Nachweis eines Einbruchdiebstahls

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 01. 1987


Aktenzeichen

IVa ZR 138/85


Leitsatz des Gerichts

  1. Dem Versicherungsnehmer kommen für den Nachweis eines Einbruchdiebstahls Beweiserleichterungen zugute. Es reicht aus, wenn Anzeichen feststehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines versicherten Diebstahls ergeben. Die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises brauchen nicht vorzuliegen.

  2. Die Versicherung hat den Gegenbeweis geführt, wenn konkrete Tatsachen festgestellt sind, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. betreibt in D ein Bräunungsstudio mit Restauration. Sie hat bei der Bekl. eine gebündelte Geschäftsversicherung abgeschlossen. Sie verlangt von der Bekl. eine Entschädigung von 55500 DM nebst Zinsen wegen eines angeblichen Einbruchs in ihren Geschäftsbetrieb, bei dem verschiedene Gegenstände, u. a. ein Großbildprojektor im Wert von 14000 DM entwendet worden sein sollen. Die Bekl. hat das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestritten und dabei auf Unstimmigkeiten im Vortrag der Kl. über die Eigentumsverhältnisse und den Wert des Großbildprojektors sowie auf eine Vorstrafe und unredliches Verhalten des Ehemanns der Kl. hingewiesen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das BerGer. hält den Nachweis eines Versicherungsfalles für nicht geführt:

Zwar könne ein Versicherungsnehmer für den Nachweis eines Einbruchsdiebstahls grundsätzlich Beweiserleichterungen für sich in Anspruch nehmen. Es reiche aus, dass er den äußeren Sachverhalt dartue und gegebenenfalls beweise, aus dem sich - typischen Geschehensablauf vorausgesetzt - mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Eintritt eines Versicherungsfalles schließen lasse. Ein solcher Sachverhalt liege an sich angesichts der unstreitig vorhandenen Einbruchsspuren im Betrieb der Kl. vor. Der Beweis des ersten Anscheins entfalle aber, wenn der Versicherer beweise, dass die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs bestehe, insbesondere im Falle mangelnder persönlicher Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers. So verhalte es sich hier. Dass ihr Ehemann wegen seines Verhaltens in anderen Versicherungsfällen und wegen einer Vorstrafe wegen Entziehung elektrischer Energie nicht vertrauenswürdig sei, könne der Kl. nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Denn es sei nicht völlig auszuschließen, dass sie im vorliegenden Versicherungsfall im wesentlichen ohne Mitwirkung ihres Ehemannes gehandelt habe. Es sei deshalb entscheidend auf ihre eigene Glaubwürdigkeit abzustellen. Sie sei indessen selbst auch nicht vertrauenswürdig. Denn sie habe bei der Schadensregulierung zunächst den Anschein erweckt, sie habe den Großbildprojektor zur Zeit des Einbruchs schon von dem Zeugen W für 14000 DM gekauft gehabt, während sie später habe einräumen müssen, sie sei erst nach dem Schadensfall mit dem Zeugen übereingekommen, dass sie ihn dem Zeugen für 14000 DM abkaufe, weil sie ohnehin für den Schaden des Zeugen habe aufkommen müssen. Welche dieser Darstellungen auch zutreffe, jedenfalls habe sie bezüglich des Großbildprojektors nicht aufrichtig gehandelt; dieser Umstand stelle - wobei man den Hintergrund der erwiesenen Unehrlichkeit ihres Ehemannes nicht ganz unberücksichtigt lassen könne - die Glaubwürdigkeit ihres gesamten Vorbringens in Frage. Deshalb sei die Möglichkeit, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht sei, ernsthaft gegeben.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nicht rechtsfehlerfrei ist schon der Ausgangspunkt des BerGer. über die tatsächlichen Voraussetzungen einer Beweiserleichterung im Falle eines Einbruchsdiebstahls. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats brauchen nicht die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises vorzuliegen. Es braucht sich deshalb weder um einen typischen Geschehensablauf zu handeln, noch muss eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Versicherungsfalles sprechen. Es reicht vielmehr aus, dass Anzeichen feststehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines versicherten Diebstahls ergeben. Dieser Rechtsfehler wirkt sich allerdings nicht zum Nachteil der Kl. aus, weil das BerGer. den äußeren Sachverhalt eines Einbruchsdiebstahls als gegeben ansieht.

2. Den Gegenbeweis des Versicherers sieht das BerGer. zu Unrecht schon dann als geführt an, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs bestehe. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass für den Gegenbeweis die Feststellung von konkreten Tatsachen erforderlich ist, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen (vgl. z. B. BGH, VersR 1984, 29 (30)). Nach diesem Maßstab hat der Tatrichter den Sachverhalt bisher nicht beurteilt. Seine Ausführungen lassen überdies die Möglichkeit offen, dass er der Ansicht war, jede Unredlichkeit des Versicherungsnehmers bei der Feststellung der Schadenshöhe reiche aus, um die ihm in der Regel zugute kommende Beweiserleichterung für das Vorliegen eines Einbruchs entfallen zu lassen. Diese Sicht wäre unzutreffend. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 18. 11. 1986 (NJW-RR 1987, 536 (in diesem Heft) = WM 1987, 61) im einzelnen ausgeführt und begründet. Darauf wird verwiesen. Ob aus einem Verhalten des Versicherungsnehmers, das nicht die äußeren objektiven Umstände des behaupteten Diebstahls betrifft, der Schluss zu ziehen ist, es bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Versicherungsnehmer den Diebstahl selbst vorgetäuscht habe, kann danach nur im Einzelfall vom Tatrichter beurteilt werden. Er muss dabei beachten, dass nicht jede bewusst falsche Angabe des Versicherungsnehmers zur Schadenshöhe bereits den Schluss rechtfertigt, es bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung des behaupteten Einbruchdiebstahls.

3. Inwieweit der Tatrichter der Kl. das Verhalten ihres Ehemannes zum Nachteil gereichen lassen will, wird nicht hinreichend deutlich. Er spricht einmal davon, es könne ihr nicht ohne weiteres zugerechnet werden, es komme entscheidend auf die eigene Glaubwürdigkeit der Kl. an; letztlich lässt der Tatrichter aber den „Hintergrund der erwiesenen Unehrlichkeit ihres Ehemannes nicht ganz unberücksichtigt“.

Bei der erneuten Verhandlung wird der Tatrichter folgendes zu beachten haben: Zutreffend ist sein Ausgangspunkt, dass es nicht um die Zurechnung eines Repräsentantenhandelns geht. Es handelt sich vielmehr allein darum, ob der Gegenbeweis der Bekl. geführt ist, dass nämlich konkrete Tatsachen die Annahme der Vortäuschung eines Einbruchdiebstahls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen. Dabei kann auf alle Tatsachen zurückgegriffen werden, die indizielle Bedeutung für die Vortäuschung eines Diebstahls haben. Dazu reicht allerdings die „erwiesene Unehrlichkeit des Ehemannes“ nicht aus, solange sie nicht in einen konkreten Zusammenhang mit einer Vortäuschung des Diebstahls gebracht werden kann. Dem Tatrichter obliegt es zu prüfen und zu beurteilen, ob die Gesamtwürdigung aller festgestellten Verdachtsmomente den Schluss rechtfertigt, es bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des behaupteten Einbruchdiebstahls.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht