worden“ … „Sie wollen bis zur Räumungsklage weiterarbeiten; doch die Klage lässt seltsamerweise bis heute auf sich warten“.

Die Äußerung verweise beispielhaft auf ein besonderes Engagement der Bekl. in einem konkreten Fall. Sie müsse bei den Zuschauern den Eindruck hervorrufen, als habe sich die Bekl. für das Fortbestehen eines konkreten Mietverhältnisses mit der Stadt K. eingesetzt. Die Einfügung des Wortes „seltsamerweise“ könne von einem unbefangenen Zuschauer nur so interpretiert werden, dass die Redaktion bei der Klärung konkreter Rechtsfragen zu Gunsten der Händler erfolgreich gewesen sei.

Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Im Streitfall ist ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG danach nicht gegeben. Die Unterstützung, die die Bekl. Betroffenen bei der Durchsetzung von Forderungen gewährt, liegt nicht auf rechtlichem Gebiet. Dies kann der Senat auf Grund der Feststellungen des BerGer. selbst entscheiden. Rechtsfragen werden in den von den Kl. beanstandeten Teilen der Sendung nicht erörtert. Die Berichterstattung über die Mietrechtsstreitigkeit von Blumenhändlern mit der Stadt K., die das BerGer. in seine Beurteilung einbezogen hat, enthält keine rechtliche Erörterung der Auseinandersetzung. Sie ist auch nicht dem Wort „seltsamerweise“ im Zusammenhang mit der Räumungsklage zu entnehmen. Die gegenteilige Beurteilung des BerGer., wonach die Einfügung dieses Wortes von einem unbefangenen Zuschauer nur so interpretiert werden könne, dass die Redaktion bei der Klärung konkreter Rechtsfragen zu Gunsten der Händler erfolgreich tätig gewesen sei, ist erfahrungswidrig. Sie legt dem Wort „seltsamerweise“ eine Bedeutung zu, die ihm im Zusammenhang der Textpassage, die keinen näheren Bezug zur Erörterung von Rechtsfragen enthält, nicht zukommt.

Das Auftreten des „Mahn-Man“ stellt ebenfalls keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar. Dessen Beitrag bei der Durchsetzung (vermeintlicher) Ansprüche betroffener Zuschauer ist darauf beschränkt, in Form einer Parodie (Anlehnung an Superman) ausschließlich die Wirkung öffentlicher Medienberichterstattung auszunutzen. Eine auf rechtlichem Gebiet liegende Leistung ist damit nicht verbunden.

Liegt der Schwerpunkt der von den Kl. beanstandeten und vom BerGer. herangezogenen Teile der Sendung der Bekl. vom 31. 5. 1997 nicht im rechtlichen Bereich und besorgt sie keine fremden Rechtsangelegenheiten i.S. von Art. 1 § 1 I RBerG, so sind die im Klageantrag zu b angeführten Textpassagen nach ihrem Gesamtzusammenhang in der Sendung auch nicht als Ankündigung der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten aufzufassen. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26. 3. 1998 - 2 U 116/97 - zu Grunde lag. In dieser Entscheidung hatte das BerGer. ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Leser einer Zeitschrift die Aufforderung der Redaktion als Ankündigung verstanden, der Verlag werde geltend gemachte Ansprüche von Lesern, die sich an den Verlag wendeten, auf ihre rechtliche Begründetheit überprüfen (vgl. hierzu: Teplitzky, in: Großkomm. z. UWG, § 1 Rdnr. G 120, und Bürglen, WRP 2000, 846 [853], unter Hinweis auf den Beschl. des Senats vom 11. 2. 1999 - I ZR 105/98 über die Nichtannahme der Revision gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26. 3. 1998 - 2 U 116/97).

Rechtsgebiete

Rechtsberatungsgesetz