Rechtskraftwirkung der Abweisung einer Schadensersatzklage
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
24. 06. 1993
Aktenzeichen
III ZR 43/92
Die Rechtskraft der Abweisung einer Schadensersatzklage hindert den Kläger, in einem nachfolgenden Rechtsstreit gegen denselben Beklagten über eine andere Forderung, die das Bestehen des abgewiesenen Schadensersatzanspruchs voraussetzt, geltend zu machen, der Vorprozess sei unrichtig entschieden.
Ist die Entscheidung des Vorprozesses durch eine dem Beklagten zuzurechnende Amtspflichtverletzung (hier: erteilte falsche Auskunft) beeinflusst worden, so hängt es von dem Gewicht der Amtspflichtverletzung ab, ob die Berufung auf die Rechtskraft gegen Treu und Glauben verstößt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. kam am 6. 11. 1985 als achtjähriger Schüler während einer Unterrichtspause auf dem Gelände der Grundschule H. beim Spielen zu Fall und verletzte sich an einer Eisenspitze eines von der bekl. Gemeinde errichteten Bauzaunes, der den Schulhof zu benachbarten Baugrundstücken hin abgrenzte. Der Unfall wurde als Schulunfall anerkannt. Der Kl. nahm die Bekl. auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden in Anspruch. Die Klage blieb in allen Rechtszügen erfolglos. Die Klageabweisung wurde darauf gestützt, dass die Bekl. die (im damaligen Rechtsstreit unstreitig) den Zaun im Februar 1982 errichtet habe, aufgrund mit dem Landkreis getroffener Vereinbarung bis zum 31. 12. 1982 wie ein Schulträger als Unternehmer des Schulbetriebes anzusehen sei, so dass ihr der Haftungsausschluss der §§ 636 , 637 RVO zugute komme (letztinstanzlich Beschluss des Senats, VersR 1990, 404). Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der Bauzaun erst im April 1983 errichtet worden ist. Der Kl. nimmt nunmehr die Bekl. erneut auf Schadensersatz in Anspruch. Er ist der Auffassung, der rechtskräftige Abschluss des Vorprozesses stehe dieser Klage nicht entgegen, weil im Hinblick auf den geänderten Sachverhalt ein neuer Streitgegenstand vorliege. Außerdem sei die Bekl. ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihr Bediensteter S vor Prozeßbeginn seinem Rechtsanwalt die unzutreffende Auskunft erteilt habe, der Zaun sei bereits im Jahr 1982 errichtet worden. Diese Auskunft habe dazu geführt, dass er den Vorprozess verloren habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil über den geltend gemachten Anspruch wegen des Unfalls bereits rechtskräftig entschieden und die falsche Auskunft im Rahmen fiskalischer Tätigkeit erteilt worden sei. Das OLG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Bekl. führte zur Abweisung der Klage.
Auszüge aus den Gründen:
I. 1. Das BerGer. ist der Auffassung:
Der auf Amtshaftung wegen falscher Auskunft gestützten Klage stehe die Rechtskraft der Entscheidung des vorangegangenen Rechtsstreits nicht entgegen. Aus der erteilten Falschauskunft könne der Kl. einen Amtshaftungsanspruch gegen die Bekl. unabhängig davon herleiten, ob sie im Rahmen hoheitlicher oder fiskalischer Tätigkeit erteilt worden sei. Die falsche Auskunft habe den Verlust des Vorprozesses verursacht. Bei zutreffender Auskunft über den Zeitpunkt der Errichtung des Bauzaunes hätte der Kl. den Vorprozess gewonnen, weil die Bekl. sich dann nicht auf §§ 636, 637 RVO hätte berufen können.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
II. Die Zulässigkeit der Klage hat das BerGer. allerdings mit Recht bejaht. Es handelt sich gegenüber dem zunächst geführten Prozess um einen anderen Streitgegenstand.
1. Dies ergibt sich - wie das BerGer. zutreffend ausführt - nicht schon aus dem Umstand, dass der Kl. nunmehr vorträgt, der Bauzaun, an dem er seinen Unfall erlitten habe, sei nicht schon im Jahr 1982, sondern erst im April 1983 errichtet worden. Soweit der Kl. seinen Anspruch wiederum aus dem Unfall vom 6. 11. 1985 herleitet, sind sowohl das Klagebegehren als auch der Lebenssachverhalt, auf den es gestützt ist, identisch mit denen des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses. Die Identität des Lebenssachverhalts wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Parteien ihn nicht in allen Einzelheiten gleich schildern. Der Umstand, dass die schädigende Handlung zu einem anderen Zeitpunkt bewirkt worden ist, als ursprünglich angenommen, berührt für sich allein weder die Identität dieser Handlung noch die des Lebenssachverhalts, dessen Bestandteil sie bildet.
Dies erfordern die allgemeinen Regeln über die aus der Rechtskraft folgende Tatsachenpräklusion. Danach können früher schon vorhandene, im Vorprozess aber nicht vorgetragene Tatsachen, die mit dem Prozessstoff des Vorprozesses in Zusammenhang stehen und den dortigen Tatsachenfeststellungen widersprechen, grundsätzlich nicht mehr mit dem Ziel vorgetragen werden, dass das kontradiktorische Gegenteil der früher festgestellten Rechtsfolge ausgesprochen wird (BGHZ 98, 353 (358f) = NJW 1987, 1201 = LM § 323 ZPO Nr. 52; vgl. auch BGHZ 117, 1 (4) = NJW 1992, 1172 = LM H. 4/1992 § 322 ZPO Nr. 133 = BGHR ZPO § 322 I ZPO-um-Zug-Verurteilung 1).
2. Soweit der Kl. nunmehr geltend macht, die Bekl. hafte ihm wegen der unrichtig erteilten Auskunft über den Zeitpunkt der Errichtung des Bauzaunes an der Grenze des Schulgrundstücks, steht die Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses der Zulässigkeit seiner Klage nicht entgegen. Denn der Kl. leitet insoweit die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs aus einem Ereignis her, das - bei natürlicher Betrachtungsweise - nicht zu dem Lebenssachverhalt gehört, der Gegenstand des Vorprozesses war. Der Verlust des Vorprozesses ist nur der durch die unrichtige Auskunft (möglicherweise) verursachte Schaden.
III. Die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs gegen die bekl. Gemeinde wegen der Erteilung der unrichtigen Auskunft über den Zeitpunkt der Errichtung des Bauzaunes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Kl. kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend machen, dass ihm durch die unrichtige Auskunft ein Schaden entstanden sei.
Ein Schaden in dem geltend gemachten Umfang ist dem Kl. nur dann entstanden, wenn er den Vorprozess wegen der unrichtigen Auskunft zu Unrecht verloren hat. Dies kann er im vorliegenden Prozess im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses nicht geltend machen.
Hat ein Gericht in einem Rechtsstreit den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, dann hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen (Zöllner-Vollkommer, ZPO, 17. Aufl., vor § 322 Rdnr. 24). Die Rechtskraft beschränkt sich allerdings auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat (Senat, NJW 1983, 2032 = LM § 256 ZPO Nr. 123 - insoweit nicht in VersR 1983, 461; BGHZ 42, 340 (349) = NJW 1965, 689 = LM § 322 ZPO Nr. 54a). Bei einer klageabweisenden Entscheidung - wie im vorliegenden Fall - ist jedoch der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung. Im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruchs erwächst danach in Rechtskraft, dass der Kl. am Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess gegen den Bekl. keinen Zahlungsanspruch hatte (BGH, BGHRZPOO § 322 I Klageabweisung 1). Diese Feststellung ist auch bindend, wenn in einem neuen Prozess der Parteien die Entscheidung über einen anderen Anspruch von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs abhängt (vgl. BGH, NJW 1981, 1517 m. w. Nachw.).
Demnach musste das BerGer. bei der Beurteilung der Frage, ob dem Kl. durch die falsche Auskunft des Bediensteten der Bekl. ein Schaden entstanden sei, davon ausgehen, dass dem Kl. bei Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess kein Schadensersatzanspruch gegen die bekl. Gemeinde zustand. Dann konnte der Verlust des Vorprozesses aber kein durch die unrichtige Auskunft verursachter Schaden sein. Dies hat das BerGer. verkannt, indem es den Vorprozess als falsch entschieden gewürdigt hat, weil dem Kl. ein Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. zugestanden habe. Diesen Verstoß gegen die Rechtskraft einer früheren Entscheidung hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 36, 365 (367) = NJW 1962, 1109 = LM § 322 ZPO Nr. 38 m. w. Nachw.; BGH, BGHRZPOO § 322 I Amtsprüfung 1).
Etwas anderes lässt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus dem vom Kl. in bezug genommenen Urteil des BGH vom 22. 5. 1981 (NJW 1981, 2306 = LM § 322 ZPO Nr. 90) herleiten. Dort hat der BGH ausgesprochen, dass die Rechtskraft der Abweisung einer auf eine vertragliche Schuldübernahme gestützten Klage nicht einer erneuten Klage entgegenstehe, die auf einen (gesetzlichen) Schuldübergang kraft Gesamtvermögensübernahme gestützt sei. Er hat angenommen, dass in diesem Fall der neuen Klage ein wesentlich anderer Streitgegenstand zugrunde liege, da der Anspruchsgrund der Vermögensübernahme kein Streitpunkt des Vorprozesses gewesen sei. Diese Sachlage lässt sich mit der hier vorliegenden nicht gleichsetzen. Hier ging und geht es in beiden Prozessen um die Rechtsfolgen der Errichtung und mangelhaften Instandhaltung desselben Bauzaunes durch die Bekl. Dass derselbe Sachverhalt sich bei genauerer Kenntnis in einem Punkt anders darstellt als im Vorprozess angenommen, begrenzt die Rechtskraftwirkung nicht. Sonst würde jede neue Behauptung, der einem rechtskräftig abgeschlossenen Prozess zugrunde liegende Sachverhalt sei tatsächlich etwas anders gelagert gewesen, die Rechtskraftwirkung beseitigen können. Das kann nicht richtig sein.
Die Prozesse gegen Anwälte wegen nachlässiger Prozessführung, die an sich ähnlich strukturiert sind, weil ein Verschulden des Bekl. zum Prozessverlust geführt hat (vgl. etwa Urteil des Senats, BGHZ 118, 59 = NJW 1992, 2096 = LM H. 10/1992 SchutzbauG Nr. 2 = VersR 1992, 967), sind insofern anders gelagert, als sie gegen eine andere Partei geführt werden, im Verhältnis zu der die Rechtskraft nicht wirkt. Hier stehen sich aber dieselben Parteien wie im Vorprozess gegenüber.
2. Die bekl. Stadt ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf die Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses zu berufen.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Grundsatz von Treu und Glauben der Berufung auf eine rechtskräftige, aber materiell unrichtige Entscheidung entgegenstehen. Die Rechtskraft muss zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelinhaber seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten seines Gegners ausnutzt. Wäre dies hier der Fall, dann wäre es der Bekl. verwehrt, sich zur Abwehr des vom Kl. erhobenen neuen Anspruchs auf die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils zu berufen.
Eine solche Durchbrechung der Rechtskraft muss jedoch auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfrieden in Frage gestellt würde (Senat, BGHZ 101, 380 (383 f.) = NJW 1987, 3256 = LM § 700 ZPO Nr. 5; BGHZ 103, 44 (46) = NJW 1988, 971 = LM § 826 (Fa) BGB Nr. 32; vgl. auch BGH, WM 1989, 468 (489)). Die objektive Unrichtigkeit des Titels und die - spätestens im Prozess auch von seinem Inhaber erworbene - Kenntnis davon reichen grundsätzlich allein nicht aus, um die Berufung auf ihn sittenwidrig erscheinen zu lassen. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer es dem Titelinhaber zugemutet werden muss, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben (Senat, BGHZ 101, 380 (385) = NJW 1987, 3256 = LM § 700 ZPO Nr. 5). Solche besonderen Umstände hat der Senat zum Beispiel darin gesehen, dass ein Gläubiger das Mahnverfahren wählt, obwohl er erkennen kann, dass bereits eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung zur Ablehnung seines Klagebegehrens führen müsste.
Die nach diesen Rechtsgrundsätzen erforderlichen Voraussetzungen einer Durchbrechung der Rechtskraft liegen nicht vor. Der Umstand, dass bei der Führung des Vorprozesses von beiden Parteien eine unrichtige Tatsachengrundlage angenommen worden ist, beruht zwar auf der unrichtigen Mitteilung, die ein Bediensteter der Bekl. dem Rechtsanwalt des Kl. gemacht hat. Selbst wenn diese unrichtige Mitteilung eine Amtspflichtverletzung zu Lasten des Kl. dargestellt und den Verlust des Vorprozesses durch den Kl. bewirkt hat, würde dies für sich allein genommen für eine Durchbrechung der Rechtskraft nicht ausreichen. Die Frage, ob die Bekl. nach Treu und Glauben gehindert ist, sich auf die Rechtskraft eines aufgrund einer solchen Amtspflichtverletzung erlangten klageabweisenden Urteils zu berufen, hängt nämlich von dem Gewicht jener Amtspflichtverletzung ab. Je schwerer der der Bekl. zuzurechnende Pflichtverstoß wiegt, um so eher müsste sie es hinnehmen, sich nicht auf die Rechtskraft des zu ihren Gunsten ergangenen Urteils berufen zu können. Hingegen ist ein lediglich leichter Pflichtverstoß nicht geeignet, einen Einwand gegen die Rechtskraft aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu begründen.
Danach gilt hier folgendes:
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats müssen Auskünfte, die ein Beamter erteilt, dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit entsprechend sachgerecht, d. h. richtig, klar, unmissverständlich und vollständig sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (Senat, BGHRBGBB § 829 I 1 Auskunft 1 (m. w. Nachw.) und NJW 1991, 3027 = BGHRBGBB § 839 I 1 Auskunft 5). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beamte zur Auskunft verpflichtet war, wenn er - wie hier - die Auskunft tatsächlich erteilt hat (st. Rspr.; vgl. Kreft, in: RGRK, 12. Aufl., § 839 Rdnr. 198).
Der Umfang der Auskunftspflicht hängt freilich von der Fragestellung und dem erkennbaren Interesse des Auskunftsuchenden ab. Erwähnt ein Beamter im Rahmen eines Gesprächs - erkennbar ohne Beiziehung einschlägiger Akten - beiläufig einen Umstand, der nach der Auffassung der Gesprächsbeteiligten keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung des den Gegenstand des Gesprächs bildenden Rechtsfalles hat, als Tatsache, dann kann sein Gesprächspartner, wenn er diesen Umstand im Rahmen seiner weiteren Rechtsverfolgung als gegeben annimmt und vorträgt, aus der unzutreffenden „Auskunft“ keinen Schadensersatzanspruch herleiten, wenn sich später herausstellt, dass dem Umstand entscheidende Bedeutung für das Obsiegen oder Unterliegen in einem Rechtsstreit zukommt und bei richtigem Vortrag die Rechtsverfolgung erfolgreich gewesen wäre. Bei Erwähnung eines (scheinbar) unwichtigen Nebenpunktes ohne Hinzuziehung von Unterlagen besteht erfahrungsgemäß ein besonderes Irrtumsrisiko. Das ist für den Auskunftsuchenden ohne weiteres erkennbar. Will er insoweit eine verlässliche Vertrauensgrundlage erhalten, dann muss er den auskunftserteilenden Beamten ausdrücklich darauf hinweisen, dass er auf eine verbindliche Auskunft auch zu diesem Punkt Wert legt, und sich vergewissern, ob der Beamte selbst zuverlässige Kenntnis darüber besitzt oder sich diese Kenntnis durch eine Prüfung der einschlägigen Vorgänge erst noch verschaffen müsste. Erforderlichenfalls muss er auf die Beiziehung von Unterlagen hinwirken.
b) Im vorliegenden Fall beruhte die Unrichtigkeit der Mitteilung nicht auf einer Täuschungsabsicht, sondern auf einem bloßen Irrtum, bei dessen Bewertung zu berücksichtigen ist, dass die Bedeutung des Inhalts der Mitteilung in dem betreffenden Zeitpunkt keiner der Parteien bewusst war. Nach der unbestrittenen Behauptung des Kl. war dem Beamten zwar bekannt, dass von dem Kl. im Zusammenhang mit dem Zustand des Bauzaunes Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden. Nach der ebenfalls unbestrittenen Behauptung der Bekl. war dem Beamten dagegen nicht bekannt, dass es für die Beurteilung dieser Ansprüche möglicherweise auf das genaue Datum der Errichtung des Zaunes ankommen könnte. Auch der Rechtsanwalt des Kl. hat nicht darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Irrtum irgendwelche rechtlichen Konsequenzen haben könnte. Den Beamten traf auch nicht die Amtspflicht, den Rechtsanwalt darauf hinzuweisen, dass seine Angabe über den Zeitpunkt der Errichtung des Bauzaunes nur auf seiner ungesicherten Erinnerung beruhte und nicht durch die Beiziehung der einschlägigen Akten erhärtet war. Die erteilte Auskunft war unter diesen Umständen erkennbar nicht geeignet, in dem anschließenden Rechtsstreit dem Kl. eine sichere Grundlage für seinen Sachvortrag über den Zeitpunkt der Errichtung des Zaunes zu bieten.
c) In zusammenfassender Würdigung ergibt sich somit: Das Fehlverhalten des Amtsträgers war nicht von einem solchen Gewicht, dass die Berufung der bekl. Stadt auf die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre.
Die Frage, ob eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung tatbestandmäßig überhaupt vorgelegen hat, bedarf somit keiner abschließenden Entscheidung.
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