Beurteilungsspielraum des Dienstherrn bei Auswahl von Beamten für Laufbahnaufstieg

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 09. 1988


Aktenzeichen

2 C 35/86


Leitsatz des Gerichts

Der Dienstherr darf die ihm bei der Auswahl von Beamten für einen Laufbahnaufstieg zustehende Beurteilungsermächtigung nicht auf Dritte übertragen. Er kann sich jedoch Ergebnisse einer psychologischen Begutachtung zu Eigen machen und als Beitrag zu seinem eigenen umfassenden Eignungsurteil verwerten.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Polizeibeamter. In den Jahren 1975-1978 bewarb er sich insgesamt dreimal um die Zulassung zur Ausbildung zum gehobenen Vollzugsdienst der Kriminalpolizei. In Eignungsberichten aus diesem Anlass wurde seine Eignung bei der ersten Bewerbung mit „befriedigend“, bei der zweiten Bewerbung mit „gut“ beurteilt. Gleichfalls aus Anlass dieser Bewerbungen nahm der Kl. zweimal an Eignungsuntersuchungen durch die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen e. V. (DGP) teil, die jeweils zum Ergebnis kamen, der Kl. sei für den gehobenen Vollzugsdienst der Kriminalpolizei „nur mit stärkeren Einschränkungen zu empfehlen“. 1979 bewarb sich der Kl. erneut um die Zulassung zur Ausbildung zum gehobenen Vollzugsdienst der Kriminalpolizei. Der daraufhin erstellte Eignungsbericht des Inspektionsleiters enthielt das Gesamturteil „gut“. Der Bekl. lehnte die Bewerbung des Kl. demnach ab. Zur Begründung wurden die Ergebnisse der Fachprüfungen I und II (jeweils „befriedigend“), der M-Prüfung ("gut“), der Dienstleistungszeugnisse im Verhältnis zu den Mitbewerbern ("durchschnittlich“), des Eignungsberichts der Beschäftigungsbehörde ("gut“) und des psychologischen Untersuchungsbefundes der DPG ("nur mit stärkeren Einschränkungen zu empfehlen“) mitgeteilt und ausgeführt, der Kl. könne nach Auswertung aller Auslesefaktoren nicht zugelassen werden, da sich andere Bewerber besser qualifiziert hätten.

Die nach erfolglosem Verfahren erhobene Klage hat das VG mit der Begründung abgewiesen, der Beurteilungsspielraum des Dienstherrn sei nicht überschritten. Auf die Berufung des Kl. mit dem eingeschränkten Klagebegehren auf Neubescheidung hat das OVG das erstinstanzliche Urteil geändert und den Bekl. zur Neubescheidung des Kl. verpflichtet. Die Revision des Bekl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide, durch die der Bekl. die Zulassung des Kl. zur Ausbildung für den gehobenen Vollzugsdienst der Kriminalpolizei abgelehnt hat, sind rechtmäßig. Sie halten sich im Rahmen der dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsermächtigung.

Nach der Rechtsprechung des Senats steuert der Dienstherr den Zugang zu einem Aufstiegsverfahren nach seinem Eignungsurteil und seinem personalpolitischen Ermessen. So hat der Senat im Urt. v. 27. 5. 1982 (Buchholz 232.1 § 33 Nr. 1 = ZBR 1983, 182) zu den Befugnissen des Dienstherrn ausgeführt:

„Ihm ist eine verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbare Beurteilungsermächtigung für die Frage eingeräumt, ob und ggf. in welchem Maße ein Beamter die über die Anforderungen der bisherigen Laufbahn wesentlich hinausgehende Eignung für den Aufstieg besitzt bzw. erwarten lässt, ferner eine weitere Ermessensermächtigung hinsichtlich der Frage, wie viele und welche der als geeignet erscheinenden Beamten zum Aufstieg zugelassen werden (vgl. Urt. des Senats v. 2. 7. 1981 - 2 C 22/80 (DÖD 1982, 26)). Der Beamte kann andererseits beanspruchen, dass über seine vorgeschlagene oder beantragte Zulassung zum Aufstiegsverfahren ohne Rechtsfehler entschieden wird (vgl. auch BVerwGE 19, 252 (255)) und von praktizierten ermessensbindenden Richtlinien nicht zu seinem Nachteil grundlos abgewichen wird (vgl. BVerwGE 15, 190 (196) = NJW 1963, 8237; BVerwGE 19, 49 (55) = NJW 1965, 414 L; BVerwGE 31, 212 f. = NJW 1969, 811). Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Sind Richtlinien erlassen, so kontrolliert das Gericht auch, ob die Richtlinien eingehalten worden sind, ob sie sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung halten und auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen."

Gründe für eine abweichende Würdigung im Falle des hier streitigen Aufstiegs in eine höhere Laufbahngruppe innerhalb der damaligen Einheitslaufbahn sind, wie der Senat bereits im Beschl. v. 11. 2. 1983 (Buchholz 237.6 § 8 Nr. 2 = NJW 1983, 1922) ausgesprochen hat, nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus der Regelung der Zulassung zur Ausbildung für diesen Aufstieg in § 19 I der Laufbahnverordnung für die Polizeivollzugsbeamten des Landes Niedersachsen - NdsLVOPol - v. 15. 9. 1970 (NdsGVBl 342), damals zuletzt geändert durch die VO v. 29. 12. 1972 (NdsGVBl 1973, 1), die hier gem. den Überleitungsregelungen des § 34 der VO über die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes des Landes Niedersachsen - NdsPolVO - v. 7. 8. 1979 (NdsGVBl 236) noch Anwendung findet.

Der Dienstherr kann die hiernach allein ihm obliegende umfassende Eignungsbeurteilung und die ihm dabei zukommende Beurteilungsermächtigung nicht auf außenstehende Dritte übertragen. Dies hat auch der Oberbundesanwalt mit Recht hervorgehoben. Der Dienstherr darf aber im Rahmen seiner eigenen Beurteilung unterstützend einen psychologischen Eignungstest heranziehen (vgl. Urt. des Senats v. 7. 5. 1981, Buchholz 232 § 8 Nr. 19 = DVBl 1982, 198; Beschl. v. 11. 2. 1983, aaO). Dabei gebieten es allgemeine Bewertungsgrundsätze, dass das gewählte Verfahren generell auch objektiv geeignet sein muss, aussagekräftige Erkenntnisse für die anstehende Auswahlentscheidung beizutragen. Das wird grundsätzlich - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - der Fall sein, wenn, wie hier, geistige Fähigkeiten, die für die angestrebte Verwendung von Bedeutung sind, in einem von wissenschaftlich ausgebildeten Psychologen entwickelten und durchgeführten Verfahren begutachtet werden. Der Test kann auch durch außenstehende Sachverständige durchgeführt werden (§ 26 I Nr. 2 VwVfG i. V. mit § 1 I NdsVwVfG). Für die dabei zugrunde zu legenden Anforderungen an die Bewerber sind die Vorgaben des Dienstherrn maßgeblich. Das Ergebnis der Begutachtung darf der Dienstherr nicht etwa „blindlings“ übernehmen. Vielmehr muss die psychologische Eignungsbegutachtung nach Ergebnis und Begründung so verständlich sein - ggf. nach zusätzlicher Erläuterung -, dass der Dienstherr sie sich zu Eigen machen kann. Das ist hier in dem „zusammenfassenden Eindruck" der Gutachter geschehen. Soweit sich der Dienstherr auf dieser Grundlage Ergebnisse der Begutachtung zu Eigen macht, darf er sie neben etwaigen dienstlichen Beurteilungen und Berichten, ggf. Prüfungsergebnissen u. a. als Beitrag zu seinem eigenen umfassenden Eignungsurteil verwerten. In dem hier angegriffenen Widerspruchsbescheid v. 30. 4. 1980 hat der Bekl. im Einzelnen dargelegt, dass er so verfahren ist und unter Berücksichtigung des so entstandenen Gesamtleistungsbildes und der großen Zahl von Bewerbungen den im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern nur durchschnittlich beurteilten Kl. nicht ausgewählt hat. Weitergehende Anforderungen sind in dieser Hinsicht an die Entscheidung des Bekl. nicht zu stellen. Insbesondere kommt dem Bekl. auch insoweit, als er in dem dargelegten Rahmen Ergebnisse der psychologischen Begutachtung verwertet, die ihm für sein Eignungsurteil zustehende Beurteilungsermächtigung zugute.

Von dieser Beurteilungsermächtigung ist das BerGer. an sich zutreffend ausgegangen. Es hat aber aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens beanstandet, dass für Testergebnisse unterhalb einer uneingeschränkten Empfehlung hinreichend trennscharfe Definitionen der unterschiedlich stark eingeschränkten Empfehlungsgrade fehlten, dass im Falle des Kl. begrenzte Ausfälle bei anderweitigen positiven Merkmalen ohne besondere Begründung übermäßig ins Gewicht gefallen seien und dass der Bekl. bei seinem eigenen Urteil angesichts der teils auf „gut“, teils uneingeschränkt auf „befriedigend“ lautenden Prüfungs- und Beurteilungsergebnisse den ungünstigen Empfehlungsgrad aus dem Testverfahren überbewertet habe. Damit hat das BerGer. die Grenzen überschritten, die der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick auf die dem Bekl. eingeräumte Beurteilungsermächtigung gezogen sind. Seine Beanstandungen des Verfahrens im einzelnen vermögen weder die generelle Eignung des Verfahrens noch sonst das rechtmäßige Vorgehen des Beklagten in Frage zu stellen, sondern weisen allenfalls auf Schwächen oder Vervollkommnungsmöglichkeiten hin, die in Kauf zu nehmen oder denen nachzugehen im Rahmen der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn liegt. Sie betreffen die gerichtlich nicht nachzuprüfende Frage, ob der Dienstherr innerhalb dieses Rahmens die zweckmäßigste und gerechteste Lösung getroffen hat - worüber auch in der psychologischen Wissenschaft und Praxis unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen -.

Auch die Frage, welches Gewicht der Dienstherr der von ihm zu eigen gemachten Empfehlung der Gutachter im Verhältnis zu den Ergebnissen dienstlicher Prüfungen und Beurteilungen einräumt, fällt unter seine Beurteilungsermächtigung. Dass auch eine Empfehlung „mit stärkeren Einschränkungen“ noch eine deutliche Wahrscheinlichkeit eines Prüfungserfolgs zum Ausdruck bringt, wie das BerGer. festgestellt hat, hindert den Bekl. rechtlich nicht, Beamte mit (noch) besserem Gesamtleistungsbild vorzuziehen.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht