Direktionsrecht und Führung eines Dienstwagens

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

29. 08. 1991


Aktenzeichen

6 AZR 593/88


Leitsatz des Gerichts

Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann kraft Direktionsrechts berechtigt sein, im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 I BGB) anzuordnen, dass ein Verwaltungsangestellter auf Dienstreisen einen Dienstwagen selbst führt und Kollegen mitnimmt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist bei der Bekl. tätig und wird seit 1972 als Sachgebietsleiter in der Liegenschaftsverwaltung einer Dienststelle des Bundesvermögensamtes in H. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Zum Aufgabengebiet des Kl. gehört die Wahrnehmung auswärtiger Termine im Raum Hagen/Witten/Dortmund/Unna. Diese Dienstreisen nehmen ca. 5 v. H. seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch. Für die erforderlichen Fahrten benutzte der Kl. seinen eigenen Kraftwagen, öffentliche Verkehrsmittel oder einen Dienstwagen mit Fahrer. Anfang des Jahres 1986 wurden die Mitarbeiter der Dienststelle der Bekl. in H., die Inhaber einer Fahrerlaubnis waren, darauf hingewiesen, dass für Dienstreisen ein Dienstwagen zur Verfügung stehe, den sie selbst zu fahren hätten, sofern nicht persönliche Gründe entgegenstünden. Mit Schreiben vom 16. 5. 1986 wies die Bekl. den Kl. ausdrücklich auf seine entsprechende arbeitsvertragliche Verpflichtung hin. Am 20. 6. 1986 beantragte der Kl., ihm für den 24. 6. 1986 eine Dienstreise nach Unna zu genehmigen. Die Bekl. entsprach dem Antrag und ordnete an, dass der Kl. den Dienstwagen selbst zu fahren und einen Kollegen mitzunehmen habe. Dieser Anordnung kam der Kl. nicht nach, sondern fuhr mit der Deutschen Bundesbahn. Ebenso benutzte er für eine Dienstreise zum AG in Unna am 21. 10. 1986 entgegen der Anordnung der Bekl. nicht den Dienstwagen, sondern die Deutsche Bundesbahn. Mit der Klage begehrt der Kl. seine Auslagen für Fahrkosten in Höhe von insgesamt 17,20 DM.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat sie abgewiesen. Die Revision blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat mit Recht erkannt, dass dem Kl. ein Anspruch auf Fahrkostenerstattung für die Dienstreisen am 24. 6. 1986 und 21. 10. 1986 nicht zusteht, da die Bekl. ihm ein Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt hat, das er unentgeltlich benutzen konnte.

I. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Nach § 42 Ia BAT sind für die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen (Reisekostenvergütung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Der Anspruch auf Fahrkostenerstattung richtet sich somit nach § 5 BRKG.

II. Der LAG hat den Anspruch abgelehnt, weil der Kl. den Dienstwagen hätte unentgeltlich benutzen können. Die Bekl. sei im Rahmen ihres Direktionsrechts berechtigt gewesen, anzuordnen, dass der Kl. den Dienstwagen selbst führe. Persönliche Hinderungsgründe habe der Kl. nicht vorgetragen. Auch sei es ihm billigerweise zuzumuten gewesen, selbst zu fahren. Eine anderweitige betriebliche Übung habe nicht bestanden.

III. Diesen Ausführungen des LAG ist zuzustimmen. Nach § 5 I Halbs. 1 BRKG sind die notwendigen Fahrkosten zu erstatten. Zur Konkretisierung dieses Grundsatzes bestimmt § 5 I Halbs. 2 BRKG, dass Fahrkosten nicht zu erstatten sind, wenn ein Beförderungsmittel unentgeltlich benutzt werden kann. Dies setzt voraus, dass die Benutzung dieses Beförderungsmittels in rechtlich zulässiger Weise angeordnet werden konnte und dem Dienstreisenden zumutbar war (Meyer-Fricke, Reisekosten, Stand: November 1990, § 5 BRKG Rdnr. 108, 113). Beide Voraussetzungen waren gegeben.

