Ehegattenunterhalt und Privatnutzung eines Firmenwagens

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

10. 02. 1987


Aktenzeichen

12 UF 78/86


Leitsatz des Gerichts

  1. Zur Herabsetzung des Ehegattenunterhalts beim Verschweigen von Einkünften durch den Berechtigten.

  2. Während eines laufenden Unterhaltsprozesses haben die Parteien des Unterhaltsrechtsverhältnisses wechselseitig auch ungefragt diejenigen Umstände anzuzeigen, die den Unterhaltsanspruch beeinflussen können.

  3. Das Zusammenwirtschaften mit einem Partner in einer Haushaltsgemeinschaft führt regelmäßig zu einer Ersparnis, die mit 20 bis 25% zu bewerten ist.

  4. Zur unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden kostenlosen Gestellung eines PKW durch den Arbeitgeber.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.)

Das Urteil des FamG H. v. 13. 5. 1986, welches der Kl., nachdem die Ehe der Parteien am 20. 6. 1985 geschieden worden ist, nachehelichen Unterhalt zugesprochen hat, ist auf die Berufung des Bekl. hin zu ändern.

Der Anspruch der Kl. auf nachehel. Unterhalt ist für die Zeit ab 1. 4. 1986 gemäß § 1579 Nr. 4 BGB auf den notwendigen Unterhalt herabzusetzen. Diesen Unterhalt vermag die Kl. durch eigene Einkünfte zu decken, so dass ihre Unterhaltsklage ab 1. 4. 1986 abzuweisen ist. Für die Zeit vom 1. 10. 1985 bis 31. 3. 1986 steht ihr gemäß § 1573 II BGB ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt i. H. von monatlich 568 DM zu.

1. Für die Zeit ab 1. 4. 1986 ist der Unterhaltsanspruch der Kl. gemäß § 1579 Nr. 4 BGB herabzusetzen. Die Kl. hat sich dadurch über schwerwiegende Vermögensinteressen des Bekl. hinweggesetzt, dass sie im Bewusstsein, dass ein ihr Arbeitslosengeld übersteigendes Arbeitseinkommen ihren Unterhaltsanspruch mindern werde, die zum 1. 4. 1986 erfolgte Aufnahme einer Tätigkeit bei der H.-Versicherung [H.] verschwiegen hat, obwohl sie verpflichtet war, diesen Umstand in dem laufenden Unterhaltsprozess von sich aus anzuzeigen.

Eine Pflicht zur ungefragten Information des Partners des Unterhaltsrechtsverhältnisses besteht zwar, wie § 1605 II BGB zeigt, nicht generell, wohl aber dann, wenn das Schweigen über eine für den Unterhaltsanspruch ersichtlich grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse evident unredlich erscheint (BGH, FamRZ 1986, 450, 453 = NJW 1986, 1751; Brüne, FamRZ 1983, 657).

Die Kl. hat ihren Unterhaltsanspruch zumindest der Höhe nach damit begründet, dass sie trotz nachhaltigen Bemühens für die Zeit ab 1. 10. 1985 keine Arbeit habe finden können. Der Kl. ist es dann gelungen, bei der H. ab 1. 4. 1986 ein zunächst bis zum 30. 9. 1986 befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen. Die H. schrieb der Kl. am 10. 3. 1986:

"... Wir verpflichten Sie ab 1. 4. 1986 für unser Unternehmen. ... Der Arbeitsvertrag ist befristet und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 30. 9. 1986, falls nicht spätestens einen Monat vorher die Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsvertrages vereinbaren. ... Sie erhalten für Ihre Tätigkeit 2623 DM brutto monatlich. ... Wir bitten Sie, die beiliegende zweite Ausfertigung des Vertrages unterschrieben an die Personalabteilung zurückzusenden."

In dem Termin zur mündl. Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem FamG am 25. 3. 1986 sagte die Kl. von ihren Verhandlungen mit der H. nichts. Den Vertrag mit der H. unterschrieb sie am 26. 3. 1986, also am Tag nach dem Termin in der Unterhaltssache.

Im nachgelassenen Schriftsatz v. 14. 4. 1986 ließ die Kl. vortragen, dass sie Schmerzen im Arm habe und es ihr aufgrund dieser Erkrankung kaum möglich sei, eine Arbeit zu finden. Ihre Prozessbevollmächtigten beantragten am 9. 6. 1986 aufgrund des inzwischen ergangenen angefochtenen Urteils einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen rückständigen und ab 1. 7. 1986 wegen laufenden Unterhalts von monatlich 900 DM.

Soweit die Kl. vortragen lässt, der Schriftsatz v. 14. 4. 1986 sei ohne Rücksprache mit ihr verfasst worden, so ist doch unstreitig, dass die Prozessbevollmächtigten der Kl. ihr den Schriftsatz nach der Absendung an das Gericht zur Kenntnis gegeben haben. Es wäre dann die Pflicht der Kl. gewesen, Unrichtigkeiten sofort zu korrigieren.

Indem die Kl. ohne Widerspruch erklären lässt, dass ihr eine Arbeitsaufnahme nicht möglich sei, bringt sie damit zugleich zum Ausdruck, dass sie nicht arbeitet. Der Unterhaltsverpflichtete hat angesichts solcher Erklärungen keine Veranlassung, Auskunft über ein etwa erzieltes Arbeitseinkommen zu verlangen. Im Übrigen haben während eines laufenden Unterhaltsprozesses die Parteien des Unterhaltsrechtsverhältnisses wechselseitig auch ungefragt Umstände, die den Unterhaltsanspruch beeinflussen können, anzuzeigen. Diese Verpflichtung folgt regelmäßig aus dem vorangegangenen Tun, nämlich den prozessualen Erklärungen des Unterhaltsgläubigers zum behaupteten Unterhaltsbedarf und des Unterhaltsschuldners zur behaupteten Leistungsunfähigkeit. Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Kl. bewusst war, dass die Offenbarung des Arbeitsverhältnisses bei der H. Einfluss auf die Höhe des begehrten Unterhalts von 1000 DM monatlich haben würde. Ein leichtfertiges, also bewusst fahrlässiges Verhalten wäre im Übrigen ausreichend. Auf den Streit, ob das Verhalten auch unterhaltsbezogen sein muss, kommt es hier nicht an, weil der Unterhaltsbezug hier offensichtlich ist. Der Berücksichtigung des Verhaltens der Kl. steht auch nicht entgegen, dass es in die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung fällt; denn in § 1579 Nr. 4 BGB ist ebenso wie bei Nr. 6 vom Gesetzgeber bewusst eine Zeitgrenze für die Berücksichtigung eines Verhaltens des Berechtigten nicht vorgesehen. Die Härteklausel kann somit auch durch ein Verhalten erfüllt werden, das sich nach der Scheidung der Ehe ereignet hat.

...

Die Parteien des Unterhaltsrechtsverhältnisses und die Familienrichter sind darauf angewiesen, dass die Parteien sich über die für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Umstände wahrheitsgemäß erklären. Wer sich durch unrichtige Angaben nicht unerhebliche wirtschaftliche Vorteile verschaffen will, muss wissen, dass er seinen Unterhaltsanspruch gefährdet (vgl. zur Anwendbarkeit des § 66 EheG bei versuchter Täuschung des Unterhaltspflichtigen durch Verschweigen von Einkünften BGH, FamRZ 1984, 32).

In § 1579 BGB wird bei Vorliegen eines der in den Nrn. 1 bis 7 aufgeführten Härtegründe die zusätzliche Prüfung gefordert, ob die Zuerkennung eines Unterhalts grob unbillig wäre. Bei der Billigkeitsentscheidung ist zugunsten der Kl. zu berücksichtigen, dass die Ehe bis zur Scheidung von langer Dauer war, dass sie Kinder großgezogen hat und dass sich das Fehlverhalten der Kl. wirtschaftlich gesehen nur auf einen Teil des Unterhaltsanspruchs auswirken konnte, nämlich soweit ihr nicht bereits Einkünfte in Höhe des Arbeitslosengeldes zugerechnet worden sind. Zu Lasten der Kl. ist zu berücksichtigen, dass ihr Verhalten zugleich die Voraussetzungen des Prozessbetruges (§ 263 StGB) erfüllt haben dürfte. Obwohl der notwendige Unterhalt durch eigene Einkünfte der Kl. gedeckt war, nahm sie das Risiko auf sich, wegen einiger 100 DM Unterhalt wegen eines Vergehens bestraft zu werden.

Der Senat ist der Auffassung, dass die gebotene Billigkeitsabwägung mit Rücksicht auf die zugunsten der Kl. sprechenden Umstände nicht zu einem völligen Verlust des Unterhaltsanspruchs führen darf, dass aber eine Herabsetzung des Unterhalts bis zu der Grenze des notwendigen Eigenbedarfs geboten ist. Erst wenn die Kl. ihren notwendigen Unterhaltsbedarf - Maßstab ist insoweit der einem minderjährigen Kind gegenüber Unterhaltspflichtigen zu belassende Selbstbehalt - durch eigene Einkünfte nicht decken kann, wird der Bekl. den am notwendigen Unterhalt fehlenden Betrag als Unterhaltsbeitrag zuschießen müssen.

Für die Zeit ab 1. 4. 1986 ist die Unterhaltsklage abzuweisen, weil die Kl. selbst durch Arbeitseinkommen bzw. Krankengeld ein Einkommen erzielt hat, welches den zur Zeit für die Kl. maßgeblichen Eigenbedarfsbetrag von 990 DM monatlich übersteigt. Auch ab 1. 1. 1987 erzielt die Kl. Einkommen aus Berufstätigkeit.

2. Für die Zeit vom 1. 10. 1985 bis 31. 3. 1986 steht der Kl. ein Aufstockungsanspruch gemäß § 1573 II BGB zu. Der Senat folgt der Beweiswürdigung des FamG, soweit das FamG davon ausgegangen ist, dass der Unterhaltsanspruch der Kl. nicht gemäß § 1579 I Nr. 4 BGB (a. F.) bzw. jetzt § 1579 Nr. 6 BGB wegen ihrer Beziehungen zu den Zeugen W. und G. ausgeschlossen ist. Im Hinblick darauf, dass sich der Bekl. seinerseits und vor der Kl. durch das Verhältnis mit der Zeugin K. ehewidrig verhalten hat, kann nicht von einem einseitigen Fehlverhalten der Kl., wie es § 1579 Nr. 6 BGB verlangt, ausgegangen werden.

Nach der Anhörung des Zeugen G. sind auch letzte Zweifel geblieben, ob die Kl. dem Zeugen den Haushalt führt. Angeblich bereitet sich der "mit allen Haushaltsarbeiten bestens vertraute" Zeuge sogar seine Mahlzeiten selbst. Der Zeuge charakterisiert das Verhältnis zu der Kl. als eine reine Wohn- und Interessengemeinschaft, in der man sich sämtliche anfallenden Kosten teile. Lediglich die Telefonkosten übernehme er allein, weil er das Telefon auch beruflich benötige. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kl. kein fiktives Einkommen aus Wohnungsgewährung und Haushaltsführung für einen nichtehelichen Partner zugerechnet werden. Dies bedeutet indessen nicht, dass das Verhältnis der Kl. zu dem Zeugen G. unterhaltsrechtlich ohne jede Bedeutung wäre. Das Zusammenwirtschaften mit einem Partner in einer Haushaltsgemeinschaft führt, wenn sich beide Partner finanziell in etwa zu gleichen Teilen an den Lebenshaltungskosten beteiligen, regelmäßig zu einer Ersparnis, die mit 20 bis 25 % bewertet werden kann (vgl. die Sätze der Düsseldorfer Tabelle zum Eigenbedarf einer Ehefrau [Stand: 1. 1. 1985, FamRZ 1984, 961]; ferner OLG Frankfurt, FamRZ 1985, 957; OLG Hamburg, Beschluss v. 10. 4. 1986 - 7 WF 19/86 -, zitiert nach Künkel, ÖRA/UnterhaltsR 1986, Rz. 166). Die der Kl. zuzurechnende Ersparnis durch die Haushaltsgemeinschaft mit dem Zeugen G. kann im vorliegenden Fall auf monatlich 245 DM veranschlagt werden; dies ist die Differenz zwischen den sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebenden Selbstbehaltsbeträgen von 990 DM und 745 DM.

Der Betrag von 245 DM ist den von dem FamG ermittelten 1398,11 DM hinzuzurechnen, so dass für die Kl. während der Zeit vom 1. 10. 1985 bis 31. 3. 1986 von einem bereinigten Einkommen von 1643,11 DM auszugehen ist.

Der Bekl. hat abweichend vom FamG sein durchschnittliches Einkommen von 3202,64 DM errechnet. Hierbei sind die Beträge eingerechnet, die der Bekl. wegen der Überlassung eines Pkw versteuern muss. Den Geldwertvorteil des Pkws hat der Arbeitgeber zunächst mit 393,20 DM, ab Dezember 1985 aber nur noch mit 226,40 DM berücksichtigt, weil der Bekl. im September 1985 von P. nach H. umgezogen ist.

Im Gegensatz zum Bekl., der den geldwerten Vorteil für die Pkw-Benutzung gänzlich unberücksichtigt gelassen haben will, wenigstens aber zu seinen Gunsten eine fiktive Fahrkostenpauschale als Werbungskosten abgesetzt haben möchte, ist der Senat der Auffassung, dass der Betrag von 393,20 DM den Sachbezug Pkw angemessen wiedergibt. Der Betrag von 226,40 DM erfasst den in der kostenlosen Gestellung eines Pkws liegenden wirtschaftlichen Vorteil demgegenüber nicht ausreichend, zumal der Bekl. das Fahrzeug sogar auf Kosten seines Arbeitgebers betanken kann. Wegen des kostenlosen Tankens fallen für den Bekl. Fahrtkosten tatsächlich nicht an, so dass solche auch nicht unterhaltsrechtlich abgesetzt werden können. Der dem Bekl. zuzurechnende Betrag von 393,20 DM erfasst den gemäß § 3 der Sachbezugsverordnung 1985 zu schätzenden wirtschaftlichen Vorteil, der dem Bekl. durch die Überlassung des Pkws zur privaten Nutzung erwachsen ist. Bei einem Nettoeinkommen des Bekl. von über 3000 DM kann die Haltung eines Pkw zu den normalen ehel. Lebensverhältnissen gerechnet werden (vgl. BGH, FamRZ 1984, 988, 990). Anhaltspunkte dafür, dass sich der Bekl. ohne die Zuwendung seitens seines Arbeitgebers keinen Pkw leisten würde, bestehen nicht.

Wenn durchgehend 393,20 DM als Sachbezug in der vom Bekl. vorgelegten Einkommensaufstellung berücksichtigt werden, ergibt sich ein durchschnittliches Nettoeinkommen nach Abzug aller Vorsorgeaufwendungen von 3313,84 DM. An Kindesunterhalt hat der Bekl. in der hier streitigen Zeit nur durchschnittlich 20,23 DM aufwenden müssen, so dass 3292,61 DM verbleiben.

Das vom FamG ermittelte Einkommen [der Kl.] von 1398,11 DM, bestehend aus dem Arbeitslosengeld und dem auf ein Jahr umgelegten Abfindungsbetrag, ist nach der Differenzmethode zu berücksichtigen, weil die Kl. auch schon vor der Trennung der Parteien berufstätig war. Von der sich errechnenden Einkommensdifferenz von 1895,50 DM (3293,61 DM - 1398,11 DM) steht der Kl. nach ständiger Rechtsprechung der Familiengerichte in Hamburg ein Anteil von 3/7 zu; das ergibt monatlich 812,36 DM. Hierauf ist der Betrag von 245 DM anzurechnen, der der Kl. monatlich als Haushaltsersparnis infolge des Zusammenwirtschaftens mit dem Zeugen G. zuzurechnen ist. Es bleibt ein vom Bekl. zu zahlender Unterhalt von monatlich aufgerundet 568 DM. Die von dem Bekl. aufgrund der von der Kl. betriebenen Zwangsvollstreckung geleistete Überzahlung ist zwischen den Parteien auszugleichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Dabei hat der Senat das Interesse der Kl. gemäß § 9 ZPO nach dem zwölfeinhalbfachen Jahresbetrag bewertet, weil die Kl. sich eines zeitlich nicht beschränkten Unterhaltsanspruches berühmt hat. Zugesprochen wurde der Kl. aber nur Unterhalt für ein halbes Jahr, so dass der Kl. der ganz überwiegende Teil der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen ist. Bei der Höhe des streitigen Unterhaltsbetrages hat der Senat zugunsten der Kl. angenommen, dass sie selbst nicht davon ausging, dass sie ständig 1000 DM Unterhalt werde erhalten können. Auch bei Klageerhebung musste die Zeit der Arbeitslosigkeit als nur vorübergehend eingeschätzt werden, so dass die Kl. auf Dauer nur mit einem geringeren Aufstockungsanspruch rechnen konnte. Die Quote von 1/10 zu 9/10 wird den verschiedenen Gesichtspunkten gerecht. ...

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§§ 621 d, 546 ZPO) liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die vom BGH noch nicht entschieden sind, liegen nicht vor.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht