Wechselseitiger Verzicht auf Unterhalt zu Lasten der Kinder
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
08. 11. 1995
Aktenzeichen
5 UF 102/95
Der wechselseitige Verzicht auf nachehelichen Unterhalt ist trotz Vorhandenseins gemeinschaftlicher minderjähriger Kinder wirksam. Der Unterhaltsschuldner kann sich jedoch auf diesen Verzicht nicht berufen, wenn dies zu Lasten der Kinder ginge, da eine solche Berufung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien (im Folgenden als Kl. und Bekl. bezeichnet) streiten um nachehel. Unterhalt. Sie heirateten am 11. 12. 1985. Seit Mitte 1992 leben sie getrennt. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, die inzwischen fünf und acht Jahre alt sind (K., geboren 1987, und S., geboren 1990) und bei der Kl. wohnen. Das AmtsG hat die Ehe der Parteien geschieden, die elterl. Sorge für die beiden Töchter der Kl. übertragen, den Versorgungsausgleich geregelt und über den Unterhaltsanspruch entschieden.
Die Kl. ist mittlerweile 35 Jahre alt. Sie war bis zur Geburt des zweiten Kindes vollzeitig erwerbstätig. Danach versorgte sie den Haushalt. Inzwischen bezieht sie Sozialhilfe, das Kindergeld und einen Zuschlag zum Kindergeld (monatlich 65 DM). Die Parteien haben im Verlauf des Rechtsstreits darüber gestritten, ob die Kl. seit 1994 an verschiedenen Stellen gegen Entgelt Putzarbeiten verrichtet. Im Senatstermin hat der Bekl. dazu erklärt, sie habe bis zum Frühjahr 1995 gearbeitet und ihre Erwerbstätigkeit nach seinem Hinweis im ersten Rechtszug eingestellt.
Der Bekl. ist bei der Städtischen Feuerwehr beschäftigt. Er zahlt für die Töchter einen Kindesunterhalt von monatlich jeweils 375 DM bzw. 310 DM. Außerdem unterstützt er einen Sohn aus erster Ehe (geboren 1977) mit monatlich 340 DM. Während der Trennungszeit leistete er der Kl. auch Ehegattenunterhalt (monatlich zwischen 1.100 DM und 1.300 DM).
Beide Parteien waren Miteigentümer eines Hausgrundstücks, das sie nach der Trennung verkauften. Im Januar 1993 erhielt jeder einen Erlösanteil von 81.359,19 DM.
Die Parteien, die bereits seit September 1982 zusammengelebt hatten, setzten am Tag vor der Eheschließung (10. 12. 1985) eine schriftliche Erklärung auf, in der sie ,,für den Fall der Scheidung . . . wechselseitig auf jegliche Unterhaltszahlungen für Vergangenheit und Zukunft (verzichteten), und zwar auch für die Fälle der Unterhaltsberechtigung nach den §§ 1570 f. BGB wegen Pflege oder Erziehung der Kinder ...''. Der vom Bekl. vorgegebene Text wurde von beiden eigenhändig geschrieben und auf jedem Exemplar von beiden Seiten unterzeichnet.
Die Kl. hat im ersten Rechtszug einen nachehel. Unterhalt von monatlich 1.150 DM verlangt. Sie hat die Ansicht vertreten, der Unterhaltsverzicht sei als Scheingeschäft und wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, und zusätzlich ihre Verzichtserklärung angefochten. Dazu hat sie behauptet, der Bekl. sei am Vorabend der Hochzeit plötzlich mit der Erklärung an sie herangetreten, er wolle sie auf die Probe stellen und wissen, ob sie ihn nur wegen des Geldes oder aus Zuneigung heirate. Nachdem sie auf seine Aufforderung die Schriftstücke abgeschrieben bzw. unterschrieben habe, sei er mit beiden Urkunden in ein Nebenzimmer gegangen und nach kurzer Zeit mit den Worten zurückgekehrt, sie habe den Test bestanden, er habe die Schriftstücke soeben vernichtet. Ihren Anteil an dem Verkaufserlös habe sie i. ü. vollständig verbraucht.
Der Bekl. ist dieser Darstellung entgegengetreten und hat um Abweisung der Klage gebeten.
Das AmtsG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Bekl. zu einem Betrag von monatlich (1.150 - 333,33 =) 816,67 DM verurteilt.
Diese Entscheidung haben beide Seiten mit ihren Rechtsmitteln angefochten. Die Kl. hat ihre Berufung zurückgenommen.
Auszüge aus den Gründen:
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
Der Bekl. schuldet der Kl. ab Rechtskraft der Scheidung monatlich 785 DM. Die weitergehende Klage ist abzuweisen ...
1. Der Bekl. muss der Kl. trotz des wechselseitigen Verzichts Unterhalt leisten. Wegen der Betreuungsbedürftigkeit der beiden gemeinsamen Kinder kann er sich derzeit auf die Vereinbarung v. 10. 12. 1985 nicht berufen, § 242 BGB. In der höchstrichterlichen Rspr. ist anerkannt, dass Verlobte für den Fall ihrer künftigen Ehe gemäß § 1585c BGB auch auf einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB verzichten können; es kann dem nach der gesetzlichen Regel an sich unterhaltspflichtigen Ehegatten aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein, der Forderung seines geschiedenen Partners den Verzicht entgegenzuhalten, solange und soweit das mit dem Wohl der gemeinschaftlichen Kinder nicht vereinbar ist (vgl. zuletzt BGH, FamRZ 1995, 291 f. = NJW 1995, 1148 f., m. w. N.). Dieser Rspr. hat sich der Senat bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen. Er folgt ihr auch im vorliegenden Fall.
a) Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1570 BGB sind erfüllt. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (13. 9. 1995) waren die beiden Mädchen acht und fünf Jahre alt. Vor Vollendung des 8. Lebensjahres des jüngsten Kindes kommt eine Erwerbsobliegenheit des sorgeberechtigten Elternteils grundsätzlich nicht in Betracht (BGH, FamRZ 1995, 292 = NJW 1995, 1149). Ohne die Vereinbarung v. 10. 12. 1985 wäre der Bekl. verpflichtet gewesen, den vollen Bedarf (§ 1578 I S. 1 BGB) zu decken.
b) Den Verzicht, der rechtlich als Erlassvertrag i. S. des § 397 I BGB zu werten ist (vgl. BGH, FamRZ 1985, 787 = NJW 1985, 1835, 1836), sieht der Senat als wirksam an. Da hier nur noch über die Berufung des Bekl. zu entscheiden ist, nimmt er gemäß § 543 II ZPO auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des AmtsG in dem ausführlichen Hinweisbeschluss v. 7. 9. 1994 und dem angefochtenen Urteil Bezug. Danach ist die Vereinbarung wirksam zustande gekommen. Ein rechtserheblicher geheimer Vorbehalt (§ 116 BGB) liegt ebenso wenig vor wie ein Scheingeschäft (§ 117 I BGB), weil der Kl. nach ihrer eigenen Darstellung vor der Unterzeichnung der beiden Schriftstücke die behauptete wahre Absicht des Bekl. nicht bekannt gewesen sein kann. Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 I BGB) ist nicht ersichtlich: Beide Parteien waren im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, dem für die Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt (BGH, FamRZ 1991, 306 f. = NJW 1991, 913, 914), berufstätig; der Vertrag ist bereits vor der Eheschließung zustande gekommen, die erste Schwangerschaft hat erst Monate später eingesetzt, eine Belastung des Sozialhilfeträgers war mithin nicht abzusehen (vgl. dazu BGH, FamRZ 1992, 1402 f. = NJW 1992, 3164 f.). Die Voraussetzungen des § 138 II BGB sind nicht dargetan, seine Verwirklichung wäre auch nicht entscheidungserheblich, weil diese Norm lediglich Austauschgeschäfte betrifft und auf familienrechtliche Verhältnisse nicht anwendbar ist (BGH, a.a.O.).
Ein Verzicht auf den Verzicht ist nicht schlüssig dargetan. Dieser Verzicht hätte ebenfalls nur in Form eines Vertrages vereinbart werden können. Denn die schriftliche Vereinbarung v. 10. 12. 1985 beinhaltete einen wechselseitigen Verzicht, er stellte also auch die Kl. von möglichen Unterhaltsansprüchen des Bekl., z. B. nach § 1572 BGB, frei. Zur Aufhebung der gerade geschlossenen schriftlichen Vereinbarung genügte also nicht die einseitige Äußerung des Bekl. Welche Erklärungen die Kl. selbst damals auf die behauptete Mitteilung des Bekl. abgegeben haben will, ist indessen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Erwiderung war nicht entbehrlich. Bloßes Schweigen reichte nicht aus. Die angebliche Äußerung des Bekl. bedurfte als Antrag zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages der Annahme durch die anwesende Kl., §§ 146, 147 I S. 1 BGB. Eine Annahme durch schlüssiges Verhalten (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 52. Aufl., §§ 147, 148 Rz. 2) ist nicht erkennbar; die Aufgabe der erreichten Rechtsposition - Freistellung auch von Ansprüchen des Bekl. - verstand sich nicht von selbst. § 151 S. 1 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift kann ein Vertrag zwar ohne Erklärung der Annahme des Antrages zustande kommen; Voraussetzung ist aber eine entsprechende Verkehrssitte oder ein Verzicht des Antragenden auf die Annahmeerklärung. Beides ist aber - auch nach der Erörterung dieser Fragen im Senatstermin - weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die später erklärte Anfechtung genügte, wie bereits das AmtsG angenommen hat, nicht den Anforderungen der §§ 119 f. BGB.
c) Durch den Verzicht hat die Kl. ihren Anspruch auf nachehel. Unterhalt grundsätzlich verloren. Sie müsste deshalb ihren Unterhalt selbst sicherstellen. Soweit dies durch eigene Erwerbstätigkeit geschähe, ginge dies zu Lasten der gemeinschaftlichen Kinder. Das lässt sich mit Treu und Glauben nicht vereinbaren. Auf Leistungen der Sozialhilfe muss sie sich nicht verweisen lassen (BGH, FamRZ 1992, 1402 f. = NJW 1992, 3166). Dass Pflege und Erziehung der beiden Kinder anders als durch die persönliche Betreuung seitens der Kl. gewährleistet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Der Hinweis des Bekl. auf eine Unterbringung im Kinderhort überzeugt nicht. Wäre dieser Einwand richtig, hätte es des Rückgriffs auf § 242 BGB nicht bedurft. Dann wäre der zitierten Rspr. allgemein die Grundlage entzogen. Die eingangs wiedergegebenen Entscheidungen beruhen aber gerade auf der Annahme, dass die Kinder durch den sorgeberechtigten Elternteil persönlich versorgt werden.
2. Der Bekl. kann der Forderung nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Kl. den Stamm ihres Vermögens einsetzen und ihren Unterhalt dadurch in den nächsten Jahren decken kann.
Dieser Einwand ist allerdings nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Kl. ihren Erlösanteil vollständig verbraucht hat. Sie muss sich nämlich, wie noch auszuführen ist, so behandeln lassen, als habe sie das Kapital im Wesentlichen behalten. Die Verweisung auf den Stamm des Vermögens widerspricht jedoch Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Für den Bereich des nachehel. Unterhalts folgt aus § 1577 III BGB, dass der Unterhaltsberechtigte den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten braucht, soweit dies unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Hierzu hat der BGH entschieden, dass dem Gläubiger ein ,,Notgroschen'' zu belassen ist und die Verhältnisse beider Ehegatten, also auch Einkommen und Vermögen des Schuldners, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, FamRZ 1985, 354, 357; FamRZ 1985, 360 f. = NJW 1985, 907, 908). Im vorliegenden Fall hat der berufstätige Bekl. einen gleich hohen Anteil an dem Verkaufserlös erhalten. Danach wäre die Kl. nicht gehalten, ihr Kapital für Unterhaltszwecke anzugreifen.
§ 1577 III BGB greift hier allerdings nicht ein, weil die Kl. auf nachehel. Unterhalt verzichtet hat. Abzustellen ist vielmehr auf die Wertungen, die der eingangs zitierten Rspr. zugrunde liegen. Grund und Höhe eines trotz Unterhaltsverzichts verbleibenden Anspruchs sind demgemäß ausschließlich am Kindeswohl auszurichten (BGH, FamRZ 1992, 1402 f. = NJW 1992, 3166; FamRZ 1995, 292 = NJW 1995, 1149). Das Kindeswohl spricht aber dafür, der Kl. das Kapital zu belassen.
Der Kl. ist darüber hinaus ein sog. Notgroschen zu belassen. Im Anwendungsbereich des § 1577 III BGB ist anerkannt, dass der Unterhaltsberechtigte eine Vermögensreserve für einen plötzlich auftretenden Sonderbedarf behalten darf (BGH, FamRZ 1985, 360 = NJW 1985, 908). Diese Erwägung muss für den Fall des Unterhaltsverzichts bei Versorgung gemeinsamer Kinder erst recht gelten. Denn der sorgeberechtigte Elternteil, der nicht den vollen eheangemessenen Unterhalt bezieht und folglich keine Rücklagen für plötzlich auftretende Notsituationen bilden kann, muss einen solchen ,,Notgroschen'' aus eigenen Mitteln beiseite legen und kann dies nur, indem er einen Teil seines Kapitals abzweigt. Diese Vorsorge liegt sowohl im Interesse der Kinder als auch des sorgeberechtigten Elternteils. Da die Kl. für sich und die beiden Töchter sorgen muss, erscheint eine Vermögensreserve von rund 15.000 DM angemessen.
Im Übrigen kann nach Auffassung des Senats bei der gebotenen Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kl. durch die Betreuung der beiden gemeinschaftlichen Kinder in finanzieller Hinsicht wesentlich stärker belastet wird als der Bekl. Während er seine Erwerbseinkünfte ohne Unterbrechung behält, hat die Kl. ihre Berufstätigkeit aufgegeben und schon dadurch bei ihrem laufenden Einkommen erhebliche Einbußen erlitten. Sie muss zusätzliche Nachteile bei der Altersversorgung hinnehmen, die dem Bekl. erspart bleiben. Denn von dem Notunterhalt kann sie keine Altersvorsorge betreiben. Durch den Versorgungsausgleich werden ehebedingte Nachteile aus der Zeit nach Zustellung des Scheidungsantrags nicht aufgefangen (§ 1587 II BGB). Müsste die Kl. daneben noch ihren Erlösanteil für ihren eigenen laufenden Unterhalt verwenden, würde diese Entwicklung erheblich verschärft: Für die Wahrnehmung der Elternaufgaben, die grundsätzlich beiden Ehegatten obliegen, müsste sie auch noch ihre Ersparnisse opfern; der Bekl. könnte dagegen seine höheren Erwerbseinkünfte behalten und darüber hinaus noch seinen Erlösanteil ohne jede Einschränkung behaupten und durch Zinseinnahmen oder sonstige Anlageformen mehren. Berücksichtigt man, dass der Vermögensstamm häufig auch der Alterssicherung dient, erfährt die Kl. eine weitere Schlechterstellung. Ein solches Ungleichgewicht zu Lasten des sorgeberechtigten Elternteils widerspricht letztlich auch den Interessen der gemeinsamen Kinder.
Die im Senatstermin vom Bekl. gezogene Parallele zum Recht des Verwandtenunterhalts führt nach Auffassung des Senats nicht weiter. Es trifft zwar zu, dass volljährige Kinder sich nicht auf § 1602 II BGB berufen können, wonach (nur) ein minderjähriges unverheiratetes Kind von seinen Eltern Unterhalt auch dann verlangen kann, wenn es Vermögen hat. Der vorliegende Fall betrifft jedoch Ansprüche unter Ehegatten und beurteilt sich ausschließlich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben.
3. Die Kl. hat demgemäß Anspruch auf Sicherung ihres Mindestbedarfs. Auszugehen ist von dem sog. Existenzminimum, das in der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. 7. 1992 [FamRZ 1992, 398]) mit monatlich 1.150 DM angesetzt ist. Insoweit wirkt sich der Unterhaltsverzicht auf Grund und Höhe des Anspruchs aus (BGH, FamRZ 1995, 292 = NJW 1995, 1149). Umstände, die im vorliegenden Fall eine Erhöhung des Unterhalts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Andererseits zeigen die eingereichten Einkommensbelege des Bekl., dass der nach den ehel. Lebensverhältnissen bemessene Bedarf nicht unterhalb des Betrages von 1.150 DM liegt (vgl. dazu FamRZ 1995, 346 f. = NJW 1995, 963 f.) [wird ausgeführt].
Dagegen sind Kapitaleinkünfte anzurechnen. Die Kl. hat unstreitig im Januar 1993 mehr als 81.000 DM erhalten. Dieses Geld durfte sie nicht einfach ausgeben. Sie hatte das Vermögen möglichst ertragreich anzulegen und Zinsen zur Deckung ihres eigenen Unterhalts einzusetzen (OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 453, m. w. N.). Diese Obliegenheit folgt schon allgemein aus dem Grundsatz, dass jeder Ehegatte nach der Scheidung zunächst selbst für seinen Unterhalt sorgen muss (§ 1569 BGB; vgl. dazu BGH, FamRZ 1985, 354 f.). Sie gilt hier verschärft, weil die Kl. auf Unterhalt verzichtet hat. Sie musste sich deshalb darauf einstellen, dass sie von dem Bekl. nach der Scheidung keinen, jedenfalls nicht den vollen Unterhalt erhalten werde [wird ausgeführt].
Bei Abwägung aller Umstände hält der Senat einen Betrag von insgesamt rund 20.000 DM (,,Notgroschen'' und Umzugskosten) für angemessen, der der Kl. zur Verfügung stehen musste; die restlichen 60.000 DM sind als Kapital zu nutzen. Neben der Rücklage (Notgroschen) fielen erhöhte Aufwendungen an, die mit dem Auszug aus der Ehewohnung verbunden waren und mit etwa 5.000 DM zu schätzen sind.
Aus den verbleibenden 60.000 DM konnte die Kl. bei einem Zinssatz von 6 % jährlich 3.600 DM oder monatlich 300 DM erwirtschaften, die nicht zu versteuern sind. Eine Rendite von 6 % entspricht nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Unterhaltsverfahren einem durchschnittlichen Ertrag (vgl. auch OLG Oldenburg, a.a.O.; dort wurde ein Zinssatz von 5,75 % für eine vierjährige Festgeldanlage festgestellt).
Der Senat verkennt nicht, dass die Zurechnung fiktiver Zinseinkünfte letztlich dazu führen kann, dass die Kl. den Verlust durch Erwerbseinkünfte oder Sozialhilfe ausgleichen muss; der erste Weg würde dem Ziel widersprechen, den betreuenden Elternteil im Interesse der Kinder von einer eigenen Erwerbstätigkeit freizustellen. Dieses Problem tritt indessen in allen Fällen auf, in denen einzusetzendes Vermögen verbraucht worden ist und für den Unterhalt nicht mehr zur Verfügung steht. Die Lösung kann nicht einseitig zu Lasten des unterhaltspflichtigen Ehegatten gehen. Sie kann insbesondere nicht im Rahmen einer zusätzlichen Abwägung gemäß § 1579 Nr. 3 BGB gefunden werden, bei der die Belange der gemeinsamen Kinder zu wahren wären, weil diese Vorschrift einen grundsätzlich bestehenden Unterhaltsanspruch (§§ 1569, 1570 BGB) voraussetzt, der im Falle des Verzichts gerade ausgeschlossen und nur nach Maßgabe des § 242 BGB begründet ist. Nach Auffassung des Senats muss deshalb wie in anderen Fällen auch die Möglichkeit der Nutzung ausreichen, ohne dass es auf die tatsächlich gezogenen Nutzungsvorteile ankommt (vgl. BGH, FamRZ 1995, 869 ff. = NJW-RR 1995, 835, 838; Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 5. Aufl., Rz. 497, 503).
Neben den Zinseinkünften ist der Zuschlag zum Kindergeld, den die Kl. erhält, als bedarfsdeckendes Einkommen abzuziehen (Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rz. 827). Dann verbleiben 1.150 - 300 - 65 = 785 DM.
Der Senat lässt im Hinblick auf die Ausführungen in Abschnitt 2 der Entscheidungsgründe für den Bekl. die Revision zu, §§ 546 I S. 2 Nr. 1, 621d I ZPO. Soweit ersichtlich, ist der dort erörterte Fragenkreis, der grundsätzliche Bedeutung hat, in der Rspr. des BGH bisher noch nicht behandelt worden.
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