Begründungsumfang für Eigenbedarfskündigung

Gericht

LG Göttingen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

07. 02. 1990


Aktenzeichen

5 S 129/89


Leitsatz des Gerichts

Für eine begründete Eigenbedarfskündigung reicht die Angabe: die Wohnung werde für die 24-jährige Tochter benötigt, nicht aus. Der Mieter kann sich hierbei nämlich noch kein ausreichendes Bild machen, ob der Eigenbedarf vorgeschoben oder begründet ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von den Bekl. die Räumung einer Wohnung, die er ab 1. 8. 1986 an sie vermietet hat. In dem Kündigungsschreiben seines Anwalts heißt es: „... In der Zwischenzeit hat sich jedoch eine Situation dadurch ergeben, dass die Tochter G unseres Mandanten, eine in seinem Haus lebende 24-jährige Studentin, eine eigene Wohnung benötigt“. Die Räumungsklage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Unabhängig von der Frage, ob der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vorlag, reichte die Kündigungserklärung von der Begründung her nicht aus. Gem. § 564b III BGB werden als berechtigte Interessen des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nur die Gründe berücksichtigt, die in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Daraus folgt, dass hier eine Begründungspflicht besteht. Nach herrschender Meinung muss der Vermieter wenigstens die aus seiner Sicht maßgeblichen Gründe kurz und verständlich so konkret angeben, dass dem Mieter eine sachliche Nachprüfung zur hinreichenden Rechtswahrung auf der Grundlage dieser Angaben möglich ist. Daraus folgt, dass pauschale Umschreibungen wie „wegen Eigenbedarfs für den Sohn“ oder „wegen Heirat des Sohnes“ nicht ausreichen (vgl. Sternel, MietR, 3. Aufl. Rdnr. IV, 101 f.; Schmidt=Futterer-Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl. B 712; LG Berlin, WuM 1981, 105; LG Hamburg, WuM 1977, 30; LG Köln, WuM 1976, 182). Danach genügt ein Vermieter seiner Begründungspflicht bei der Geltendmachung von Eigenbedarf nur, wenn er im Kündigungsschreiben neben der Person, für die die Wohnung benötigt wird, einen konkreten Lebenssachverhalt darlegt, auf den er das Interesse der Person an der Erlangung der Wohnung stützt (Schmidt=Futterer-Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Rdnr. B 712).

Unter Berücksichtigung dieser von der herrschenden Meinung aufgestellten Grundsätze reicht die vom Kl. angeführte Begründung nicht. Aus der Begründung ergibt sich nicht, worin die konkreten Bedarfsgründe für die Tochter bestehen und warum sie nicht mehr im Haus des Kl. wohnen kann, sondern eine eigene Wohnung benötigt. Allein aus dem Alter der Tochter sowie aus der Tatsache, dass sie studiert, ergibt sich kein zwingender Bedarf an eigenem Wohnraum. Vielmehr hätte der Kl. darlegen müssen, aus welchen konkreten Gründen das Zimmer im Elternhaus für die Tochter nicht mehr ausreichend ist und deshalb die Tochter eine eigene Wohnung in Göttingen benötigt.

Soweit der Kl. Erklärungen zum Wohnbedarf seiner Tochter im Verlauf des Rechtsstreits nachgeschoben hat, sind diese unbeachtlich. Die unwirksame Kündigung kann nicht durch ein Nachschieben von möglicherweise berechtigten Eigenbedarfsgründen im laufenden Prozess geheilt werden (Sternel, MietR, 3. Aufl. Rdnr. V 105 f.). Das gilt insbesondere soweit der Kl. nunmehr in der Berufungsinstanz darlegt, seine Tochter habe zwischenzeitlich geheiratet und sei von daher auf eine eigene Wohnung angewiesen. Die unwirksame Kündigung konnte keine Rechtsfolgen enthalten und kann deshalb auch nicht durch die nachgeschobenen Gründe gerechtfertigt werden.

Darüber hinaus verstieß die Kündigung - unabhängig von der unzureichenden Darlegung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben - gegen Treu und Glauben und konnte auch aus diesem Grund keine rechtlichen Wirkungen entfalten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Eigenbedarfskündigung nicht auf solche Gründe gestützt werden kann, die bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorlagen. Diese Auffassung ist durch das Urteil des BVerfG vom 14. 2. 1989 (NJW 1989, 970 = WuM 1989, 114 (118)) ausdrücklich bestätigt worden. Danach setzt sich der Vermieter zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er die Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, die Wohnung selbst in Gebrauch zu nehmen. Es sollen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zugemutet werden, wenn der Vermieter den Mieter über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Der Kl. hat hier nicht darzulegen vermocht, dass im Hinblick auf seine 24jährige Tochter im Zeitpunkt der Kündigung des Mietverhältnisses eine andere Situation bestand als im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages mit den Bekl. Damals studierte die Tochter des Kl. an der Fachhochschule in H. Sie hatte dort ein möbliertes Zimmer und wohnte an den Wochenenden und in den Semesterferien im Hause des Kl. Im Zeitpunkt der Kündigung studierte die Tochter des Kl. an der Technischen Universität in H. Sie hatte dort ebenfalls eine Unterkunft und hielt sich während der Semesterferien und an den Wochenenden in G. auf. Zwischen diesen beiden Situationen ist kein so entscheidender Unterscheid erkennbar, der nunmehr einen gesteigerten Wohnbedarf gegenüber dem zwei Jahre davorliegenden Zeitpunkt erforderlich macht. Selbst wenn die Tochter des Kl., wie dieser nunmehr in der Berufungsinstanz vorträgt, nur an drei Tagen in der Woche in H. verweilt, ergibt sich allein daraus nicht die Notwendigkeit einer außerhalb des Elternhauses liegenden Wohnung. Auch die Tatsache, dass das Studium der Tochter fortgeschritten ist und ggf. Examensvorbereitungen getroffen werden müssen, macht einen Wohnbedarf außerhalb des Elternhauses nicht zwingend erforderlich, denn auch insoweit hat der Kl. nicht dargetan, dass hierzu die Räumlichkeiten im Elternhaus nicht ausreichen. In diesem Zusammenhang hat der Kl. insbesondere nicht dargetan, dass sich innerhalb seines Hauses Veränderungen ergeben haben, so dass das weitere Verbleiben seiner Tochter dort nicht möglich ist. Hierauf wäre es jedoch entscheidend angekommen, denn so ist nicht erkennbar, inwieweit eine gegenüber 1986 veränderte Situation besteht. Damit steht der Kündigung die Verletzung des Vertrauensgrundsatzes entgegen.

Rechtsgebiete

Mietrecht