Keine Verwechslungsgefahr der Zeitschriftentitel „Der DVD Markt” und „DVD & Video Markt”

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

24. 04. 2003


Aktenzeichen

5 U 90/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Zwischen den Werktiteln „Der DVD Markt“ und „DVD Video Markt“ besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs.2 MarkenG.

  2. Der Bezeichnung „Der DVD Markt“ kommt als Werktitel nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.

  3. Wird ein Titel lediglich als Einlegeheft einer Zeitschrift benutzt, so führt dies - insbesondere bei geringer Auflage - nicht zur Steigerung seiner Kennzeichnungskraft.

  4. Innerhalb des Kollisionszeichens „DVD Video Markt“ kommt dem Bestandteil „Video“ prägender Charakter zu.

  5. Gegenstand, Aufmachung und Erscheinungsbild sind bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von Zeitschriftentiteln zu berücksichtigen.

  6. § 15 Abs.2 MarkenG schützt grundsätzlich nur vor unmittelbarer Verwechslungsgefahr, da der Verkehr in der Regel keine Herkunftsvorstellungen mit einem Werktitel verbindet.

  7. Die bei einem Werktitel ausnahmsweise anerkannte mittelbare Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass der prioritätsältere Titel eine gewisse Verkehrsbekanntheit aufweist und der Verkehr organisatorische oder sonstige Zusammenhänge zwischen den herausgebenden Verlagen vermutet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin gibt die Zeitschrift „Der DVD Markt” heraus. In der Berufungsverhandlung ist unstreitig geworden, dass dies jedenfalls seit November 2000 in Form eines eigenständigen Heftes geschieht. Diese Zeitschrift befasst sich mit DVDs, DVD-Technik und den auf diesem Trägermedium verbreiteten Filmen; sie richtet sich an ein Fachpublikum, insb. Fachhändler und Betreiber von Videotheken.

Die Beklagte vertrieb seit 1982 eine Zeitschrift unter dem Titel „Video Markt”, die sie im Jahre 1995 in „Entertainment Markt” umbenannte. Diese Zeitschrift beschäftigte sich mit Videos, DVDs und Spielen und war gleichfalls für das Fachpublikum bestimmt. Als die Beklagte im Juli 2001 den Titel in „DVD & Video Markt” ändern wollte, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg, mit der der Beklagten die Benutzung dieses Titels untersagt wurde; diese einstweilige Verfügung wurde nach Widerspruch der Beklagten durch Urteil vom 11.9.2001 bestätigt (LG Hamburg, Urt. v. 11.9.2001 – 312 O 426/01). ...

Die Berufung der Beklagten war begründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch der Klägerin, der sich nur aus den §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2 MarkenG ergeben kann, sind entgegen der Auffassung des LG nicht erfüllt.

1. Allerdings ist der Titel der Klägerin unstr. prioritätsbesser als derjenige der Beklagten, wie das LG zutreffend festgestellt hat. Die Klägerin hat durch Vorlage der Rechnungen belegt, dass jedenfalls ab November 1998 der Titel „Der DVD-Markt” als Beilage oder Einlage der Zeitschrift „Medien Insight” verwendet worden ist; dies reicht für eine titelmäßige Benutzung aus (BGH GRUR 2000, 70 [72] – Szene). Insoweit hat die Beklagte den Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr bestritten, so dass er trotz der einschränkenden Bestimmungen des § 531 ZPO für neues tatsächliches Vorbringen in der Berufungsinstanz berücksichtigt werden kann (so auch Crückeberg, MDR 2003,10 wenn – wie hier – keine zusätzliche Beweisaufnahme nötig ist). ...

2. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass die Verwechslungsgefahr gem. § 15 Abs. 2 MarkenG bei Werktiteln anhand der Faktoren Kennzeichnungskraft des Titels, Titelähnlichkeit und Werknähe zu prüfen ist, die zueinander in Wechselbeziehung stehen; außerdem sind bei Zeitschriftentiteln nach der Rspr. des BGH Marktverhältnisse, Charakter und Erscheinungsbild der Zeitschriften, Gegenstand, Aufmachung, Erscheinungsweise und Vertriebsform zu berücksichtigten (BGH WRP 2000, 533 [534] – Facts; GRUR 2002,176 – Automagazin). Schließlich sind Werktitel grundsätzlich nur gegen unmittelbare Verwechslung geschützt; allerdings ist unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt, dass der Verkehr mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden kann, so insb. bei bekannten Titeln regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften (BGH GRUR 1999, 235 [237] – Wheels Magazine; GRUR 1999, 581 [582] – Max; GRUR 2000, 70 [72] – Szene; WRP 2002, 1279 [1281] – 1,2,3, im Sauseschritt).

a) Da die Rspr. schon für Zeitschriftentitel aus rein beschreibenden Elementen („Automagazin”) schwache Kennzeichnungskraft annimmt, kann die Kennzeichnungskraft des klägerischen Titels etwas höher eingeschätzt werden. Der Bestandteil „Markt” für eine Zeitschrift, die eine bestimmte Art von Produkten behandelt – hier DVDs – ist zwar nicht besonders originell, besitzt aber doch immerhin eine gewisse Bildhaftigkeit, wie schon das LG festgestellt hat. Daher kann zugunsten der Klägerin von einer knapp durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ihres Titels ausgegangen werden.

Eine durch langjährige und intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft dieses Titels kann entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht angenommen werden. So lange der Titel nur für ein Einlegeheft der Zeitschrift „Medien Insight” verwendet worden ist, wird der Verkehr ihn ohnehin eher beiläufig zur Kenntnis nehmen. Die Benutzung für ein eigenständiges Heft ist bis zum Kollisionszeitpunkt der beiden Titel im Juli 2001 nur für 8 Monate nachgewiesen, was für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ebenfalls nicht genügen kann.

Auch die Auflagenhöhe von 8.500 Stück hat die Klägerin nicht belegt. Soweit die Beklagte wohl zugestehen will, dass die Auflage jedenfalls 6.600 Stück betrage, fehlt es an jeglicher Darlegung der Marktverhältnisse, insb. der Zahl der potentiellen Abonnenten und der Auflagenhöhe vergleichbarer Magazine. Mit diesen lückenhaften Angaben kann der Senat die Bedeutung des klägerischen Titels nicht einordnen und auch keine erhöhte Kennzeichnungskraft erkennen.

Andererseits hat die Beklagte auch keine Schwächung der Kennzeichnungskraft des klägerischen Titels darlegen können. Bei keinem der eingereichten 10 Ausdrucke einer google-Recherche zum Stichwort „dvd markt” lässt sich erkennen, ob es sich um Zeitschriftentitel handelt.

b) Die Titel der Parteien betreffen identische Werke, nämlich Zeitschriften, und befassen sich – abgesehen von dem bei der Klägerin fehlenden Trägermedium VHS-Video – mit denselben Inhalten. Identisch sind auch Vertriebsform, angesprochene Verkehrskreise und Erscheinungsrhythmus. Diesen Feststellungen des LG ist gleichfalls zuzustimmen.

c) Bei der Frage der Titelähnlichkeit kann zunächst der im Titel der Klägerin vorangestellte Artikel „Der” außer Betracht bleiben, denn diesem ist nur untergeordnete Bedeutung beizumessen. Weder bei der visuellen Wahrnehmung des Titels noch bei der Verwendung in der mündlichen Kommunikation als gehörtes Zeichen wird der Verkehr auf diese Feinheit achten bzw. den Artikel häufig schlicht weglassen.

Entscheidend kommt es also auf den im Titel der Klägerin fehlenden Bestandteil „Video” an. Dieser steht im Titel der Beklagten zwar erst an zweiter Stelle, weist aber auf ein selbständiges inhaltliches Angebot der Zeitschrift hin. Dass dieser Bestandteil bei der visuellen Wahrnehmung des Titels übersehen oder in der mündlichen Kommunikation einfach weggelassen wird, ist auch angesichts der Gesamtlänge des Titels nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten im Markt der DVD- und Video-Zeitschriften 12 weitere Fach- und 6 Publikumszeitschriften existieren, von denen immerhin 11 Magazine die Begriffe DVD und/oder Video im Titel führen. Daher wird gerade der fachkundige Verkehr, um den es hier geht und der auch die Publikumszeitungen zum Thema kennen wird, die Titel nicht verkürzen, um Verwechslungen zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang ist schließlich noch zu berücksichtigen, dass sich DVDs als Trägermedium erst etwa ab dem Jahr 2001 auf breiter Front durchgesetzt haben. Zumindest die Fachkreise werden also damit gerechnet haben, dass mit diesem „Boom” auch eine entspr. Ausweitung des Zeitschriftenangebots zum Thema DVD einhergehen und dementsprechend auch aus diesem Grunde auf Unterschiede in den Titeln eher Acht gegeben würde.

d) Soweit es um die konkrete Aufmachung des angegriffenen Titels der Beklagten geht – wobei der Senat zugunsten der Klägerin unterstellt, dass ihr weiter gefasster Antrag auch die als Heft zur Akte gereichte Form des von der Beklagten beabsichtigten Magazins umfasst –, sieht der Senat mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten: Letztere erschöpfen sich im Wesentlichen darin, dass beide Zeitschriften am oberen Rand des Titelblattes weiß sind und hierauf in schwarzen Großbuchstaben der Titel steht. Im Übrigen fehlt bei dem Titel der Beklagten die recht markante CD bzw. fehlt bei der Klägerin die nicht minder markante rote Farbe und abgesetzte Positionierung des Titelbestandteils „Markt”. Ferner weist das Titelblatt der Klägerin auch am unteren Rand einen etwa gleichbreiten weißen Streifen auf, der bei der Beklagten fehlt und der dem klägerischen Titelblatt eine gewisse Symmetrie verleiht. Schließlich sind die Formate beider Zeitschriften deutlich unterschiedlich.

Trotz knapp durchschnittlicher Kennzeichnungskraft, Werkidentität und der sonstigen unter Ziff. b aufgeführten Gemeinsamkeiten liegen damit i.E. die Titel zu weit auseinander, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bejahen zu können. Dies hat der Sache nach auch das LG so gesehen, denn es begründet die seiner Ansicht nach gegebene unmittelbare Verwechslungsgefahr mit der Überlegung, der Verkehr werde angesichts der Gemeinsamkeiten zwischen den Titeln davon ausgehen, dass die Klägerin selbst ihre Zeitschrift um das Thema VHS-Videos erweitert habe. Damit erkennt der Verkehr also auch nach Meinung des LG die Erweiterung des Titels, also den Unterschied zwischen den Titeln, stellt aber durch eine gedankliche Brücke die Verbindung her und ordnet das Blatt der Beklagten fälschlich der Klägerin zu. Es geht hier folglich auch nach der Auffassung des LG nicht um die Frage der unmittelbaren Verwechslungsgefahr, sondern der mittelbaren Verwechslungsgefahr, gegen die Werktitel – wie bereits ausgeführt – nur ausnahmsweise geschützt sind.

3. Für die anerkannte Fallgruppe der mittelbaren Verwechslungsgefahr – bekannte Titel regelmäßig erscheinender Druckschriften – reicht der Vortrag der Klägerin hingegen nicht aus, da weder die Marktverhältnisse ausreichend dargelegt sind noch bei einer nur 8-monatigen Benutzung vor dem Kollisionszeitpunkt im Juli 2001 eine besondere Bekanntheit des klägerischen Titels in den einschlägigen Fachkreisen auch nur nahe gelegt wäre (s.o. unter Ziff. 2a).

