Unterhaltsaufwand für ungewolltes Kind als Schaden

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

18. 03. 1980


Aktenzeichen

VI ZR 105/78


Leitsatz des Gerichts

Führt das Fehlschlagen eines Sterilisationseingriffs zur Geburt eines aus Gründen der Familienplanung unerwünschten gesunden ehelichen Kindes, dann kann die daraus der Mutter erwachsende Unterhaltsbelastung zu einem Schadensersatzanspruch gegen den für die fehlerhafte Operation Verantwortlichen führen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. begehrt von dem Bekl., einem Bundesland, Schadensersatz wegen eines misslungenen Sterilisationseingriffs, der bei ihr am 14. 6. 1972 in der vom Bekl. getragenen Universitäts-Frauenklinik vorgenommen worden ist. Die im Jahre 1947 geborene Kl. war (und ist) mit einem in bescheidenen Einkommensverhältnissen lebenden Kranführer verheiratet. Sie hatte im fraglichen Zeitpunkt schon drei Geburten hinter sich. Zwei eheliche Kinder waren vorhanden; außerdem hat der Ehemann einem weiteren Kind Unterhalt zu leisten. Die Kl. stand von Jugend auf in nervenärztlicher Behandlung und bedarf deshalb häufig stationärer Pflege. Im Juni 1972 hatte sich die Kl. zur Behandlung einer Gebärmuttersenkung in die Frauenklinik begeben. In diesem Zusammenhang sollte sie in ihrem und ihres Ehemannes Einverständnis durch Teilentfernung bzw. Unterbinden beider Eileiter sterilisiert werden. Dies hing damit zusammen, dass der Erfolg der durch die Gebärmuttersenkung veranlassten Operation mit einer erneuten Geburt nicht vereinbar war. Bei dem Eingriff unterlief dem damals als Assistenzarzt tätigen heutigen Streithelfer des Bekl., der einen solchen Eingriff (Unterbindung der Eileiter auf vaginalem Wege) erstmals vornahm, ein Fehler insofern, als er statt des rechten Eileiters das rechte Mutterband (ligamentum rotundum) unterband. Dies führte zu einer erneuten Schwangerschaft der KL; sie wurde am 21. 9. 1974 durch Kaiserschnitt von Zwillingen entbunden, nachdem sie sich im April 1974 einer erneuten Operation im Bereich der Gebärmutter unterzogen hatte, um die weitere Geburt zu ermöglichen. Die Kl. ist der Auffassung, das Fehlschlagen der Sterilisation habe auf einem von den behandelnden Ärzten verschuldeten Fehler beruht. Sie behauptet, sie habe durch die unerwartete weitere Schwangerschaft einen "Schock" erlitten und verschiedene gesundheitliche Schäden davongetragen. Vor allem sei ihr durch die Belastung mit der Unterhaltspflicht den Zwillingen gegenüber ein Vermögensschaden entstanden. Sie hat beantragt, das bekl. Land zu ihrer Freistellung von allen Unterhaltsansprüchen der Zwillinge zu verurteilen, ferner festzustellen, dass der Bekl. (vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Sozialversicherungsträger) alle Heilbehandlungskosten zu ersetzen habe, die als Folge der Operation vom 14. 6. 1972 entstehen würden.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf Berufung des Bekl. hat das OLG die Klage hinsichtlich des Freistellungsanspruchs abgewiesen (das Berufungsurteil ist u. a. abgedruckt in NJW 1978, 1685 und VersR 1978, 846 sowie in JZ 1978, 532 in. Anm. Deutsch). Die Revision der Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Den nur noch im Streit befindlichen Befreiungsanspruch hält das BerGer. für prozessual zulässig. Darin kann ihm, soweit das Begehren in Gestalt eines Leistungsantrags vorgebracht ist, allerdings nicht ohne weiteres gefolgt werden. Eine Verurteilung zur Freistellung entbehrt, wenn sie keinerlei Anhalt über den Umfang der Verbindlichkeit enthält, von der freigestellt werden soll, regelmäßig der erforderlichen Bestimmtheit (§ 253 II Nr. 2 ZPO), weil sie ohne nur in einem zusätzlichen Rechtsstreit zu erreichende Konkretisierung nicht vollstreckbar sein würde. Die Revisionserwiderung räumt aber selbst ein, dass sich die Umdeutung in ein Feststellungsbegehren anbietet. Bei rechtlich zutreffender Beurteilung der prozessualen Lage hätte das BerGer. die Kl. hierauf hinweisen müssen (§ 139 ZPO). Dafür, dass diese sich einem solchen Hinweis verschließen wird, besteht derzeit kein Anhalt.

B. I. 1. Das BerGer. geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die Verwechslung eines Mutterbandes mit einem Eileiter dem für den Bekl. tätig gewordenen Arzt zum Verschulden gereicht, so dass sich eine Haftung des Bekl. als Träger der Klinik aus § 278 BGB ergibt. Dies lässt keinen Rechtsirrtum erkennen; insbesondere ergibt sich nichts Abweichendes aus dem Umstand, dass sich die Kl. dem Eingriff als "Kassenpatientin" unterzogen hat (vgl. das gleichzeitig verkündete Senatsurteil in der Sache VI ZR 247/78, NJW 1980, 1452 [in diesem Heft] - bei "2. Revision der Bekl." zu I) 1 der Entscheidungsgründe). Auch der Bekl., der die Feststellung bezüglich seiner Haftung für weitere Gesundheitsschäden hinnimmt, hat dagegen nichts erinnert. Da dieser Feststellungsanspruch auf Behandlungskosten beschränkt ist, also eine etwaige Schmerzensgeldforderung nicht umfasst, kann im vorliegenden Rechtsstreit offen bleiben, ob ein derartiges Versäumnis des Arztes auch zu deliktischen Ansprüchen (§§ 823 I, 831 BGB) führen könnte (vgl. indessen das vorerwähnte Urteil in der Parallelsache, 1. Teil der Entscheidungsgründe).

2. Dagegen hält das BerGer. den Freistellungsanspruch hinsichtlich entstehender Unterhaltspflichten für grundsätzlich unbegründet, weil es einen Schadensersatzanspruch wegen der Unterhaltsbelastung durch ein gesundes eheliches Kind nicht für möglich hält.

a) Der Erstrichter hatte dazu ausgeführt: Die Mutter erfülle ihre Unterhaltspflicht regelmäßig durch häusliche Fürsorge. Daran sei die Kl. zwar infolge ihres seit ihrer Jugend bestehenden Nervenleidens gehindert, so dass die Kosten der Heimunterbringung der Zwillinge von der Sozialfürsorge bestritten würden, daher die elterlichen Verpflichtungen "rein tatsächlich" insoweit beschränkt seien. Es sei jedoch denkbar, dass sich die Kl. im Falle späterer Leistungsfähigkeit an diesen Kosten (der Ehemann wird schon jetzt dazu teilweise herangezogen) werde beteiligen müssen.

b) Das BerGer. begründet seine Ansicht wie folgt: in der im Schrifttum und in der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte umstrittenen Frage, ob die Belastung mit Unterhaltsansprüchen eines ungewollten ehelichen Kindes, einen ersatzfähigen Schaden darstelle, sei denjenigen beizutreten, die solche Ansprüche verneinen. Jedenfalls nach der geltenden Rechtsordnung und der familienrechtlichen Ausgestaltung eines Eltern- und Kindesverhältnisses sei für die Abwälzung des darin wurzelnden Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen die Eltern auf einen Dritten, der die ungewollte Geburt schuldhaft verursacht habe, kein Raum. Das führt das BerGer. anhand von Erwägungen und Argumenten, auf die unten im einzelnen einzugehen sein wird, näher aus.

II. Das RevGer. vermag dem jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.

1. Die Frage, ob der Unterhaltsaufwand für ein ungewolltes Kind als Schaden geltend gemacht werden kann, ist umstritten.

a) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist die Frage erst seit einigen Jahren wiederholt zur Entscheidung gekommen.

Eine knappe Übersicht ergibt folgendes:

Erstmals hat das LG Itzehoe (VersR 1969, 265 = FamRZ 1969, 90 - "Apothekerfall") die Ersatzfähigkeit dem Grunde nach ohne Vorbehalt bejaht. Das LG Limburg (NJW 1969, 1574) bejaht zwar im Grundsatz die Schadensqualität der Unterhaltsbelastung, ist aber im übrigen nicht ganz widerspruchsfrei. Die Ersatzfähigkeit wird späterhin verneint vom LG München I (VersR 1970, 428 = FamRZ 1970, 314) und vom LG Duisburg (VersR 1975, 432), bejaht aber vom OLG Düsseldorf (NJW 1975, 595); bejahend auch OLG Zweibrücken (NJW 1978, 2340) und OLG Celle (NJW 1978, 1688; dieses Urteil ist durch Rücknahme der Revision rechtskräftig geworden). Dem erkennenden Senat liegen ferner Revisionen gegen zwei weitere bejahende Urteile des OLG Karlsruhe - Zivilsenat in Freiburg - NJW 1979, 599 AZ: VI ZR 247/78) und des LG Münster vom 25. 11. 1977 (AZ: VI ZR 15/78 - Sprungrevision) gleichzeitig zur Entscheidung vor.

b) Wird demnach die konsequent ablehnende Haltung des BerGer. in der bisherigen Judikatur kaum vertreten, so fand sie im Schrifttum jedenfalls zunächst nicht selten Befürworter, obwohl auch dort die Gegenmeinung überwiegen dürfte. Nachdem Prölss 1963 (Karlsruher Forum, S. 40) die Frage wohl erstmals, aber ohne Stellungnahme angesprochen hatte, wurde die Ersatzfähigkeit des Unterhalts zwar beiläufig aber entschieden zunächst von Diederichsen (Die Haftung des Warenherstellers, 1967, S. 586) verneint; ebenso verneint haben sie Bosch (FamRZ 1969, 91), Löwe (VersR 1969, 573: "schlechter Scherz"), Lankers (FamRZ 1969, 384); ablehnend ferner Klimke (VersR 1975, 1083), Geigel (Haftpflichtprozess, 17. Aufl., Kap. 28 Rdnrn. 52b ff.); eher zweifelnd Staudinger-Schäfer (BGB, 10./11. Aufl., § 823 Rdnr. 10) und Larenz (SchuldR I, 12. Aufl., § 29 III b). Am ausführlichsten hat Selb (JZ 1971, 201) diesen Standpunkt begründet. Dagegen wird die Auffassung des Berufungsurteils ausdrücklich zuletzt wieder von Schlund (JZ 1978, 335) gebilligt. Als Meinungsäußerungen, des Schrifttums, die die Unterhaltsbelastung durch ein planwidrig geborenes Kind grundsätzlich für ersatzfähig halten, seien erwähnt: Lorenz, AcP 107, 386 Fußn. 61; Mertens, FamRZ 1969, 251; Giesen-Giesen, FamRZ 1969, 319; Heldrich, JuS 1969, 455; Tiedtke, FamRZ 1970, 232; v. Hippel, FamRZ 1971, 409; Roth=Stielow, MDR 1971, 265; Deutsch, HaftungsR I, S. 441 f.; ders., JZ 1978, 532; Brühl-Göppinger-Mutschler, UnterhaltsR I, 3. Aufl., Rdnrn. 833 f.; insbesondere die Erörterung des ganzen Fragenkomplexes bei Sigel, Zivilrechtliche Haftung bei fehlgeschlagener Sterilisation (Tübinger Diss. 1978). Eine gewisse Mittellösung versucht neuerdings Köhler (VersR 1979, 701).

2. Das BerGer. macht sich die im Schrifttum mehrfach gebrachte Argumentation zu eigen, dass ein Kind als "Wertverwirklichung" kein Schaden sein könne, und ein solches Urteil "christlich-humanistischen Kulturvorstellungen widerspreche". Inwieweit solchen kulturphilosophisch und theologisch vielleicht berechtigten Argumentationen juristischer Eigenwert zukommt, lässt sich in Frage stellen. Doch kommt es darauf nicht an; denn auch die Vertreter der Gegenmeinung betrachten nicht das Kind an sich als Schaden, sondern nur die durch seine planwidrige Geburt ausgelöste Unterhaltsbelastung der Eltern (vgl. u.a. Lange, Schadensersatz, 1979, S. 141 Fußn. 215). Dies verkennt auch das BerGer. nicht.

a) Eine solche differenzierende Betrachtungsweise stellt entgegen der Meinung von Lankers (FamRZ 1969, 384), der in der Abspaltung der Unterhaltslast eine "Zergliederung der personalen Ganzheit des Kindes" sehen will, keine künstliche Aufspaltung dar, sondern hat manche schadensrechtlichen Parallelen. Die Formulierung "Kind als Schaden" ist nicht mehr als eine schlagwortartige, daher juristisch untaugliche Vereinfachung. Denn etwa auch derjenige, der durch Missbrauch einer Vollmacht oder in anderer Weise durch den Erwerb einer ungewünschten Sache oder Rechtsposition geschädigt ist, leitet seinen Schaden nicht aus dem Erwerb des an sich wertvollen Gegenstands selbst her, sondern nur aus der Notwendigkeit, ihn zu bezahlen oder gegebenenfalls zu unterhalten, bzw. aus der entsprechenden Unmöglichkeit eines anderweiten, von ihm gewünschten Erwerbs. Hier kann der Wert des erworbenen Gegenstandes allenfalls bei der Schadensberechnung als anrechnungsfähiger Vorteil eine Rolle spielen. Dieser Hinweis auf analoge schadensrechtliche Zusammenhänge bedeutet nicht etwa, dass damit das Kind einer Sache, der Unterhalt dem Kaufpreis gleichgestellt würde. Es braucht auch an dieser Stelle nicht darauf eingegangen zu werden, ob das "Haben" eines Kindes, die "Freude am Kind" schadensrechtlich als anrechenbarer (immaterieller) Vorteil in Frage kommen könnte, wie dies in der Tat schon diskutiert worden ist (Nachw. bei Sigel, S. 109f.).

b) Dieser schadensrechtlich differenzierenden Betrachtungsweise könnte nur der Gedanke entgegenstehen, dass der Gesetzgeber insoweit eine ausschließliche familienrechtliche Regelung getroffen hätte. Dass er bisher eine ausdrückliche Regelung nicht getroffen hat, ist freilich ohne Bedeutung (anders allerdings u. a. Selb, JZ 1971, 201 a.E.). Fraglich kann nur sein, ob die geltenden Grundsätze des Familienrechts (§§ 1297 ff. BGB oder auch Art. 6 GG) die Anwendung der allgemeinen Sätze über den schuldrechtlichen Ausgleich von Vermögensschaden, hier der §§ 611, 276, 249 BGB, verhindern (vgl. BGHZ 48, 82 [86] = NJW 1967, 2008). Auch diese Frage ist nach der Ansicht des Senats zu verneinen. Der Vorrang der familienrechtlichen Regelung hat zwar die höchstrichterliche Rechtsprechung in den sog. Ehestörungsfällen bestimmt (BGHZ 57, 229 [232] = NJW 1972, 199 m. w. Nachw.; Senat, NJW 1973, 991, 992), indessen greift er hier nicht ein (was auch Selb, JZ 1971, 202, einräumt). Tragender Grund für die Rechtsprechung in jenen Fällen ist, dass mit den Ansprüchen gegenüber dem Dritten, der zu der Mutter Beziehungen aufgenommen hatte, zugleich über Rechte und Pflichten aus Ehe und Familie geurteilt werden muss, die zu regeln allein dem Ehe- und Familienrecht vorbehalten ist. Ein solcher Übergriff auf den dem Familienrecht vorbehaltenen Bereich droht aber nicht, wenn wie hier ein haftungsbegründendes Verschulden eines Dritten zur Geburt eines Kindes geführt hat, die beide Eltern hatten vermeiden wollen.

3. Ist dies aber so, dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass zwischen dem Versagen des Dritten, das die Empfängnis entgegen der Erwartung der auf den Eingriff vertrauenden Ehepartner weiterhin ermöglichte, und deren tatsächlichem Eintritt auch ein im Rechtssinne erheblicher ursächlicher Zusammenhang besteht. Das im Schrifttum gelegentlich auftauchende Argument, dem Geschlechtsverkehr sei die Erzeugung von Leben nun einmal wesenseigen, das sich das BerGer. zu eigen macht, bleibt damit in dieser Form auf der Ebene juristischen Denkens nicht nachvollziehbar. Die Erwägung, dass in dem Vertrauen von Eheleuten (allgemeiner wohl: von Geschlechtspartnern) auf die Wirksamkeit von Verhütungsmaßnahmen ein gewisses "Assekuranzdenken unserer Zeit" zum Ausdruck komme, wird dem komplexen Lebenssachverhalt kaum gerecht. Jedenfalls ist nicht einzusehen, dass das einen Dritten von seiner rechtlichen Verantwortung entlasten soll, der solche erlaubte Maßnahmen (vgl. Senatsurteil BGHZ 67, 48 = NJW 1976, 1790) übernommen und dabei die von ihm zu fordernde Sorgfalt außer acht gelassen hat.

4. Das BerGer. macht sich auch ein letztes, im Schrifttum vertretenes Argument zu eigen, das die Geltendmachung einer Unterhaltsbelastung als Schaden der Eltern grundsätzlich ausschließen soll: Das Kind könne ein seelisches Trauma erleiden, wenn es erfahre, dass es nur durch Drittverschulden, also von den Eltern ungewollt, zur Welt gekommen sei, und dass diese seine Existenz als ersetzbaren Schaden angesehen haben. Auch insofern kann dem BerGer. nicht gefolgt werden. Schon gegen die innere Stimmigkeit dieser Argumentation sind berechtigte Einwendungen erhoben worden. Das angeblich zu erwartende Trauma mag möglich sein, ist aber wohl kaum überwiegend wahrscheinlich. Dagegen sind Schadensersatzleistungen, die eine durch die "unerwünschte" Geburt herbeigeführte wirtschaftliche Einengung der Familie neutralisieren, unter Umständen sehr geeignet, eine positive Einstellung der Eltern zu dem zusätzlichen Kind zu fördern (so schon Mertens, FamRZ 1969, 256; Deutsch, JZ 1978, 533; Heldrich , JuS 1969, 459; OLG Karlsruhe, NJW 1979, 599). Auf all dies kommt es aber deshalb nicht an, weil die Vermeidung eines solchen Traumas, wo es etwa befürchtet wird, Sache der Eltern selbst wäre. Dem Schädiger steht es auf keinen Fall an, sich unter dem Vorwand einer solchen psychologischen Rücksichtnahme auf das Kind seinen Verpflichtungen zu entziehen. Innerhalb der hier allein in Frage stehenden schadensrechtlichen Beurteilung ist dieses Argument überhaupt fehl am Platze (sinngemäß ebenso wohl Heldrich, JuS 1969, 459). Die Frage, ob dieser Gesichtspunkt im Rahmen einer gesetzlichen Regelung des Gesamtkomplexes (dazu noch unten) eine gewisse Berücksichtigung verdienen könnte, gehört nicht hierher.

5. Der Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags, die für die Geburt des Kindes ursächlich geworden ist, kann der Unterhaltsaufwand für das so gezeugte Kind allerdings als Schadensfolge rechtlich nur zugerechnet werden, wenn dadurch tatsächlich eine Familienplanung durchkreuzt worden ist, wenn also die Empfängnis nicht nur angesichts der vermeintlich wirksamen Sterilisation unerwartet, sondern den Eltern aus diesen Gründen unerwünscht war. Das BerGer. hat dazu im vorliegenden Falle - folgerichtigt, da es die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsaufwandes überhaupt verneint - bisher keine Feststellungen getroffen und wird sie, wenn die Kl. ihr Begehren auf einen zulässigen Feststellungsantrag umstellt (s. o. zu A), nachholen müssen.

a) Dass eine weitere Geburt der Familienplanung widersprach, gehört zwar zum anspruchsbegründenden Tatbestand, doch wird sich diese Feststellung oder doch ein vom beklagten Arzt bzw. Krankenhausträger zu entkräftender Anschein häufig aus den unstreitigen Umständen ergeben, wobei der Tatrichter nicht kleinlich verfahren darf. Kein Zweifel wird regelmäßig an diesem Tatbestandsmerkmal dann bestehen, wenn die Sterilisation gerade deshalb erbeten und ausgeführt wurde, weil weiterer Nachwuchs überhaupt vermieden werden sollte. So lag aber hier der Fall nicht. Denn es ist unstreitig, dass die Sterilisation vorgenommen worden ist, weil eine weitere Geburt mit dem durch den Eingriff zur Behebung der Gebärmuttersenkung im Urogenitalbereich der Mutter geschaffenen Zustand nicht vereinbar erschien.

b) Aber auch in solchen Fällen ist es nicht ausgeschlossen, sondern eher naheliegend, dass das unerwartete Kind aus Gründen der Familienplanung "unerwünscht" war. Oft werden Eltern, die - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - keine weiteren Kinder wollten, nur im Vertrauen auf die Effektivität des Eingriffs auf andere Maßnahmen zur Verhütung der Empfängnis verzichten.

Von einer Störung der Familienplanung, die grundsätzlich im Ermessen der Eltern steht, kann aber selbst dann gesprochen werden, wenn die Eltern zwar zunächst gegen weiteren Kindersegen keine Vorbehalte gehabt hatten, sich aber dann im Glauben an die vermeintliche Sterilisation in ihrem Lebenszuschnitt darauf eingestellt hatten, dass weitere Kinder ausbleiben würden. Ein besonders sinnfälliges Beispiel, aber keineswegs das einzige, ist der Fall, dass die Eltern angesichts der vermeintlichen Unfruchtbarkeit der Frau inzwischen fremde Kinder adoptiert haben.

c) Zu einer Vertiefung dieser Fragen gibt der vorliegend zu entscheidende Fall keinen Anlass. Dass hier die Familienplanung gestört wurde, ist schon bei objektiver Betrachtung sehr naheliegend. Zwar liegt die Zeugung eines dritten Kindes durch Eheleute (der Zufall der Zwillingsgeburt hat außer Betracht zu bleiben) innerhalb einer zahlenmäßig stabilen Population im üblichen Bereich und mag selbst in einfachen Verhältnissen angesichts des heutigen Standes der Sozialorganisation regelmäßig wirtschaftlich tragbar sein. Im Falle der Familie der Kl. gilt aber anderes, was sich besonders deutlich daran zeigt, dass die Zwillinge unter Inanspruchnahme von Fürsorgemitteln in einem Heim gehalten werden müssen, und der berufstätige Vater schon mit der Betreuung der beiden älteren Kinder angesichts des Ausfalls seiner Ehefrau eher überfordert ist. Angesichts solcher Umstände werden an die Feststellung der Unerwünschtheit kaum weitere Anforderungen gestellt werden können. Dass die Kl. und ihr Ehemann gleichwohl weiteren Nachwuchs gewünscht hätten, bedürfte positiver Anhaltspunkte.

6. Angemerkt sei, dass auch einige im Streitfall auf die Empfängnis folgende Umstände den Schluss auf die Erwünschtheit nicht erlauben. Das gilt zunächst für den Entschluss der Kl., die Schwangerschaft nicht - was wohl legal möglich gewesen wäre - abbrechen zu lassen, sondern die Geburt erst zu ermöglichen, indem sie sich einer erneuten Operation unterzog. Die Vernichtung werdenden Lebens ist keine selbstverständliche Alternative zur Empfängnisverhütung. jedenfalls ist insoweit die persönliche Gewissensentscheidung der Kl. zu respektieren. Dies hat übrigens auch das bekl. Land ausdrücklich anerkannt. Ebensowenig kann Eltern zum Vorwurf gemacht werden, dass sie ein unerwünschtes Kind nicht zur Adoption freigeben wollen. Hierauf braucht im Streitfall gleichfalls deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil das bekl. Land diesen Einwand nicht erhoben, insbesondere nicht behauptet hat, dass bezüglich der Zwillinge ein entsprechendes Angebot bestanden habe. Schließlich gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zum Eingehen auf die Frage, unter welchen Umständen ein "unerwünscht" gewesenes Kind nachträglich zu einem "erwünschten" werden kann. Zu einer solchen Feststellung würde jedenfalls der Umstand nicht ausreichen, dass das der Familienplanung widersprechende Kind die ihm gebührende elterliche Liebe und Zuwendung erfährt (des näheren vgl. das Senatsurteil in der Parallelsache, VI ZR 247/78, NJW 1980, 1452 [in diesem Heft]); hier ist indessen eine an sich erwünschte Eingliederung der Zwillinge in die elterliche Familie schon durch die erwähnten widrigen Umstände auf derzeit nicht absehbare Zeit ausgeschlossen.

III. Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben, da der Senat die Grundfragen der Haftung für die Verursachung einer "unerwünschten" Geburt durch einen Dritten anders beurteilt als das BerGer.

1. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass sich der Senat dabei ebenso wie die veröffentlichte jüngere Rechtsprechung (vgl. o. zu II 1 a) nur mit der Geburt eines ungewollten gesunden ehelichen Kindes zu befassen hatte. Nicht einzugehen war auf die Frage nach der Haftung für besondere Aufwendungen für ein genetisch oder perinatal geschädigtes Kind, dessen Entstehung es zu verhüten galt, ebensowenig auf die möglicherweise besonderen Probleme, die sich aus der ungewollten Zeugung bei außerehelichem Verkehr ergeben können (vgl. dazu indessen schon RGZ 108, 86, wo es um einen nicht alltäglichen Fall und übrigens um das frühere Unehelichenrecht ging).

2. Das BerGer. wird seine Entscheidung anhand der vom Senat aufgestellten Grundsätze zu überprüfen haben. Kommt es dabei (erwartungsgemäß) zu dem Ergebnis, dass der Feststellungsanspruch der Kl. begründet ist, dann wird es bei der Fassung des Urteilsausspruchs die besonderen Grundsätze zu beachten haben, die bei der Bemessung des Schadensersatzes für solchen Unterhaltsaufwand zu beachten sind. Er entspricht nicht immer dem Betrag, der dem Kind von seinen Eltern nach den §§ 1601 ff. BGB als Unterhalt geschuldet oder gewährt wird. Vielmehr sind hier beim Schadensersatzanspruch gegen den Bekl. Schranken zu beachten, die sich aus dem Übereinandergreifen von Haftpflichtrecht und familienrechtlichen Eigengesetzlichkeiten ergeben. Der Senat hat diese Abgrenzung in der mehrerwähnten Parallelsache (VI ZR 247/78) im wesentlichen dahin gezogen, dass ein Unterhaltsaufwand insoweit nicht mehr ersatzfähig ist, als er sich nur aus gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern ergibt; denn insoweit tritt der Gesichtspunkt der Teilhabe des Kindes an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Familie gegenüber einem Aufwand mit Schadenscharakter in den Vordergrund. Dass diese Gesichtspunkte im Falle der Kl. je zum Tragen kommen werden, ist allerdings derzeit eher unwahrscheinlich, weshalb hier auf eine nähere Darstellung verzichtet wird. Es wird gegebenenfalls genügen, wenn der Feststellungsausspruch mit der Einschränkung erfolgt, dass ein Freistellungsanspruch nur nach Maßgabe jener Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht, die die an sich erforderliche gesetzliche Regelung dieses rechtlichen Grenzbereichs zu ersetzen versucht.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht; Arzthaftungsrecht