Anspruch auf Parabolantenne des polnischen Miteigentümers entgegen WEG-Beschluss

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

08. 09. 2003


Aktenzeichen

2 W 103/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein ordnungsgemäßer Gebrauch des Gemeinschaftseigentum i. S. v. § 15 WEG muss dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und billigem Ermessen entsprechen. Bei der Güterabwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung müssen die Wohnungseigentümer auch die Grundrechte aus der Verfassung berücksichtigen. Insbesondere ist Art. 5 Abs.1 GG zu beachten, der im Rahmen der Informationsfreiheit jedermann gewährt, sich aus allgemein zugänglichen Quellen (auch Rundfunk und Fernsehen) ungehindert zu unterrichten.

  2. Ausländer, die dauerhaft in Deutschland leben, haben ein besonderes Interesse daran, sich durch Heimatsender zu informieren und dabei die sprachlich/kulturelle Bindung zum Heimatland zu erhalten. Dieses besondere Interesse ist bei der Ermessensausübung zu beachten.

  3. Verletzt ein Eigentümerbeschluss die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, muss er nicht zwingend innerhalb der üblichen, einmonatigen Ausschlussfrist angefochten werden. Ein Eigentümerbeschluss, der gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstößt, kann auch später noch für nichtig erklärt werden, da die Informationsfreiheit zu den unverzichtbaren Rechten zählt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. zu 2 und 3 sind die Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage E-Weg 3, A-Ring 40-62, A-Straße 1-5 in K. Die Bet. zu 1 ist die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie ist gem. § 3 Nr. 3.1.5. des Verwaltervertrags berechtigt und verpflichtet, im Namen aller Wohnungseigentümer oder im eigenen Namen Ansprüche der Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Die Bet. zu 2 sind polnische Staatsangehörige. Sie sind seit Ende des Jahres 1999 Miteigentümer einer Wohnung im Hause E-Weg 3. Um polnische Sender empfangen zu können, stellten sie auf dem Balkon ihrer Wohnung eine Parabolantenne auf. Die Antenne ist auf einem Ständer montiert, der unbefestigt auf dem Balkonboden steht und nicht mit dem Mauerwerk verbunden ist. Die Anlage verfügt über einen Kabelanschluss, der von der Firma U Antennen-Service GmbH in Hamburg unterhalten wird. Über diese Anlage kann nach Installation eines entsprechenden Decoders ein polnischer Sender - TV Polonia - empfangen werden. In § 19 II der für die Wohnungseigentümergemeinschaft maßgebenden Teilungserklärung heißt es:

„Jeder Eigentümer ist verpflichtet, in den bestehenden Vertrag mit der U Antennen-Service GmbH, Hamburg, vom 28. 4. 1989 anstelle des bisherigen Eigentümers einzutreten und seine Geräte ausschließlich an die Gemeinschaftsantennen-Anlage anzuschließen.“

§ 5 V bis VII der Teilungserklärung lauten:

„(5) Die Anbringung von Reklame-, Firmenschildern, Markisen, Rollläden, Außenantennen oder dergleichen bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verwalters.

(6) Die Einwilligung gemäß den Abs. 2-5 kann nur aus einem wichtigen Grund versagt oder widerrufen werden. Sie kann auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufs eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Eigentümer oder Hausbewohner befürchten lässt oder den Charakter der Gesamtanlage beeinträchtigt.

(7) Erteilt der Verwalter eine beantragte Einwilligung gemäß den Abs. 2-5 nicht oder nur unter Auflagen öder widerruft er eine Einwilligung, so kann der betroffene Eigentümer einen Beschluss gemäß § 25 WEG herbeiführen.“

In Nr. 13 der Hausordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft heißt es:

„Veränderungen der äußeren Gestaltung am Haus durch Sichtblenden, Markisen, Antennen, Wäscheleinen etc. sind grundsätzlich genehmigungspflichtig.“

Das Aufstellen von Parabolantennen war Gegenstand der Erörterungen in der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000. In dem Protokoll der Versammlung ist dazu Folgendes festgehalten:

„TOP 8. Parabolantennen

- Genehmigung zum Aufstellen auf einen Ständer im Balkonbereich für Whg. 099, A-Str. 1

- Antrag Eigentümer B Immobiliengesellschaft mbH

Herr O verliest den schriftlichen Antrag der Familie S. Die Eigentümer regen an, ein generelles Verbot zum Anbringen von Parabolantennen auszusprechen.

Dieser erweiterte Antrag wird zur Abstimmung gebracht.

Die Abstimmung ergab folgendes Ergebnis:

Mit Ja stimmten 31 Wohnungseigentümer, 3 Gegenstimmen.

Es wurde ein generelles Verbot zum Anbringen von Parabolantennen beschlossen.“

Dieser Beschluss blieb unangefochten. Auf Antrag der Bet. zu 1 hat das AG den Bet. zu 2 mit Beschluss vom 28. 8. 2002 aufgegeben, die auf dem Balkon ihrer Wohnung installierte Satellitenanlage zu demontieren. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Bet. zu 2 hat das LG mit Beschluss vom 2. 6. 2003 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Bet. zu 2 führte zur Vorlage der Rechtssache an den BGH.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Der Senat hält die gem. § 45 I WEG, §§ 27 I , 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde für begründet, weil die angefochtene Entscheidung nach seiner Auffassung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 27 I FGG, § 546 ZPO). Der Senat ist im Gegensatz zum LG insbesondere der Ansicht, dass der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000 zu TOP 8 für die Bet. zu 2 nicht bindend ist, weil sie dadurch in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Informationsfreiheit (Art. 5 I GG) verletzt werden. Deshalb müsste er den angefochtenen Beschluss und den Beschluss des AG aufheben und den erstinstanzlichen Antrag der Bet. zu 1 zurückweisen. Der Senat sieht sich jedoch an einer solchen Entscheidung gehindert, weil er damit von der auf sofortige weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des OLG Bremen (WuM 1995, 58) abweichen würde. Deshalb ist die sofortige weitere Beschwerde dem BGH zur Entscheidung vorzulegen (§ 28 II FGG).

III. Bedenken gegen die Zulässigkeit des erstinstanzlichen Antrags der Bet. zu 1 bestehen nach Auffassung des Senats nicht.

Die Bet. zu 1 ist insbesondere berechtigt, den vermeintlichen Anspruch der Bet. zu 3 auf Beseitigung der Parabolantenne gegen die Bet. zu 2 in Verfahrensstandschaft geltend zu machen. Das dafür erforderliche schutzwürdige eigene Interesse der Bet. zu 1 (zum eigenen Interesse vgl. grundsätzlich Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 27 Rdnr. 177 m.w.N.) ergibt sich nach Auffassung des Senats aus der Pflicht der Bet. zu 1, den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000 durchzuführen (§ 27 I Nr. 1 WEG). Der Beschluss verbietet das Anbringen von Parabolantennen. Die Durchführung dieses Beschlusses erfordert die Beseitigung verbotswidrig angebrachter Antennen. Die Bet. zu 2 haben ihre Parabolantenne zwar nur unbefestigt auf dem Balkonboden aufgestellt. Das LG ist nach Ansicht des Senats jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschluss vom 20. 2. 2000 auch das freie Aufstellen einer nicht am Boden oder am Mauerwerk befestigten Parabolantenne erfasst. Dazu hat das LG zutreffend ausgeführt: Aus dem Zusammenhang des Inhalts des Protokolls der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000 gehe hervor, dass zunächst eine Genehmigung für das Aufstellen einer Parabolantenne auf einem Ständer beantragt und sodann im Hinblick auf einen „erweiterten“ Antrag ein generelles Verbot des Anbringens von Parabolantennen beschlossen worden sei. Das könne nur dahingehend verstanden werden, dass von dem Verbot auch und gerade das Aufstellen von Parabolantennen auf Ständern gemeint gewesen sei. Die Wohnungseigentümer haben die Bet. zu 1 in Nr. 3.1.5. des Verwaltervertrags auch hinreichend ermächtigt (zur Ermächtigung vgl. grundsätzlich Bärmann/Pick/Merle, § 27 WEG Rdnrn. 174ff. m.w.N.), den Anspruch auf Beseitigung der Parabolantenne im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (§ 27 II Nr. 5 WEG). Danach ist die Bet. zu 1 verpflichtet und berechtigt, gemeinschaftliche Ansprüche der Wohnungseigentümer entweder im Namen aller Wohnungseigentümer oder im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Als gemeinschaftlicher Anspruch in diesem Sinne ist nach Auffassung des Senats auch der Anspruch aller Wohnungseigentümer auf Durchführung der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft anzusehen, weil es sich dabei nach der ausdrücklichen Regelung in § 27 I WEG um eine vom Verwalter wahrzunehmende gemeinschaftliche Angelegenheit aller Wohnungseigentümer handelt. Die gerichtliche Durchsetzung des beschlossenen generellen Verbots der Anbringung von Parabolantennen unterfällt damit der Ermächtigung in Nr. 3.1.5. des Verwaltervertrags.

Nach Auffassung des Senats haben die Bet. zu 3 jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die von der Bet. zu 1 begehrte Beseitigung der Parabolantenne auf dem Balkon der Bet. zu 2.

Ein solcher Anspruch ergibt sich danach insbesondere nicht aus § 15 III WEG in Verbindung mit dem unangefochten gebliebenen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000 zu TOP 8.

Dieser Beschluss verletzt die Bet. zu 2 nach Überzeugung des Senats in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Informationsfreiheit. Nach § 15 II WEG dürfen die Wohnungseigentümer nur einen ordnungsgemäßen Gebrauch des Sonder- und Gemeinschaftseigentums beschließen. Ordnungsgemäß ist ein Gebrauch, der unter Berücksichtigung der Beschaffenheit seines Gegenstands dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und billigem Ermessen entspricht (Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 15 WEG Rdnr. 5 m.w. Nachw.). Bei der Ermessensausübung haben die Wohnungseigentümer das verfassungsrechtlich geschützte Recht aller Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Informationsfreiheit zu beachten. Art. 5 I GG gewährt jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Zu den allgemein zugänglichen Quellen gehört auch das Fernsehen. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auf die Anbringung der zum Empfang notwendigen Anlagen (BVerfG, NJW 1994, 1147). Das gilt auch für Parabolantennen, die den Empfang von Satellitenprogrammen ermöglichen (BVerfG, NJW 1995, 1665). Die Informationsfreiheit findet ihre Schranken zwar in den allgemeinen Gesetzen, wozu auch die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts gehören. Die Verfassung verlangt jedoch, dass bei der Auslegung zivilrechtlicher Bestimmungen - insbesondere bei der Konkretisierung von Generalklauseln - die betroffenen Grundrechte berücksichtigt werden, damit ihr wertsetzender Gehalt für die Rechtsordnung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (BVerfG, NJW 1994, 1147). Die Generalklausel des § 15 II WEG gibt Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Auslegung. Dabei ist auf Seiten der Wohnungseigentümer, die eine Parabolantenne angebracht haben oder anbringen wollen, neben ihrem Eigentumsrecht (Art. 14 GG) vor allem ihr Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 I GG) zu berücksichtigen und auf Seiten der widersprechenden Wohnungseigentümer ihr durch die Installation der Parabolantenne berührtes Eigentumsrecht (BVerfG, NJW 1995, 1665; NJW 1996, 2858; OLG Hamm, DWE 2002, 106). Beide Interessen sind durch Grundrechte geschützt, von denen grundsätzlich keines dem anderen vorgeht; maßgebend für die Entscheidung kann daher nur sein, welche Beeinträchtigung im konkreten Fall schwerer wiegt (BVerfG, NJW 1994, 1147). Das bedarf einer Abwägung. Dabei ist im vorliegenden Fall auf Seiten der Bet. zu 3 allenfalls zu berücksichtigen, dass der optische Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage nach dem - streitigen - Vorbringen der Bet. zu 1 durch die Parabolantenne auf dem Balkon der Bet. zu 2 beeinträchtigt werden soll. Eine nachteilige Veränderung der im Miteigentum der Bet. zu 3 stehenden Gebäudesubstanz scheidet nach dem unstreitigen Vorbringen der Bet. aus, weil die Parabolantenne danach auf einem weder am Boden noch am Mauerwerk befestigten frei stehenden Ständer montiert ist. Das Interesse der Bet. zu 3 an der Erhaltung des optischen Eindrucks der Anlage wäre indessen in jedem Falle nachrangig gegenüber dem Informationsinteresse der Bet. zu 2. Deshalb bedarf die streitige Frage der optischen Beeinträchtigung keiner weiteren Aufklärung. Bei dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern - wie den Bet. zu 2 - ist zu berücksichtigen, dass sie ein besonderes Interesse daran haben, sich mit Hilfe der Programme ihres Heimatlands über das dortige Geschehen zu informieren und die kulturelle und sprachliche Bindung aufrecht zu erhalten; diese Möglichkeit eröffnet in der Regel nur eine Satellitenempfangsanlage; das besondere Interesse ausländischer Wohnungseigentümer an der Installation einer solchen Antenne hat deshalb in der Regel Vorrang vor dem geschützten Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung ihres Eigentums (BVerfG, NJW 1995, 1665). Das gilt in der Regel auch dann, wenn Wohnungseigentümer mit ausländischer Staatsangehörigkeit über den Kabelanschluss einer Wohnungseigentumsanlage nur ein Fernsehprogramm ihres Heimatlands empfangen können (BVerfG, NJW 1995, 1665) - wie im vorliegenden Fall die Bet. zu 2. Die Annahme eines Vorrangs der Informationsfreiheit ist dann allerdings in der Regel nur gerechtfertigt, wenn mit der optisch beeinträchtigenden Parabolantenne mehr Fernsehprogramme des Heimatlands empfangen werden können als mit dem vorhandenen Kabelanschluss. Auch das ist im vorliegenden Fall indessen zu bejahen. Aus den im Internet veröffentlichten Programmlisten ergibt sich, dass mit einer Parabolantenne zum Beispiel über die Satelliten „Astra“ und „Eutelsat“ diverse polnischsprachige Programme empfangen werden können. Diese Tatsachen sind damit gerichtsbekannt und bedürfen deshalb keines Beweises. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die das Interesse der Bet. zu 3 an einer ungeschmälerten Erhaltung ihres Eigentums ausnahmsweise als vorrangig erscheinen lassen könnten. Den somit zu bejahenden Vorrang des verfassungsrechtlich geschützten Informationsinteresses der Bet. zu 2 verletzt der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. 2. 2000.

Wegen dieser Rechtsverletzung ist der Beschluss nach Überzeugung des Senats für die Bet. zu 2 nicht bindend.

Das OLG Bremen (WuM 1995, 58) und im Ergebnis auch das LG (wohl auch das OLG Hamm, DWE 2002, 106 und DWE 2002, 142) vertreten demgegenüber die Auffassung, dass unangefochten gebliebene Beschlüsse für die zurzeit der Beschlussfassung bereits zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Wohnungseigentümer auch dann verbindlich sind, wenn sie dadurch in ihrem Recht auf Informationsfreiheit verletzt werden. Das OLG Bremen begründet seine Auffassung mit dem Sinn und Zweck der §§ 23 IV , 43 I Nr. 4 WEG. Danach kann ein Wohnungseigentümer Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft nur innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat gerichtlich anfechten (§ 23 IV 2 WEG). Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Bestandskraft der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit möglichst rasch endgültig zu klären (Bärmann/Pick/Merle, § 23 WEG Rdnr. 2). Deshalb kann ein Wohnungseigentümer mögliche Einwendungen gegen einen Beschluss grundsätzlich nur binnen Monatsfrist geltend machen. § 23 IV 2 WEG schränkt diesen Grundsatz jedoch selbst ein. Danach kann ein Wohnungseigentümer auch noch nach dem Ablauf der Monatsfrist die Nichtigkeit eines Beschlusses geltend machen. Nichtig ist ein Beschluss insbesondere auch dann, wenn er unzulässig in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift (vgl. OLG Frankfurt a.M., DWE 2002, 141; Bärmann/Pick/Merle, § 23 WEG Rdnr. 128 m.w. Nachw.). Nach Auffassung des Senats gehört die Möglichkeit, sich aus allgemein zugänglichen TV-Quellen zu informieren, zum Kernbereich des Wohnungseigentums. Dem Grundrecht auf Informationsfreiheit kommt für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und die Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung eine herausragende Bedeutung zu (BVerfG, NJW 1970, 235; NJW 1994, 1147). Die Freiheit der Information durch allgemein zugängliche Quellen - wie das Fernsehen - ist Teil des Kommunikationsprozesses, den Art. 5 I GG im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung schützen will (BVerfG, NJW 1994, 1147). Das AG hat zutreffend ausgeführt, der Zugang zu allgemeinen Informationsquellen „ist auf Grund der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung in weiten Bereichen so eng an die Wohnung als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung gebunden, dass die Mediennutzung in den eigenen vier Wänden zum Kernbereich dessen zählt, was die Wohnung als Mittelpunkt der privaten Existenz ausmacht“. Im Übrigen wird der Verweis auf die Anfechtungsmöglichkeit nach den §§ 23 IV , 43 I Nr. 4 WEG der herausragenden Bedeutung des Grundrechts auf Informationsfreiheit auch deshalb nicht gerecht, weil diese Anfechtungsmöglichkeit - wie die Praxis zeigt - nicht immer einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Aus diversen veröffentlichten Entscheidungen (insbesondere auch der des OLG Bremen, WuM 1995, 58) ergibt sich, dass beeinträchtigte Wohnungseigentümer Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft häufig nicht innerhalb der Monatsfrist des § 23 IV 2 WEG anfechten. Das entspricht auch den Erfahrungen, die der Senat in anderen Wohnungseigentumsverfahren gewonnen hat. Die Gründe für das Unterbleiben der Anfechtung sind vielfältig. In nicht wenigen Fällen wissen die beeinträchtigten Wohnungseigentümer gar nicht, dass sie Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft nur innerhalb der Monatsfrist des § 23 IV 2 WEG anfechten können. Manchmal werden Beschlüsse gefasst, wenn die dadurch beeinträchtigten Wohnungseigentümer nicht an der Beschluss fassenden Eigentümerversammlung teilnehmen, und die Protokolle der Wohnungseigentümerversammlungen werden sodann erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist übersandt (so z.B. in dem Fall, der dem Senatsbeschluss, NJW-RR 2003, 1018 zu Grunde lag). Selbst anwaltlich vertretene Wohnungseigentümer sind nicht immer darüber informiert, dass in solchen Fällen die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 23 IV 2 WEG besteht (zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vgl. grundsätzlich Bärmann/Pick/Merle, § 23 WEG Rdnr. 197 m.w. Nachw.). Außerdem gibt es Fälle, in denen die beeinträchtigten Wohnungseigentümer nicht erkennen, dass auch ihre Rechte durch einen Beschluss beeinträchtigt werden. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn die Tragweite eines Beschlusses durch Auslegung ermittelt werden muss - wie im vorliegenden Fall. Diese Beispielsfälle belegen hinreichend, dass ein effektiver Rechtsschutz gegen Beschlüsse, die in die verfassungsrechtlich geschützte Informationsfreiheit eingreifen, durch die befristete Anfechtungsmöglichkeit des § 23 IV WEG in der Praxis nicht immer gewährleistet ist. Das aber ist im Hinblick auf die herausragende Bedeutung der Informationsfreiheit geboten. Auch deshalb muss § 23 IV 2 WEG nach Überzeugung des Senats dahin ausgelegt werden, dass zu den unverzichtbaren Rechtsnormen im Sinne dieser Vorschrift auch die Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Informationsfreiheit zählt. Ein Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft muss daher zumindest insoweit als nichtig angesehen werden, als er das Recht eines Wohnungseigentümers oder das mehrerer auf Informationsfreiheit verletzt. Im vorliegenden Verfahren bedarf es dagegen keiner Erörterung, ob ein Beschluss, durch den lediglich einzelne Wohnungseigentümer in ihrem Recht auf Informationsfreiheit verletzt werden, nur insoweit oder insgesamt (§ 139 BGB) nichtig ist. Ausreichend ist hier vielmehr, dass die Bet. zu 2 in ihrem Recht auf Informationsfreiheit verletzt werden, weil der Beschluss vom 20. 2. 2000 in Folge dessen zumindest für sie nicht bindend ist und für die Bet. zu 3 deshalb auch keinen Anspruch auf Beseitigung der Parabolantenne nach § 15 III WEG begründet.

Ein Anspruch der Bet. zu 3 auf Beseitigung der Parabolantenne ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht aus § 15 III WEG in Verbindung mit der Teilungserklärung.

Denkbar ist zwar, dass das Aufstellen von Parabolantennen durch § 19 II der Teilungserklärung ebenfalls generell verboten werden sollte. Eine solche Auslegung kommt im Wege des Umkehrschlusses in Betracht, weil nach § 19 II der Teilungserklärung alle Wohnungseigentümer verpflichtet sind, Rundfunkgeräte ausschließlich an die Gemeinschaftsantenne anzuschließen. Gegen eine dahingehende Auslegung könnte allerdings sprechen, dass § 5 V der Teilungserklärung die Anbringung von Außenantennen ausdrücklich vorsieht - wenn auch nur mit Einwilligung des Verwalters. Diese Frage bedarf nach Auffassung des Senats aber letztlich keiner abschließenden Erörterung, weil § 19 II der Teilungserklärung für die Bet. zu 2 ebenfalls nicht verbindlich wäre, wenn sie dadurch in ihrem Recht auf Informationsfreiheit verletzt wären.

Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass ein Wohnungseigentümer nicht an Vereinbarungen in der Teilungserklärung gebunden ist, wenn er dadurch grob unbillig benachteiligt wird (vgl. Bärmann/Pick/Merle, § 10 WEG Rdnr. 42 m.w. Nachw.). Das wird zutreffend auch dann angenommen, wenn eine Vereinbarung in der Teilungserklärung unzulässig in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift und/oder verfassungsrechtlich geschützte Rechte eines Wohnungseigentümers verletzt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, § 10 WEG Rdnr. 63; OLG Düsseldorf, DWE 2001, 151). Beides wäre hier nach Überzeugung des Senats der Fall, wenn den Bet. zu 2 das Aufstellen einer Parabolantenne nach § 19 II der Teilungserklärung untersagt wäre.

Ein Anspruch der Bet. zu 2 auf Beseitigung der Parabolantenne wäre auch dann nicht zu bejahen, wenn das Aufstellen der Parabolantenne nach § 5 V der Teilungserklärung und Nr. 13 der Hausordnung der Einwilligung der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfte. Eine solche Einwilligung hat die Bet. zu 1 bislang zwar nicht erteilt. Darauf könnten die Bet. zu 3 einen Anspruch auf Beseitigung der Parabolantenne nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) aber jedenfalls deshalb nicht mit Erfolg stützen, weil die Bet. zu 2 im Hinblick auf ihr Recht auf Informationsfreiheit einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung hätten. Bei dieser Sachlage wäre es rechtsmissbräuchlich, das Beseitigungsverlangen auf die fehlende Verwalterzustimmung zu stützen, zumal die Wohnungseigentümergemeinschaft die Erteilung der Zustimmung durch den Beschluss vom 20. 2. 2000 selbst vereitelt hat.

Die Bet. zu 3 könnten sich auch nicht ausnahmsweise deshalb auf die fehlende Verwalterzustimmung berufen, weil ihnen bei der Auswahl des Standorts für die Parabolantenne ein gewisses (Mit-)Direktionsrecht und Beurteilungsermessen zusteht (zu dieser Problematik vgl. grundsätzlich OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 1018 = NZM 2003, 558 = WE 1996, 71). Dieses (Mit-)Bestimmungsrecht wäre vielmehr nur und erst dann zu berücksichtigen, wenn es von den Bet. zu 3 auch ausgeübt würde (zu der vergleichbaren Problematik im Mietrecht: BVerfG, NJWE-MietR 1996, 26 = WuM 1996, 82). Daran fehlt es jedoch bislang.

Die Bet. zu 3 haben auch keinen Anspruch auf Beseitigung der Parabolantenne nach den § 1004 I 1 BGB, § 14 Nr. 1 WEG. Voraussetzung dafür wäre, dass das Eigentum der Bet. zu 3 durch das Aufstellen der Parabolantenne über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt wird. Auch diese Frage lässt sich nur auf Grund einer Abwägung der beiderseits verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Bet. zu 2 einerseits und der Bet. zu 3 andererseits beantworten (zu dieser Problematik vgl. grundsätzlich BVerfG, NJW 1995, 1665). Die bereits vorgenommene Abwägung ergibt indessen einen Vorrang des Informationsinteresses der Bet. zu 2 und damit keine über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Eigentums der Bet. zu 3.

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für den in Betracht kommenden Beseitigungsanspruch der Bet. zu 3 nach § 15 III WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG.

Auch wenn das Aufstellen der Parabolantenne als bauliche Veränderung i.S. des § 22 I 1 WEG zu qualifizieren wäre, bestünde ein Anspruch der Bet. zu 3 auf Beseitigung der Antenne nach § 1004 I BGB nur dann, wenn sie dadurch über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden (§ 22 I 2 WEG). Das aber ist aus den bereits genannten Gründen zu verneinen. Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung kann deshalb offen bleiben, ob das Aufstellen einer Antenne auf einem frei stehenden Ständer überhaupt als bauliche Veränderung i.S. des § 22 I 1 WEG zu bewerten ist (zur streitigen Problematik der baulichen Veränderung ohne Eingriff in die Gebäudesubstanz vgl. Palandt/Bassenge, § 22 WEG Rdnr. 3 m.w. Nachw.).

Aus den vorstehenden Gründen kommt es nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall auf die zwischen dem OLG Bremen und dem Senat streitige Frage an, ob der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft zumindest teilweise nichtig ist, wenn ein Wohnungseigentümer dadurch in seinem verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf Informationsfreiheit verletzt wird.

Rechtsgebiete

Mietrecht