Allerdings schließt die Rspr. nicht aus, dass es auch andere Fallgruppen geben kann, in denen der Verkehr mit einem Titel auch bestimmte Herkunftsvorstellungen verbindet. So hat der BGH in der Entscheidung „Wheels Magazine” (GRUR 1999, 2359) zwischen den Titeln „Wheels Nationals” und „Wheels Magazine” – beides Zeitschriften, die sich mit Oldtimer-Automobilen befassten, und zwar „Wheels Nationals” speziell mit der Berichterstattung über Oldtimer-Treffen und Oldtimer-Messen – trotz großer Werknähe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr angenommen, wohl aber eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil die Herausgeberin von „Wheels Magazine” bis zum Erscheinen von „Wheels Nationals” mit der Organisation und Berichterstattung eben dieser Oldtimer-Treffen befasst war, so dass der Verkehr – so der BGH – die neue Zeitung „Wheels Nationals” dem Verlag von „Wheels Magazine” zurechne.

Auf einen solchen Ausnahmefall stellt auch die Entscheidung „Screen/Screen basics” des 3. Zivilsenats des OLG Hamburg ab (OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 31): Dort ging es um zwei Zeitschriften aus dem Bereich Multimedia und Computer. Der Senat hat eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht gesehen, aber dennoch eine mittelbare Verwechslungsgefahr bejaht, weil der Verkehr denken könne, dass „Screen basics” eine Variante von „Screen” für Anfänger sei.

Ein diesen Beispielen vergleichbarer Ausnahmefall kann vorliegend nicht festgestellt werden. Dass die Klägerin vor Erscheinen des Magazins der Beklagten im Zusammenhang mit VHS-Videos in Erscheinung getreten ist – etwa durch eine Parallelzeitschrift zu ihrem Titel „Der DVD-Markt” – trägt die Klägerin nicht vor. Im Gegenteil ist es unstreitig die Beklagte, die seit 1982 eine Zeitschrift mit diesem Thema herausgibt, so dass Herkunftsvorstellungen des Verkehrs eher in Richtung der Beklagten gehen dürften. Gleiches gilt für den Titelbestandteil „Markt”, den die Beklagte ebenfalls seit 1982 für ihre verschiedenen Publikationen benutzt.

Auch die Überlegungen in der Entscheidung „Screen/Screen basics” passen hier nicht: Bei dem Titelbestandteil „Video” geht es nicht um eine Variante des Themas „DVD” oder – grammatikalisch – ein Attribut zu „DVD”, sondern eben um ein inhaltlich eigenständiges zusätzliches Thema, das im Titel aufgeführt wird.

Ein Weiteres kommt hinzu: Der Titel der Klägerin betrifft die ggü. dem VHS-Video modernere und zukunftsweisende Technik der DVDs. Dass ein Verlag nach Herausgabe einer solchen „im Trend” liegenden Zeitschrift nach wenigen Monaten wieder zur „altmodischen” Technik des VHS-Videos zurückkehrt, erscheint eher fern liegend. Wenn der Verkehr mit dem angegriffenen Titel der Beklagten überhaupt Herkunftsvorstellungen verbindet, wird er eher davon ausgehen, dass der Verlag der Beklagten entspr. der historischen Entwicklung das Thema DVD hinzugenommen und den Titel entspr. angepasst hat.

Da somit auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den in Frage stehenden Titeln festgestellt werden kann, war die Entscheidung des LG abzuändern.

Vorinstanzen

LG Hamburg, 406 O 15/02

Rechtsgebiete

Markenrecht

Normen

GG Art. 5 Abs. 1 S. 2, 12 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 826, 1004; GWB §§ 19 Abs. 4 Nr. 2, 4, 20 Abs. 1; UWG § 1