Darlegungslast bei Forderung auf Rückzahlung überhöhten Mietzinses – Wohnflächenabweichung

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

24. 09. 1998


Aktenzeichen

61 S 39/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Der nach § 5 WiStrG, §§ 812 , 134 BGB auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses klagende Mieter ist grundsätzlich für sämtliche, die unzulässige Überhöhung des Mietzinses begründenden Tatbestandsmerkmale darlegungs- und beweispflichtig. Dies gilt uneingeschränkt, wenn die Wohnung vom Schutzzweck der zu § 564b II Nr. 2 S. 3 u. 4 BGB und den zum Sozialklauselgesetz ergangenen Verordnungen sowie der ZweckentfremdungsverbotVO nicht erfasst wird. Bei Wohnraum, der dem Schutzbereich jener Verordnungen unterfällt, obliegt es dem Vermieter, die Angebotslage darzustellen, die eine „Ausnutzung eines geringen Angebots„ i.S. von § 5 WiStrG ernsthaft in Zweifel zieht.

  2. Bei Verwendung des Berliner Mietspiegels als Hilfe zur Darlegung der Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist vom Oberwert des in Frage kommenden Rasterfelds auszugehen.

  3. Der Umstand, dass die tatsächliche Wohnfläche ca. 11% kleiner ist als die im Mietvertrag durch eine Angabe „ca.„ vereinbarte Wohnfläche, rechtfertigt eine teilweise Rückforderung gezahlten Mietzinses weder nach dem Verhältnis der Flächen noch nach Gewährleistungsrecht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die von den Bekl. eine Dachgeschoßwohnung zu einem Mietzins von 1900 DM monatlich gemietet hatte, hat nach Beendigung des Mietverhältnisses Rückzahlung von 11786,50 DM bereits von ihr gezahlten Mietzinses mit der Behauptung verlangt, die Wohnungsfläche liege mit 61,41 m² um 11% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche von „ca. 68,09 m²„. Dementsprechend sei der Mietzins herabzusetzen. Weitere 18876, 95 DM hat die Kl. mit der Behauptung verlangt, um diesen Betrag habe sie in der Zeit von Oktober 1992 bis Juli 1996 zuviel an Mietzins gezahlt, weil die Mietzinsvereinbarung wegen Überhöhung gem. § 5 WiStrG, § 134 BGB teilweise nichtig sei. Schließlich hat die Kl. 506 DM, die sie einem Sachverständigen für das Ausmessen der Wohnung gezahlt habe, und Rückzahlung von 5100 DM Kaution verlangt. Das AG hat der Klage in Höhe von 1300 DM (Kaution) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Soweit die Kl. die Bekl. auf Rückzahlung gezahlter Mietzinsanteile aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch nimmt, ergeben sich weder aus der Differenz zwischen der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche von ca. 68,09 m² und der tatsächlichen Wohnfläche von 61,41 m²noch nach § 5 WiStrG, § 134 BGB Rückzahlungsansprüche.

a) Die Berechnung einer Überzahlung und damit einer ungerechtfertigten Bereicherung der Bekl. in Höhe von 11% der an die Vermieter in der Zeit von Oktober 1992 bis September 1996 gezahlten Mieten mit der Begründung, diese Zahlungen hätten auf einer gegenüber der tatsächlichen Fläche um diese Prozentzahl zu großen Wohnfläche beruht, verkennt, dass die Parteien einen nach der Größe der Wohnung bemessenen Mietzins nicht vereinbart habe. Denn dafür gibt der Mietvertrag nichts her. Dort ist schlicht ein bestimmter Kaltmietzins - mit Staffelerhöhung - vereinbart. Dass dieser, geteilt durch die vereinbarte Wohnungsgröße, einen bestimmten Quadratmeterpreis ergibt, ändert daran nichts. Denn jeder vereinbarte Mietzins, geteilt durch die vereinbarte Fläche, ergibt einen Zins je Quadratmeter. Aus solchem Rechenvorgang folgt hingegen nicht, dass ein Quadratmeterpreis bestimmter Höhe bei der Vereinbarung als maßgebende Kalkulationsbasis für die Berechnung des geschuldeten Mietzinses vereinbart sein sollte.

Schon aus diesem Grunde ist der mit der Berufung verfolgte Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 11786,50 DM nicht schlüssig dargelegt.

Aus dem Vorbringen der Kl. folgt auch nicht, dass aus Gründen einer Minderung i.S. des § 537 I oder II BGB die Miete nur in Höhe eines um 11% gekürzten Betrags geschuldet gewesen wäre. Denn dass die Wohnung wegen der Fläche von 61,41 m² zu vertragsgemäßen Gebrauch nur eingeschränkt nutzbar war, hat die Kl. nicht dargelegt. Ihr Vorbringen, die im Mietvertrag genannte Wohnfläche, die der Angabe in der Anpreisung der Wohnung im Expose entsprochen habe, hätte in ihr die Erwartung gerechtfertigt, ihre Möbel in der Wohnung unterbringen zu können, trägt den Minderungseinwand nicht. Denn zum einen war der Kl. zu solchem konkreten Zweck die Wohnung nicht vermietet, zum anderen zeigt das - auf Befragen des Gerichts im Berufungstermin von der Kl. bestätigte - Vorbringen der Kl., dass ein Teil der Möbel wegen der Schrägen der Dachgeschoßwohnung dort nicht passten. Die Kl. hat die Wohnung aber nach Besichtigung gemietet, kannte mithin vor Vertragsabschluß deren Zuschnitt und ist schon deshalb gem. § 539 BGB damit ausgeschlossen, diesen Zuschnitt mietzinsmindernd ihrer Mietzinszahlungspflicht gegenüber einzuwenden.

Aus vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass die tatsächlich bestehende Wohnfläche die Wohnung zum Gebrauch als solche in ihrer Tauglichkeit nicht minderte. Ob dies zudem ausschließt, eine Minderung auch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft (§ 537 II 2 BGB) zu verneinen, bleibt dahingestellt. Denn in dem Mietvertrag sichern die Vermieter eine bestimmte Wohnfläche mit der Angabe, diese sei „ca. 58,09 m²„ groß, nicht zu. Mit dieser Angabe erklären die Vermieter nicht, sie wollten sich bindend darauf festlegen, dass die genannte Fläche ungeachtet der tatsächlich gegebenen Größe der Wohnfläche für sie verbindlich sei (vgl. Sternel, MietR aktuell, Rdnr. 394 m.w. Nachw.; Rspr. d. Kammer in GE 1987, 89 = MDR 1987, 325; GE 1994, 763).

b) Die Kl. hat auch nicht schlüssig dargelegt, die Bekl. seien auf ihre Kosten durch die Mietzinszahlungen von Oktober 1992 bis Juli 1996 deshalb ungerechtfertigt in Höhe von 18876, 95 DM bereichert, weil in diesem Umfang wegen Verstoßes gegen § 5 WiStrG eine Teilnichtigkeit der Mietzinsvereinbarung gegeben sei (§ 134 BGB).

Soweit die Kl. zur Darlegung eines unzulässigen Überschreitens des ortsüblichen Vergleichsmietzinses sich des Berliner Mietspiegels 1996 bedient, ist dies zur Substantiierung der Höhe der ortsüblichen Miete vor dem Stichtag dieses Mietspiegels - 1. 9. 1995 - freilich untauglich. Denn die Schlüssigkeit der Darlegung zur Höhe des ortsüblichen Mietzinses mittels Mietspiegel geht nicht über den Aussagewert hinaus, den der herangezogene Mietspiegel für sich selbst in Anspruch nimmt.

Aber selbst für den in den Geltungszeitraum des Mietspiegels 1996 fallenden Bereich der Klageberechnung ist das Klagevorbringen nicht schlüssig.

Insoweit gilt grundsätzlich: Nach Auffassung der Kammer ist der auf Rückzahlung wegen Verstoßes gegen § 5 WiStrG klagende Mieter darlegungs- und beweispflichtig in Bezug auf sämtliche Tatbestandsmerkmale der Verbotsnorm, soweit sich aus ihnen die unzulässige Überschreitung der Mietzinsvereinbarung und Mietzinszahlung ableitet. Dies gilt uneingeschränkt für die Höhe des ortsüblichen Vergleichsmietzinses. Bei dem Tatbestandsmerkmal „. . . infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen . . .„ trifft diese Darlegungs- und Beweislast den Mieter - zur Zeit - nur eingeschränkt, nämlich nur dann, wenn die in Frage stehende Wohnung vom Schutzzweck der zu § 564b II Nr. 2 S. 3 und 4 BGB und zum Sozialklauselgesetz ergangenen Verordnungen sowie der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung nicht erfasst wird (vgl. GE 1998, 745 61. Zivilkammer; a.A. 62. Zivilkammer in GE 1998, 551; wie 61. Zivilkammer auch 65. Zivilkammer in GE 1998, 299; 63. Zivilkammer in GE 1998, 859; 64. Zivilkammer in GE 1998, 1024). Handelt es sich nicht um eine solche Wohnung, obliegt es dem Vermieter, die Angebotslage darzustellen, die eine „Ausnutzung eines geringen Angebots„ ernsthaft in Zweifel zieht.

