Belehrungspflicht des Notars über „hängende“ Erschließungskosten - Erschließungskosten

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

07. 03. 1996


Aktenzeichen

IX ZR 169/95


Leitsatz des Gerichts

Der Notar, der einen Grundstückskauf beurkundet hat dem Käufer gegenüber Belehrungspflichten darüber, dass noch nicht abgerechnete Erschließungskosten auf dem Grundstück lasten.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. kaufte am 23. 2. 1990 durch einen vom verklagten Notar beurkundeten Vertrag aus einer Konkursmasse ein Hausgrundstück für 1,41 Mio. DM. Mit Bescheid vom 19. 12. 1990 wurde er zu Erschließungskosten von rd. 88000 DM herangezogen; die Erschließungsarbeiten waren in den Jahren 1985/86 abgeschlossen worden. Eine Klage gegen den Konkursverwalter als Verkäufer auf Freistellung von diesen Kosten blieb erfolglos. Im jetzigen Rechtsstreit hat das BerGer. die Schadensersatzklage zunächst abgewiesen. Der Senat hat im ersten Revisionsurteil vom 28. 4. 1994 (NJW 1994, 2283 = LM H. 10/1994 BeurkG Nr. 48 = WM 1994, 1673) ausgesprochen, dass der Bekl. verpflichtet gewesen sei, die Vertragsparteien auf die Problematik etwaiger nicht abgerechneter Erschließungsbeiträge hinzuweisen, und die Sache zur Prüfung der Frage, inwieweit dem Kl. durch die Pflichtverletzung des Bekl. ein Schaden entstanden sei, an das BerGer. zurückverwiesen. Dieses hat die Klage erneut abgewiesen. Mit der Revision verfolgte der Kl. den Klageanspruch, der auf Ersatz des Erschließungskostenaufwands nebst Aussetzungszinsen und der Kosten des gegen den Konkursverwalter geführten Prozesses gerichtet ist, weiter. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das BerGer. hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne nicht festgestellt werden, dass es dem Kl. bei rechtzeitiger Belehrung durch den Bekl. und nach Erkundigung über die Höhe der zu erwartenden Erschließungskostenbelastung gelungen wäre, diese Kosten durch entsprechende Herabsetzung des ausgehandelten Kaufpreises auf den Verkäufer abzuwälzen; der Kl. habe den ihm insoweit obliegenden Beweis nicht geführt. Dies beruht, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf einer verfahrensfehlerhaften Würdigung des Tatsachenstoffs und der erhobenen Beweise.

1. Der Geschädigte, der einen Anspruch nach § 19 BNotO geltend macht, hat zu beweisen, dass der ihm entstandene Schaden auf der Pflichtverletzung des Notars beruht. Dies hängt davon ab, welchen Verlauf die Dinge genommen hätten und wie die Vermögenslage des Geschädigten sein würde, wenn der Notar pflichtgemäß gehandelt hätte. Hierbei geht es, wie der BGH wiederholt entschieden hat, um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, über die der Tatrichter nach § 287 ZPO zu befinden hat (BGHZ 78, 346 (349) = NJW 1981, 274; Senat, NJW 1992, 3237 = LM H. 12/1992 BeurkG Nr. 41/42 = WM 1992, 1662 (1668) m.w.Nachw.). Das bedeutet, dass insoweit das anzuwendende Beweismaß gegenüber den Beweisgrundsätzen des § 286 ZPO verringert ist. Voll bewiesen zu werden braucht in derartigen Fällen - außer dem Pflichtverstoß - nur, dass derjenige, demgegenüber die Pflicht verletzt worden ist, in seinen Interessen so betroffen worden ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten können (vgl. zur entsprechenden Rechtslage bei Vertragsverletzungen BGH, NJW 1989, 2687 = LM § 165 HGB Nr. 1 = ZIP 1989, 986 (988) m.w.Nachw.; NJW 1993, 3073 = LM H. 1/1994 § 547 ZPO Nr. 11 = WM 1993, 1735 (1738)). Soweit es um den eigentlichen Eintritt des Schadens und um dessen Höhe geht, kann und muss sich der Tatrichter mit einer deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit begnügen (Senat, NJW 1993, 734 = LM H. 7/1993 § 287 ZPO Nr. 104 = WM 1993, 382; NJW-RR 1992, 997 = LM H. 11/1992 § 287 ZPO Nr. 99 = WM 1992, 1155 (1156); BGH,BGHR ZPO § 287 Abs. 1 - Kausalität 1; BGHRZPO § 287 - Kausalität 2; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 287 Rdnr. 30; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 1992, § 286 Rdnr. 46).

Das Berufungsurteil lässt nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, ob das Verhandlungs- und Beweisergebnis unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt worden ist. Das BerGer. hat lediglich ausgeführt, es stehe nicht fest, dass es dem Kl., wenn er die Höhe der zu erwartenden Erschließungsbeiträge gekannt hätte, gelungen wäre, diese in vollem Umfang auf den Verkäufer abzuwälzen. Wenn es an einer Stelle des Berufungsurteils heißt, es spreche weder eine tatsächliche Vermutung noch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kl. dem Konkursverwalter einen um die Erschließungskosten verringerten Kaufpreis hätte „diktieren“ können, so spricht das eher dagegen, dass das BerGer. sich des gegenüber § 286 ZPO herabgesetzten Beweismaßes bewusst war.

2. Das BerGer. hat ferner, wie die Revision ebenfalls zu Recht rügt, die erhobenen Beweise zum Teil unzureichend und entgegen dem Inhalt des darüber aufgenommenen Vernehmungsprotokolls gewürdigt. Es hat ausgeführt, es habe durchaus die Möglichkeit bestanden, dass der Verkäufer versucht hätte, durch Anzeigen, die im Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht geschaltet gewesen seien, oder mit Hilfe der involvierten Bank einen anderen Interessenten zu finden, der - so ist wohl zu ergänzen - bereit gewesen wäre, den Erschließungsaufwand in vollem Umfang zusätzlich zum Kaufpreis von 1,41 Mio. DM zu tragen. Diese Erwägung findet in der protokollierten Zeugenaussage des damaligen Konkursverwalters keine Grundlage. Dieser hat danach ausgesagt, er habe deswegen keine Anzeigen aufgegeben, weil das Objekt wegen seiner Größenordnung in den einschlägigen Kreisen ohnehin bekannt gewesen sei und potentielle Interessenten deshalb von sich aus an ihn herangetreten seien; ferner hätten auch gerade die betroffenen Banken zusätzliche Personen, die dafür in Frage gekommen seien, angesprochen. Wenn das zutrifft, war der in Betracht kommende Käuferkreis ausgeschöpft. Der Konkursverwalter, der entsprechend dem Konkurszweck zum Verkauf gezwungen war, hätte sich dann allenfalls wiederum an die Interessenten wenden können, mit denen er schon vorher ebenfalls verhandelt hatte, die aber letztlich alle weniger geboten hatten als der Kl. Die Wahrscheinlichkeit, dass jene Mitbewerber eher als der Kl. bereit gewesen wären, die Erschließungskosten zusätzlich zu dem von ihnen gebotenen Kaufpreis zu übernehmen, dürfte gering gewesen sein.

Dementsprechend hat der Konkursverwalter in der seiner Vernehmung vorausgegangenen schriftlichen Erklärung vom 10. 2. 1995 geschrieben, er gehe davon aus, dass der Interessent mit dem zweithöchsten Angebot nach dem Kl. hiermit seine „Schmerzgrenze“ erreicht gehabt habe und deshalb bei Kenntnis des Erschließungsaufwands ein entsprechend geringeres Angebot abgegeben hätte; er halte es angesichts dieses Umstands nicht für wahrscheinlich, dass es ihm gelungen wäre, „den Kaufpreis um die auf dem Grundstück ruhenden Lasten zu erhöhen“. Das BerGer. hat sich mit dieser Einschätzung des damaligen Verkäufers nicht erkennbar auseinandergesetzt.

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht