Grundstückserwerb bei noch zu errichtendem Gebäude
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
18. 07. 1990
Aktenzeichen
II R 41/88
Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude, so ändern vereinbarte und erbrachte Eigenleistungen grundsätzlich nichts am Gegenstand des Erwerbsvorgangs; die Eigenleistungen sind jedoch selbst nicht Bestandteil der Gegenleistung (BFHE 137, 504, BStBl II 1983, 336).
Auch besonders umfangreiche Eigenleistungen - die ggf. die verbleibenden Leistungen der Veräußererseite überwiegen - führen zu keinem anderen Ergebnis, wenn wesentliche Arbeiten zur Herstellung des Gebäudes von der Veräußererseite zu erbringen sind.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 19. April 1984 eine Teilfläche aus einem Grundstück. Die Veräußerer waren durch Rechtsanwalt X vertreten. Der Kaufpreis betrug 37.500 DM. Durch Erklärungen in derselben notariellen Urkunde schloss der Kläger gleichzeitig mit der A-GmbH einen Vertrag, der die GmbH verpflichtete, auf dem erworbenen (Trenn-)Grundstück ein Reihenendhaus mit Doppelgarage schlüsselfertig zu errichten. Wegen der Bauausführung wurde auf die als Anlage beigefügten Pläne sowie auf die ebenfalls beiliegende Zusatzbaubeschreibung Bezug genommen. Nach der Zusatzbaubeschreibung sollte der Kläger als Eigenleistungen die Erd-, Entwässerungs-, Maurer- und Stahlbetonarbeiten, die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten, die Maler- und Estricharbeiten, die Balkonbrüstung, Fensterbänke und Bodenbeläge selbst erbringen. Diese Eigenleistungen wurden nach der Zusatzbaubeschreibung mit insgesamt 153.708,68 DM bewertet. Das Entgelt für die Leistungen der GmbH betrug 101.051,32 DM. Es war in Raten zu entrichten. Die Fälligkeit dieser Raten setzte voraus, dass die Baugenehmigung erteilt und der Kaufpreis für das Grundstück zur Zahlung fällig geworden war. Für die Eigenleistungen übernahm die GmbH keine Gewährleistung. Der notariell beurkundete Vertrag war mit "Kaufvertrag sowie Bauvertrag" überschrieben. Der Kläger war berechtigt, vom Kaufvertrag über das Grundstück zurückzutreten, wenn die Baugenehmigung hinsichtlich des Bauobjekts nicht erteilt werden sollte. Bereits am 21. März 1984 hatte die GmbH ihre Geschäftsführer durch notariell beurkundete Erklärungen bevollmächtigt, Bauverträge über die Errichtung von Eigenheimen durch die Käufer von Teilflächen aus dem genannten Grundstück abzuschließen. Die GmbH warb durch Zeitungsanzeigen und Plakatierung damit, dass sie in einem ersten Bauabschnitt drei freistehende Einfamilienhäuser, elf Kettenhäuser und neun Reihenhäuser errichten werde. In diesen Werbungen wurden jeweils mit vollständiger Anschrift für die Baubetreuung X und für die Gesamtabwicklung die GmbH angegeben.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen den Kläger am 15. Juni 1984 durch zwei getrennte Bescheide Grunderwerbsteuer fest. In dem einen setzte es ausgehend von einer vorläufigen Gegenleistung von 37.500 DM die Steuer vorläufig auf 750 DM fest. Mit dem zweiten Bescheid setzte es ausgehend von einer Gegenleistung von 101.051,32 DM eine weitere Steuer in Höhe von 2.021 DM fest. In den Erläuterungen zu beiden Bescheiden führte das FA aus, dass der Erwerb des Grund und Bodens und des Hauses einen rechtlich einheitlichen Vertrag i.S. von § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstelle. Der erstgenannte Bescheid wurde später auf 740 DM abgeändert. Gegen den zweitgenannten Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, dass die Aufwendungen für die Errichtung des Hauses nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen seien. Dazu trug er im Wesentlichen vor: Hinsichtlich des Gebäudes fehle es an einem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang. Der Kläger habe den Rohbau in Eigenleistung erstellt. Die von der GmbH zu erbringenden Leistungen seien als Bauleistungen und nicht als Gebäudeerrichtung zu qualifizieren. Der Kläger habe erheblichen Einfluss auf die Bauplanung genommen. Der Kläger habe den Rohbau, mit dem die Bauarbeiten notwendig beginnen müssten, selbst erstellt und das Gebäude auf eigenes Risiko gebaut. Er sei daher Bauherr. Auch die Baugenehmigung sei in seinem Namen und auf seine Rechnung beantragt und erteilt worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit Gebäude gewesen. Es liege ein einheitlicher Vertrag i.S. von § 139 BGB vor, der auf Übereignung eines Grundstücks mit schlüsselfertigem Gebäude gerichtet sei. Zutreffend seien aber die Eigenleistungen des Klägers nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden.
Mit der Revision macht der Kläger sinngemäß Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 geltend. Er beantragt, den Grunderwerbsteuerbescheid, die Einspruchsentscheidung und das Urteil des FG ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass Umfang und Art der Eigenleistungen dem Entscheidungsergebnis des FG entgegenstünden.
Das beklagte FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Auszüge aus den Gründen:
II.
Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück angesehen.
Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb des (noch zu bildenden Trenn-)Grundstücks ist ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung; vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).
Das FG geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass der Kaufvertrag über das Grundstück und der Vertrag über die Errichtung des Gebäudes als einheitlicher Vertrag i.S. von § 139 BGB anzusehen sind. Daraus folgert es, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand sei. Dies entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Im Streitfall kommt es daher nicht mehr darauf an, dass nach der Auffassung des erkennenden Senats das Grundstück in bebautem Zustand auch dann Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein kann, wenn zivilrechtlich kein einheitlicher Vertrag vorliegt, zwischen den mehreren Verträgen aber ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang besteht.
Dem Entscheidungsergebnis steht es nicht entgegen, dass der Kläger zu (umfangreichen) Eigenleistungen verpflichtet war und diese auch erbracht hat. Der Senat hält insoweit an seiner Auffassung fest, dass (vereinbarte) Eigenleistungen zwar grundsätzlich nichts am (nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmenden) Gegenstand des Erwerbsvorgangs ändern, sie selbst aber nicht Bestandteil der Gegenleistung sind (vgl. BFH-Entscheidung vom 1. Dezember 1982 II R 58/81, BFHE 137, 504, BStBl II 1983, 336). Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, dass die Erbringung (vereinbarter) Eigenleistungen eine Mitwirkungspflicht ist, die selbst keine Vergütung für die Leistung des Veräußerers ist. Aus dieser rechtlichen Qualifizierung der Eigenleistungsverpflichtung als Mitwirkungspflicht folgt jedoch auch, dass diese die Hauptleistungspflicht des Veräußerers nicht berührt.
Ausgehend von dieser Überlegung ist es grundsätzlich unerheblich, welchen Bauabschnitt der Erwerber in Eigenleistung übernimmt. Es ist daher nicht ausschlaggebend, dass im Streitfall im (Wesentlichen) zuerst die Eigenleistungen (Rohbauerrichtung) und erst danach die (verbleibenden) Leistungen der Veräußererseite zu erbringen waren.
Zweifel am Entscheidungsergebnis könnten sich allerdings ergeben aus dem Umfang der Eigenleistungen, die im Streitfall die Leistungen der Veräußererseite wertmäßig überwiegen. Der Umfang der Eigenleistungen könnte dazu führen, den Vertrag dahingehend zu deuten, dass - entgegen seinem Wortlaut und seiner Qualifizierung durch die Parteien selbst - von der Veräußererseite nicht ein bezugsfertiges Gebäude (wenn auch unter Mitwirkung des Erwerbers), sondern nur die einzelnen (verbleibenden) Bauleistungen geschuldet wären. Im Streitfall sind die von der Veräußererseite zu erbringenden Arbeiten (Leistungen) jedoch so wesentlich, dass sie einer derartigen Auslegung entgegenstehen. Auch Eigenleistungen des im Streitfall vereinbarten Umfangs schließen es daher nicht aus, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist.
Da Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand ist, waren die Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes in die Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) miteinzubeziehen. Nicht zur Gegenleistung rechneten aber die Eigenleistungen selbst. Das FG hat daher zutreffend entschieden.
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