Arbeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen: Rechte des Betriebsrats

Gericht

ArbG München


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

22. 01. 2004


Aktenzeichen

26 BV 96/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Globalanträge, die wenigstens einen Sachverhalt umfassen, bei dem ein vom Betriebsrat begehrtes Recht nicht oder nicht ohne Einschränkung besteht, sind unbegründet. Das gleiche gilt für ein geleugnetes Recht.

  2. Die Aktualität der Berichterstattung gehört zu den tendenzbedingten Gründen, die eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts bei der Festlegung von Arbeitszeiten der Redakteure rechtfertigen können. Da die inhaltliche, sprachliche und optische Gestaltung eines Presseerzeugnisses maßgeblich durch Erscheinungsweise und Aktualität bestimmt sind, muss es dem Verleger vorbehalten bleiben, für die Arbeitszeit der Redakteure erhebliche Entscheidungen unbeeinflusst vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu treffen, wenn die Aktualität der Berichterstattung berührt wird.

  3. Erscheint eine Zeitschrift am Donnerstag und sind wegen druck- und vertriebstechnisch vorgegebener Zeitabläufe letzte redaktionelle Änderungen am Sonntag möglich, kann der tendenzgeschützte Arbeitgeber einseitig auch Sonntagsarbeit anordnen, wenn die gewünschte Aktualisierung sonst nicht mehr erreicht werden kann.

  4. Legt eine Betriebsvereinbarung Regelarbeitszeiten fest, sind diese für einen „Regelfall“ getroffen, so dass Ausnahmen davon möglich und vorgesehen sind. Außerhalb dieser Regel liegende Arbeitsleistungen verstoßen deshalb nicht automatisch gegen die Betriebsvereinbarung.

Tenor

Der Antrag 1 wird sowohl als Haupt- als auch als Hilfsantrag abgewiesen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beteiligten zu 2), Sonntagsarbeit ohne Zustimmung des Beteiligten zu 1) anzuordnen.

Der Beteiligte zu 1) (im folgenden: Betriebsrat) ist im Rahmen eines gemeinschaftlichen Betriebes mehrerer Unternehmen auch für die Belegschaft der Beteiligten zu 2) (im folgenden: Arbeitgeberin) in München zuständig. Die Arbeitgeberin ist Herausgeberin der Zeitschriften ...

Der Betriebsrat beantragt zuletzt:

  1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen in ihrem Betrieb in München für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer Arbeit anzuordnen oder entgegenzunehmen im Zusammenhang mit Arbeiten an Zeitschriften wie z.B. der Zeitschrift ... oder für ..., die nicht am darauffolgenden Montag erscheinen, sofern der Antragsteller nicht zugestimmt hat bzw. seine Zustimmung durch die Entscheidung einer Einigungsstelle ersetzt ist, es sei denn, es liegt ein außergewöhnlicher Fall i.S. des § 14 ArbZG vor.

  2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, ...

    Hilfsweise zu den Anträgen 1 und 2: Der Antragsgegnerin wird aufgegeben es zu unterlassen, unter Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vom 1.3.2001 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerhalb der dort geregelten Arbeitszeiten einzusetzen.

  3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anträge 1 oder 2 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld auferlegt, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt

Antragsabweisung.

Die Arbeitgeberin trägt vor, daß ...


II.

Antrag 1 ist als Haupt- und Hilfsantrag zulässig, jedoch unbegründet. Antrag 2 ist nicht entscheidungsreif.

1. Antrag 1 ist ein zwar zulässiger, jedoch unbegründeter Globalantrag. Ein Globalantrag ist unbegründet, wenn er auch nur einen Sachverhalt mitumfaßt, bei dem das begehrte Recht nicht oder nicht ohne Einschränkung bzw. das geleugnete Recht doch oder jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen besteht (BAG DB 92, 1732 m.w.N.). Dies bedeutet, daß der vom Betriebsrat ge stellte Antrag 1 nur dann begründet wäre, wenn kein Fall vorstellbar wäre, in dem die Arbeitgeberin berechtigt ist, an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ohne Beteiligung des Betriebsrats für nicht am Montag erscheinende Zeitungen Arbeit anzuordnen mit der Ausnahme von außergewöhnlichen Fällen i.S. von § 14 ArbZG. Solche Fälle sind jedoch sehr wohl denkbar.

Unstreitig hat ein Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und somit auch bezüglich der Anordnung von Samstags- bzw. Sonntagsarbeit. Es ist weiterhin zwischen den Parteien unstreitig, daß die Beklagte ein Tendenzbetrieb i.S. von § 118 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG ist. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes finden somit dann keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.

Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nur für sogenannte Tendenzträger und auch dann nur soweit ausgeschlossen ist, als es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt. Für die Einschränkung eines Mitbestimmungsrechts in sozialen Angelegenheiten bedeutet dies, daß eine Einschränkung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, da es bei den sozialen Angelegenheiten meist um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht. Nur dort, wo tendenzbedingte Gründe für die Anordnung ausschlaggebend sind, entfällt das Mitbestimmungsrecht. Geht es nur darum, den Einsatz von Redakteuren, die immer Tendenzträger sind, dem technisch-organisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses der Zeitschrift anzupassen, ohne daß dabei besondere tendenzbedingte Gründe, wie etwa die Aktualität der Berichterstattung, eine Rolle spielen, müsse wegen der Eigenart eines Presseunternehmens das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht zurücktreten (BAG AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 172). Die Aktualität der Berichterstattung gehört allerdings zu den tendenzbedingten Gründen, die eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts bei Arbeitszeitfestlegungen von Redakteuren rechtfertigen können. Wie der unterschiedliche Charakter von Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bzw. Zeitschriften, aber auch von Boulevardzeitungen und anspruchsvolleren Tageszeitungen zeigt, wird die inhaltliche, sprachliche und optische Gestaltung eines Presseerzeugnisses maßgeblich durch seine Erscheinungsweise und seine Aktualität bestimmt. Daraus ergibt sich, daß es dem Verleger vorbehalten bleiben muß, solche für die Arbeitszeit der Redakteure erheblichen Entscheidungen unbeeinflußt vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu treffen, durch die die Aktualität der Berichterstattung berührt wird (BAG, AP Nr. 49 zu § 118 BetrVG 1972).

Sowohl die Zeitschrift ... als wöchentlich erscheinendes sogenanntes "People-Magazin" als auch Sonderausgaben wie ... leben eindeutig von ihrer Aktualität. Die Leser dieser Zeitschriften wollen aktuellst informiert sein über die neuesten Geschichten der gerade interessanten Prominenten. Damit gehört die Entscheidung, wie aktuell eine solche Zeitschrift sein soll bzw. welche hyperaktuellen Ereignisse noch aufgenommen werden sollen, zum ureigensten Entscheidungsbereich des Verlegers, der vom Betriebsrat und dessen Mitbestimmungsrechten nicht eingeschränkt werden kann. Bestes Beispiel dafür ist der Grund für die am 2.3.2003 angeordnete Sonntagsarbeit, die hier Streitgegenstand ist. Die Entscheidung, die sogenannte "Kahn-Story" zu aktualisieren und in allen Ausgaben der ... nicht die "Heile Welt Geschichte" von Oliver Kahn, seiner schwangeren Ehefrau und seinem Kind erscheinen zu lassen, sondern auf die kurzfristig bekanntgewordene Geschichte seiner Geliebten zu reagieren, gehört zum innersten Bereich der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit. Es ist allein Sache des Verlegers zu entscheiden, ob eine überholte Geschichte noch publiziert wird, oder ob diese aufgrund aktueller Ereignisse angepaßt wird. Diese Freiheit kann nicht durch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates eingeschränkt werden.

Wenn nun aufgrund der Grundsatzentscheidungen des Verlegers, die Zeitschrift am Donnerstag erscheinen zu lassen und wegen der drucktechnisch und vertriebstechnisch vorgegebenen Zeitabläufe eine letzte redaktionelle Änderung am Sonntag möglich ist, so bedeutet dies, daß die tendenzgeschützte Arbeitgeberin auch Sonntagsarbeit anordnen kann, wenn ansonsten die gewünschte Aktualisierung nicht mehr erreicht werden kann.

Somit steht fest, daß Fälle denkbar sind, in denen die Arbeitgeberin Samstags-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit anordnen kann, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, obwohl kein unabsehbares Ereignis i.S. von § 14 ArbZG vorliegt. Da der vom Betriebsrat gestellte Antrag 1 jedoch auch die Anordnung von Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit in solchen Fällen verbieten würde, ist er als unbegründeter Globalantrag abzuweisen.

Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, inwieweit es der Beklagten möglich gewesen wäre, die von ihr gewünschte Aktualität wegen der ...-Verleihung bzw. der ...-Verleihung organisatorisch anders und ohne die Anordnung von Sonntags- bzw. Feiertagsarbeit zu regeln. Auch wenn die Beklagte durch diese Anordnungen gegen § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG verstoßen haben sollte - wofür insbesondere bei der Feiertags- und Sonntagsarbeit wegen des Sonderhefts zur ...-Verleihung einiges spricht -, sind auch andere Fälle denkbar und der Antrag bleibt ein unbegründeter Globalantrag.

2. Auch der Hilfsantrag ist zulässig, jedoch unbegründet. In der Betriebsvereinbarung vom 1.3.2001 haben Personalleitung und Betriebsrat ausweislich des Einleitungssatzes die Regelarbeitszeiten bei der Arbeitgeberin festgelegt. Wenn Vereinbarungen für einen "Regelfall" getroffen werden, bedeutet dies immer, daß Ausnahmen von der Regel möglich und vorgesehen sind. Somit ist die Arbeitsleistung an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen nicht automatisch ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung und der Hilfsantrag damit ebenfalls ein unbegründeter Globalantrag.


III.

Gegen diesen Beschluß kann der Beteiligte zu 1) Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München einlegen. Im einzelnen gilt:


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann der Beteiligte zu 1) Beschwerde einlegen.

Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim

Landesarbeitsgericht München
Winzererstraße 104
80797 München

eingelegt werden.

Die Beschwerde muss innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich begründet werden.

Beide Fristen beginnen spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses.

Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn die Beschwerde für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder Zusammenschluss eingelegt wird.

Die Vorsitzende:

Hauf
Richterin am Arbeitsgericht

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht