Kein Unterhalt wegen schweren Fehlverhaltens
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
03. 06. 1997
Aktenzeichen
7 UF 523/96
Die Aufnahme außerehelichen Intimverkehrs vor der einvernehmlichen Trennung der Eheleute bzw. bevor sich der andere Partner einseitig von den ehelichen Bindungen losgesagt hat, stellt auch dann ein schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB dar, wenn die Möglichkeit der Scheidung kurze Zeit vorher in einem Gespräch der Eheleute erwogen wurde.
Auszüge aus den Gründen:
I.
Die Berufung des Bekl. gegen das angefochtene Urteil ist zulässig und auch begründet. Der Kl. steht ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gegen den Bekl. nicht zu.
II.
1. Es kann dahinstehen, ob der Kl. dem Grunde nach ein Aufstockungsanspruch gemäß §§ 1361, 1573 II BGB zusteht. Ein solcher Anspruch ist jedenfalls verwirkt, weil der Kl. ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen den Bekl. zur Last fällt, § 1579 Nr. 6 BGB.
Ein solches schwerwiegendes Fehlverhalten ist anzunehmen, wenn sich der Unterhaltsberechtigte gegen den Willen seines Partners von diesem abwendet und mit einem neuen Partner in ehel. Gemeinschaft zusammenlebt. Dadurch distanziert er sich von den ehel. Bindungen, so dass die Inanspruchnahme des Pflichtigen auf Unterhalt in der Regel unzumutbar erscheint (std. Rspr. des BGH, vgl. zuletzt FamRZ 1989, 487, 489). Für die Annahme einer Verwirkung ist es ausreichend, wenn der Ehegatte um eines anderen Partners willen aus der bis dahin durchschnittlich verlaufenen Ehe ausgebrochen ist und anschließend mit dem neuen Partner zusammenlebt. Meinungsverschiedenheiten, wie sie in jeder durchschnittlich verlaufenden Ehe vorkommen, oder auch eine gewisse ehel. Entfremdung schließen den Verwirkungseinwand nicht aus. Auch in solchen Fällen ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten dann anzunehmen, wenn der Berechtigte schon während der Ehe ein nachhaltiges und auf Dauer angelegtes intimes Verhältnis zu einem Dritten aufnimmt und gegen den Willen des Verpflichteten fortführt (vgl. BGH, FamRZ 1989, 1279, 1280).
Fest steht, dass die Kl. sich Mitte März 1996, wenige Tage, nachdem sie den Zeugen E. näher kennengelernt hatte, von dem Bekl. abgewandt und eine auf Dauer angelegte intime Beziehung zu dem Zeugen aufgenommen hat, mit dem sie seit Juli 1996 zusammenlebt.
Dieser Ausbruch aus der Ehe ist auch als einseitiges schweres Fehlverhalten der Kl. zu werten.
a) Vorwürfe von Gewicht gegen den Bekl., die das Fehlverhalten der Kl. entschuldigen könnten, hat die Kl. nicht vorgebracht. Ihre frühere Behauptung, sie sei vom Bekl. mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat zurückgenommen.
Auch für den Vorwurf "psychischer Gewalt", den die Kl. nach wie vor erhebt, ist nach der Anhörung der Parteien kein Raum. Die Kl. hat diesen Vorwurf lediglich damit begründet, sie habe sich von dem Bekl. "unter Druck gesetzt gefühlt", weil der Bekl. von ihr bestimmte - keinesfalls ungewöhnliche - sexuelle Praktiken verlangt habe, auf die sie nicht habe eingehen wollen und der Bekl. damit den Vorwurf verbunden habe, sie sei "keine richtige Frau". Derartige unterschiedliche Auffassungen zwischen Mann und Frau sind nicht ungewöhnlich und rechtfertigen nicht den Schluss, dass etwa die Ehe deswegen zerrüttet gewesen sei. Aus dem Umstand, dass die Bekl. den Verein "Frauen helfen Frauen" um Hilfe angegangen ist, kann sie nichts herleiten, da sie diesen Schritt nicht durch entsprechende Tatsachen in der Person des Bekl. untermauert hat. Die von ihr schriftsätzlich weiter vorgetragenen fehlenden Gemeinsamkeiten und Spannungen erklären diesen Schritt nicht. Derartige Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und Reibereien kommen in durchschnittlich verlaufenden Ehen häufig vor.
b) Die Kontaktaufnahme des Bekl. zu seiner geschiedenen zweiten Ehefrau führt zu keiner anderen Bewertung. Einen Verstoß gegen die ehel. Treuepflicht behauptet die Kl. selbst nicht. Ihre konkrete Behauptung geht lediglich dahin, der Bekl. habe im April 1996 - also lange, nachdem die Kl. selbst eine dauerhafte intime Beziehung zu E. aufgenommen hatte - wieder Kontakt zu seiner früheren Ehefrau geknüpft. Vermutungen, die sie aus Erzählungen von Verwandten schöpft, sind hier ohne Belang.
c) Soweit die Kl. vorgetragen hat, der Bekl. habe i. J. 1994 gegen die ehel. Treuepflicht verstoßen, kann sie damit ebenfalls kein Gehör finden. Zwar steht fest, dass der Bekl. sich damals eine Virusinfektion "Herpes Genitalis" zugezogen hatte. Dies deutet aber keineswegs zwingend auf einen außerehel. sexuellen Verkehr hin. In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass solche Infektionen auch auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr entstehen oder übertragen werden können. Im übrigen hat die Kl. in der Folgezeit regelmäßig wieder mit dem Bekl. verkehrt. Damit wäre ein außerehel. Verkehr des Bekl., sofern er denn stattgefunden hätte, jedenfalls verziehen.
Ebenso hat die Kl. dem Bekl. verziehen, dass er im Jahre 1994 während des Bestehens dieser Infektionskrankheit von ihr den ungeschützten ehel. Verkehr verlangt hat. Die Parteien haben danach wieder zueinander gefunden, gemeinsame Urlaube verbracht und nach einer gemeinsamen Wohnung gesucht.
d) Die Einseitigkeit des Fehlverhaltens der Kl. ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien am 12. 3. 1996, wie die Kl. behauptet, über die Scheidung gesprochen haben. Es kann dahinstehen, ob das Gespräch so wie von der Kl. behauptet stattgefunden hat oder nicht. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bedeutet dies nicht, dass die Parteien sich im Zeitpunkt des Ausbruchs der Kl. aus der Ehe bereits einvernehmlich getrennt hatten oder etwa der Bekl. sich einseitig von den ehel. Bindungen losgesagt hatte. Wie die Kl. im Senatstermin bei ihrer persönlichen Anhörung erklärt hat, hatte der Bekl. in der Vergangenheit schon häufiger von Scheidung gesprochen, dies jedoch niemals ernst gemeint. Er hatte auch niemals konkrete Schritte zur Scheidung in die Wege geleitet, ebensowenig wie die Kl. Aus der Sicht der Kl. sprach nichts dafür, dass es diesmal anders sein sollte, zumal die Parteien noch kurze Zeit zuvor einen gemeinsamen Urlaub verbracht, zusammen Silvester gefeiert und sich nach einer neuen Wohnung umgesehen hatten. In jedem Fall aber war die Kl. gehalten, nach dem erwähnten Gespräch v. 12. 3. 1996, bevor sie eine neue intime Beziehung einging, eine Weile zuzuwarten, ob etwa der Bekl. nunmehr - anders als in der Vergangenheit - einen Scheidungsantrag einreichen würde. Das ist nicht geschehen. Dass die Kl. im unmittelbaren Anschluss an dieses Gespräch ihrerseits einen Scheidungsantrag eingereicht hätte, hat sie selbst nicht behauptet.
Der Intimverkehr mit dem Zeugen E. nur drei Tage nach diesem Gespräch ist daher als ein schwerer Verstoß gegen die ehel. Treuepflicht zu bewerten, der - wie oben ausgeführt - auch nicht durch ein eigenes Fehlverhalten oder eine eigene Abkehr des Bekl. von der Ehe entkräftet wird. Die Kl. hat daher jeglichen Unterhaltsanspruch verwirkt.
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