Die Behauptung, der ortsübliche Mietzins einschließlich der Wesentlichkeitsgrenze liege unter dem vereinbarten oder gezahlten Mietzins, ist vom Mieter zu substantiieren. Da ihm diesbezügliches Tatsachenmaterial zu schlüssigem Vortrag in der Regel nicht zur Verfügung steht, darf er als Darlegungshilfe den einschlägigen Mietspiegel in Bezug nehmen. Dieses Begründungsmittel stellt der Gesetzgeber zur Begründung des vorprozessualen Zustimmungsverlangens gem. § 2 II 1 und 2 MHRG dem Vermieter zur Verfügung. Im Rahmen dessen bestehen nach Meinung der Kammer keine Bedenken, auch dem Mieter zu ermöglichen, mit Hilfe eines Mietspiegels die Behauptung eines bestimmten Mietzinses als ortsüblich zu untermauern. Allerdings hat er dabei die gesetzliche Vorgabe zu beachten, wonach als - noch - ortsüblich der Mietzins anzusehen ist, der bei einem Spannen ausweisenden Mietspiegel innerhalb der Spanne liegt, mithin den Oberwert der Spanne nicht überschreitet (§ 2 II 2, 2. Halbs. MHRG). Dementsprechend hat der auf Rückzahlung nach § 5 WiStrG klagende Mieter, will er den ortsüblichen Mietzins mit Hilfe des Mietspiegels darlegen, zunächst vom Oberwert des in Frage kommenden Rasterfelds auszugehen. Gegebenenfalls kann er Negativmerkmale der Wohnung nach Maßgabe einer in dem Mietspiegel für diese Wohnung vorgesehene Spanneneinordnung berücksichtigen und so den Oberwert senken. Dem Vermieter ist unbenommen, solcher Darlegung des Mieters das Vorhandensein von Sondermerkmalen mit entsprechend zu berücksichtigenden Zuschlägen entgegenzusetzen, sofern der betreffende Mietspiegel solche Merkmale ausweist.

In der vorgenannten Weise hat die Kl. nicht schlüssig vorgetragen. Denn der Oberwert des Rasterfeldes i/11 des Berliner Mietspiegels 1996 beträgt 25,44 DM/m² und die Wohnung ist, wie die Bekl. unwidersprochen geltend machen, mit Parkett ausgestattet, weshalb auf dieses Sondermerkmal pro Quadratmeter ein Zuschlag von 0,89 DM zu machen ist. Einschließlich der Wesentlichkeitsgrenze folgt daraus ein noch wirksam vereinbarter Mietzins von 31,60 DM/m². Dieser liegt aber über dem aus dem Mietvertrag seit 1. 10. 1995 unter Ansatz der tatsächlich vorhandenen Wohnfläche sich ergebenden Kaltmietzins (1900:61,41 = 30,939 DM).

2. Mit Recht hat das AG die Klage abgewiesen, soweit die Kl. Betriebskosten zurückverlangt. Der Anspruch ist der Höhe nach auch in zweiter Instanz nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Kammer nimmt auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung insoweit Bezug.

3. Ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der für das Flächenaufmaß von der Kl. aufgewendeten Sachverständigenkosten von 506 DM ist nicht gegeben. Ob dem bereits entgegensteht, dass diese Kosten, sollten es notwendige Kosten der Rechtsverfolgung sein, im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen sind, kann dahingestellt bleiben. Denn - wie ausgeführt - kommt es für die Mietzinszahlungspflicht der Kl. nicht darauf an, dass die Wohnfläche tatsächlich 61,41 m² groß ist, weshalb sich der Aufwand als unnötig erweist.

Rechtsgebiete

Mietrecht