1. Mit Recht hat das LAG angenommen, dass die Bekl. im Rahmen ihres Direktionsrechts berechtigt war, anzuordnen, dass der Kl. für die Dienstreisen am 24. 6. 1986 und am 21. 10. 1986 den Dienstwagen benutzte und selbst führte. Zwar enthält der Arbeitsvertrag des Kl. ausdrücklich keine dahingehende Verpflichtung des Kl. Die Bekl. war aber berechtigt, die Arbeitspflicht des Kl. mit diesem Inhalt zu konkretisieren.

a) Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Direktionsrecht gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Bei dessen Ausübung steht dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen festzulegen und dabei Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Dabei können Umfang und Grenzen des Direktionsrechts eingeschränkt werden durch Gesetz, Kollektivrecht oder den Einzelarbeitsvertrag, soweit er näheres über die Dienstleistungspflicht festlegt (st. Rspr.: BAGE 33, 71 (75) = AP § 611 BGB - Direktionsrecht - Nr. 26 m. umfassenden Nachw.; BAGE 47, 363 = NZA 1986, 21 = AP § 611 BGB - Direktionsrecht - Nr. 27; AP § 2 BAT SR 2r Nr. 2). Im Übrigen darf das Direktionsrecht nur nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) ausgeübt werden, was voraussetzt, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 III 2 BGB), die in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachzuprüfen ist (BAG, AP § 4 BAT Nr. 11 m. w. Nachw. = NZA 1985, 811 L).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Anordnung der Bekl., dass der Kl. den Dienstwagen auf den Dienstreisen am 24. 6. 1986 und 21. 10. 1986 selbst zu führen habe, nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des LAG umfasste die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Arbeitsverpflichtung des Kl. auch die Führung eines Kraftfahrzeugs auf Dienstreisen. Dies leitet das LAG zutreffend daraus ab, dass der Kl. als Angestellter mit Betreuungsaufgaben in der Liegenschaftsverwaltung Außendiensttätigkeiten zu erbringen hatte und die Bekl. deshalb unter Beachtung billigen Ermessens anordnen konnte, welches Beförderungsmittel er bei der jeweils zu genehmigenden Dienstreise benutzte. Die Befugnis zur Anordnung beruht damit auf der aus dem Arbeitsvertrag folgenden Leistungsverpflichtung des Kl., die insoweit konkretisiert wurde. Dabei nimmt das LAG mit Recht darauf Bedacht, dass der Kl. in der Vergangenheit häufig auch sein eigenes Kraftfahrzeug auf Dienstreisen benutzt hat, so dass die Erledigung von Dienstreisen mit einem Kraftfahrzeug als Selbstfahrer für den Kl. nicht ungewöhnlich war.

c) Einer schriftlichen Vereinbarung der Parteien bedurfte es nicht. Durch die Anordnung, auf Dienstreisen den Dienstwagen zu benutzen und selbst zu führen, wurde die Arbeitspflicht des Kl. konkretisiert. Es bedurfte daher zur Begründung einer entsprechenden Verpflichtung keiner Nebenabrede i. S. von § 4 II BAT. Nebenabreden i. S. von § 4 II BAT sind Vereinbarungen, die weder die Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers noch die Gegenleistungen des Arbeitgebers unmittelbar betreffen (BAGE 37, 228 (233) = AP § 4 BAT Nr. 8; BAGE 52, 33 = AP § 4 BAT Nr. 12) bzw. Vereinbarungen, die ungewöhnliche Absprachen enthalten (BAGE 40, 126 (131) = AP § 3 TVArbBundespost Nr. 1; AP § 17 BAT Nr. 9; zusammenfassend: BAG, AP § 242 BGB - Betriebliche Übung - Nr. 27 = NZA 1987, 635 L). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Durch die Anordnung, den Dienstwagen selbst zu führen, wurde die Arbeitspflicht des Kl. in bezug auf seine unstreitig geschuldete Außendiensttätigkeit im Einzelnen bestimmt. Die Anordnung begründete daher auch keine ungewöhnliche Verpflichtung.

c) Das Direktionsrecht der Bekl. war auch nicht durch Gesetz, Kollektivrecht oder den Arbeitsvertrag eingeschränkt. Gesetzliche Bestimmungen standen der Anordnung nicht entgegen, da der Kl. über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte. Einschlägige kollektivrechtliche Regelungen bestanden nicht. Auch dem Arbeitsvertrag ist keine Einschränkung des Direktionsrechts zu entnehmen.

