Altersvorsorgeunterhalt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres
Gericht
OLG Frankfurt/M.
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
30. 05. 1990
Aktenzeichen
4 UF 183/89
Altersvorsorgeunterhalt kann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres verlangt werden.
Auszüge aus den Gründen:
Der Antragstellerin [ASt.] kann die begehrte Prozesskostenhilfe wegen des Fehlens der hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht bewilligt werden.
Soweit die ASt. geltend macht, ihr stehe noch ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt zu, so gilt dies nur bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Das OLG Düsseldorf (FamRZ 1981, 1184, 1187) hat entschieden, der Anspruch auf Vorsorgeunterhalt entfalle nicht ohne weiteres, wenn sich der Berechtigte wegen fortgeschrittenen Alters (60 Jahre) eine ausreichende Alterssicherung nicht mehr mit zumutbaren Mitteln aufbauen könne; soweit bei der unterhaltsmäßigen Alterssicherung Lücken blieben - etwa wegen des Risikos einer Vermögensverschlechterung oder des Vorversterbens des Verpflichteten - könne zur Absicherung der Vorsorgezuschlag verlangt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH entfällt hinsichtlich des Vorsorgebeitrages ein Unterhaltsbedürfnis erst, wenn eine Altersversorgung zu erwarten ist, die diejenige des Unterhaltsverpflichteten erreicht (FamRZ 1988, 1145, 1147 - die Kl. war dort 1942 geboren; FamRZ 1982, 1187, 1188; FamRZ 1981, 442, 445).
Aus dieser Rechtsprechung muss jedoch nicht zwingend geschlossen werden, dass Vorsorgeunterhalt bis ins hohe Alter des Berechtigten gezahlt werden muss, wenn die zuvor genannten Kriterien nicht erfüllt sind.
Nach dem Wortlaut des § 1578 III BGB sind lediglich die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit geschuldet. Das Gesetz will dem Ehegatten, der nach der Scheidung aus den aufgeführten Gründen gehindert ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und so auf den ihm durch den VersAusgl übertragenen Versorgungsanrechten aufzubauen, die Möglichkeit verschaffen, seine Versorgung im Wege einer freiwilligen Weiterversicherung zu erhöhen, um damit die ansonsten entstehende Lücke in seiner sozialen Biographie zu verhindern. Es sollen mit unterhaltsrechtlichen Mitteln die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Berechtigten aus der ehebedingten Behinderung seiner Erwerbstätigkeit erwachsen (BGH, FamRZ 1981, 442, 444). Deswegen hat es der BGH (a.a.O.) als gerechtfertigt angesehen, den Elementarunterhalt zu dem Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit und den Vorsorgeunterhalt zu den Versicherungsbeiträgen in Beziehung zu setzen, die im Hinblick auf ein derartiges Erwerbseinkommen zu entrichten wären, und damit den Berechtigten hinsichtlich der Altersvorsorge so zu behandeln, wie wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkommen in Höhe des ihm an sich zustehenden Elementarunterhalts hätte. Dann ist es aber sachgerecht, den Anspruch auf Leistungen wegen Altersvorsorgeunterhalt auf den Zeitpunkt zu begrenzen, ab dem der Berechtigte selbst durch Erwerbstätigkeit keine Altersvorsorge mehr getroffen hätte. Nur insoweit ist eine Lücke in seiner sozialen Biographie entstanden, für die der frühere Ehepartner mit einzustehen hätte. Geht es nicht mehr um die Vorsorge für das Alter, sondern die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs im Alter, ist für die Anwendung von § 1578 III BGB kein Raum
(vgl. Rolland, 1. EheRG, 2. Aufl., § 1578 Rz. 9; siehe auch Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., S. 783, und Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl., Rz. 307, wonach es Sinn und Zweck des Vorsorgeunterhalts widerspricht, eine solche Leistung weiterhin erbringen zu müssen, wenn der Berechtigte ein Altersruhegeld bezieht).
