Investigativer Journalismus zur Schleichwerbung im Fernsehen

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 01. 2004


Aktenzeichen

29 U 4872/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei einer objektiven wettbewerbsgeeigneten Handlung eines Gewerbetreibenden im geschäftlichen Verkehr spricht nach der Lebenserfahrung regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, dass auch in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gegeben sind. Die Vermutung ist jedoch dann entkräftet, wenn lediglich zu dem Zweck gehandelt wird, einem Journalisten bei einer verdeckten journalistischen Recherche zu helfen.

  2. Die Wettbewerbsabsicht ist nicht nach den Regeln der Willenserklärung zu beurteilen. Die Reglung des § 116 BGB findet insoweit keine Anwendung. Ob der Handelnde in subjektiver Hinsicht zu Zwecken des Wettbewerbs vorgegangen ist, ist eine vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheidende Tatfrage.

  3. Eine Vereinbarung über die Verschwiegenheit hinsichtlich Geschäften, die gegen wichtige, rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen (hier: Platzierung von Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen), verstößt gegen die guten Sitten, § 138 Abs. 1 BGB, und ist unwirksam.

  4. Bei der Konkretisierung offener Normen wie der §§ 823,826 iVm 1004 BGB ist zu Gunsten des Verletzers Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Es handelt sich bei diesen Vorschriften zwar um allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG; diese allgemeinen Gesetze müssen jedoch ihrerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt und angewandt werden, damit dessen wertsetzender Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene Rechnung getragen wird.

  5. Auch ein Unternehmensberater kann sich, wenn er einem Journalisten bei einer verdeckten Recherche hilft, als journalistische Hilfspersonen auf den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit berufen.

  6. Bei der Konkretisierung des Merkmals "unbefugt" im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 letzter Halbsatz UWG ist im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Gunsten des Verletzers Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen.

  7. Gegenstand der Strafvorschrift des Betrugs ist das Verbot der Vermögensschädigung durch Täuschung und Irrtumserregung, nicht hingegen der Mitteilung, Weitergabe oder Verwertung von durch Täuschung erlangten Unterlagen. § 263 StGB hierauf anzuwenden, liefe auf eine unzulässige Ausdehnung der dieser Strafvorschrift zugrunde liegenden Verbotsnorm über deren Regelungsgegenstand hinaus.

  8. Ein Unterlassungsantrag, der lediglich gesetzeswiederholenden Charakter hat ist mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.

Tenor

  1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.08.2003 - 4HK O 9748/03 wird zurückgewiesen.

  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine Unternehmensberatungsgesellschaft, macht gegen den Antragsgegner im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit einer vom Antragsgegner im Zusammenwirken mit dem Joumalisten ... vorgenommenen Geschäftsanbahnung geltend. Bei dieser Geschäftsanbahnung täuschte der Antragsgegner die Mitarbeiter der Antragstellerin, indem er sich als Berater eines fiktiven, namentlich nicht genannten Kunden vorstellte und indem er ... als seinen freien Mitarbeiter und Unternehmensberater unter dem Falschnamen Bergkamp einführte. ...

Die Antragstellerin beantragt:

  1. Das Urteil des Landgerichts München I, 4 HKO 9748/03 vom 28.08.2003 wird aufgehoben.

  2. Dem Antragsgegner wird es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs oder sonst, selbst oder durch Dritte:

    a) die in diesem Verfahren als Anlagen K 4 und K 17 beigefügten Schreiben vom 21.08.2002 und vom 23.04.2003 oder deren Inhalt ganz oder in Teilen, wörtlich oder sinngemäß Dritten mitzuteilen, an diese weiterzugeben, zu verwerten oder in sonstiger Weise außerhalb der Geschäftsbeziehungen der Streitparteien zu gebrauchen oder sonst Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ohne Gestattung der Antragstellerin mitzuteilen

    b) das in Geschäftsbesprechungen mit der Antragstellerin vertraulich gesprochene Wort oder die hieran beteiligten Personen, insbesondere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Antragstellerin, visuell und/oder akustisch aufzuzeichnen oder aufzeichnen zu lassen und/oder diese Aufzeichnungen Dritten zugänglich zu machen, zugänglich machen zu lassen, zur Verfügung zu stellen, zur Verfügung stellen zu lassen, oder diese Aufzeichnung in sonstiger Weise zu verwerten oder verwerten zu lassen.

Der Antragsgegner beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner macht geltend, ...


II.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist bezüglich beider Unterlassungsanträge nicht begründet.

1. Die im Berufungsverfahren von der Antragstellerin vorgenommene Antragsänderung bezüglich des Unterlassungsantrags Nr. 2 Buchst. a ist wegen Sachdienlichkeit bei unverändertem Sachverhalt zulässig (§ 533 ZPO). Die Antragstellerin hat damit auf den gerichtlichen Hinweis in der Ladungsverfügung betreffend die Bestimmtheit des Antrags reagiert.

2. Der Unterlassungsantrag Nr. 2 Buchst. a ist hinsichtlich des Antragsteils "oder sonst Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ohne Gestattung der Antragstellerin mitzuteilen" mangels hinreichender Bestimmtheit weiterhin unzulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil dieser Teil lediglich gesetzeswiederholenden Charakter (vgl. § 17 UWG; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 51, Rdn. 8a) hat. Der übrige, abspaltbare Teil des Antrags, der auf die Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) Bezug nimmt und konkrete Verletzungshandlungen zum Gegenstand hat, ist bis auf den seinerseits abspaltbaren Teil "oder in sonstiger Weise außerhalb der Geschäftsbeziehungen der Streitparteien zu gebrauchen" hinreichend bestimmt (vgl. BGH GRUR 1977, 114, 115 - VUS zur Zulässigkeit der Wendung "sinngemäß"). Letztlich kann dieses Bestimmtheitsproblem jedoch im vorliegenden Eilverfahren im Hinblick darauf, dass der Antragstellerin kein Verfügungsanspruch zur Seite steht (vgl. dazu sogleich unter Nr. 3) dahinstehen.

3. a) Auf § 1 UWG kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Nr. 2 Buchst. a nicht gestützt werden. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob zwischen den Parteien, die beide auf dem Feld der Untemehmensberatung tätig sind, ein konkretes oder jedenfalls abstraktes (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG) Wettbewerbsverhältnis besteht. Der Antragsgegner hat nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Allerdings kann die objektive Wettbewerbseignung des Handelns des Antragsgegners, der unter seinem Briefkopf "proCoach Kommunikation im Unternehmen" aufgetreten ist (vgl. Anlagen K 2, K 6, K 8, K 9, K 14), nicht ausgeschlossen werden. Der Antragsgegner hat jedoch subjektiv nicht in der Absicht gehandelt, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Zwar spricht beim Handeln von Gewerbetreibenden im geschäftlichen Verkehr bei einer wie im Streitfall objektiv wettbewerbsgeeigneten Handlung nach der Lebenserfahrung regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, dass auch in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gegeben sind (vgl. BGH GRUR 1997, 761, 763 f- Politikerschelte). Diese Vermutung ist indes im Streitfall entkräftet. Die Wettbewerbsabsicht braucht zwar nicht die einzige oder wesentliche Zielsetzung des Handelnden sein; es genügt, wenn mit der in Rede stehenden Handlung auch Wettbewerbszwecke verfolgt werden, die nicht als völlig nebensächlich hinter dem eigentlichen Beweggrund zurücktreten (vgl. BGH aaO 764). Im Streitfall hat der Antragsgegner jedoch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er lediglich zu dem Zweck gehandelt hat, dem mit ihm befreundeten Journalisten bei einer verdeckten journalistischen Recherche im Zusammenhang mit dem Verdacht, die Antragstellerin platziere in Fernsehsendungen Schleichwerbung, zu helfen. Das ergibt sich aus den eidesstattlichen Versicherungen des Antragsgegners vom 24.07.2003 (Anlage AG 1) und ... vom 24.07.2003 (Anlage AG 3). Der Antragsgegner hat des Weiteren eine Liste einschlägiger Veröffentlichungen von ... zum Themenfeld "Schleichwerbung und Product Placement" (Anlage AG 2) vorgelegt, die belegen, dass sich ... seit Jahren mit diesen Themen beschäftigt und hierzu publiziert. Ferner hat der Antragsgegner Ergebnisse der Recherchetätigkeit des ... zur Verbreitung von Schleichwerbung in der Serie Marienhof (Anlagen B 6 bis B 24) vorgelegt. Danach ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner lediglich zu dem vorstehend genannten Zweck, nämlich Hilfe für ... bei einer verdeckten joumalistischen Recherche, nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat. Soweit sich die Antragstellerin demgegenüber darauf beruft, der Antragsgegner sei als Unternehmensberater an die Antragstellerin herangetreten mit der Folge, dass ein etwaiger geheimer Vorbehalt nach § 116 BGB unbeachtlich sei, hat sie hiermit keinen Erfolg. Die Wettbewerbsabsicht ist nicht nach den Regeln der Willenserklärung zu beurteilen; ob der Handelnde in subjektiver Hinsicht zu Zwecken des Wettbewerbs vorgegangen ist, ist eine vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheidende Tatfrage (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. AufI., Einf Rdn. 219).

b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Nr. 2 Buchst. a kann auch nicht auf eine vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarung gestützt werden. Allerdings ist zwischen den Parteien eine Vertraulichkeitsvereinbarung zustande gekommen. Das ergibt sich aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 23.04.2003 (Anlage K 17) an den Antragsgegner sowie dem Antwortschreiben vom 04.05.2002 (richtig: 2003)(Anlage K 8); in dem Schreiben vom 23.04.2003 wird ausgeführt, Herr Bergkamp, bei dem es sich in Wirklichkeit um ... handelte, habe bei dem Gespräch vom 22.04.2003 auch im Namen des Antragsgegners zugesagt, sämtliche Informationen absolut vertraulich zu behandeln. Diese Zusage ist dem Antragsgegner zuzurechnen. Er hat nämlich in dem mit seiner Unterschrift versehenen Antwortschreiben vom 04.05.2002 (richtig: 2003) (Anlage K 8) dem genannten Punkt nicht widersprochen, sondern vielmehr ausgeführt, dass ihm Herr Bergkamp über das am 22.04.2003 geführte Gespräch in dem von der Antragstellerin schriftlich festgehaltenen Sinne berichtet habe; dies ist nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass der Antragsgegner der vertraulichen Behandlung sämtlicher Informationen zustimmt. Jedenfalls muss sich der Antragsgegner die Vertraulichkeitszusage nach den Grundsätzen des kaufmännischen und beruflichen Bestätigungsschreibens (vgl. dazu Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 346, Rdn. 16 ff) zurechnen lassen. An der vorstehenden Beurteilung ändert nichts, dass der Antragsgegner am Ende des Schreibens vom 04.05.2002 (richtig: 2003) (Anlage K 8) zusätzlich eine vertraulich zu behandelnde Demokassette erbeten und in diesem Zusammenhang ausführt hat "Ich verstehe, dass Ihr Geschäft Vertraulichkeit verlangt, kann Ihnen aber momentan noch keinen anderen Bescheid geben".

Die vorstehend genannte Vertraulichkeitsvereinbarung ist indes nichtig; sie verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB). Rechtsgeschäfte, die gegen wichtige rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen, können sittenwidrig sein (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 138, Rdn. 42). Das gilt etwa für eine Vereinbarung, mit der Verschwiegenheit bezüglich Geschäften versprochen wird, die den Tatbestand der Untreue erfüllen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.03.1981 - 13 U 166/79, in juris dokumentiert). Ein ähnlicher Fall, bei dem die Vertraulichkeitsvereinbarung gegen wichtige rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstößt, liegt hier vor. Die Vertraulichkeitsvereinbarung zielt nämlich darauf, geheim zu halten, dass sich die Tätigkeit der Antragstellerin auf die Platzierung getarnter Werbung u.a. im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegen Entgelt erstreckt. Letzteres ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben vom 23.04.2003 (Anlage K 17), in dem "Themen-Placements für im deutschen Film und Fernsehen" behandelt werden. Die in diesem Schreiben und dessen Anlagen angebotene Tätigkeit der Antragstellerin geht über eine bloße Requisitenbereitstellung weit hinaus. In dem Schreiben vom 23.04.2003 (Anlage K 17) heißt es u.a. "Wir waren uns in diesem Zusammenhang einig, dass es nicht nur darum geht, ... ausstattungsmäßig in die Handlung zu integrieren, sondern beim Zuschauer eine erhöhte Aufmerksamkeit und Emotionalität zu verschaffen.". In der Anlage 1 zu diesem Schreiben heißt es u.a. "Die Serie ist für Ihre Marke und für die Kommunikation verschiedener Kollektionen optimal"; "Die kommunikativen Themen für die dramaturgische Einbindung der ... in der täglichen Serie können wir soweit wie möglich zeitlich mit den laufenden Kampagnen abstimmen."; "Für jede Folge mit "aktiver Beratungsumsetzung" entstehen Beratungskosten in Höhe von ...". Aus dem Medieninfo (Seite 3 zur Anlage 1) geht hervor, dass es sich bei der ins Auge gefassten Serie um eine in der ARD ausgestrahlte Serie handelt. In der Anlage 2 zum Schreiben vom 23.04.2003, die ein Themenplacment in dem Kinofilm "..." Teil 2 behandelt, heißt es u. a.: "2.1 Im Rahmen der Beratung wird gewährleistet, dass die ... handlungsbezogen in dem Drehbuch des Projekts verankert und damit im Rahmen der unten genannten Mindestgarantien präsentiert wird:" ; "2.3 Die für dieses Projekt entwickelten Szenen und Ideen gewährleisten, dass ..."

Schleichwerbung und entsprechende Praktiken sind in Rundfunk und Fernsehen unzulässig (§ 7 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV)) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.07.2001 (BayGVBI 2001, S. 502), zuletzt geändert am 20.02.2003, BayGVBI 2003, S. 147). Dem entspricht das Verbot von Schleichwerbung gemäß Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie des Rates vom 03.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, geändert durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.06.1997. Schleichwerbung ist die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann; eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV; vgl. auch das Verbot von Schleichwerbung/Product Placement in den ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring in der Fassung vom 6. Juni 2000 (Nr. 8)). Der Rundfunkstaatsvertrag sieht für Veranstalter von bundesweit verbreitetem Rundfunk in § 49 Abs. 1 Nr. 6 RStV sogar eine Bußgeldbestimmung bei Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung von Schleichwerbung und entsprechender Praktiken vor (vgl. zum Begriff des Veranstalters OLG Celle, Beschluss vom 23.05.2002 - 222 Ss 34/02 (OWi)). Getarnte Werbung in Kino- oder Fernsehfilmen, für die der Interessierte Zahlungen oder andere über bloßes Zurverfügungstellen von Requisiten hinausgehende Leistungen von einigem Gewicht erbringt, verstößt darüber hinaus regelmäßig gegen § 1 UWG (vgl. BGHZ 130, 205, 216 f, 222 -"Feuer, Eis & Dynamit l"; OLG München ZUM 1995, 888, 889). Werbung ist grundsätzlich dem Adressaten als solche kenntlich zu machen; die auf Täuschung angelegte Tarnung einer Werbemaßnahme wird regelmäßig weder dem das Wettbewerbsrecht beherrschenden Wahrheitsgrundsatz noch dem Gebot der Achtung der Persönlichkeitssphäre der Zuschauer gerecht (vgl. BGHZ 130, 205, 213 f - "Feuer, Eis & Dynamit l"). Vor diesem Hintergrund ist die vorstehend genannte Vertraulichkeitsvereinbarung, die darauf zielt, geheim zu halten, dass sich die Tätigkeit der Antragstellerin auf die Platzierung getarnter Werbung u.a. im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegen Entgelt erstreckt, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

c) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Nr. 2 Buchst. a kann auch weder auf § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb noch auf § 826 BGB, § 1004 BGB gestützt werden. Bei der Konkretisierung dieser offenen Normen ist die Bedeutung der Grundrechte - hier auf Seiten des Antragsgegners die grundrechtliche Verbürgung der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG)(vgl. unten aa), auf Seiten der Antragstellerin das grundrechtlich neben Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG durch Art. 14 GG verbürgte Recht auf Datenschutz (vgl. BVerfGE 84, 23 9, 279) - zu berücksichtigen. Die Vorschriften der §§ 823 und 826 BGB i.V.m. § 1004 BGB sind allgemeine Gesetze im Sinne des Art.5 Abs.2 GG (vgl. BVerfGE 66, 116, 138), diese allgemeinen Gesetze müssen jedoch ihrerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt und angewandt werden, damit dessen wertsetzender Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 94, 1, 8). Die genannte Konkretisierung und Abwägung führt im Streitfall dazu, dass dem Antragsgegner die Weitergabe der Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) zum Zwecke der pressemäßigen Verwertung im Rahmen einer Kritik der Geschäftspraktiken der Antragstellerin im Bereich getarnter Werbung, wie sie sich aus den genannten Schreiben ergeben, nicht untersagt werden kann (vgl. unten bb). Bezüglich einer Verwendung oder Weitergabe der genannten Schreiben zu anderen Zwecken besteht weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr (vgl. unten cc)).

aa) Soweit die Weitergabe der Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) und der darin enthaltenen Informationen die vorstehend genannte Kritik in tatsächlicher Hinsicht untermauern soll nimmt die Weitergabe dieser Schreiben am Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) teil (vgl. BVerfGE 66, 116,136). Der Antragsgegner kann sich als joumalistische Hilfsperson, der dem Journalisten ... bei einer Publikation über Schleichwerbung im Fernsehen unter Involvierung der Antragstellerin hilft, unbeschadet seines Berufs als Unternehmensberater auf den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit berufen (vgl. BVerfGE 95, 28, 36; BVerfGE 77, 346, 354), wie er das im vorliegenden Verfahren tut. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) und die darin enthaltenen Informationen im Zusammenwirken mit ... durch Täuschung erlangt hat, indem er sich als Berater eines fiktiven, namentlich nicht genannten Kunden vorgestellt und indem er den Journalisten als seinen freien Mitarbeiter und Unternehmensberater unter dem Falschnamen Bergkamp eingeführt hat. Auch die Publikation rechtswidrig recherchierter Informationen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 66, 116, 137; Schlottfeldt, Die Verwertung rechtswidrig beschaffter Informationen durch Presse und Rundfunk, 2002, S. 233, 240).

bb) Der Stellenwert der Gewährleistung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG wird bei der Konkretisierung offener Normen wie § 823, § 826 BGB vor allem durch zwei Faktoren bestimmt. Auf der einen Seite kommt es auf den Zweck der strittigen Äußerung an. Auf der anderen Seite ist aber auch das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches der genannte Zweck verfolgt wird (vgl. BVerfGE 66, 116, 139). Im Streitfall geht es (und dem Antragsgegner als dessen Helfer) darum, wie der Antragsgegner glaubhaft gemacht hat, Missstände aufzudecken und zu kritisieren, die darin bestehen, dass die Antragstellerin Geschäftstätigkeiten entfaltet, die auf die Platzierung getarnter Werbung in Fernsehfilmen gegen Entgelt zielen. Bei diesem Anliegen handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund des Verbots von Schleichwerbung und entsprechender Praktiken wesentlich berührenden Frage (vgl. BVerfGE 66, 116, 139). Dies spricht für die Zulässigkeit der Weitergabe der Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) zum Zwecke der pressemäßigen Verwertung im Rahmen einer Kritik der Geschäftspraktiken der Antragstellerin im Bereich getarnter Werbung, wie sie sich aus den genannten Schreiben ergeben.

Gegen diese Zulässigkeit spricht allerdings, dass der Antragsgegner die Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) im Zusammenwirken mit ... durch Täuschung erlangt hat, indem er sich als Berater eines fiktiven, namentlich nicht genannten Kunden vorgestellt und indem er den Journalisten ... als seinen freien Mitarbeiter und Unternehmensberater unter dem Falschnamen Bergkamp eingeführt hat. Diese Täuschung in der Absicht, mit den auf diese Weise erlangten Informationen eine Publikation zum Thema Schleichwerbung zu ermöglichen, die sich für die Antragstellerin nachteilig auswirken kann, verletzt das Recht in schwerwiegender Weise (vgl. BVerfGE 66, 116, 13 9, 142; Schlottfeldt aaO S. 174 f). Indes überwiegt im Streitfall ausnahmsweise die Bedeutung der durch Täuschung erlangten Informationen die Nachteile, welche die Täuschung für die Antragstellerin, die in ihrem Recht auf Datenschutz, das grundrechtlich neben Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG durch Art. 14 GG verbürgt ist (vgl. BVerfG 84, 239, 279), betroffen ist, nach sich zieht. Denn es geht bei den aufzudeckenden Geschäftspraktiken im Bereich getarnter Werbung insbesondere im Fernsehen um rechtswidrige Verhaltensweisen, die in Teilbereichen sogar mit Bußgeld bewehrt sind. Hinzu kommt, dass die genannten Geschäftspraktiken anders als durch eine verdeckte Recherche, die nach presseethischen Standards ausnahmsweise zulässig sein kann, nicht aufgedeckt werden konnten. Nach der Richtlinie Nr. 4.1 Abs. 2 zum Pressekodex in der Fassung vom 20.06.2001, der vom Deutschen Presserat in Zusammenarbeit mit den Presseverbänden beschlossen wurde, ist verdeckte Recherche im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind (vgl. dazu Schlottfeldt aaO S. 175 f). Letzteres ist hier der Fall. Der vom Journalisten ... gehegte Schleichwerbungsverdacht in Richtung gegen die Antragstellerin hätte durch offene Recherche etwa im Wege einer Anfrage bei der Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht geklärt und ggf. erhärtet werden können. Bei den inmitten stehenden Informationen handelt es sich auch, wie bereits ausgeführt, im Hinblick auf das Verbot von Schleichwerbung und entsprechender Praktiken insbesondere im Fernsehen um solche von besonderem öffentlichen Interesse.

cc) Für eine Verwendung oder Weitergabe der Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) seitens des Antragsgegners zu anderen Zwecken als der pressemäßigen Verwertung im Rahmen einer Kritik der Geschäftspraktiken der Antragstellerin im Bereich getarnter Werbung besteht weder eine Wiederholungs- noch eine Erstbegehungsgefahr. Denn der Antragsgegner hat nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, sondern zu dem Zwecke der Hilfe für ... bei einer verdeckten journalistischen Recherche.

d) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Nr. 2 Buchst. a kann auch nicht auf § 823 Abs. 2, § 1004 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. zum Schutzgesetzcharakter von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG vgl. Palandt/Sprau aaO § 823, Rdn. 67) gestützt werden. Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei den in den Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vorn 23.04.2003 (Anlage K 17) enthaltenen Informationen um Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin handelt und ob diese Geheimnisse ihren Geheimnischarakter durch die Interviews von im Mai 2003 mit Herrn ... von der ... GmbH, mit Herrn ... vom ... und mit dem ... Redakteur ... verloren haben; unter einem Geschäftsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers, der auf einem ausreichenden wirtschaftlichen Interesse beruht, geheimgehalten werden soll (vgl. BayObLG WRP 2001, 285, 286). Als Geheininishehlerei (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG) kommt im Streitfall, da § 17 Abs. 1 UWG von vornherein nicht einschlägig und auch keine der Tathandlungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG erfüllt ist, allenfalls die Variante "oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandern mitteilt" in Betracht. Infolge der vorstehend erörterten Täuschung der Mitarbeiter der Antragstellerin hat sich der Antragsgegner die Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) und die darin enthaltenen Informationen allerdings unbefugt verschafft (vgl. Köhler/Piper aaO § 17 UWG, Rdn. 39). Der Antragsgegner hat sodann, wie unstreitig ist, die genannten, an ihn adressierten Schreiben vom 21.08.2002 (Anlage K 4) und vom 23.04.2003 (Anlage K 17) dem Journalisten zugänglich gemacht. Diese Mitteilung (vgl. zum Tatbestandsmerkmal der Mitteilung Diemer in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 17 UWG, Rdn. 46 i.V.m. Rdn. 18) war jedoch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG nicht unbefugt; die bei der Konkretisierung der offenen Normen der § 823, § 826 BGB erforderliche Abwägung ist entsprechend bei Konkretisierung des Merkmals "unbefugt" im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 letzter Halbsatz UWG vorzunehmen; diese Abwägung geht unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG auch hier zugunsten des Antragsgegners aus. Auf die vorstehenden Ausführungen unter Nr. II. 3. c wird Bezug genommen. Deshalb kann im Streitfall dahinstehen, ob der Antragsgegner im Übrigen die nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderliche Absicht (vgl. dazu Köhler/Piper aaO § 17 Rdn. 40 i.V.m. Rdn. 21 ff) gehabt hat.

e) Schließlich kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Nr. 2 Buchst. a auch nicht auf § 823 Abs. 2, § 1004 BGB i.V.m. § 263 StGB gestützt werden, weil Gegenstand der Strafvorschrift des Betrugs das Verbot der Vermögensschädigung durch Täuschung und Irrtumserregung, nicht hingegen der Mitteilung, Weitergabe oder Verwertung von durch Täuschung erlangter Unterlagen ist (vgl. BGH WRP 1983, 209, 211 - Stapel-Automat [zur vergleichbaren Problematik bei § 17 Abs. 1 UWG bei einer auf Unterlassung der Verwertung gerichteten Klage]). § 263 StGB hierauf anzuwenden, liefe auf eine unzulässige Ausdehnung der dieser Strafvorschrift zugrunde liegenden Verbotsnorm über deren Regelungsgegenstand hinaus (vgl. BGH aaO). Außerdem istjedenfalls eine Bereicherungsabsicht des Antragsgegners nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

4. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind auch bezüglich des Unterlassungsantrags Nr. 2 Buchst. b nicht gegeben. Es kann im vorliegenden Eilverfahren dahinstehen, ob dieser Antrag im Hinblick auf die Orientierung am Gesetzestext (vgl. § 201 StGB) hinreichend bestimmt ist (vgl. BGH WRP 1992, 482, 483 - Ortspreis). Jedenfalls ist eine Verletzungshandlung des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes der Mitarbeiter der Antragstellerin bzw. im Zusammenhang mit optischer Ausspähung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Vielmehr wird der Vortrag des Antragsgegners, ihm sei die von ... verwendete Videoaufzeichnung nicht bekannt gewesen, auch habe er von den Gesprächen des -... mit dem ... Redakteur keinerlei Kenntnis gehabt, durch die Eidesstattliche Versicherung von vom 27.08.2003 (Anlage AG 6) bestätigt; danach hat dieser das betreffende Video dem Antragsgegner nicht vorgespielt; dieser, der Antragsgegner, kenne diese Aufnahme nicht; ebenso wenig habe der Antragsgegner von dem Recherchegespräch mit dem ...-Redakteur ... am 26.05.2003 gewusst. Danach besteht für eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes der Mitarbeiter der Antragstellerin bzw. für eine optische Ausspähung seitens des Antragsgegners unbeschadet des sonstigen gemeinschaftlichen Zusammenwirkens mit weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr. Bei dieser Sachlage kann hier dahinstehen, ob sich auch die Antragstellerin, eine juristische Person, auf § 201 StGB, dessen Rechtsgut die Privatsphäre der betreffenden natürlichen Person ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 5 1. Aufl., § 20 1, Rdn. 2; ferner Schlottfeldt aaO S. 128 f), berufen kann.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO


Wörle
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht

Cassardt
Richter
am Oberlandesgericht

Dr. Kartzke
Richter
am Oberlandesgericht

Rechtsgebiete

Presserecht