Rechtsberatung in den Medien - Ohne Gewähr
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
06. 12. 2001
Aktenzeichen
I ZR 11/99
Zur Frage der zulässigen Rechtsberatung in den Medien, wenn in einer Sendung konkreter Rechtsrat angeboten wird.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Bekl., der Bayerische Rundfunk, betreibt bundesweit einen Fernsehsender. Er strahlte am 18. 4. 1997 die Fernsehsendung „Ohne Gewähr“ aus. In der Sendung wurde unter anderem der Fall einer Familie, die einen Schaden durch einen Wasserrohrbruch erlitten hatte, dessen Regulierung von den betroffenen Versicherungen abgelehnt worden war, und die Reaktion der beteiligten Versicherungen auf Grund der Einschaltung des Bekl. dargestellt. Die Kl., Rechtsanwälte in D., haben das Verhalten des Bekl. als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie sind der Ansicht, der Bekl. habe in der Sendung durch die beanstandeten Beiträge gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.
Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung hat das BerGer. zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Auszüge aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 I RBerG bejaht. Es hat angenommen, dass der Klageantrag hinreichend bestimmt sei.
Während der Klageantrag zu 1 darauf gerichtet sei, dem Bekl. im Rahmen der Sendereihe „Ohne Gewähr“ in der konkret erfolgten Form die Aufforderung an Zuschauer zur Kontaktaufnahme und die Berichterstattung über Rechtsfälle zu untersagen, ziele der Klageantrag zu 2 auf das Verbot, eine rechtsbesorgende Tätigkeit für Zuschauer anzukündigen, vorzunehmen oder werbend herauszustellen. Der Klageantrag zu 2 richte sich jedoch nicht allgemein gegen die Befugnis des Bekl. zu einer irgendwie gearteten Rechtsbesorgung. Der Begriff der „Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ sei in dem im Klageantrag zu 1 konkretisierten Sinne gemeint.
Der Bekl. habe in der Sendung vom 18. 4. 1997 aus der Reihe „Ohne Gewähr“ angekündigt und zugleich damit geworben, zu Gunsten der Zuschauer rechtsberatend tätig zu sein und sich für die Durchsetzung der Ansprüche seiner Zuschauer einzusetzen. Er habe ziel- und zweckgerichtet fremde rechtliche Belange wahrgenommen, indem er sich zu Gunsten der durch den Rohrbruch geschädigten Familie eingeschaltet habe. Dies reiche für eine rechtsbesorgende Tätigkeit aus, ohne dass es auf eine fühlbare Beeinträchtigung des Anwaltsstands ankomme. Dieses rechtsbesorgende Tätigwerden habe der Bekl. werbend herausgestellt.
Das Verbot der rechtsbesorgenden Tätigkeit durch Fernsehanstalten sei geeignet und erforderlich, um das Ziel des Rechtsberatungsgesetzes zu verwirklichen, die Rechtsuchenden vor ungeeigneten Beratern und die Rechtsanwaltschaft vor Wettbewerb von Personen zu schützen, die keinen standesrechtlichen, gebührenrechtlichen und sonstigen im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterlägen. Die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit rechtfertige keine Sonderbehandlung der Medien.
Der Bekl. habe zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Er habe sich durch die Ankündigung, fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, in ein Wettbewerbsverhältnis zu den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe gestellt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das angefochtene Urteil schon deshalb aufzuheben sei, weil es nicht mit einem Tatbestand versehen ist (§ 313 I Nr. 5 ZPO).
3. Das BerGer. hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 I RBerG bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Bekl. unter Verstoß gegen Art. 1 § 1 I RBerG eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung angekündigt sowie hierfür geworben habe und schließlich auch rechtsbesorgend tätig geworden sei. Diese Annahme hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung auf der Grundlage der vom BerGer. bislang getroffenen Feststellungen nicht stand.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der
Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist.
Ob im Streitfall die rechtliche Seite der Angelegenheiten der Zuschauer, die der Bekl. in seiner Sendung aufgreift, im Vordergrund steht, kann auf Grund der bisher vom BerGer. getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.
Das BerGer. ist - rechtsfehlerhaft - von zu geringen Anforderungen an ein rechtsbesorgendes Tätigwerden ausgegangen. Es hat angenommen, der Bekl. habe durch den im Klageantrag zu 1b wiedergegebenen Beitrag angekündigt, sich für die Durchsetzung der Ansprüche seiner Zuschauer einsetzen zu wollen und habe damit werbend ein rechtsbesorgendes Tätigwerden herausgestellt. Nach dem in der Sendung vom 18. 4. 1997 vermittelten Eindruck sei der Bekl. auch zu Gunsten der durch den Rohrbruch geschädigten Familie rechtsbesorgend im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes tätig geworden. Der Bekl. habe sich nach der Darstellung in der Sendung bei der Durchsetzung der Ansprüche dieser Familie eingesetzt und sich an die beteiligten Versicherungsgesellschaften gewandt, um die rechtlichen Interessen der geschädigten Familie zu fördern und einseitig parteinehmend die Regulierung des Versicherungsschadens zu erreichen.
Zu Recht rügt die Revision, das BerGer. habe bei dieser Beurteilung rechtserheblichen Vortrag des Bekl. übergangen. Dieser hatte geltend gemacht, die Rechtslage und die rechtliche Seite der Fälle spielten in der Sendung keine Rolle. Eine juristische Diskussion finde nicht statt. Es werde lediglich eine journalistische Tätigkeit entfaltet. Die Redaktion der Sendung veranlasse eine Stellungnahme der betroffenen Unternehmen. In der Sendung werde über den Fall und über das durch die angekündigte öffentliche Berichterstattung erreichte Ergebnis berichtet. Jedermann wisse, dass die Publikation eines Falls im Fernsehen Reaktionen bei den Beteiligten auslöse. Dieser Mechanismus enthalte keine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes.
Ob von einer Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes grundsätzlich auszugehen ist, …
Das BerGer. wird daher im erneut eröffneten Berufungsrechtszug zu prüfen haben, ob nach dem gesamten Erscheinungsbild der Sendung des Bekl. nicht lediglich die öffentliche Berichterstattung zur Durchsetzung von Forderungen eingesetzt wird und die Zuschauer als angesprochene Verkehrskreise die von den Kl. beanstandeten Textbeiträge auch nur in diesem Sinne und nicht als Angebot zur Rechtsberatung auffassen und der Bekl. in der Sendung nach deren Schwerpunkt tatsächlich auch keine fremden Rechtsangelegenheiten besorgt.
4. Sollte das BerGer. erneut einen Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG bejahen, ist entgegen der Ansicht der Revision von einem Handeln des Bekl. zu Zwecken des Wettbewerbs i.S. von § 1 UWG auszugehen.
Sollte das BerGer. feststellen, dass der Bekl. fremde Rechtsangelegenheiten i.S. von Art. 1 § 1 RBerG besorgt oder die Besorgung angekündigt und hierfür geworben hat, hat er einen eigenen Wettbewerb zu Lasten der Rechtsanwaltschaft gefördert und ist zu ihr in Konkurrenz getreten. Mit Recht ist das BerGer. davon ausgegangen, dass dem Bekl. dies bewusst war und es ihm darauf ankam, weil er eine Sendung, in der die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angeboten wird und erfolgt, nur im Wettbewerb zur Rechtsanwaltschaft ausüben kann.
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