Hieraus folgt, dass der am 23. 8. 1924 geborenen ASt. nach Abschluss des 65. Lebensjahres kein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt mehr zusteht. Für die Zeit davor kann ihr dieser allerdings nicht mit der Begründung des AmtsG versagt werden, es habe sich herausgestellt, dass sie die entsprechend ausgeurteilten Beträge für den täglichen Konsum verwendet habe. Soweit sich die ASt. darauf beruft, es sei nicht nachvollziehbar, woraus das Gericht diese Auffassung herleite, dies sei eine bloße Vermutung, so ist darauf hinzuweisen, dass im Schriftsatz der Gegenseite v. 19. 5. 1988 ein entsprechender Vortrag enthalten ist. Dem ist die ASt. zwar nicht entgegengetreten, und sie hat auch bis jetzt nicht detailliert ausgeführt, was sie tatsächlich mit den Beträgen für die Altersvorsorge gemacht hat. Zweckwidriges Verwenden von Vorsorgeunterhalt berechtigt aber nicht zur Einstellung der Zahlungen insgesamt. Der Berechtigte kann dann unter Umständen nur die Zahlung an einen Versicherungsträger verlangen (BGH, FamRZ 1987, 684, 688) bzw. kann einem Unterhaltsanspruch wegen einer später hieraus resultierenden Bedürftigkeit der Einwand des § 1579 Nr. 3 BGB entgegenstehen (BGH, FamRZ 1987, 684, 686).
Bei einer Berechnung des Unterhalts entsprechend dem Vorgehen des AmtsG und der ASt. ergibt sich danach der vom erstinstanzlichen Gericht festgelegte Ausgangsbetrag von 910,98 DM für die Zeit ab September 1989.
Soweit sich die ASt. gegen die vom AmtsG im Hinblick auf § 1579 BGB noch vorgenommene Kürzung dieses Betrages und des Unterhalts ab Juni 1988 um monatlich 58,31 DM wendet und auch im Hinblick auf ihr an sich zustehenden Altersvorsorgeunterhalt für März bis Mai 1988 monatlich weitere ca. 106 DM, für Juni 1988 weitere ca. 164 DM, für Juli 1988 weitere ca. 157 DM, für August bis Dezember 1988 weitere ca. 155 DM monatlich und für Januar bis August 1989 weitere ca. 161 DM im Monat begehrt, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass die Herabsetzung zu Recht vorgenommen worden ist und der Einwand ebenso der weiteren Erhöhung entgegensteht.
Nach § 1579 Nr. 2 BGB ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, weil sich der Berechtigte u. a. eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat. Die Einstufung eines Vergehens als schwer wird danach beurteilt, ob das Verhältnis der Eheleute oder geschiedenen Ehegatten durch die in Frage stehende Tat besonders schwer getroffen wird; ob Art, Zweck und die Umstände des Vergehens dem Verpflichteten die Zahlung von Unterhalt unzumutbar machen, ergibt sich aus dem Bezug zum Unterhaltsverpflichteten (vgl. Göppinger, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., Rz. 280 und 280 a, wonach ein Vermögensdelikt vor allem dann als schweres anzusehen ist, wenn es das Einkommen oder Vermögen des Unterhaltsverpflichteten und damit die wirtschaftliche Grundlage seiner Unterhaltsverpflichtung erheblich und nachhaltig beeinträchtigt; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., S. 660, wonach Vermögensdelikte vor allem deshalb als schweres vorsätzliches Vergehen anzusehen sind, weil dadurch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse regelmäßig einschneidend Einfluss genommen wird; Palandt/Diederichsen, BGB, 49. Aufl., § 1579 Anm. 3 b; BGH, FamRZ 1984, 32, wonach dem Umfang der möglichen wirtschaftlichen Schädigung des Unterhaltspflichtigen bei täuschenden Angaben zur Erlangung höheren Unterhalts für die Beurteilung der Verfehlung eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird, für die Qualifizierung als schwer es genügt, dass der Schaden den Unterhaltsverpflichteten empfindlich trifft; BGH, FamRZ 1981, 539; siehe auch Rolland, 1. EheRG, 2. Aufl., § 1579 Rz. 9, der darlegt, als schwer werde man eine Tat werten können, die einen nach oben weiten Strafrahmen aufweise und deren Ahndung im konkreten Fall eine über das Durchschnittliche hinausgehende Ausschöpfung des Strafrahmens ermöglichen würde, wobei letztlich offen bleibt, ob dieses als einziger Fall der Möglichkeit der Annahme eines schweren Vergehens angesehen werden soll, da eine Auseinandersetzung mit den anderen Gesichtspunkten fehlt.
Die ASt. hat im Verfahren, in dem sie nachehel. Unterhalt begehrte, ihr Renteneinkommen nicht zutreffend dargelegt. ...
Das Verhalten der ASt. hat dazu geführt, dass das AmtsG mit unzutreffenden Zahlen gerechnet hat, die vom AGg. eingelegte Berufung ist zurückgenommen worden.
Wird nur die Zeit ab 1. 4. 1985 (Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente der ASt.) genommen, so ist ausgehend von der damaligen Berechnung des AmtsG bei Angabe der bekannten Zahlen bis zum Urteil des AmtsG folgender Schaden entstanden: ...
Dieser Schaden von monatlich ca. 140 DM kann ebenso für die Zeit danach bei gestiegener Rente, aber wohl auch erhöhtem Einkommen des AGg. angenommen werden.
Der ASt. ist danach ein Betrug gemäß § 263 StGB zur Last zu legen. Ihr Vorbringen, sie habe in der Vergangenheit keine Rentenbescheide erhalten und seit der Trennung der Parteien insgesamt 5 Umzüge durchgeführt, sei deswegen und wegen der durch die Trennung und Scheidung aufgetretenen Belastung in einem seelisch völlig desolaten Zustand gewesen, sie sei gezwungen gewesen, ihre sämtlichen Unterlagen in einem Kellerverschlag unterzubringen, was alles dazu geführt habe, dass sie über einen langen Zeitraum hinweg überhaupt keinen Überblick über ihre Kontenbewegungen gehabt habe bzw. sich habe verschaffen können, sieht der Senat als Schutzbehauptung an. Der ASt. sind in dem früheren Gutachten über ihre Erwerbsfähigkeit zwar Störungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit und ein reaktiv-depressiver Verstimmungszustand attestiert worden, es ist dort dargelegt worden, die spürbare Verminderung der Konzentrations- und Merkfähigkeit sei als ein nicht unerhebliches Nachlassen der geistigen Kräfte zu werten. Gleichzeitig wurde aber eine intellektuelle Fähigkeit in sehr genauer Differenzierung bescheinigt. Wird berücksichtigt, dass sich das Gutachten auf die Frage der gegebenen Erwerbsunfähigkeit bezog - wegen des Nachlassens der geistigen Kräfte sollte sie für die anspruchsvolle Tätigkeit einer Übersetzerin nicht mehr zur Verfügung stehen -, so lässt sich daraus nicht herleiten, dass die ASt. außerstande war, richtige Angaben zu machen. Die von der ASt. im früheren Verfahren geschriebenen Briefe zeigen, dass sie mit dem Sachverhalt vertraut war, ihr bekannt war, dass der Rente Bedeutung zukam. Dadurch, dass Unterlagen im Keller untergebracht worden sein sollen, mehrere Umzüge stattfanden, wird die Kenntnis der ASt. von der Höhe der Rente nicht ausgeschlossen. Sie hat Kontoauszüge vorgelegt, wonach Rentenauszahlungen ausgewiesen worden sind. Bevor diese im Keller untergebracht worden sind, müssen sie von der Bank abgeholt worden sein. Dass ihr dabei die wesentlich erhöhten Beträge nicht aufgefallen sein sollen, ist unglaubhaft. Die ASt. war schließlich auf das Geld angewiesen. Die Kontoauszüge enthalten im Übrigen zum Teil Randbemerkungen.
Das Verhalten der ASt. ist auch als schwer einzuordnen. Zwar bezog der AGg. ein recht gutes Einkommen, verblieben ihm nach Abzug des ausgeurteilten Unterhalts Beträge von ca. 2300 DM bzw. 2100 DM. Damit bewegte er sich jedoch nicht mehr in einem Einkommensbereich, der als besonders gut bezeichnet werden kann. Eine jährliche Einkommensminderung von ca. 1680 DM, monatlich 140 DM, stellt schon einen beträchtlichen Verlust dar, wobei die ASt. auch damals sicherlich nicht absehen konnte, dass der 1938 geborene AGg. bereits 1988 pensioniert werden würde und dann im Abänderungsverfahren alsbald ihr Verhalten aufgedeckt würde. Der Vorteil wäre ihr also mehrere Jahre zugeflossen.
Die Zahlung eines erhöhten Unterhalts wäre für den AGg. grob unbillig. Die Ehe bestand zwar über eine längere Zeit, die ASt. ist jedoch durch die ihr vom AmtsG zugesprochenen Beträge nebst Rente durchaus gesichert. Zu berücksichtigen ist daneben das hartnäckige Verhalten der ASt. In der Klageerwiderung rechnete sie noch mit einem Renteneinkommen von 600 DM. Trotz Teilanerkennungsurteils v. 28. 6. 1988, wonach sie über ihr Einkommen für die Zeit vom 1. 6. 1987 bis 31. 5. 1988 Auskunft zu erteilen hatte, hat sie erst mit Schriftsatz v. 21. 3. 1989 exakte Angaben gemacht, obwohl die Höhe der Rentenzahlungen für den im Urteil festgelegten Zeitraum sicherlich leicht feststellbar war.
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