Grundsatzentscheidung zur künstlichen Befruchtung

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

03. 04. 2001


Aktenzeichen

B 1 KR 40/00 R


Tatbestand


Tatbestand:

I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Krankenkasse die Übernahme der Kosten für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels intrazytoplasmatischer Spermainjektion (ICSI). Dabei handelt es sich um eine Technik der extrakorporalen Befruchtung, die im Wesentlichen bei Ehepaaren angewandt wird, die infolge einer Fertilitätsstörung des Mannes auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen können. In solchen Fällen genügt es in der Regel nicht, Samen- und Eizelle zur spontanen Verschmelzung im Reagenzglas zusammenzubringen (In-vitro-Fertilisation). Vielmehr muss ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer mikroskopisch dünnen Nadel unmittelbar in die Eizelle injiziert werden. Die übrigen Einzelschritte des Verfahrens bestehen ebenso wie bei der In-vitro-Fertilisation darin, durch Hormonbehandlung der Frau mehrere Eizellen verfügbar zu machen, dem Körper zu entnehmen und nach dem Befruchtungsvorgang als Embryo wieder in den Körper zu übertragen (sog Embryonentransfer). Die ICSI wurde 1992 erstmals erfolgreich angewandt und hat sich seitdem auch in Deutschland zunehmend durchgesetzt. Die Häufigkeit einer Schwangerschaft wird pro Versuch mit 20 bis 25 % angegeben. Ende 1998 hat die Bundesärztekammer die ICSI als berufsrechtlich zulässiges Mittel der künstlichen Befruchtung in ihre "Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion" (DÄ 1998, A-3166) aufgenommen. Demgegenüber hatte der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bereits am 1. Oktober 1997 eine Ergänzung seiner auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) basierenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dahingehend beschlossen, dass die ICSI in der gesetzlichen Krankenversicherung bis auf weiteres nicht angewandt werden darf (Nr 10.5 der Richtlinien in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung - BAnz Nr 243 vom 31. Dezember 1997). Er hat hieran auch nach der Entscheidung der Bundesärztekammer ausdrücklich festgehalten und dies wie schon zuvor damit begründet, dass nach seiner Auffassung die bisher vorliegenden Unterlagen nicht ausreichen, die Unbedenklichkeit der Technik, insbesondere im Hinblick auf das Risiko einer erhöhten Rate von Fehlbildungen und genetischen Schäden bei den nach ICSI geborenen Kindern, zu belegen (vgl das Votum des Arbeitsausschusses Familienplanung vom 5. Oktober 1998 und die gemeinsame Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 26. November 1998 - Die Leistungen 1999, 113).

Die 1966 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse; ihr Ehemann ist bei einer Betriebskrankenkasse krankenversichert. Wegen einer hochgradigen Fertilitätsstörung des Ehemanns hatte die Beklagte im Jahre 1997 die Kosten für eine künstliche Befruchtung mittels ICSI übernommen. Die damalige Bewilligung war auf maximal vier Versuche beschränkt; bei der Klägerin führte bereits der erste Versuch zur Geburt einer Tochter. Im Oktober 1999 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine weitere künstliche Befruchtung mit Spermainjektion. Unter Berufung auf den zwischenzeitlich vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Ausschluss der ICSI aus der vertragsärztlichen Versorgung lehnte die Beklagte diesen Antrag ab (Bescheid vom 3. November 1999, Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000). Diese Entscheidung wurde im Klageverfahren bestätigt. Das Sozialgericht (SG) Stade verweist in seinem klageabweisenden Urteil vom 27. Oktober 2000 auf die Bindungswirkung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und die dazu ergangene Rechtsprechung des erkennenden Senats. Ein Mangel des Verfahrens vor dem Bundesausschuss sei nicht erkennbar. Der anders lautenden Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen im Urteil vom 23. Februar 2000 - L 4 KR 130/98 - (Revisionsverfahren B 1 KR 17/00 R) sei nicht zu folgen. Auf die frühere Bewilligung im Jahre 1997 könne sich die Klägerin nicht berufen, denn diese habe sich durch die eingetretene Schwangerschaft erledigt.

Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 27a SGB V. Sie beruft sich auf das bereits erwähnte Urteil des LSG Niedersachsen, das die Verbindlichkeit der Richtlinien verneint habe. Die Entscheidung des Bundesausschusses sei fehlerhaft, weil nicht medizinische Gründe, sondern das angeblich erhöhte Fehlbildungsrisiko maßgebend gewesen sei; über die ethischen Grenzen des Einsatzes von Fortpflanzungsmethoden habe der Bundesausschuss nicht zu befinden. Im Übrigen habe sie auf die frühere Zusage vertraut, die sich auf vier Versuche bezogen habe, von denen nur einer "verbraucht" sei. Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, ein weiterer Befruchtungsversuch habe bisher nicht stattgefunden, weshalb ihr Begehren auf die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme gerichtet sei.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verurteilen, die Kosten für eine künstliche Befruchtung mittels intrazytoplasmatischer Spermainjektion (mindestens vier Versuche) nebst der hormonellen Vorbehandlung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Ausschluss der ICSI von der vertragsärztlichen Versorgung durch den Bundesausschuss halte sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, denn die Prüfung der Unbedenklichkeit einer Behandlungsmethode betreffe eine medizinische Frage. Da die Gefahr von genetischen Anomalien oder Fehlbildungen nicht abschließend beurteilt werden könne, habe der Bundesausschuss den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten; seine Prüfungskompetenz ergebe sich auch aus § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V, denn es handle sich um eine Behandlungsmethode, die in der vertragsärztlichen Versorgung "neu", weil bisher nicht anwendbar sei. Das Verfahren vor dem Bundesausschuss ergebe auch keinen Systemmangel.

Entscheidungsgründe


Gründe:

II.

Die Sprungrevision der Klägerin ist begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf künstliche Befruchtung mittels ICSI zu, so dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann.

Der Klage ist allerdings entgegen der Auffassung der Revision nicht schon deshalb stattzugeben, weil die Beklagte 1997 die Kosten für vier Befruchtungsversuche übernommen hat und seinerzeit bereits der erste Versuch erfolgreich war. Mit dem Erfolg im ersten Versuch hat sich die damalige Bewilligung ihrem Inhalt nach erledigt; weitere Rechte sind daraus nicht abzuleiten. Alle anderen Auslegungen einer derartigen Bewilligungsentscheidung wären widersinnig, was nach Auffassung des Senats keiner weiteren Darlegung bedarf. Ob das auch dann gilt, wenn lediglich eine Schwangerschaft, aber nicht die Geburt eines Kindes erreicht wird, muss nicht entschieden werden.

Die erfolgreiche Durchführung der künstlichen Befruchtung beim ersten Kind schließt andererseits die erneute Gewährung entsprechender Maßnahmen zur Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft nicht aus, denn das Gesetz sieht insoweit keine Begrenzung vor. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Krankenkasse sind erfüllt.

Nach § 27a Abs 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese nach ärztlicher Feststellung erforderlich und Erfolg versprechend sind und wenn die Personen, welche die Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden (so genanntes homologes System). Dass die begehrte Spermainjektion im vorliegenden Fall die einzige Möglichkeit darstellt, den Kinderwunsch des Ehepaares zu realisieren, ergibt sich aus dem im Klageverfahren beigezogenen Spermienbefund beim Ehemann der Klägerin, dessen medizinische Bewertung zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist und der die Beklagte bereits 1997 zu der jetzt streitigen Leistung veranlasst hat. Weitere Voraussetzung ist, dass sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst vornimmt, über eine solche Therapie unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder an eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist. Beides ist, soweit ersichtlich noch nicht geschehen, kann aber nachgeholt werden, da die beantragte Maßnahme noch aussteht. Die Tatsache, dass im August 1997 anlässlich des ersten Befruchtungsversuchs eine Beratung des Ehepaares durch Ärzte des Zentrums für Humangenetik und genetische Beratung der Universität Bremen stattgefunden hat, macht eine erneute Unterrichtung nicht entbehrlich. Das gilt jedenfalls, nachdem hier seit der vorhergehenden Maßnahme mehrere Jahre vergangen sind; denn die Erfolgschancen und die Risiken einer künstlichen Befruchtung, über die das Beratungsgespräch unter anderem aufklären soll, bemessen sich nach den jeweils aktuellen Befunden und werden durch das Lebensalter der Ehegatten wesentlich mitbestimmt. Ob generell bei wiederholter Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Leistungen eine erneute, zeitnahe Beratung zu fordern ist, kann auf sich beruhen.

Der Umstand, dass § 27a Abs 1 SGB V die medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft der Krankenbehandlung zuordnet, steht dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Nach Aktenlage besteht allerdings kein Anhalt, dass bei der Klägerin selbst krankhafte Befunde vorliegen, welche die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Eine Fertilitätsstörung, die als Krankheit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung gewertet werden könnte (siehe dazu: BSGE 26, 240, 242 = SozR Nr 23 zu § 182; BSGE 39, 167, 168 = SozR 2200 § 182 Nr 9 S 14; BSGE 59, 119, 121 = SozR 2200 § 182 Nr 101 S 215; BSGE 66, 248, 249 = SozR 3-2200 § 182 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 1 S 2), besteht allein bei ihrem Ehemann. Darauf kommt es im Rahmen des § 27a SGB V jedoch nicht an. Der Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung knüpft, wie sich aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt, nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an. Vorausgesetzt wird allein, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung Erfolg versprechend sind. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Ein Leistungsanspruch besteht auch dann, wenn keiner der Eheleute nachweisbar krank ist und die Unfruchtbarkeit des Paares medizinisch nicht erklärt werden kann (sog idiopathische Sterilität); denn aus medizinischer Sicht wird auch bei dieser Fallgestaltung eine Indikation zur künstlichen Befruchtung bejaht (vgl Nr 3.2.1 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄ 1998, A-3166). Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung, bildet den Versicherungsfall.

Für die Absicht des Gesetzgebers, mit der Indikation zur künstlichen Befruchtung einen eigenständigen Versicherungsfall zu schaffen, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des § 27a SGB V und die Gesetzesbegründung (zur Rechtsentwicklung vgl auch Urteil des 8. Senats des BSG vom 25. Mai 2000 - SozR 3-2500 § 27a Nr 1 S 3 f - Kryokonservierung). Ob Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, war bis zum Inkrafttreten des SGB V streitig und in der Rechtsprechung nicht geklärt (vgl BSGE 66, 248, 249 f = SozR 3-2200 § 182 Nr 2 S 4 f; LSG Rheinland-Pfalz, MedR 1987, 130, 131; LSG Niedersachsen, Breith 1989, 712, 713). Im Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hat der Gesetzgeber die Frage durch die Ausschlussvorschrift des damaligen § 27 Satz 5 SGB V zunächst negativ entschieden, weil er davon ausging, dass "Leistungen, mit denen eine künstliche Befruchtung herbeigeführt wird, außerhalb des Aufgabenbereichs der GKV liegen" (so die amtliche Begründung zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 11/2237 S 170). Mit der Einführung des § 27a SGB V durch das KOV-Anpassungsgesetz vom 26. Juni 1990 (KOV-AnpG 1990, BGBl I 1211) hat er diese Position zwar aufgegeben, zugleich aber die Sonderstellung der künstlichen Befruchtung im Leistungssystem der Krankenversicherung deutlich gemacht. In der Gesetzesbegründung wird nicht auf den einzelnen von Unfruchtbarkeit betroffenen Ehepartner abgestellt, sondern "den Ehegatten" ein Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eingeräumt (BT-Drucks 11/6760 S 10). Dieser Anspruch wird von den Behandlungsmaßnahmen nach § 27 SGB V abgegrenzt; er besteht erst, wenn diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (mehr) bieten, nicht möglich oder unzumutbar sind (BT-Drucks 11/6760 S 14). Die künstliche Befruchtung wird selbst nicht als Krankenbehandlung angesehen; sie wird dieser lediglich zugeordnet, damit die einschlägigen Regelungen des SGB V auf sie anwendbar und besondere Verweisungsvorschriften entbehrlich sind (vgl BT-Drucks 11/6760 S 14 f und die Stellungnahme des Vertreters der Bundesregierung in der 122. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 25. April 1990, Protokolle des Deutschen Bundestages, 11. Wahlperiode, Protokoll Nr 122 S 17).

Die Einordnung der künstlichen Befruchtung als Krankenbehandlung ließe sich schließlich mit der Regelung in § 27a Abs 3 SGB V nicht vereinbaren. Dadurch wird die Leistungspflicht der einzelnen Krankenkasse auf diejenigen Maßnahmen beschränkt, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Würde vorausgesetzt, dass dieser Versicherte krank ist, hätte das zur Folge, dass der gesunde Ehepartner die Kosten der Maßnahmen, die bei ihm erbracht werden, selbst tragen müsste. Es kann jedoch ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die an dem gesunden Partner notwendig vorzunehmenden medizinischen Maßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenversicherung ausnehmen wollte. Nach Wortlaut und Begründung der Vorschrift (vgl BT-Drucks 11/6770, S 15) geht es allein darum, die Kostenlast auf die Krankenkassen der beiden Ehegatten zu verteilen. Sind beide gesetzlich krankenversichert, können sie zusammen die Übernahme aller zur Herbeiführung der Schwangerschaft notwendigen medizinischen Leistungen verlangen, ohne dass es darauf ankommt, bei wem die Ursache für die Kinderlosigkeit zu suchen ist. Insbesondere erwirbt auch der Ehegatte gegen seine Kasse einen Anspruch, bei dem keine behandlungsbedürftige Störung vorliegt und bei dem eine Krankheit als Versicherungsfall deshalb nicht in Betracht kommt. Hieran zeigt sich erneut, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht der regelwidrige Gesundheitszustand des Versicherten, sondern die Sterilität des Paares den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung begründet.

Das Klagebegehren scheitert auch nicht daran, dass die medizinischen Leistungen bei der künstlichen Befruchtung mittels Spermieninjektion überwiegend nicht "bei" der Klägerin, sondern außerhalb des Körpers in einem Kulturgefäß ("in vitro") erbracht werden. § 27a Abs 3 SGB V kann entgegen dem Eindruck, den der Wortlaut vermittelt, nicht dahin verstanden werden, dass die jeweilige Krankenkasse nur für Untersuchungen oder Eingriffe aufzukommen habe, die unmittelbar am Körper ihres Versicherten vorgenommen werden. Würde die Vorschrift so ausgelegt, blieben bei den in der Praxis dominierenden Verfahren der extrakorporalen Befruchtung die wesentlichen Teile der Behandlung von der Leistungspflicht ausgenommen, weil sie sich, wie die In-vitro-Fertilisation und die Spermainjektion, keinem der Ehegatten zuordnen lassen. Ein teilweiser Leistungsausschluss war aber mit der Regelung nicht beabsichtigt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/6770, S 15) sollte lediglich "klargestellt werden, dass - für den Fall, dass die Ehegatten nicht in derselben Krankenkasse versichert sind oder dass nur einer der Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist - die Leistungen für den anderen Ehegatten keine 'Nebenleistungen' zu den Leistungen an dem versicherten Ehegatten und daher nicht von seiner Krankenkasse zu übernehmen sind". Der Gesetzgeber wollte offensichtlich Schlussfolgerungen entgegenwirken, wie sie die Rechtsprechung in anderen Fällen der Einbeziehung Dritter in eine Behandlung gezogen hatte (vgl etwa BSGE 35, 102, 103 = SozR Nr 54 zu § 182 RVO; BSGE 79, 53, 54 = SozR 3-2500 § 27 Nr 7 S 22 zur Behandlung des Organspenders als Nebenleistung bei der Organtransplantation; BSG SozR 2200 § 199 Nr 4 S 8 zur Anstaltspflege für einen gesunden Säugling als Nebenleistung zur Entbindungsanstaltspflege der Mutter). Durch § 27a Abs 3 SGB V werden daher im Ergebnis nur solche Maßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenkasse ausgenommen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des anderen, nicht bei ihr versicherten Ehegatten ausgeführt werden.

Da von dieser Ausnahme abgesehen nach der Konzeption des § 27a SGB V jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen erwirbt, kann die Kasse ihrem Versicherten grundsätzlich nicht entgegenhalten, die Kosten der In-vitro-Fertilisation und der Spermainjektion müssten von der Versicherung des anderen Ehegatten getragen werden. Das gilt, wie der Senat entschieden hat, jedenfalls dann, wenn nur einer der Ehegatten Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist und der andere die entsprechenden Leistungen von seiner privaten Krankenversicherung oder aus Mitteln der öffentlichen Heilfürsorge nicht erhält (Urteil vom 3. April 2001 - B 1 KR 22/00 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Sind - wie im vorliegenden Fall - beide Eheleute bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen versichert, muss allerdings die zuständige Kasse bestimmt werden, da die Leistungen im Ergebnis nur einmal beansprucht werden können. Wie sich der Gesetzgeber für diesen Fall die Aufteilung der Kosten vorgestellt hat und wie er insbesondere die extrakorporalen Maßnahmen zugeordnet wissen wollte, ist unklar. Die wegen des Standorts der Vorschrift im Leistungsrecht der Krankenversicherung nahe liegende Annahme, die nicht unmittelbar personenbezogenen Leistungen sollten der Krankenkasse desjenigen Ehegatten angelastet werden, dessen Infertilität die Behandlung notwendig macht, erweist sich angesichts der erwähnten Sonderstellung der künstlichen Befruchtung als nicht zwingend. Sie bietet für den Fall der idiopathischen Sterilität oder den Fall einer beide Ehegatten betreffenden kombinierten Fertilitätsstörung ohnehin keine Lösung, so dass dafür wiederum andere Zuordnungskriterien gefunden werden müssten. Die Praxis folgt deshalb einer von den Spitzenverbänden der Krankenkassen in dem Gemeinsamen Rundschreiben vom 29. Juni 1990 (WzS 1990, 308) ausgesprochenen Empfehlung, nach der, wenn beide Ehegatten gesetzlich krankenversichert sind, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung unabhängig von den Ursachen der Kinderlosigkeit die Kosten aller extrakorporalen Maßnahmen von der Kasse der Frau getragen werden (siehe auch die ähnliche Regelung in Abschnitt 3 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung vom 14. August 1990 - BArbBl 12 S 21, nach der allerdings die Kosten für die Untersuchung und Aufbereitung des männlichen Samens der Kasse des Mannes angelastet werden sollen). Diese Verfahrensweise gewährleistet die Erfüllung des in § 27a Abs 1 SGB V gegebenen Leistungsversprechens, denn die Einzelansprüche der Eheleute ergänzen sich lückenlos zu einem Anrecht des Paares auf alle für die künstliche Befruchtung notwendigen Maßnahmen. Ob sich die von den Spitzenverbänden empfohlene Kostenaufteilung aus dem Gesetz ableiten lässt oder ob eine andere Zuordnung erfolgen müsste, wenn darüber streitig zu entscheiden wäre, kann dahingestellt bleiben. Nachdem die beteiligten Kassen die Klägerin und ihren Ehemann - wie schon bei der erstmaligen Leistungsgewährung im Jahre 1997 - auf die intern festgelegte Kassenzuständigkeit verwiesen haben und beide mit dieser Lösung einverstanden sind, kann ihnen die Beklagte nicht nachträglich ihre Unzuständigkeit entgegenhalten.

Der Erlaubnisvorbehalt in § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V und der vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 1. Oktober 1997 in den Richtlinien über künstliche Befruchtung verfügte Ausschluss der ICSI aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung stehen dem Anspruch der Klägerin im Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Der Leistungsausschluss verstößt gegen die Vorgaben des § 27a SGB V und ist deshalb unwirksam. Da der Bundesausschuss die ICSI nach Auswertung der für seine Meinungsbildung und Entscheidung benötigten Unterlagen in die Liste der zugelassenen Maßnahmen hätte aufnehmen müssen, besteht insoweit ein Mangel des Leistungssystems, der die Beklagte verpflichtet, der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 13 Abs 3 SGB V die erforderlichen Maßnahmen außerhalb des Sachleistungsrahmens zur Verfügung zu stellen.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat seinen Beschluss, die ICSI als Methode der künstlichen Befruchtung nicht zur Anwendung in der Krankenversicherung zuzulassen, auf § 27a Abs 4 SGB V gestützt und demzufolge in die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 10 SGB V aufgenommen. Diese Vorschriften bieten indes für eine solche Entscheidung keine taugliche Ermächtigungsgrundlage. § 27a Abs 4 SGB V gibt dem Bundesausschuss auf, in Richtlinien nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der von den Krankenkassen geschuldeten Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zu bestimmen. Der Regelungsauftrag beschränkt sich nach Wortlaut und Systematik auf eine Konkretisierung der in Absatz 1 der Vorschrift aufgestellten Leistungsvoraussetzungen. Dazu gehören Regelungen über die Indikationen für die einzelnen Befruchtungstechniken, die Kriterien für die Feststellung der geforderten Erfolgsaussicht oder die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des unterrichtenden Arztes sowie weitere Einzelheiten der Durchführung der Maßnahmen (vgl die amtliche Begründung zum Entwurf des KOV-AnpG 1990, BT-Drucks 11/6760 S 15). Dagegen kann der Vorschrift keine Befugnis entnommen werden, über die Zulassung von Methoden der künstlichen Befruchtung zu befinden oder solche Methoden von der Leistungspflicht der Krankenversicherung auszuschließen, was über die Regelung "medizinischer Einzelheiten" deutlich hinausginge. Eine Befugnis zu solchen Entscheidungen könnte sich allerdings dem Grunde nach aus § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V ergeben. Nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen ua über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Solange das nicht geschehen ist, kann auch der Versicherte die betreffenden Leistungen von seiner Krankenkasse nicht verlangen. Lehnt der Bundesausschuss die Anerkennung der neuen Methode ab, kommt dies einem Ausschluss aus der Krankenversicherung gleich.

Bei der künstlichen Befruchtung mittels Spermainjektion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 SGB V. Denn sie unterscheidet sich von der Standardmethode der In-vitro-Fertilisation sowohl im technischen Ablauf als auch hinsichtlich der möglichen Risiken so wesentlich, dass nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf eine eigene Qualitätsprüfung nicht verzichtet werden kann. Der Senat hat dies in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 3. April 2001 - B 1 KR 22/00 R näher ausgeführt, so dass darauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen werden kann. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat sich deshalb zu Recht mit den qualitativen Aspekten der ICSI befasst und über die Einbeziehung der Methode in die gesetzliche Krankenversicherung entschieden. Welche Auswirkungen es hat, dass er seine Regelungskompetenz fälschlich aus § 27a Abs 4 SGB V abgeleitet und die Entscheidung nicht in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V, sondern in den Richtlinien über künstliche Befruchtung veröffentlicht hat, kann auf sich beruhen, weil der Ausschluss der ICSI im Widerspruch zu den in § 27a SGB V zum Ausdruck gekommenen Wertungen des Gesetzgebers steht und jedenfalls aus diesem Grunde unwirksam ist.

Durch § 27a SGB V werden die bei sonstigen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen zu beachtenden Qualitätskriterien des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung modifiziert. Die Entscheidung des Bundesausschusses ist auf die Erwägung gestützt, dass eine qualitative Bewertung des Verfahrens der ICSI derzeit nicht möglich sei. Nach dem Inhalt der Beratungen geht es dabei um das Risiko, dass nach Spermainjektionen in statistisch relevanter Häufung Kinder mit äußerlich erkennbaren Fehlbildungen oder sich erst später zeigenden Behinderungen geboren werden; diese könnten mit Schäden bei der Injektion als solcher oder bereits mit der (eventuell genetisch bedingten) Fertilisationsschwäche der Spermien zusammenhängen. Es trifft zu, dass die Risiken der ICSI für die auf diesem Wege gezeugten Kinder nicht ausreichend geklärt sind. Das wird auch von Wissenschaftlern eingeräumt, die den bisher vorliegenden Daten keine erhöhten Fehlbildungsraten entnehmen und deshalb die Methode befürworten (Ludwig/ Diedrich, DÄ 1999, A-2901). Die unzureichende Erprobung wird dadurch unterstrichen, dass seit August 1998 eine multizentrische Studie durchgeführt wird, in der 2.800 Schwangerschaften analysiert werden sollen (Ludwig/ Diedrich, DÄ 2000, A-851). Nachdem die Ergebnisse dieser Studie noch nicht vorliegen, kann die Erprobung der neuen Befruchtungstechnik nicht als abgeschlossen gelten. In einer vergleichbaren Situation hat der Senat festgestellt, dass der Einsatz einer neuen Behandlungsmethode (dort der Aktiv-spezifischen Immuntherapie) nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse iS des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entspricht, solange ihre Wirkungen und Risiken im angedeuteten Umfang noch der Überprüfung bedürfen (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 - Aktiv-spezifische Immuntherapie).

Der in § 27a SGB V niedergelegten gesetzgeberischen Entscheidung ist jedoch zu entnehmen, dass es im Rahmen der künstlichen Befruchtung - jedenfalls was die mögliche Fehlbildungsrate betrifft - auf diesen Standard nicht ankommen soll. Die konventionelle Befruchtung im Reagenzglas (In-vitro-Fertilisation), die im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als eines der in den Leistungskatalog der Krankenversicherung aufzunehmenden Verfahren der künstlichen Befruchtung genannt worden ist (vgl BT-Drucks 11/6760 S 14) und unzweifelhaft zu den Maßnahmen gehört, auf die der Versicherte nach § 27a SGB V einen Anspruch hat, ist kaum besser erforscht als die Befruchtung mittels Spermainjektion, so dass es auch insoweit an ausreichenden Bewertungsgrundlagen fehlt. Da die relativ spärlichen Untersuchungen zu dieser Methode zumeist aus der Zeit nach 1990 stammen, hat der Gesetzgeber des § 27a SGB V die Ungewissheit des Fehlbildungsrisikos im Rahmen der künstlichen Befruchtung offenbar nicht für ein entscheidendes Argument gegen die Einführung des Anspruchs gehalten. Die insoweit für die konventionelle In-vitro-Fertilisation getroffene Grundentscheidung ist auch bei der Anerkennung der ICSI zu beachten.

Bei der In-vitro-Fertilisation werden im Zusammenhang mit der zur Gewinnung von Eizellen notwendigen hormonellen Stimulation gesundheitliche Risiken für die Frau erörtert, die insofern Eingang in das Gesetz gefunden haben, als bei Inseminationen ohne Stimulationsverfahren nach § 27a Abs 2 Satz 2 SGB V keine Unterrichtung über die medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte der Behandlung erforderlich ist und die Begrenzung auf vier Befruchtungsversuche nicht gilt. Nach der Gesetzesbegründung beschränkt sich die demnach nur bei Stimulationsverfahren notwendige ärztliche Beratung nicht auf das erhöhte Risiko von Mehrlingsschwangerschaften, sondern erstreckt sich auf die Gefahr eines Überstimulationssyndroms zB mit Eierstockzysten (BT-Drucks 11/6760 S 15). Das ist in § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V durch die uneingeschränkte Bezugnahme auf die "medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte" zum Ausdruck gebracht.

Neben der Gefährdung der Frau werden bei der konventionellen In-vitro-Fertilisation auch Risiken für die mit dieser Technik erzeugten Kinder diskutiert. Die Fehlgeburtenrate wird in der Gesetzesbegründung zu § 27a SGB V mit etwa einem Drittel der Schwangerschaften angegeben (BT-Drucks aaO). Die Mortalität bei der Geburt und in den ersten vier Wochen danach soll signifikant erhöht sein; in bestimmten Untersuchungen wird von einem Anstieg angeborener Fehlbildungen und von Entwicklungsverzögerungen berichtet (zum Ganzen: Berg in: Grenzverschiebungen - Politische und ethische Aspekte der Fortpflanzungsmedizin, hrsg. von G. Pichlhofer, Frankfurt 1999, 34 f mwN; aM Ludwig/ Diedrich, DÄ 1999, A-2894). Als Ursache dafür ist zumindest zum Teil die ebenfalls bereits in der Gesetzesbegründung erwähnte erhöhte Mehrlingsrate in Betracht zu ziehen. Neben den dadurch möglicherweise hervorgerufenen Schwangerschaftskomplikationen ist schließlich noch zu beachten, dass ein Embryonentransfer günstigstenfalls in einem Viertel der Fälle zu einer Schwangerschaft führt (zu beiden Gesichtspunkten nochmals BT-Drucks 11/6760 S 15).

Nach den Kriterien, die der Senat zum Wirksamkeitsnachweis und zur Risikobewertung bei den von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Behandlungsmaßnahmen entwickelt hat, könnte die künstliche Befruchtung - jedenfalls in Form der In-vitro-Fertilisation - nicht zum Leistungsinhalt der vertragsärztlichen Versorgung gerechnet werden. Dabei ist nicht näher darauf einzugehen, dass die Zuordnung zur Krankenbehandlung systematisch zweifelhaft ist, weil die "kranke" Körperfunktion nicht geheilt, sondern ähnlich wie eine Behinderung lediglich überbrückt wird ("Funktionsausgleich" in der Terminologie des 3. Senats des BSG, vgl BSGE 66, 248, 250 = SozR 3-2200 § 182 Nr 2 S 5), und weil bei der Behandlungsnotwendigkeit der Wunsch des Versicherten eine mindestens ebenso gewichtige Rolle spielt wie die medizinische Diagnose. In Österreich, wo es eine dem § 27a SGB V vergleichbare Vorschrift nicht gibt, ist der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf die aufgezeigten Bedenken zum Ergebnis gekommen, die In-vitro-Fertilisation sei nicht unter den Begriff der Krankenbehandlung zu subsumieren (OGH SSV-NF 12, 634 mwN). Diese Bedenken werden auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Schweiz geteilt; im Ergebnis hat das Eidgenössische Versicherungsgericht aber die Frage der Behandlung offen lassen können, weil es die In-vitro-Fertilisation - jedenfalls im Jahr 1993 - im Anschluss an die Einschätzung der hierfür zuständigen Fachkommission beim Eidgenössischen Departement des Inneren nicht für eine wissenschaftlich ausgereifte Methode hielt (EVGE 119, 26, 30 ff; vgl auch EVGE 121, 289, 297).

Unabhängig von der Reichweite des Begriffs der Krankenbehandlung würde die In-vitro-Fertilisation jedenfalls der Prüfung der Zweckmäßigkeit bzw des therapeutischen Nutzens nicht standhalten, wie sie in § 12 Abs 1 bzw in § 135 Abs 1 SGB V für Behandlungsmethoden gefordert wird. Im Urteil vom 5. Juli 1995 hat der Senat in Abkehr von früherer Rechtsprechung entschieden, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Behandlungsmaßnahme nur beansprucht werden kann, wenn ihre Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist, und hat auch in späteren Erkenntnissen an diesem Grundsatz festgehalten (BSGE 76, 194, 199 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 12 - Drogensubstitution; BSGE 81, 54, 66 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 22 - immunbiologische Therapie). Er hat aus diesem Grundsatz weiter gefolgert, dass ein nur möglicher Behandlungserfolg grundsätzlich nicht geeignet ist, die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht zu begründen (BSGE 85, 56, 61 f = SozR 3-2500 § 28 Nr 4 S 19 f - Amalgamaustausch). Im Urteil vom 28. März 2000 hat er ausgeführt, dass Behandlungsmethoden, deren Wirksamkeit und Risiken nicht ausreichend erforscht sind, nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 - Aktiv-spezifische Immuntherapie).

§ 27a SGB V kann nur dahin verstanden werden, dass diese Grundsätze bei der künstlichen Befruchtung nicht uneingeschränkt gelten sollen. Mit der In-vitro-Fertilisation wurde eine Maßnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen, die nach der Gesetzesbegründung bestenfalls in 16 von hundert Versuchen zur Geburt eines Kindes führt, das überdies einem erhöhten Mortalitätsrisiko bei der Geburt oder kurz danach sowie einer unkalkulierbaren Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen ausgesetzt ist. Gründliche Erhebungen über Fehlbildungsraten im Vergleich zu normal gezeugten Kindern lagen und liegen bis heute nicht vor, weil Statistiken über Fehlbildungen nach den unterschiedlichsten Kriterien zustande kommen und es mangels eindeutiger Daten über Fehlbildungen bei normal gezeugten Kindern an einem verlässlichen Vergleichsmaßstab fehlt. Das ist unter anderem durch die Stellungnahme vom 9. September 1997 belegt, die der Biometriker Dr. W. für den Arbeitsausschuss "Richtlinien über künstliche Befruchtung" des Bundesausschusses abgegeben hat, und betrifft alle Verfahren der extrakorporalen Befruchtung gleichermaßen. Die aufgezeigten Bedenken gegen die extrakorporalen Varianten der künstlichen Befruchtung - nur auf diese kommt es in diesem Zusammenhang an - waren dem Gesetzgeber bekannt. Sie sind nicht nur in den Gesetzesmaterialien erwähnt; sie haben auch zur Obliegenheit des Versicherten geführt, sich vor einer mit einem Stimulationsverfahren verbundenen künstlichen Befruchtung über die medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte beraten zu lassen (§ 27a Abs 1 Nr 5 SGB V). Der Anspruch des Versicherten wurde aber ausdrücklich von den daraus ableitbaren Einwänden gegen die krankenversicherungsrechtliche Zweckmäßigkeit freigestellt. Die Gesetzesbegründung betont, die Leistungspflicht der Krankenkasse hänge "nur" davon ab, dass der Arzt das Ehepaar über die Risiken unterrichte (BT-Drucks 11/6760 S 15), was sinngemäß ergänzt werden muss: "… und nicht davon, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten." Der Anspruch entfällt also auch dann nicht, wenn die im konkreten Fall geplanten Maßnahmen nach Auffassung des Arztes mit erheblichen medizinischen Risiken behaftet sind. Abweichend von den sonstigen Grundsätzen des Leistungsrechts bleibt es der Entscheidung der Eheleute überlassen, ob sie ihren Kinderwunsch trotz dieser Risiken und der mäßigen Erfolgsaussichten zu Lasten der Krankenversicherung verwirklichen wollen.

Ob der zuletzt genannte Gesichtspunkt dazu zwingt, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ganz ohne Rücksicht auf die Risiken für die damit erzeugten Kinder zu bewerten, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls legt § 27a SGB V die Schwelle für die Anerkennung einer Befruchtungstechnik wesentlich niedriger als § 135 Abs 1 SGB V für die Bejahung des therapeutischen Nutzens einer Behandlungsmethode. Diese Wertung des Gesetzgebers darf bei der Prüfung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung nicht außer Acht gelassen werden. Wenn rechtspolitische Erwägungen dem Wunsch nach dem eigenen Kind einen hohen Rang einräumen und die Grundsätze des Leistungsrechts in der Krankenversicherung deshalb zurückdrängen, so muss das sowohl vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als auch von den dessen Entscheidungen kontrollierenden Gerichten akzeptiert werden. Offenbar soll § 27a SGB V der Solidargemeinschaft die größtmögliche Zurückhaltung gegenüber der elterlichen "Entscheidung für das Kind" auferlegen. Das mag auf der Befürchtung beruhen, jegliche Berücksichtigung von gesundheitlichen oder gar genetischen Risiken für das Kind könne verdächtigt werden, sie solle als Vorwand dazu dienen, bestimmte Eltern von eigener Nachkommenschaft auszuschließen. In diese Richtung weist die Verpflichtung zur umfassenden Beratung nach § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V, ohne dass aus den dabei zu erörternden Risiken irgendwelche Konsequenzen gezogen werden dürfen. Da die gesetzliche Krankenversicherung bei natürlicher Zeugung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt befugt sein kann, sich um den Gesundheitszustand zukünftiger Kinder ihrer Versicherten zu sorgen, geschweige denn aus möglicherweise erkannten Gefahren irgendwelche Konsequenzen zu ziehen, könnte eine Leistungsbeschränkung für künstliche Befruchtungen unter den angedeuteten Aspekten allenfalls mit den Kosten für ein sehr aufwendiges Verfahren gerechtfertigt werden (in dieser Richtung Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2000 - L 5 KR 99/98, Vorinstanz zum Urteil des Senats vom 3. April 2001 - B 1 KR 22/00 R). Eine diese Argumentation tragende Bedeutung hat der Gesetzgeber dem krankenversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht beigemessen, als er den Anspruch nach § 27a SGB V eingeführt hat, was vom Senat weder näher zu analysieren noch rechtspolitisch zu bewerten ist.

Die in 27a SGB V enthaltene Wertung muss auch bei der Anerkennung neuer Befruchtungstechniken durchschlagen. Der Senat verkennt nicht, dass der ICSI gegenüber der konventionellen In-vitro-Fertilisation schon deshalb eine wesentlich andere Qualität zukommt, weil der Befruchtungsvorgang nicht nur unterstützt, sondern durch Eindringen in die Eizelle selbst manipuliert wird. Trotzdem muss die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Erfolgsaussicht auf die Schwangerschaft abzustellen, sich bei Erfolgsquote und Fehlbildungsrate auf bescheidene Anforderungen zu beschränken und die Bewertung der mit der Hormonstimulation verbundenen Risiken den Betroffenen zu überlassen, bei der extrakorporalen Befruchtung mittels ICSI in gleicher Weise beachtet werden wie bei der Standardmethode der In-vitro-Fertilisation. Denn die Risiken des Stimulationsverfahrens und die Erfolgsquote sind im Wesentlichen gleich. Soweit bei Ehepaaren mit Fertilitätsstörungen eine Häufung von Chromosomenveränderungen festzustellen ist (vgl Human Reproduction Jg 4 = 1989, 91 ff), lässt sich eine Abgrenzung ebenfalls nicht rechtfertigen, weil sowohl die In-vitro-Fertilisation als auch die ICSI betroffen sind. Als denkbarer Anknüpfungspunkt für eine Unterscheidung bleiben die Risiken wegen Verletzungen der Eizelle und wegen der genetischen "Qualität" der Spermien; für beide Gesichtspunkte, aber insbesondere für die genetischen Erwägungen, ist mit Rücksicht auf die in § 27a SGB V enthaltenen rechtspolitischen Grundentscheidungen weitgehende Zurückhaltung geboten. Deshalb ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2001 (2 C 36/00), mit dem der Anspruch auf die ICSI im Rahmen der freien Heilfürsorge für Soldaten unter Berufung auf das Fehlbildungsrisiko abgelehnt wurde, auf die gesetzliche Krankenversicherung nicht übertragbar. Bei einem durch Gesetz ausdrücklich eingeräumten Anspruch auf künstliche Befruchtung ist überdies fraglich, ob sich eine unterschiedliche krankenversicherungsrechtliche Behandlung von Ehepaaren, die von einer andrologisch bedingten Unfruchtbarkeit betroffen sind und daher typischerweise die ICSI benötigen, gegenüber Ehepaaren rechtfertigen ließe, deren gynäkologisch bedingte Unfruchtbarkeit mittels einer In-vitro-Fertilisation auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse überwunden werden kann.

Im Ergebnis stünde ein Ausschluss der ICSI aus der vertragsärztlichen Versorgung mit der gleichzeitigen gesetzlichen Anerkennung der In-vitro-Fertilisation als solcher allenfalls dann im Einklang, wenn entweder mit erheblich weitergehenden Gesundheitsschäden für die Versicherten oder mit einer massiv erhöhten Fehlbildungsquote bei den geborenen Kindern zu rechnen wäre. Unabhängig davon ob erbgutbedingte Fehlbildungen von diesen Erwägungen ganz auszunehmen sind, erreichen die bisher erkennbaren Gesundheitsrisiken nach ICSI nicht das Ausmaß, das einen Ausschluss rechtfertigen könnte. Die von Fachleuten diskutierte Fehlbildungsrate von bis zum Doppelten der "natürlichen" Quote mag gravierend erscheinen, wenn sie mit Erfolgs- oder Misserfolgsquoten verschiedener Behandlungsalternativen verglichen wird, die im Rahmen des krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgebots zu bewerten sind. Diese Erwägungen müssen jedoch im Lichte des in § 27a SGB V festgelegten Rückzugs auf eine Beratungspflicht hinsichtlich des Fehlbildungsrisikos und im Lichte der in der Gesetzesbegründung zur Kenntnis genommenen und letztlich akzeptierten Erfolgswahrscheinlichkeiten für Schwangerschaft und Geburt bei der extrakorporalen Befruchtung relativiert werden. Die nur eingeschränkte Bedeutung der medizinischen Diskussion um das Fehlbildungsrisiko wird dadurch unterstrichen, dass die Bundesärztekammer die ICSI unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten akzeptiert (Abschnitt 3.2.1.3 der Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄ 1998, A-3166) und dass auch vorsichtige Schätzungen von 6.000 in Deutschland und 20.000 weltweit geborenen Kindern ausgehen (Gutachten Prof. Dr. Kollek vom 25. November 1999 im Verfahren B 1 KR 17/00 R, Seite 30).

Da die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zur Begründung des Beschlusses vom 1. Oktober 1997 genannten Gesichtspunkte den Ausschluss der ICSI nicht rechtfertigen und andere Gründe für eine solche Entscheidung weder genannt noch ersichtlich sind, hätte die Methode mit Wirkung ab 1. Januar 1998 in den Katalog der von den Krankenkassen zu gewährenden Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aufgenommen werden müssen. Ab diesem Zeitpunkt besteht eine Lücke im Leistungssystem, die zugunsten der betroffenen Versicherten geschlossen werden muss. Im konkreten Fall führt der festgestellte Systemmangel zur Rechtswidrigkeit der auf die unwirksamen Richtlinien gestützten Ablehnungsentscheidung der Beklagten. Da eine Indikation für den Einsatz der Spermieninjektion beim Ehemann der Klägerin unzweifelhaft vorliegt, stünde der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V zu, wenn sich die Eheleute die erforderlichen Maßnahmen auf eigene Kosten beschafft hätten oder beschaffen würden (dazu stellvertretend: BSGE 86, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 mwN). Da die ICSI hier bisher nicht durchgeführt wurde, hätte die Beklagte sie an sich als Sachleistung zu erbringen. Den Sachleistungsanspruch kann sie jedoch derzeit nicht erfüllen, weil dazu erst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen muss präzisieren, bei welchen Indikationen die ICSI auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt ist. Zu Beschränkungen in dieser Hinsicht kann Anlass bestehen, weil die Methode im Verhältnis zur konventionellen In-vitro-Fertilisation offenbar erheblich öfter angewandt wird als es nach der statistischen Verteilung von Fertilitätsstörungen in der männlichen bzw weiblichen Bevölkerung zu erwarten wäre. Welche Gründe dafür verantwortlich sind und ob es - auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten - deshalb geboten ist, die ICSI beispielsweise nur bei strenger Indikationsstellung als Kassenleistung zuzulassen, ist nicht vom Gericht, sondern vom Bundesausschuss zu entscheiden. Außerdem müssen die bei der ICSI erforderlichen zusätzlichen ärztlichen Leistungen durch den Bewertungsausschuss im EBM-Ä gebührenrechtlich erfasst werden, damit sie ordnungsgemäß abgerechnet werden können.

Bevor diese Voraussetzungen gegeben sind, ist die Beklagte außer Stande, der Klägerin die künstliche Befruchtung mittels ICSI auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg als Sachleistung zu verschaffen. Andererseits kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, die erneute Entscheidung des Bundesausschusses abzuwarten, da sich die Erfolgschancen der geplanten Maßnahme durch weiteren Zeitablauf verschlechtern. Versuche einer künstlichen Befruchtung haben mit zunehmendem Alter der Frau immer geringere Aussicht auf Erfolg (vgl Abschnitt 9. der Richtlinien des Bundesausschusses über die künstliche Befruchtung, BAnz Nr 243 vom 31. Dezember 1997; Beier, Assistierte Reproduktion, München 1997, Seite 32, Abbildung 17). In einem solchen Fall gibt § 13 Abs 3 SGB V dem Versicherten das Recht, sich unaufschiebbare Leistungen auf Kosten der Krankenkasse selbst zu beschaffen (vgl BSGE 73, 271, 286 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 25 f). In gleicher Weise muss der Versicherte verlangen können, dass die Krankenkasse die Kosten vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet, wenn feststeht, dass die Leistung unabhängig von der noch zu treffenden Entscheidung des Bundesausschusses in jedem Fall von ihr zu gewähren ist. Einer analogen Anwendung des § 13 Abs 3 SGB V in diesen Fällen steht nicht entgegen, dass für den Erstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des Senats eine tatsächliche Kostenbelastung des Versicherten, mindestens in Gestalt einer entsprechenden Verbindlichkeit, vorausgesetzt wird, weil andernfalls mit Hilfe der Vorschrift die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung umgangen werden könnte (grundlegend: BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14 S 68 f sowie BSGE 86, 66, 69, 76 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 90, 97). Dieser Aspekt hat hier keine Bedeutung, weil es nicht um Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen, sondern um die Bereitstellung einer von der Krankenkasse geschuldeten, bisher noch nicht durchgeführten Behandlung geht. Durch das zusprechende Urteil wird die Klägerin von den Beschränkungen des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts nur insoweit befreit, als dies zur Überwindung des Systemmangels erforderlich ist. Die in § 27a Abs 1 SGB V und in den Richtlinien nach § 27a Abs 4 SGB V festgelegten Leistungsbedingungen bleiben für sie maßgebend.

Da das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen hat, war sein Urteil zu ändern und die Beklagte zur Übernahme der durch die künstliche Befruchtung mittels ICSI entstehenden Kosten zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Rechtsgebiete

Sozialrecht