Verjährung des mietvertraglichen Rückerstattungsanspruchs wegen überhöhter Betriebskostenvorauszahlungen

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

15. 04. 2002


Aktenzeichen

5 W 235/ 02


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Anspruch des Mieters auf Rückerstattung überhöhter Betriebskostenvorauszahlungen ergibt sich auch seinem Umfang nach nicht aus §§ 812 ff. BGB, sondern aus einer ergänzenden Auslegung des Mietvertrags.

  2. Der Rückerstattungsanspruch verjährt nach altem Recht innerhalb von vier Jahren. Die Verjährung beginnt mit der jeweiligen monatlichen Überzahlung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. hat seine Vermieter auf Rückerstattung nicht verbrauchter Betriebskostenvorauszahlungen in Anspruch genommen. Durch Vertrag vom 6. 2. 1990 waren dem Kl. Büroräume überlassen worden. Eine Abrechnung der Betriebskosten ist für die Jahre 1993 bis 2001 nicht erfolgt. Der Kl. hat daher seine ab 1993 geleisteten Überzahlungen auf insgesamt 10466,40 DM beziffert und mit Mahnbescheid vom 27. 3. 2001 die Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen begehrt. Die Bekl. haben sich u.a. auf Verjährung und Verwirkung berufen. Die Hauptsache ist sodann verglichen worden (Zahlung von 6250 DM nebst Zinsen). Anschließend haben die Parteien sie übereinstimmend für erledigt erklärt und dem LG die Kostenentscheidung gem. § 91a I ZPO überlassen. Die Einzelrichterin hat die gesamten Kosten den Bekl. auferlegt. Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg; die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Nach Auffassung des Senats verjährt ein Rückerstattungsanspruch des Mieters wegen angeblich überzahlter Nebenkosten analog § 197 BGB a.F. in vier Jahren. Allerdings wird vereinzelt die Ansicht vertreten, der Sache nach handele es sich um einen Bereicherungsanspruch (vgl. die Nachw. bei Schmid, WuM 1997, 158). Träfe das zu, wäre grundsätzlich die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB maßgeblich. Diese Rechtsansicht überzeugt den Senat nicht. Denn der Kl. hat die Betriebskostenvorauszahlungen nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Die Vorauszahlungen waren vielmehr vertraglich vereinbart, so dass sich auch nicht sagen lässt, bei einer Überzahlung entfalle in deren Umfang der ursprüngliche Rechtsgrund. Andererseits kann Schmid aber auch nicht darin gefolgt werden, aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB ergebe sich, dass der Vermieter bei unterbliebener Abrechnung die gesamten Vorauszahlungen zurückerstatten müsse. Dieses Ergebnis entbehrt deshalb einer sachlichen Rechtfertigung, weil es ein Mietverhältnis ohne Betriebs- und Nebenkosten nicht gibt. Es kann daher nicht rechtens sein, dem Mieter, der den Komfort der Heizung und Wasserversorgung genossen hat, trotz der dafür offenkundig angefallenen Kosten des Vermieters auch insoweit einen Rückerstattungsanspruch zuzusprechen, weil eine Abrechnung - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben ist und nicht mehr nachgeholt werden kann.

Der Senat ist vielmehr der Ansicht, dass der Anspruch des Mieters auf Rückerstattung überzahlter Betriebs- und Nebenkosten sich auch seinem Umfang nach aus einer ergänzenden Auslegung des Mietvertrags ergibt: Der im vorliegenden Fall geschlossene Mietvertrag ist lückenhaft, weil er nicht bestimmt, was im Fall der - ersichtlich nicht bedachten - Überzahlung von Betriebskosten gelten soll. Nach den allgemeinen Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) muss die Regelungslücke entsprechend dem mutmaßlichen Parteiwillen geschlossen werden. Dieser geht dahin, dass dem Mieter ein Rückforderungsanspruch nur hinsichtlich solcher Zahlungen zustehen soll, denen kein entsprechender Aufwand des Vermieters gegenübersteht.

Dieser vertragliche Rückforderungsanspruch verjährt in vier Jahren (§ 197 BGB a.F.). Der Anspruch auf Rückzahlung wird, da mehrere, zeitlich aufeinander folgende Vorschusszahlungen vorliegen, nicht auf einmal in einer Summe fällig, sondern entsteht wie bei den einzelnen Leistungen aus einem Ratenkreditvertrag mit jeder einzelnen Zahlung und wird auch jeweils sofort fällig. Da die einzelnen Zahlungen ihre gemeinsame Ursache in der Vorstellung des Mieters haben, er sei zu der regelmäßigen Leistung auch des überhöhten Betrags verpflichtet, ist der Anspruch von vornherein auf eine in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringende Zahlung gerichtet. Insofern erscheint es vertretbar, von wiederkehrenden Leistungen i.S. von § 197 BGB zu sprechen. Der Anwendung dieser Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass der jeweilige Rückzahlungsanspruch erst durch ein Handeln des Mieters, nämlich durch Zahlung der Betriebskosten, entsteht. Ebenso wenig kommt es auf die Gleichmäßigkeit der einzelnen Leistungen an, sondern auf ihre regelmäßige Wiederkehr (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 197 Rdnr. 1 m.w. Nachw.).

Die sukzessive Entstehung des vertraglichen Rückforderungsanspruchs rechtfertigt die Anwendbarkeit des § 197 BGB schon seinem Wortlaut nach (vgl. zum vergleichbaren Problem der Rückforderung von Überzahlungen beim Ratenkredit Canaris, ZIP 1986, 273).

Auch eine teleologische Auslegung des § 197 BGB spricht dafür, die Vorschrift auf Rückerstattungsansprüche der vorliegenden Art anzuwenden. Der gesetzgeberische Grund für die Schaffung des § 197 BGB lag darin, dass „die Ansammlung derartiger Rückstände keine Begünstigung verdient“ (vgl. Canaris, ZIP 1986, 273 [280] unter Hinw. auf Mot. I, S. 305). Nach Auffassung des BGH soll die Vorschrift verhindern, dass die Forderung des Gläubigers „sich mehr und mehr aufsummt und schließlich einen Betrag erreicht, dessen Aufbringung in einer Summe dem anderen immer schwerer fällt“ (vgl. BGHZ 31, 329 [335] = NJW 1960, 957; BGH, NJW 1986, 2564 [2567]). Diese Gefahr des „Aufsummens“ besteht auch bei Ansprüchen auf Rückzahlung nicht geschuldeter Betriebskosten. Vom Mieter kann erwartet werden, dass er sich über die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen aus bezahlten Betriebskosten innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren Gedanken macht. Mit Recht weist Canaris (ZIP 1986, 273 [281]) darauf hin, dass es etwas anderes ist, ob jemand in der Vergangenheit eine einmalige Zahlung geleistet hat, oder ob er fortlaufend Zahlungen erbringt und dadurch viel früher auf den Gedanken gebracht wird, seine Zahlungspflicht zu überprüfen.

Neben diesem speziellen Schutzzweck des § 197 BGB kommt außerdem der allgemeine Schutzzweck kurzer Verjährungsfristen auch beim vorliegenden Sachverhalt zum Tragen. Damit ist der Gesichtspunkt „einer in kurzer Zeit eintretenden Verdunkelung des Sachverhältnisses“ gemeint (vgl. Canaris, ZIP 1986, 273 [281] unter Hinw. auf Mot. I, S. 305 i.V. mit S. 297). Dementsprechend entnimmt der BGH dem Umstand, dass es in derartigen Fällen für die Gerichte oft sehr schwierig ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die länger als vier Jahre zurückliegt, einen weiteren Zweck des § 197 BGB (vgl. BGHZ 31, 329 [335] = NJW 1960, 957; BGH, NJW 1986, 2564 [2567]). Dass sich die Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung und des Beweises gerade auch in Fällen sukzessive gezahlter Betriebskosten im Laufe der Zeit ständig vergrößern, so dass sichere Feststellungen für eine bis zu 30 Jahre zurückliegende Zeit oft nur sehr schwer zu treffen sind, liegt auf der Hand. Mithin gebietet das Bedürfnis nach Rechtsfrieden die entsprechende Anwendung des § 197 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt (ebenso OLG Hamburg, NJW 1988, 1097; OLG Düsseldorf, WuM 1993, 411 [412] = DWW 1993, 261).

Das führt zu der weiteren Frage, wann die vierjährige Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Insoweit gilt § 201 BGB, wonach die Verjährung der in § 197 BGB bezeichneten Ansprüche mit dem Schluss des Jahres beginnt, in welchem der nach den §§ 198 bis 200 BGB maßgebende Zeitpunkt eintritt. Da sich - wenn auch mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand - am Ende eines jeden Monats feststellen lässt, um welchen Betrag die geleistete Vorauszahlung den tatsächlichen Aufwand des Vermieters übersteigt, hält der Senat die Rechtsansicht, die gleichwohl für den Beginn der Verjährung auf die Abrechnung des Vermieters abstellt, nicht für überzeugend, weil sie im Endergebnis die oben dargestellten Gründe für die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des § 197 BGB wieder unterläuft.

Rechtsgebiete

Mietrecht