Rückzahlung von Gratifikation

Gericht

LAG Frankfurt


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 03. 1992


Aktenzeichen

9 Sa 854/91


Leitsatz des Gerichts

Gegenüber dem Anspruch des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes auf Rückzahlung einer Zuwendung kann der Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht wirksam erhoben werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Bekl., eine erhaltene Sonderzuwendung an den Kl. zurückzuzahlen. Die Bekl. war seit dem 1. 8. 1982 in dem von dem Kl. betriebenen Kreiskrankenhaus als Krankenschwester beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) v. 23. 2. 1961 in der jeweils gültigen Fassung nebst den diesen ergänzenden Tarifverträgen für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) Anwendung. Nach einer Niederkunft am 30. 12. 1988 fiel die Bekl. bis zum 24. 2. 1989 unter das Beschäftigungsverbot für Mütter nach einer Entbindung. Ab dem 25. 2. 1989 erhielt sie Erziehungsgeld und befand sich bis zum 29. 12. 1989 im Erziehungsurlaub ohne Teilzeitbeschäftigung. Mit Schreiben vom 8. 3. 1989 wies der Kl. die Bekl. darauf hin, dass sie sich einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzuwendung nur erhalten könne, wenn ihm eine Kündigung der Bekl. bis zum 30. 3. 1989 zugegangen sein würde. Unter dem 18. 3. 1989 sandte die Bekl. dem Kl. den von ihr unterzeichneten Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag für die Zeit nach Ablauf des Erziehungsurlaubs mit einer vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zurück. Mitte November 1989 ging auf dem Bankkonto der Bekl. eine Überweisung des Kl. in Höhe von DM 1772,99 ein, die auf dem Überweisungsträger als "Vergütung" bezeichnet war. Eine Gehaltsabrechnung, die der Kl. bei den an der Arbeitsstelle befindlichen Arbeitnehmern im Kreiskrankenhaus verteilt, erhielt die Bekl. zunächst nicht. Bereits mit Schreiben vom 27. 10. 1989, bei dem Kl. eingegangen am 30. 10. 1989, hatte die Bekl. das Arbeitsverhältnis mit dem Kl. ordentlich zum "Ablauf des Erziehungsurlaubs - 30. 12. 1989 -" (richtig: 29. 12. 1989) gekündigt. Im Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens bei dem Kl. waren die durch das kommunale Gebietsrechenzentrum Starkenburg besorgten Überweisungen der per 15. 11. 1989 fälligen Gehälter der Angestellten des Kl. bereits soweit vorbereitet und eingeleitet, dass die Überweisung für die Bekl. nicht mehr angehalten werden konnte. Die Bekl. gab das erhaltene Geld für Weihnachtseinkäufe aus. Mit Schreiben vom 22. 12. 1989 teilte der Kl. der Bekl. mit, dass ihr im November die volle Weihnachtszuwendung ausbezahlt worden sei, auf die sie, da sie von der besorgten tariflichen Kündigungsmöglichkeit innerhalb von 3 Monaten nach der Entbindung keinen Gebrauch gemacht habe, keinen Anspruch gehabt habe. Der von ihr zurückzuzahlende Betrag werde mit ihr noch zustehenden Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung und Bezahlung von Wege- und Umkleidezeiten verrechnet, der verbleibende Betrag ihr im Januar 1990 mitgeteilt. Letzteres geschah mit Schreiben des Kl. vom 8. 2. 1990, mit dem ihr die Abrechnung für November 1989 übersandt wurde und in dem ihr der verbleibende Rückzahlungsbetrag von DM 618,56 mitgeteilt wurde. Nach weiterem ergebnislosem Schriftverkehr der Parteien verfolgt der Kl. den Rückforderungsanspruch in der genannten Höhe mit der Klage weiter. Der Kl. ist der Meinung gewesen, die Bekl. habe wegen ihres Ausscheidens den verbleibenden Betrag in voller Höhe zurückzuzahlen; auf einen Wegfall der Bereicherung könne sie sich nicht berufen. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Es kann letztlich dahinstehen, welche Forderung der Bekl. aus dem Arbeitsverhältnis ihm gegenüber der Kl. mit der als "Vergütung" bezeichneten Überweisung per 15. 11. 1989 tilgen wollte. Zwar hat der Kl. nicht gem. § 366 I BGB eine entsprechende Bestimmung getroffen, welche Vergütungsansprüche der Bekl. im einzelnen erfüllt werden sollten, so dass an sich gem. § 366 II BGB möglicherweise durch die Zahlung zunächst die Forderung der Bekl. auf Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und des Anspruchs auf Wege- und Umkleidegeld zum Erlöschen gebracht worden wären, § 362 I BGB, und nur der überschießende Betrag einen Anspruch der Bekl. auf Zahlung einer Zuwendung nach § 1 I Nr. 1 und 2, 2 TV über eine Zuwendung f. Angestellte v. 12. 10. 1973 i.d.F. des 3. ÄnderungsTV v. 9. 1. 1987 (ZuwendungsTV) teilweise betroffen hätte, weil die vorgenannten Ansprüche die älteren waren. Gleichgültig aber, ob davon auszugehen ist, oder statt dessen angenommen werden müsste, der Kl. hätte auf den Zuwendungsanspruch der Bekl. in voller Höhe geleistet und erst mit seinem eventuellen Rückzahlungsanspruch gegen die dann noch nicht erfüllten Forderungen der Bekl. auf Urlaubsabgeltung und Wege- und Umkleidegeld teilw. gem. §§ 387 ff. BGB aufgerechnet, handelt es sich bei der Klageforderung nur um den von dem Kl. geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des der Bekl. tatsächlich als solcher zugeflossenen Teils der Zuwendung in unstr. Höhe. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Bekl. bei Empfang der Überweisung auf ihrem Konto gem. § 819 I BGB den Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung einer Zuwendung in dieser Höhe kannte mit der Folge, dass sie für die von ihr verschuldete Unmöglichkeit der Rückzahlung einstehen müsste, §§ 818 IV , 292 I , 989 BGB.

2. Die Bekl. ist nämlich gem. § 1 V i.V. mit I Nr. 3 ZuwendungsTV zur Rückzahlung des erhaltenen oder nicht durch Aufrechnung des Kl. gem. § 389 BGB als erloschen geltenden Betrages der Sonderzuwendung von DM 618,56 verpflichtet, ohne dass sie sich mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III BGB berufen könnte, weil sie den empfangenen Betrag unstreitig für Weihnachtsanschaffungen ausgegeben hat. Die Bekl. ist durch ihre ordentliche Kündigung vom 27./30. 10. 1989 zum Ende ihres Erziehungsurlaubs, der mit dem 29. 12. 1989 ablief, auf ihren Wunsch vor dem 31. 3. 1990 aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Kl. ausgeschieden. Dabei ist es in ihrem Verhältnis zu dem Kl. unmaßgeblich, dass sie sich aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse durch die erforderliche Betreuung zweier Kinder dazu gezwungen sah, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen. Die Tarifvertragsparteien haben im Zuwendungstarifvertrag für den Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers bei Ausscheiden des Arbeitnehmers bis einschließlich zum 31. 3. des Folgejahres die Berufung des Arbeitnehmers auf den Wegfall der Bereicherung nicht ausdrücklich vorgesehen. Dieser Einwand kommt auch nicht in Betracht.

Es kann dahinstehen, ob das, wie das ArbG unter Hinweis auf das Urteil des BAG, (NJW 1964, 1241 = AP § 611 BGB-Lohnrueckzahlung Nr. 2 (zu 1)) für eine einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungspflicht überzahlter Vergütung angenommen hat, daraus folgt, dass ohne § 1 V ZuwendungsTV sich die Rückzahlungspflicht aus § 812 BGB ohnehin ergebe und die Tarifvorschrift ohne den Sinn, § 818 III BGB auszuschließen, überflüssig wäre. Es bedarf keiner Auslegung des § 1 V ZuwendungsTV. Die Ansicht der Bekl., der Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III BGB könne dem Rückforderungsanspruch des Kl. entgegengehalten werden, ist verfehlt, weil sie die Stellung der Vorschrift im Normengefüge des Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs außer acht lässt. Unabhängig davon, ob man die Verpflichtung des Schuldners einer Geldschuld, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (RGZ 106, 177 (181); BGHZ 63, 132 (139) = NJW 1975, 44), aus § 279 BGB herleitet (so BGHZ 83, 293 (300f.) = NJW 1982, 1585) oder aus einem unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung immanenten allgemeinen Rechtsgrundsatz, der vor allem im Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht zum Ausdruck kommt (so Palandt-Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 279 Rdnr. 4), handelt es sich beim Einwand des Wegfalls der Bereicherung gem. § 818 III BGB um eine Sondervorschrift des Bereicherungsrechts, die auf andere Ansprüche ohne ausdrückliche Regelung, dass das der Fall sein soll, auch nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. Palandt-Thomas, BGB, § 818 Rdnr. 27). Das zeigt zum einen die Entstehungsgeschichte der Norm, die zunächst nur auf die Leistungskondiktion beschränkt werden sollte (vgl. Mot. II, 836ff.), aber auch zum Beispiel die ausdrückliche Rechtsgrundverweisung auf Bereicherungsrecht in § 951 I BGB einerseits und die Verpflichtung des Eigentümers, dem Besitzer Verwendungen zu ersetzen, auch wenn er nicht bereichert ist, § 994 BGB, andererseits. Die Bekl. "zäumt das Pferd vom Schwanz her auf", wenn sie davon ausgeht, die Tarifvertragsparteien hätten in § 1 V ZuwendungsTV den Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht ausschließen wollen; denn sie hätten im Gegenteil etwas Entsprechendes vereinbaren müssen, um ihr diesen Einwand zu eröffnen.

Entsprechend hat das BAG in seiner umfangreichen Rechtsprechung zur Verpflichtung zur Rückzahlung von Gratifikationen (vgl. BAG, AP § 611 BGB - Gratifikation - Nr. 2) sich bisher noch nie veranlasst gesehen, zu diesem Einwand Stellung zu nehmen. Lediglich in dem Urteil vom 16. 4. 1986 (5 AZR 360/85, unveröff.) findet sich unter III der Gründe die Bemerkung, dass es im konkreten Fall darauf nicht ankomme. Es wäre außerordentlich verwunderlich, wenn ein so naheliegender Einwand, wenn er gegeben wäre, noch nie erhoben worden sein sollte. Im Gegenteil hat das BAG in der Entscheidung (NJW 1964, 1241 = AP § 611 BGB - Lohnrückzahlung - Nr. 2 (zu 1)) den Einwand bei einer einzelvertraglichen Rückzahlungsklausel für überzahltes Gehalt jedenfalls im Ergebnis zu Recht nicht zugelassen. Für die hier vertretene Ansicht spricht auch die Entscheidung des BAG (NZA 1987, 380 = NJW 1987, 1904 L = AP § 812 BGB Nr. 5), in der es auf § 818 III BGB nur deshalb ankam (zu II 3), weil sich dort der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes kraft Tarifvertrages ausdrücklich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtete.

3. Der Klageanspruch ist jedenfalls ab dem 15. 3. 1990 wegen Verzuges der Bekl. gem. §§ 284 I und II , 288 I 1 BGB mit 4 v.H. p.a. zu verzinsen, weil der Klageanspruch des Kl. seit dem 30. 12. 1989 nach dem Kalender zur Rückzahlung fällig war und es deshalb einer Mahnung nicht bedurfte ...

Vorinstanzen

ArbG Darmstadt, 2 Ca 434/90, 04.04.1991

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht