Lottogewinn unterliegt Zugewinnausgleich

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 12. 1976


Aktenzeichen

1 VZR 11/76


Leitsatz des Gerichts

§ 1374 II BGB ist auf einen Vermögenserwerb anderer als der darin bezeichneten Art (hier: Lottogewinn) nicht entsprechend anwendbar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ehe der Parteien, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, wurde 1974 geschieden. Während der Ehe füllte die Bekl. etwa ab 1964 regelmäßig wöchentlich zwei Lottoscheine mit gleichen Zahlenkombinationen aus und reichte sie bei der Annahmestelle ein. Ungefähr seit 1968 spielte sie wöchentlich mit einem weiteren Schein mit wechselnder Zahlenkombination, den sie jeweils mit ihren Initialen kennzeichnete. Gelegentlich, wem sie verhindert war, gab der Kl. die Lottoscheine auf. Im Jahre 1972 entfiel auf einen Schein ohne Initialen ein Gewinn von 92701 DM. Er wurde an die Bekl. ausgezahlt. Rund 72000 DM davon verwendete sie für den Erwerb einer Eigentumswohnung zu Alleineigentum. Der Kl. hat mit der nach der Ehescheidung erhobenen Klage zunächst 46000 DM als hälftigen Anteil an dem Lottogewinn verlangt, weil zwischen der Bekl. und ihm eine Lottogemeinschaft bestanden habe. Später hat er unter teilweiser Zurücknahme der Klage nur noch Zahlung von 29000 DM begehrt und diesen Anspruch auch als Zugewinnausgleich geltend gemacht. Die Parteien hatten bei Eintritt des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft kein Vermögen. Bei Erhebung der Scheidungsklage besaß die Bekl. Vermögen im Wert von 63000 DM, der Kl. unwiderlegt im Wert von 5000 DM.

Beide Vorinstanzen haben dem Kl. den verlangten Betrag von 29000 DM zuerkannt, Die - zugelassene - Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... II. 1. Das BerGer. hat offen gelassen, ob vom Kl. hinreichend bewiesen sei, dass zwischen der Bekl. und ihm eine Lottogemeinschaft mit hälftiger Gewinnbeteiligung bestanden habe. jedenfalls stehe ihm der zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 29000 DM als Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB zu. Dabei ist das BerGer. unter Berücksichtigung des Lottogewinns von einem Zugewinn der Bekl, von 63000 DM und einem Unterschied des Zugewinns der Parteien in Höhe von 58000 DM ausgegangen. Es hält eine entsprechende Anwendung des § 1374 II BGB mit dem Ziel, den Lottogewinn dem Anfangsvermögen der Bekl. hinzuzurechnen und damit dem Zugewinnausgleich zu entziehen, nicht für zulässig. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Die vorn BerGer. angenommenen Werte für den Zugewinn der Bekl. (§ 1373 BGB) und ihren Zugewinnüberschuss (§ 1378 I BGB) sind nicht zu beanstanden. Der Lottogewinn stand der Bekl. nach ihrem Vorbringen, von dem auch der Kl. bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich und das BerGer. bei seiner diesbezüglichen Entscheidung ausgehen, alleine zu. Zutreffend hat das BerGer. ihn bei der Berechnung des Zugewinns der Bekl. berücksichtigt.

Nach § 1374 II BGB ist nur Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, seinem Anfangsvermögen hinzuzurechnen und damit vorn Zugewinnausgleich ausgenommen. Einen solchen Erwerb stellt der Lottogewinn eines Ehegatten nicht dar. § 1374 II BGB kann auf einen solchen Gewinn auch nicht entsprechend angewendet werden. Hat die Bekl. die Einsätze für die von ihr selbständig ausgefüllten Lottoscheine jeweils von ihrem eigenen Geld bezahlt, so hat der Kl. - von gelegentlichem Einreichen der Scheine für die Bekl. abgesehen - zu dem Gewinn zwar nichts beigetragen. In dieser Beziehung ähnelt der vorliegende Fall dann den in § 1374 II BGB geregelten Zuwendungen an den einen Ehegatten, bei deren typischer Erscheinungsform es ebenfalls an einem Beitrag des anderen Ehegatten fehlt. Das vermag jedoch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift nicht zu rechtfertigen. Der Revision ist zuzugeben, dass es ein Grundgedanke des gesetzlichen Zugewinnausgleichs ist. dem Zusammenwirken der Ehegatten im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft, das gewöhnlich auch auf die Entwicklung ihrer Vermögensverhältnisse wesentlichen Einfluss hat, durch die vorgesehene wertmäßige Teilung des Zugewinnüberschusses eines Ehegatten in gerechter Weise Rechnung zu tragen. Daraus kann aber auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 1374 II BGB nicht geschlossen werden, das Gesetz wolle einen Vermögenserwerb eines Ehegatten schlechthin nur dann in den Zugewinnausgleich einbeziehen, wenn der andere Ehegatte in bestimmter Weise dazu beigetragen hat. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, in den §§ 1363 II 2, 1273ff. BGB gerade für eine schematische, starre Regelung dahin entschieden, dass die Ehegatten grundsätzlich an allem, was sie während der Ehe hinzuerworben haben, bei vorzeitiger Auflösung des Güterstandes durch Scheidung der Ehe wertmäßig gleichen Anteil haben sollen. Das ist nicht davon abhängig gemacht, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang sie an dem Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände mitgewirkt oder dazu beigetragen haben. Das Gesetz hält den Anspruch auf Zugewinnausgleich schon im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft und den Grundsatz der Gleichberechtigung für gerecht (BGHZ 46, 343 [349f.] = NJW 1966, 2109; BGHZ 65, 320 [322f.] = NJW 1976, 328; BGH, NJW 1970, 1600 [1601]). Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass die vorgeschlagene schematische Lösung dem Einzelfall nicht immer hinreichend Rechnung trägt; er hat sie aber - vorbehaltlich der Härteklausel des § 1381 (§ 1391 der Entwürfe) - zur Vermeidung wohl untragbarer Abgrenzungs- und Berechnungsschwierigkeiten im Interesse der Rechtssicherheit gleichwohl gewählt (vgl. Begr. z. RegE I, BT-Dr II/3802, S. 59 zu 1386 E I; Begr. z. RegE II, BT-Dr II/224, S. 45 zu § 1385 E II).

Die Fälle des § 1374 II BGB, in denen ein Zugewinnausgleich nicht stattfinden soll, sind somit Ausnahmen von dem schematischen gesetzlichen Prinzip. Der Gesetzgeber empfand einen Vermögenszuwachs dieser Art nicht als einen Erwerb, "an dem der andere Ehegatte beteiligt werden soll" (BT-Dr I/3802, S. 57 zu dem damaligen § 1378 E I; BT-Dr II/224, S. 43 zu dem damaligen § 1380 E II). § 1374 II BGB ist dem früheren § 1521 BGB nachgebildet, der die betreffenden Vermögensgegenstände bei der Errungenschaftsgemeinschaft vom Gesamtgut ausgenommen hatte. Diese Ausnahmen sind nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass der andere Ehegatte hier nicht zu dem Erwerb beigetragen hat. Eine wesentliche Rolle spielt dabei, wie das BerGer. mit Recht ausführt, vielmehr darüber hinaus, dass eine derartige Zuwendung meist auf persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten zu dem Zuwendenden oder auf ähnlichen besonderen Umständen beruht (so auch z. B. Dölle, FamR. § 59 II; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1374 Rdnr. 14). § 1374 II BGB ist daher auf einen Vermögenswert anderer als der darin bezeichneten Art nicht entsprechend anwendbar. Ein Lottogewinn, den ein Ehegatte nach Einritt des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft erzielt, ist mithin nicht seinem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, sondern unterliegt dem Zugewinnausgleich, sofern nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbart ist. Er wird insoweit nicht anders behandelt als ein sonstiger Zuwachs aus gewinnbringender Vermögensverwertung. Diese Ansicht wird auch durchweg im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertreten (Beitzke, FamR, 15. Aufl., § 14 IV 2: Dölle, § 59 II 1; Gernhuber, FamR, 2. Aufl., § 36 II 4; Finke, § 1374 Rdnr. 25; Soergel-Lange, BGB, 10. Aufl., § 1374 Rdnr. 17; vgl. auch Erman-Heckelmann, BGB, 6. Aufl., § 1374 Rdnr. 10; Palandt-Diedrichsen, BGB, 35. Aufl., § 1374 Anm. 1, 4, § 1408 Anm. 4). Dass die Gewinnchance beim Lotto und bei ähnlichen Lotteriespielen verhältnismäßig gering ist und dem Gewinn, worauf die Revision zutreffend hinweist, stets auch etwas Zufälliges anhaftet, ist ausgleichsrechtlich ohne Bedeutung. Es liegt durchaus auf der Linie des Gesetzes, den anderen Ehepartner aufgrund der ehelichen Lebens- und Schicksalsgemeinschaft an einem solchen Gewinn im Rahmen des Zugewinnausgleichs teilhaben zu lassen.

2. Anhaltspunkte dafür, dass der Zugewinnausgleich grob unbillig wäre (§ 1381 BGB), sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Bekl. hat auch kein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht. Den von ihr behaupteten Verzicht des Kl. auf Zugewinnausgleich hat das BerGer. nach Vernehmung der Parteien nicht für erwiesen erachtet. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Die Vorinstanzen haben dem Kl. sonach mit Recht gem. § 1378 BGB 29000 DM als die Hälfte des Zugewinnüberschusses der Bekl. zugesprochen. Da sowohl die Bekl. selbst als auch der Kl., soweit er den Klageanspruch auf § 1378 BGB stützt, in tatsächlicher Hinsicht davon ausgehen, dass der Lottogewinn der Bekl. allein gebührte, konnte der Klage stattgegeben werden, ohne dass es darauf ankam, ob zwischen den Parteien, was die Bekl. bestreitet, eine Lottogemeinschaft mit hälftiger Gewinnbeteiligung bestand.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht