Gewährleistung für unrichtige Angaben im Mieterhöhungsverlangen
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
05. 05. 2000
Aktenzeichen
4 U 263/99
Unrichtige Angaben im Mieterhöhungsverlangen gem. § 2 II MHRG sind in der Regel nicht geeignet, Gewährleistungsfolgen i.S. von § 537 BGB auszulösen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. vermietete der Bekl. mit Vertrag vom 1. 6. 1981 eine Wohnung in ihrem Mehrfamilienhaus in Hamburg. Die Wohnfläche wurde in § 1 Nr. 1 Mietvertrag mit „ca. 190 m²“ angegeben. Die monatliche Nettomiete belief sich ursprünglich auf 1150 DM. Mit Schreiben vom 14. 2. 1991 machte die Kl. eine Mieterhöhung auf 1379 DM geltend; den erhöhten Betrag errechnete sie aus einer Miete von 7,26 DM/m² und einer Wohnfläche von 190 m². Die Bekl. stimmte dem Erhöhungsverlangen zu. Mit weiterem Mieterhöhungsverlangen vom 26. 4. 1994 verlangte die Kl. eine Mieterhöhung auf 1786 DM auf der Basis von 9,40 DM/m² und einer Wohnfläche von wiederum 190 m². Die Bekl. stimmte auch dieser Mieterhöhung zu. Für die Monate August bis Dezember 1997 nahm die Bekl. Mietkürzungen vor, deren Nachzahlung die Kl. verlangt. Im Wege der Widerklage begehrt die Bekl. Rückzahlung eines Teils des in der Vergangenheit gezahlten Mietzinses, da die Wohnfläche nur 163,5 m² betrage. Das AG hat - ohne Überprüfung der streitigen tatsächlichen Wohnfläche - einen Mangel der Wohnung bzw. das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft verneint. Eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung auf Grund der Flächendifferenz könne nicht festgestellt werden. Ihre dagegen eingelegte Berufung begründet die Bekl. mit Schadensersatzansprüchen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss. Sie habe in der Vergangenheit wegen falscher Wohnflächenangaben einen zu hohen Mietzins gezahlt. Mit den Mieterhöhungsverlangen sei zudem von der Kl. eine Wohnungsgröße von 190m² zugesichert worden. Das LG hat die Wohnfläche durch eine Sachverständige feststellen lassen. Danach beträgt die Wohnfläche 170,21 m². Die Berufung hinsichtlich eines Teils der von der Bekl. geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Mietüberzahlungen (für die Zeit vor 1994) hat das LG durch Teilurteil vom 26. 11. 1999 wegen Verjährung zurückgewiesen. Im Übrigen möchte es der Bekl. einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses zusprechen, sieht sich hieran jedoch durch den Rechtsentscheid des OLG Dresden vom 15. 12. 1997 (NZM 1998, 184) gehindert. Das LG ist der Auffassung, dass es sich bei einer nicht nur unerheblichen Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von den im Mietvertrag oder in einem Mieterhöhungsverlangen gemachten Angaben um einen Sachmangel i.S. von § 537 I BGB handelt. Darüber hinaus müsse - entgegen der Ansicht des OLG Dresden - eine durch die geringere Wohnfläche bedingte Gebrauchsbeeinträchtigung nicht festgestellt werden. Dies sei entscheidungserheblich. Die Flächenabweichung betrage 10,4%. Ansprüche der Bekl. aus culpa in contrahendo, positiver Vertragsverletzung oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kämen ebenso wenig in Betracht wie bereicherungsrechtliche Ansprüche infolge Verstoßes gegen § 10 MHRG. Andererseits scheitere das Begehren der Bekl. nicht an einer analogen Anwendung von § 539 BGB. Zwar handele es sich im vorliegenden Rechtsstreit - anders als bei dem Rechtsentscheid des OLG Dresden - nicht um einen Streit über die Folgen einer unrichtigen Flächenangabe im ursprünglichen Mietvertrag. Sollte die Divergenz zum Rechtsentscheid des OLG Dresden aus diesem Grunde verneint werden, komme der vorgelegten Rechtsfrage aber grundsätzliche Bedeutung zu. Die Problematik sei bereits mehrfach Gegenstand von Berufungsverfahren gewesen, die indes jeweils gütlich abgeschlossen worden seien.
Das LG (NZM 2000, 84) hat dem Senat die folgende Frage zum Erlass eines Rechtsentscheids vorgelegt: „Stellt es einen Sachmangel der vermieteten Wohnung nach § 537 I BGB dar, wenn deren Fläche erheblich von derjenigen abweicht, welche die Parteien im Mietvertrag und bei ihrer Einigung über eine Mieterhöhung zu Grunde gelegt haben?“ Das OLG hat den Erlass eines Rechtsentscheids abgelehnt.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Rechtsentscheids liegen nicht vor, da nicht feststellbar ist, dass die vorgelegte Rechtsfrage für die Berufungsentscheidung des LG erheblich ist.
1. Dies gilt zunächst insoweit, als sich die Vorlagefrage auf eine unrichtige Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag bezieht. Der Streit der Prozessparteien geht nämlich - wie das LG in der Vorlagebegründung feststellt - um die Folgen einer unrichtigen Flächenangabe nicht im ursprünglichen Mietvertrag, sondern im Rahmen von Mieterhöhungsverfahren. Eine Minderung der ursprünglich vereinbarten Miethöhe wird von der Bekl. nicht geltend gemacht. Auf die Frage eines Sachmangels wegen einer im Mietvertrag zu Grunde gelegten unrichtigen Flächenangabe kommt es deshalb für die Streitentscheidung nicht an, nachdem das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Hinblick auf die mietbildenden Faktoren des § 2 I 1 Nr. 2 MHRG, insbesondere also auch die Wohnfläche, unabhängig von ursprünglichen subjektiven Äquivalenzvorstellungen neu bestimmt worden war. Jedenfalls hat das LG nicht dargelegt, dass es von einem rechtlichen Zusammenhang zwischen der unrichtigen Flächenangabe im Mietvertrag und der bei der Einigung über eine Mieterhöhung zu Grunde gelegten Wohnfläche ausgeht.
2. Soweit die Frage eines Sachmangels wegen der unrichtigen Wohnflächenangabe bei der Mieterhöhung gestellt wird, ist zu differenzieren: Dem LG geht es um die Frage, ob bei der Anwendung des § 537 I BGB ein Mangel schon bei einer erheblichen Flächenabweichung anzunehmen ist oder ob außerdem eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauch feststellbar sein muss. Auf diese Fragestellung zielt die Begründung der eigenen Auffassung des LG, die sich auf eine Auseinandersetzung mit der diesbezüglich abweichenden Auffassung des OLG Dresden beschränkt. Dabei geht der Senat davon aus, dass das LG eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauch im konkreten Fall nicht für gegeben hält.
Vorrangig stellt sich jedoch die Frage, ob unrichtige Angaben des Vermieters in einem vom Mieter akzeptierten Mieterhöhungsverlangen generell geeignet sind, Gewährleistungsfolgen i.S. von § 537 I BGB auszulösen. Diese Frage wird vom Wortlaut der Vorlagefrage zwar mitumfasst, in der Begründung des Vorlagebeschlusses aber nicht erörtert. Falls auch sie vorgelegt werden sollte, hätte es aber auch insoweit einer Begründung der eigenen Ansicht bedurft (Fischer, in: Bub/Treier, Hdb.d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rdnr. 159; Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 541 Rdnr. 49). Im Falle ihrer Verneinung wäre die auf eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsentscheid des OLG Dresden zielende Vorlagefrage hinfällig, so dass deren Entscheidungserheblichkeit nicht festzustellen ist (vgl. BGH, NJW 1990, 3142 = NJW-RR 1991, 10 L = MDR 1991, 238; Zöller/Gummer, § 541 Rdnr. 21).
Bei der insoweit gebotenen Prüfung ist zu bedenken, dass § 537 BGB eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten voraussetzt (vgl. nur Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 537 Rdnr. 12). Durch die Angaben im Mieterhöhungsverlangen, dem der Mieter zugestimmt hat, wird der geschuldete Zustand der Mietsache aber nicht vertraglich festgelegt. Wie das LG in anderem Zusammenhang selbst zutreffend ausgeführt hat (unter III 1e), beziehen sich die vertragsändernden Erklärungen sowohl des Vermieters als auch des Mieters i.d.R. allein auf den Betrag des künftig geschuldeten Mietzinses (vgl. auch Sternel, MietR, 3. Aufl., III Rdnr. 723; KG, NZM 1998, 68 = NJW-RR 1998, 226). In der nach § 2 II MHRG notwendigen und zur Information des Mieters bestimmten (vgl. BVerfG, NJW 1987, 313 = ZMR 1986, 272) Angabe der Berechnungsfaktoren, u.a. der Fläche, liegt keine vertraglich bindende Erklärung des Vermieters.
Falls das LG dennoch zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass unrichtige Flächenangaben in einem Mieterhöhungsverlangen, dem der Mieter zugestimmt hat, Gewährleistungsfolgen i.S. von § 537 I BGB auszulösen geeignet sind, würde sich die Frage einer Vorlage erneut stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 537 BGB auf Angaben im Mieterhöhungsverlangen und die Frage der weiteren Minderungsvoraussetzungen in der Weise zusammengehören, dass die letztere nicht ohne die erstere beantwortet werden kann. Das Ergebnis eines Rechtsentscheids darf nicht durch eine eigene Teilbeantwortung einer einheitlichen Frage vom LG schon in eine bestimmte Richtung gelenkt werden (OLG Karlsruhe, NJW 1983, 1863 = WuM 1982, 269; Fischer, in: Bub/Treier, VIII Rdnr. 157).
3. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Konstellation des Streitfalls, in dem die falsche Fläche von den Parteien im Mietvertrag und bei ihrer Einigung über eine Mieterhöhung zu Grunde gelegt worden ist, ist die Erheblichkeit der Vorlagefrage im engeren Sinne nicht ersichtlich. Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der mietvertraglichen Flächenangabe und der Angabe im Mieterhöhungsverfahren ist selbst hier nicht erkennbar. Nach der ganz h.M., die sich auf § 10 I MHRG stützen kann, ist im Mieterhöhungsverfahren allein die ortsübliche Miete und damit deren tatsächliche Faktoren, also insbesondere die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich, auch wenn im Mietvertrag eine größere Fläche angegeben ist (Barthelmess, WKSchG/MHRG, 5. Aufl., § 2 MHRG Rdnr. 29; Schultz, in: Bub/Treier, III Rdnr. 523, Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, MietR, 7. Aufl., § 2 MHRG Rdnr. 62, § 10 Rdnrn. 17; Sternel, III Rdnr. 587; ders., MietR aktuell, 3. Aufl., Rdnrn. 396, 593; Kraemer, NZM 1999, 156 [162 zu V]). Nachdem die Parteien das Verhältnis zwischen Wohnwert, insbesondere Wohnfläche, und Preis auf dieser Grundlage neu festgelegt haben, dürfte ein im ursprünglichen Flächendefizit liegender Mangel keinerlei Auswirkungen haben auf die neu festgesetzte Miethöhe, auch wenn diese auf einer Verkennung der tatsächlichen Wohnfläche beruht.
Ob das LG möglicherweise einer vereinzelt vertretenen Auffassung folgen will, wonach gleichwohl eine fortdauernde Minderung auch der erhöhten Miete anzunehmen sei, wenn der Mieter einem Mieterhöhungsverlangen auf der Grundlage und in Unkenntnis der falschen Fläche des Mietvertrags zustimmt (Kraemer, NZM 1999, 156 [162]), hat es nicht erkennen lassen. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass es bei Prüfung dieser Meinung zu dem Ergebnis kommt, dass die Minderung wegen der fehlenden Fläche in Bezug auf den Mietvertrag immer nur bis zu einem Mieterhöhungsverfahren gem. § 2 MHRG reichen kann und dass falsche Annahmen in diesem Verfahren einheitlich zu behandeln sind, unabhängig davon, ob sie erstmalig erfolgten oder in Fortschreibung der Angaben des Mietvertrags, und unabhängig davon, ob die Zustimmung des Mieters freiwillig erfolgte oder durch Gerichtsurteil.
Sollte das LG sich gleichwohl der bezeichneten Ansicht anschließen wollen, wird es auch zu berücksichtigen haben, dass danach eine Ausschlusswirkung der Gewährleistungsvorschriften gegenüber Ansprüchen aus culpa in contrahendo nicht besteht (Kraemer, NZM 1999, 156 [162]). Auch insoweit ist die Erheblichkeit der Vorlagefrage für die Streitentscheidung zweifelhaft.
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