Ersatz des Nutzungsausfallschadens wegen unterbliebener Pkw-Bereitstellung

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

16. 11. 1995


Aktenzeichen

8 AZR 240/95


Leitsatz des Gerichts

Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 325, 251 BGB Schadensersatz wegen unterbliebener Bereitstellung eines Pkw auch zur privaten Nutzung zu leisten, kann der Arbeitnehmer im Falle der tatsächlichen Nutzung seines gleichwertigen privaten Pkw nur die hierfür aufgewendeten Kosten ersetzt verlangen. Eine abstrakt nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch ermittelte Nutzungsausfallentschädigung steht ihm nicht zu.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt Schadensersatz wegen unterbliebener Überlassung eines Dienst-Pkw auch zur privaten Nutzung. Der Kl. war bei der Bekl. vom 6. 10. 1990 bis zum 30. 9. 1991 als Leiter des Geschäftsbereichs EDV, Service und Logistik tätig. Der Anstellungsvertrag vom 30. 11. 1990 enthielt als § 4 II folgende Vereinbarung:

§ 4. (2) Die Gesellschaft stellt dem Mitarbeiter für die Dauer des Anstellungsvertrags einen angemessenen Dienstwagen zur Verfügung, der auch zu Privatfahrten benutzt werden kann. Betriebs- und Unterhaltskosten trägt die Gesellschaft. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung übernimmt der Mitarbeiter.

Bei Vertragsabschluß bestand die Absicht, den Kl. in die Geschäftsführung zu berufen. Die Parteien waren sich einig, dass dem Kl. ein neuer Pkw des Typus BMW 525 zur Verfügung gestellt werden sollte. Ein entsprechender Pkw wurde bestellt und geliefert, aber nicht dem Kl. übergeben. Der Kl. benutzte weiterhin seinen einem BMW 525 gleichwertigen privateigenen Pkw. Der Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. schulde ihm Schadensersatz wegen Nutzungsausfalls für die Dauer des Dienstverhältnisses, weil sie ihm den vertraglich zugesagten Dienstwagen nicht überlassen habe. Die Überlassung eines Pkw zur privaten Nutzung sei Vergütungsbestandteil. Die Bekl. habe sich mit ihrer Leistungspflicht ohne Fristsetzung seit dem 6. 10. 1990 in Verzug befunden. Für einen BMW 525 ergebe sich nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch ein kalendertäglicher Betrag von 94 DM. Unter Zugrundelegung dieser Tabelle errechnet sich für 111/2 Monate ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 32900 DM. Seinen privaten Pkw hätte er bei Überlassung des Dienstwagens veräußert. Der Kl. hat behauptet, ihm seien für den Unterhalt eines Pkw Kosten in Höhe von 30787,96 DM entstanden. Nach § 249 BGB sei er so zu stellen, als wäre ihm ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen worden. Das geschehe, wenn ihm Nutzungsausfallentschädigung nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch gewährt werde. Die Bekl. hat behauptet, die Übernahme in die Geschäftsleitung sei Geschäftsgrundlage für die Überlassung des Pkw gewesen. Diese sei nachträglich weggefallen. Zwischen den Parteien habe Einigkeit bestanden, dass der Dienstwagen im Hinblick auf die Lieferzeiten bei BMW frühestens im März 1991 zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Bekl. hat geltend gemacht, die Tabelle von Sanden/Danner/Küpersbusch sei unanwendbar, weil nach ihr Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für den Eigentümer eines privat genutzten Pkw errechnet würden, der die Nutzung seines Pkw einbüße und kein Ersatzfahrzeug miete.

Das ArbG hat mit Teilurteil über den Zeitraum von März 1991 bis September 1991 entschieden und die Bekl. zur Zahlung von 19740 DM netto nebst 9,8 % Zinsen seit dem 9. 1. 1992 verurteilt. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG das Teilurteil des ArbG teilweise abgeändert und die Bekl. unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kl. 8960 DM brutto nebst 9,8 % Zinsen seit 9. 1. 1992 auf den sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen. Die zugelassene Revision des Kl. führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils tragen die Klageabweisung in Höhe von 19740 DM netto abzüglich 8960 DM brutto zuzüglich Zinsen nicht. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist jedoch eine abschließende Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht möglich. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen.

A. Das LAG hat angenommen, der Kl. habe wegen des nicht überlassenen BMW 525 Anspruch auf den geldwerten Vorteil, den die vorenthaltene Privatnutzung des Dienstwagens darstellte. Dieser errechnet sich nach den Lohnsteuerrichtlinien auf monatlich 1280 DM. Für sieben Monate (März 1991 bis September 1991) ergebe sich ein Anspruch in Höhe von 8960 DM brutto. Eine Nutzungsentschädigung berechnet nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch habe der Kl. nicht zu beanspruchen, denn er sei kein Besitzer des ihm zugesagten Firmenfahrzeugs gewesen. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch des Kl. sei nicht dadurch entstanden, dass die Bekl. mit der vertraglich geschuldeten Überlassung des Firmenfahrzeugs ab März 1991 in Verzug geraten sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Bekl. die Nichtüberlassung des Fahrzeugs ab März 1991 zu vertreten gehabt habe. Auch bei schuldhaftem Verhalten habe eine Schadensersatzpflicht der Bekl. nach § 326 I BGB mangels Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht entstehen können. § 326 I BGB bestimme, dass der Gläubiger bei Schuldnerverzug Schadensersatz erst dann beanspruchen könne, wenn er dem säumigen Schuldner zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist gesetzt und erklärt habe, dass er die Leistung nach Ablauf der Frist ablehne. Die Verpflichtung, dem Kl. ein angemessenes Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen, sei für die Durchführung des Vertrages wesentlich gewesen. Da die Parteien sich wegen der Lieferzeiten des BMW darüber einig gewesen seien, dass das Fahrzeug frühestens im März 1991 hätte zur Verfügung gestellt werden können, hätte der Kl. ab April 1991 eine angemessene Nachfrist mit Ablehnungsdrohung setzen müssen.

B. Die Auffassung des LAG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Schadensersatzanspruch des Kl. bemisst sich nicht nach dem steuerlichen Sachbezugswert (hier: 1280 DM monatlich). Ob dem Kl. ein höherer Anspruch auf Nutzungsentschädigung als 8960 DM brutto zusteht, lässt sich aber nach den Feststellungen des LAG nicht abschießend beurteilen.

I. Dem Kl. steht ein Schadensersatzanspruch nach § 325 I 1 BGB zu.

1. Die Bekl. war arbeitsvertraglich nach § 4 II des Anstellungsvertrags verpflichtet, dem Kl. einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung war Hauptleistungspflicht. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch für Privatfahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung (BAG, NZA 1994, 1128 = NJW 1995, 348 = EzA § 249 BGB Nr. 20). Das Halten eines Pkw ist heute allgemein üblich und stellt einen nicht unbedeutenden Geldwert dar. Dementsprechend fließt nach der Verkehrsanschauung die - auch steuerpflichtige - Pkw-Nutzung in die Gehaltsbemessung ein (vgl. Schaub, ArbeitsR-Hdb., 7. Aufl., S. 419; Hanau, in: Münchener Hdb. z. ArbeitsR, 1992, § 68 Rdnrn. 2, 10). Die Überlassung eines Pkw besitzt Vergütungscharakter und steht daher im Synallagma des Arbeitsvertrags. Die Bekl. kann sich nicht darauf berufen, die Übernahme des Kl. in die Geschäftsleitung sei Geschäftsgrundlage für die Überlassung des Fahrzeugs gewesen. § 4 II des Anstellungsvertrags sieht ausdrücklich die Zurverfügungstellung des Pkw bereits für die Dauer des (vorgeschalteten) Arbeitsverhältnisses vor.

2. Diese geschuldete Leistung ist unmöglich geworden. Die geschuldete Überlassung des Pkw war derartig an die Zeit gebunden, dass ein sogenanntes absolutes Fixgeschäft vorlag (vgl. Becker-Schaffner, DB 1993, 2078 (2080); Schroeder, NZA 1994, 342 (343)). Die Möglichkeit, den Dienstwagen jederzeit nach Belieben zu privaten Zwecken nutzen zu können, besteht auf der Zeitachse nur einmalig. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden. Es ist dann die Nutzung einer anderen Periode.

3. Die Bekl. hat die im streitbefangenen Zeitraum eingetretene Unmöglichkeit der Leistung gem. § 276 BGB zu vertreten. Sie hat dem Kl. während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses keinen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, obwohl sie hierzu nach § 4 II des Anstellungsvertrags verpflichtet und seit Lieferung des besonders für den Kl. bestellten Pkw auch in der Lage war.

4. Nach § 249 S. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gem. § 251 I BGB in Geld zu entschädigen. Ob es sich um anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit handelt, ist unerheblich. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 325 I BGB richtet sich auf das positive Interesse. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte, und der durch die Nichterfüllung tatsächlich entstandenen Vermögenslage. Der Kl. ist damit so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Bekl. den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte.

a) Bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Anstellungsvertrages hätte die Bekl. dem Kl. einen BMW 525 zur privaten Nutzung überlassen, ohne dass der Kl. Kosten für den Betrieb und Unterhalt hätte aufbringen müssen. Der Kl. hätte die Aufwendungen, die er für seinen eigenen Pkw gemacht hat, erspart, denn er hätte seinen Privatwagen veräußert. Da der Kl. im Zeitraum März bis September 1991 nach seiner nicht bestrittenen Behauptung über ein "gleichwertiges Fahrzeug" verfügte, besteht sein Schaden nicht in dem entgangenen Gebrauchsvorteil eines BMW 525, sondern in den von ihm aufgewendeten Kosten für den Betrieb dieses gleichwertigen Fahrzeugs. Die Nutzungsentschädigung kann bei dem Entzug von Gebrauchsvorteilen eines Pkw nicht abstrakt berechnet werden, wenn der Gläubiger tatsächlich über einen gleichwertigen Pkw verfügte und damit keinen Nutzungsausfall erlitten hat. Der Kl. muss sich deshalb auf eine konkrete Schadensberechnung in dem Sinne des Ersatzes von tatsächlich erbrachten Aufwendungen (Wertverlust, Steuern, Versicherung, Kosten notwendiger und nützlicher Reparaturen und Wartungsarbeiten, Treibstoff) verweisen lassen.

Diese Kosten lassen sich anhand der vom Kl. herangezogenen Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch nicht beziffern, insofern käme allenfalls mit Einschränkungen die sogenannte ADAC-Tabelle in Betracht. Vorrangig vor einer Schätzung nach § 287 ZPO ist jedoch eine konkrete Darlegung der vom Kl. getragenen Kosten. Hierzu hat der Kl. lediglich unter Angabe der abstrakten Kostenbezeichnungen (Benzin, Versicherung, Reparaturen, Reifen, Pflege) die von ihm behauptete Gesamtsumme in Höhe von 30787,96 DM vorgetragen. Eine Substantiierung dieses Vortrags ist unterblieben. Auf die mangelnde Substantiierung ist der Kl. von den Vorinstanzen nicht hingewiesen worden. Vielmehr ist seiner Klage in erster Instanz in vollem Umfange und in zweiter Instanz zum Teil stattgegeben worden. Um ihm die substantiierte Darlegung seiner Kosten zu ermöglichen, ist deshalb das Berufungsurteil hinsichtlich des noch in der Revisionsinstanz anhängigen Teiles aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kl. unter Hinweis auf die ADAC-Kostentabelle auf substantiierten Sachvortrag verzichten konnte, denn er hat hiervon ausdrücklich Abstand genommen, zumal diese Tabelle keinen höheren Betrag als den ihm bereits rechtskräftig zugesprochenen ausweist. Sollte das BerGer. von der Einholung eines Sachverständigengutachtens Abstand nehmen und den Schaden nach § 287 ZPO schätzen wollen, wird es bei einer Berücksichtigung der ADAC-Tabelle zu beachten haben, dass diese Kosten einstellt, die nach § 4 II des Anstellungsvertrags des Kl. nicht von der Bekl. zu tragen waren. Insofern ist insbesondere auf die Kostenpositionen Landkarten, ADAC-Beitrag, ADAC-Schutzbrief und Rechtschutzversicherung hinzuweisen. Zudem ist im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich über die mit der privaten Nutzung des Pkw verbundenen Kosten zu entscheiden. Hat der Kl. seinen eigenen Pkw auch zu Dienstreisen genutzt, gehörten die hierfür angefallenen Kosten zu den nach § 670 BGB zu ersetzenden Aufwendungen und mindern den Schadensersatzanspruch.

II. Das BerGer. hat zutreffend erkannt, dass dem Kl. der Schadensersatzanspruch nicht als Nettovergütung zusteht. Nach § 4 II des Anstellungsvertrags hat der Kl. die Überlassung des Dienstwagens mit privater Nutzungsmöglichkeit zu versteuern. Der Schadensersatzanspruch wegen der von der Bekl. zu vertretenden Unmöglichkeit dieses Naturallohnanspruchs tritt an dessen Stelle und ist steuerlich in gleicher Weise zu behandeln.

Vorinstanzen

LAG Schleswig-Holstein, 5 Sa 256/92, 11.11.1992

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Schadensersatzrecht