Schlankheitsstudio-AGB in der Klauselkontrolle
Gericht
OLG München
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
30. 03. 1995
Aktenzeichen
29 U 4222/94
Klauseln in einem Schlankheitsstudiovertrag, die die Beweislast in Fragen des Erhalts verwenderseitiger Informationen oder des Gesundheitszustands des Kunden zu dessen Ungunsten verschieben, dem Kunden das Recht zur außerordentlichen Kündigung beim Auftreten körperlicher Schwierigkeiten oder einer Schwangerschaft nehmen, für den Zahlungsverzug sofortige Fälligkeit der erheblichen Restzahlungen anordnen und eine Haftungsfreizeichnung auch hinsichtlich wesentlicher Fürsorgepflichten des Verwenders um die Gesundheit seiner Kunden vorsehen, verstoßen gegen das AGB-Gesetz und sind unwirksam.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. ist ein Verbraucherschutzverein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung mit dem Ziel, unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, gehört. Die Bekl. betreibt ein Schlankheitsstudio für Frauen, das in seinen Verträgen u.a. folgende vorgedruckte Klauseln verwendet:
1. Die Kundin erklärt, von F umfassend über den Inhalt und die Ausführung des von ihr gewählten Kursprogrammes informiert worden zu sein (§ 2 I der AGB der Bekl.).
2. Sie versichert ausdrücklich, gesund und körperlich in der Lage zu sein, das im einzelnen geschilderte Bewegungsprogramm durchführen zu können (§ 2 II der AGB der Bekl.).
3. Sie erklärt, gymnastische Bewegungen in Liegestellung ausführen zu können. Hinderungsgründe, wie Gebrechen, Schwangerschaft, Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates liegen nicht vor (§ 2 III der AGB der Bekl.).
4. Sollten im Laufe der Behandlungen Schwierigkeiten oder Beschwerden auftreten, und die Kundin deswegen nicht in der Lage sein, das bereitgehaltene Bewegungsprogramm durchzuführen, so ist F vereinbarungsgemäß berechtigt, das Programm den individuellen Bedürfnissen der Kundin anzupassen (§ 2 IV der AGB der Bekl.).
5. Kommt die Kundin mit nur einem Monatsbetrag länger als acht Tage in Verzug, so ist der gesamte noch offene Restbetrag zur Zahlung fällig (§ 3 II der AGB der Bekl.).
6. Muss die Behandlung der Kundin wegen ... Krankheit, Schwangerschaft oder aus sonstigen gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden oder wird aus diesen Gründen mit dem Kursprogramm nicht begonnen, so verlängert sich das Kursende um die Dauer der Unterbrechung. Dies entbindet die Kundin jedoch nicht von den vereinbarten Zahlungsterminen (§ 5 II der AGB der Bekl.).
7. F übernimmt keine Haftung für Unfälle ... mit Ausnahme von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz (§ 6 I der AGB der Bekl.).
Dem Unterlassungsbegehren des Kl. ist die Bekl. entgegengetreten und hat u.a. geltend gemacht, er sei nicht klagebefugt. Der Kl. habe spätestens seit Mai 1990 Kenntnis von der Verwendung der gerügten Klauseln. Abgesehen davon, dass diese Klauseln nicht gegen das AGB-Gesetz verstießen, seien etwaige Ansprüche verjährt.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Bekl., die erfolglos geblieben ist.
Auszüge aus den Gründen:
I. 1. Nach § 13 II Nr. 1 AGBG können Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf von rechtsfähigen Verbänden geltend gemacht werden, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, vorausgesetzt, dass sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben. Der Verband muss außerdem tatsächlich aufklärend und beratend tätig sein (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 13 Rdnr. 37). Diesen Anforderungen genügt der Kl.
Wie sich aus dem vorgelegten Verzeichnis der Mitglieder ergibt, gehören dem Verein 22 Arbeitsgemeinschaften, überwiegend regionale Verbraucherzentralen, als Mitglieder an. Aus dem vorgelegten Tätigkeitsbericht für das Jahr 1993 ergibt sich, dass der Kl. im Jahr 1993 insgesamt 2080 persönliche Beratungen durchgeführt und 3953 schriftlich eingereichte Beschwerdefälle bearbeitet hat. Diesem Bericht ist außerdem zu entnehmen, dass die räumlichen, persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die satzungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben gegeben sind. Die Einnahmen werden mit 1884900 DM ausgewiesen, die Personalkosten werden auf 1215000 DM beziffert. Die Miet- und Pachtkosten belaufen sich nach dem Bericht auf 132000 DM. Diese Angaben genügen zum Nachweis der Klageberechtigung, zumal es sich beim Kl. um einen relativ jungen Verein handelt, für den die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senat, Beschl. v. 26. 4. 1993 - 29 W 768/93 (unveröff.)).
II. 1. Klausel Nr. 1
Die Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 15b AGBG unwirksam. Die Klausel verändert die Beweislast zum Nachteil des Kunden, indem dieser eine bestimmte Tatsache, nämlich über den Inhalt und die Ausführung des Kursprogrammes informiert worden zu sein, bestätigt. Eine Änderung der Beweislast liegt nämlich bereits im Versuch des Verwenders, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern. Will sich der Kunde z.B. darauf berufen, er habe einen Schaden erlitten, weil ihm Inhalt und Ausführung des Programms nicht bekannt gewesen seien, so könnte ihm die Klausel entgegengehalten werden mit der Folge, dass sich die Beweislast unter Umständen umkehrt. Gerade dies soll durch die Bestimmung des § 11 Nr. 15 AGBG verhindert werden.
Die Auffassung der Bekl., die Klausel diene lediglich der Informationserteilung und sei ohne jede Bedeutung für die Beweislast, ist somit unrichtig. Die Behauptung, die Klausel könne mangels Konkretisierung keine Beweisregelung beinhalten, trifft nicht zu. Die Fassung der Klausel lässt ihre Anwendung auf konkrete Lebenssachverhalte zu, wie das oben gebildete Beispiel zeigt. Ergänzend verweist der Senat in Übereinstimmung mit dem LG auf die Entscheidung BGH, NJW-RR 1989, 817.
2. Klausel Nr. 2
Auch diese Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 15b AGBG. Mit der Klausel wird wiederum die Beweislast zum Nachteil des Kunden geändert, indem dieser bestimmte Tatsachen bestätigt. Die ausdrückliche Versicherung, gesund und körperlich dem Bewegungsprogramm gewachsen zu sein, kann im Einzelfall gegen die Notwendigkeit einer Aufklärung und Beratung ausgelegt werden. Im Schadensfall kann somit der Kunde gezwungen sein, die Notwendigkeit einer Beratung trotz seiner Versicherung nachzuweisen.
3. Klausel Nr. 3
Es liegt wiederum eine Tatsachenbestätigung vor, durch die der Verwender der Klausel die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert. Die Bekl. kann sich nicht darauf berufen, sie kenne den gesundheitlichen Zustand des Kunden nicht, könne also weder beraten noch aufklären. Dieser Umstand kann die Bekl. nicht von ihrer Pflicht entbinden, auf die Gefahren bestimmter gymnastischer Bewegungen in Liegestellung z.B. für Schwangere hinzuweisen. Dieser Hinweis setzt nämlich nicht voraus, dass die Schwangerschaft bereits vorab bekannt war. Die Erklärung, nicht schwanger zu sein, kann somit wiederum zur Umkehr der Beweislast führen. Es liegt erneut ein Verstoß gegen § 11 Nr. 15b AGBG vor.
4. Klausel Nr. 4
Diese Klausel verstößt gegen § 9 II Nr. 1 AGBG. Das LG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass durch die von der Bekl. mit ihren Kunden abgeschlossenen Verträge Dauerschuldverhältnisse begründet werden, die stets aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Zutreffend ist auch der Hinweis des LG, dass bei der Prüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Verbandsklagen von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen ist. Dies bedeutet, dass das Recht des Kunden auf Kündigung aus wichtigem Grund ausgeschlossen wäre, wenn das Bewegungsprogramm z.B. auf ein Minimum reduziert werden müsste und sich die Bekl. auf ihr Recht aus der Klausel berufen könnte. Der Kunde wäre gezwungen, das Minimalprogramm anzunehmen, ohne sich vom Vertrag lösen zu können.
Die Bekl. kann mit ihrem Einwand, ein Reduzieren auf ein Minimum werde vom Wortlaut der Klausel nicht erfasst, nicht gehört werden. Die Klausel legt nämlich nicht fest, in welchem Umfang eine Anpassung möglich sein soll. Da, wie ausgeführt, die kundenfeindlichste Auslegung zugrundezulegen ist, fällt auch die Reduzierung des Bewegungsprogramms auf ein Minimum unter die Klausel.
Es liegt auch ein Verstoß gegen § 10 Nr. 4 AGBG vor. Ausgehend von dem Fall, dass die Anpassung auf ein Minimum mit Rücksicht auf aufgetretene Schwierigkeiten oder Beschwerden den individuellen Bedürfnissen des Kunden angemessen wäre, kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Anpassung für den Kunden nicht mehr zumutbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn das verbleibende Restprogramm nicht mehr geeignet ist, den Vertragszweck des Schlankwerdens zu erfüllen...
5. Klausel Nr. 5
Die Klausel stellt einen Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 AGBG dar. Auszugehen ist davon, dass das Gesetz den Fall, dass bei Verzug der gesamte noch offene Restbetrag zur Zahlung fällig wird, nicht vorsieht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Hinweis des LG auf die §§ 326 und 554 BGB der Sach- und Rechtslage gerecht wird. Wäre die Klausel wirksam, so wäre der Kunde im schlechtesten Fall verpflichtet, bereits wegen Nichtzahlung der ersten Rate den gesamten Preis vorab entrichten zu müssen. Geht man z.B. von dem vorgelegten Vertrag aus, so würde dies bedeuten, dass der Gesamtbetrag in Höhe von 8206 DM, der nach dem Vertrag in neun Raten zu entrichten wäre, sofort fällig wird. Dies stellt - im Gegensatz zur Auffassung der Bekl. - eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Hieran ändert der Hinweis der Bekl. auf die Regelung in § 614 S. 2 BGB nichts. Die angeblich nur „partielle Vorleistungspflicht" kann, wie das obige Beispiel zeigt, zu einer Vorleistungspflicht in erheblichem Umfang führen. Der Hinweis der Bekl., dass im Falle einer nachfolgenden außerordentlichen Kündigung ein Rückerstattungsanspruch besteht, ändert an der aufgezeigten Rechtslage nichts. Wenn nämlich kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eintritt, bleibt die Vorleistungspflicht des Kunden entgegen der Gesetzeslage bestehen. Auch der Hinweis, dass Verzug nur bei Verschulden eintritt, ist unbehelflich.
6. Klausel Nr. 6
Es liegt ein Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 AGBG vor. Wird der Beginn oder die Fortsetzung einer Behandlung aus den in der Klausel genannten Gründen verhindert, so kann z.B. bei schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigung das Interesse des Kunden an einer Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund gegeben sein. Dieses Recht wird durch die Klausel ausgeschlossen, da der Vertrag fortbesteht, die vereinbarten Zahlungstermine einzuhalten sind und die Behandlung nach Beseitigung der Beeinträchtigung begonnen bzw. fortgesetzt wird. Die Fortgeltung der vereinbarten Zahlungstermine hat außerdem zur Folge, dass der Kunde mit seinen Zahlungen wiederum in Vorlage treten müsste, also vorleistungspflichtig würde.
Der Hinweis der Bekl., aus dem eindeutigen Wortlaut der Klausel ergebe sich, dass sie nur bei Eintritt eines „vorübergehenden Hindernisses" eingreife, ist unzutreffend. Es ist zwar richtig, dass ein späterer Beginn oder eine spätere Fortsetzung der Behandlung nur ab der Zeit möglich ist, ab der die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind; ob und wann dies der Fall sein wird, kann jedoch, je nach Interessenlage, durchaus unterschiedlich bewertet werden. Insb. ist der Fall denkbar, dass der Kunde an einer späteren Vertragserfüllung, die im Einzelfall erst nach Jahren möglich wäre, nicht mehr interessiert ist, weil er z.B. den Wohnort wechselt. In einem derartigen Fall wäre ihm nicht nur die Einhaltung der vereinbarten Zahlungstermine, sondern die Aufnahme bzw. Fortsetzung der Behandlung als solche nicht zuzumuten.
7. Klausel Nr. 7
Der Senat schließt sich in Übereinstimmung mit dem LG dem Urteil des OLG Stuttgart (NJW-RR 1988, 1082 (1083)) an. Beruht ein Unfall z.B. darauf, dass die Bekl. ihre Räumlichkeiten und Geräte leicht fahrlässig nicht in ordnungsgemäßem Zustand gehalten hat, so hätte sie sich von einer wesentlichen Pflicht des abgeschlossenen Vertrages, nämlich den Kunden vor einer Gefährdung oder Verletzung seiner Gesundheit zu bewahren, befreit. Dies wäre mit § 9 II Nr. 1 AGBG nicht zu vereinbaren. Die Auffassung der Bekl., die Rechtsprechung entwickele sich insoweit restriktiv, teilt der Senat zumindest für Fälle der vorliegenden Art nicht. Die Bekl. kann sich nicht auf § 11 Nr. 7 AGBG berufen. Es ist nämlich unbestritten, dass die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses für leichtes Verschulden nicht auf dem Wege des Umkehrschlusses aus § 11 Nr. 7 AGBG gefolgert werden kann (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnrn. 150f.).
III. 1. Die Ansprüche des Kl. sind nicht verjährt. § 13 IV AGBG ist § 21 I UWG nachgebildet. Dies bedeutet, dass nach jeder erneuten Verwendung die Zweijahresfrist von neuem zu laufen beginnt (Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 Rdnr. 46).
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kl. die Verwendung der angegriffenen Bedingungen bereits seit Mai 1990 kennt oder ob er die erforderliche Kenntnis erst am 16. 11. 1992 erhalten hat. Entscheidend ist, dass die Bekl. die strittigen Klauseln nach wie vor verwendet, so dass Verjährung noch nicht eingetreten sein kann.
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