aa) Der Kl. macht geltend, das Direktionsrecht umfasse nur die Befugnis, ihn mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die den Tätigkeitsmerkmalen seiner Vergütungsgruppe entsprechen. Bei der Übertragung von Tätigkeiten eines Kraftfahrers handele es sich jedoch um tariflich niedriger zu bewertende Tätigkeiten, so dass ihm diese im Rahmen des Direktionsrechts nicht hätten übertragen werden dürfen. Zwar weist der Kl. insoweit zutreffend auf die entsprechende Rechtsprechung des BAG hin (AP § 611 BGB - Direktionsrecht - Nr. 24; vgl. auch BAG, AP § 24 BAT Nr. 10 = NZA 1986, 713 L), jedoch handelt es sich bei der Anordnung, den Dienstwagen selbst zu führen, nicht um die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit im Sinne der angeführten Rechtsprechung. Die Führung des Dienstwagens ist innerhalb der Tätigkeit des Kl. kein Arbeitsvorgang, der zu einer niedrigeren tariflichen Bewertung seiner Tätigkeit führen könnte, sondern lediglich eine Zusammenhangstätigkeit, die auf die tarifliche Bewertung der Tätigkeit des Kl. nach VergGr. III BAT keinen Einfluss hat. Zusammenhangstätigkeiten sind solche die aufgrund ihres engen Zusammenhanges mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind (BAG, AP §§ 22 BAT - Krankenkassen - Nr. 7). Dies ist bei der Tätigkeit des Kl. als "Kraftfahrer" der Fall. Diese ist wegen ihres engen Zusammenhanges mit seiner Tätigkeit als Sachgebietsleiter in der Liegenschaftsverwaltung bei der Wahrnehmung auswärtiger Termine dieser zuzurechnen und deshalb einer gesonderten niedrigeren tariflichen Bewertung nicht zugänglich.

bb) Nach den Feststellungen des LAG ergibt sich eine Einschränkung des Direktionsrecht der Bekl. auch nicht aus betrieblicher Übung. Unter betrieblicher Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden (BAGE 59, 73 (74) = NZA 1989, 55 = AP § 242 BGB - Betriebliche Übung - Nr. 33 (zu II 3a) m. umfassenden Nachw.).

Das LAG hat festgestellt, die Bekl. habe weder durch Äußerungen noch durch Erlasse oder Verfügungen zu erkennen gegeben, dass sie auf Dauer ihren Bediensteten die Wahl lassen werde, ob sie auf Dienstreisen die Deutsche Bundesbahn oder ihren eigenen Kraftwagen benutzen, und dass sie auf die Anordnung der Benutzung eines Selbstfahrer-Kraftwagens verzichten werde. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine entsprechende betriebliche Übung. Dagegen werden von dem Kl. mit der Revision auch keine Einwendungen erhoben.

2. Die Anordnung der Bekl. entsprach auch billigem Ermessen (§ 315 BGB). Die Bekl. hat die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt.

a) Auf seiten der Bekl. fällt ins Gewicht, dass sie ein berechtigtes Interesse daran hat, den vorhandenen Dienstwagen wirtschaftlich einzusetzen, das heißt einerseits Reisekosten einzusparen, insbesondere wenn mehrere Personen den Dienstwagen benutzen, andererseits aber auch eine schnellere Erledigung des Dienstgeschäfts zu ermöglichen. Dabei kommt es nicht auf ein objektives Kosten-Nutzen-Verhältnis an. Vielmehr obliegt es der Bekl., im Rahmen ihres Ermessensspielraums zu entscheiden, ob sie zur Durchführung von Dienstreisen Dienstwagen anschafft. Hat sie diese Entscheidung getroffen, so begründet dies ihr berechtigtes Interesse, die Dienstwagen auch zum Einsatz zu bringen.

b) Die Benutzung des Dienstwagens als Selbstfahrer auf den Dienstreisen am 24. 6. 1986 und 21. 10. 1986 war dem Kl. auch billigerweise zuzumuten. (Wird ausgeführt.)

c) Auch das Haftungsrisiko rechtfertigt nicht den Schluss, die getroffene Anordnung sei dem Kl. billigerweise nicht zuzumuten gewesen. Es kann dahinstehen, in welchem Umfang die Bekl. den Kl. bei einem verschuldeten Verkehrsunfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über den innerbetrieblichen Schadensausgleich entlasten müsste (vgl. dazu insb. BAGE 57, 47 = NZA 1988, 584; BAGE 57, 55 = NZA 1988, 579; BAGE 63, 127 = AP § 611 BGB - Haftung des Arbeitnehmers - Nr. 92, 93, 97). Das LAG hat aufgrund der Erklärung der Bekl. in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass die Haftung des Kl. auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt sei. An die Feststellung einer derartigen vertraglichen Haftungsbeschränkung ist der Senat gebunden. Haftet der Kl. aber nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so ist er in einem Umfang von Risiken befreit, der ihm die Durchführung der Fahrten mit dem Dienstwagen als Selbstfahrer in dem vom BerGer. festgestellten Umfang zumutbar macht. Hinzu kommt, dass die Bekl., soweit die Haftung für den Kl. eine unzumutbare Härte bedeuten würde, Maßnahmen nach § 59 BHO prüfen müsste.

Vorinstanzen

LAG Hamm, 3 - Sa 243/88, 17.08.1988

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht